Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Wilfried

Aktives Mitglied
Ich frage mich, wie die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert waren?
Von 9 n.Chr. bis 16 n,Chr ist doch eine ganz schöne Zeit. Und die Heere des Varus und vorallem dann des Germanicus waren ja nun vergleichsweise groß.
Gut, bei Varus Ende mögen nur noch 3000 -6000 kämpfende Römer dabei gewesen sein, aber Germanicus ist sicher nicht mit stark verminderter Mannschaftsstärke eingefallen.
Und das wären dann bis zu 32 0000 Männer + Troß. Wie haben die annähernd so viele Krieger auf die Beine gestellt und vor allem, neben den beutemachenden Römern auch noch versorgt?
Wie haben die das organisiert?? Frauen , Kinder und Vieh wollten ja auch was Essen und die Felder waren ja auch zu bestellen.
Das über 6-7 Jahre, nur aus der Norddeutschen Tiefebene und den Randgebieten?
Welche Art von "Verwaltung" stand dahinter? Auf germanischer Seite
 
zeitlich zuvor in den keltischen Optimates ("Fürsten" etc.) und später den germanischen solchen hatten die Römer Ansprechpartner für Verträge, für Abkommen; obendrein war die Grenze des expandierenden römischen Imperiums keine hermetisch abgeriegelte Berliner Mauer: man trieb Handel, und das sicher nicht wenig. Kurzum waren die als unzuverlässig gescholtenen Barbaren keine "Wilden", die nichts zu bieten hatten. Obendrein war es, wie Rückschläge immer wieder demonstrierten, gar nicht so einfach, die "Barbaren" zu besiegen - ja mit der Zeit wurde das sogar schwieriger...

Die Römer brachten große Streitmächte auf - ihre Gegner allerdings waren eben auch in der Lage, solche aufzubringen (eine kleine "Heldenschar" wird keine große Legion aufhalten)

Zwar liest man immer wieder von germanischer Subsistenzwirtschaft, aber ob das in den grenznahen (Handel!) Territorien auch immer gilt, ist eher zweifelhaft. Allerdings brachten die Germanen nicht jedes Jahr, sondern eben nur gelegentlich sehr große Heere auf: wahrscheinlich waren mit solchen Großereignissen dann auch die vorhandenen Mittel ausgeschöpft.

Dass allerdings eine doch recht kriegerische Gesellschaft immer wieder Streitmächte aufstellte, "Heerkönige" hatte, ist dann gar nicht mehr so verwunderlich.
 
Die Germanen haben das mit dem Krieg führen wohl genau so gemacht, wie alle antiken Bürgerarmeen. Dabei kamen dann ganz stattliche Armeen zusammen, wenn jeder erwachsene Mann zur Waffe griff.

Wie man in den germanischen Wäldern überlebt, wenn die Römer die Ernte vernichtet haben, werden wir wohl nie erfahren. Es ging aber anscheinend irgendwie. Angesichts der Zersiedlung in einem Riesenland, werden sich die Schäden aber auch in Grenzen gehalten haben.

Auf Dauer wären die Germanen wohl in die Knie gegangen. Aber wenn das so lange gedauert hätte wie in Spanien, dann wären Germanicus Urenkel noch gut beschäftigt gewesen. Und das nur für den kleineren Teil Germaniens.
 
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Wirtschaftlich waren die Germanen wohl eher dezentral organisiert, also vorwiegend subsistenzwirtschaftlich. Man traf, wenn man die Ernte zerstörte eher einen Hof oder einen Weiler, weniger eine ganze Gesellschaft.

Wie sie gefolgschaftlich organisiert waren, da gibt es ganz interessante Theorien. Man lese dazu die Rahmenbeiträge des Bandes Konflikt der Ausstellungskataloge 2000 Jahre Varusschlacht, der eine behandelt das germanische Königtum anhand des Nibelungenliedes und seiner drei Königstypen (eben Siegfried, Gunther und Etzel), der andere vergleicht das germanische Gefolgschaftswesen mit der Gesellschaft gescheiterter afrikanischer Staaten, in denen War Lords herrschen. Man muss aus beiden Artikeln nicht alles mitnehmen, sie sind aber zumindest ganz interessant und eine Überlegung wert.
 
Bisher war ich ja eher der Ansicht, die Germanen , die mit arminius kämpften, seien ziemlich "anarchisch" organisiert gewesen, also anders als z.B. Marbods Markomannen, Burgunder später etc. Irgendwo habe ich mal gelesen, Arminius sei ermordet worden, weil er "König sein wollte".
Sehe ich mir aber die Züge der Römer und die Antwort der Germanen dazu an, muß so ein Aufgebot relativ zügig erfolgt sein, die einzelnen nennen wir sie Warlords müssen irgendwie schnell an einem Strang ziehen, das heißt, sich einig sein. Das klappte ja weder in Afghanistan noch in Afrika. Es ist ja nicht wie in antiken Städten, wo Hunderte von Menschen zusammen wohnen. Wie konnten die so schnell so viele mobil machen?
 
Sie waren sich ja nicht einig. Das war auch 200 Jahre lang Grundlage erfolgreicher römischer Politik. Marbod wurde im Übrigen auch entsorgt. Er regierte nur machte nur etwas länger als Arminius.
Im Falle eines römischen Eroberungsfeldzuges, der etwas vollkommen Anderes ist, als eine einzelne Strafaktion mit einem nachvollziehbaren casus belli, schlossen sich die Stämme aber zusammen.

Vollkommen unorganisiert waren der germanische Adel aber auch nicht. Die Mobilisierung kann mit Meldeläufern und hierarchischen Strukturen durchaus fix gehen. Das ist reine Mathematik. Wenn 10 Läufer 10 Dörfer in einem Tag mit je 100 Mann alarmieren, können diese 100 Dörfer alarmieren und die wiederum 1000 Dörfer. Theoretisch sind nach 1 Woche mehrere 10.000 Mann zum Sammelpunkt unterwegs, wo man sicher erstmal die Lage diskutierte.
Germanicus hat vielleicht den ersten Stamm überrascht. Aber danach wussten die Germanen wohl gut Bescheid, wo er war und konnten Massnahmen ergreifen.
 
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Sehe ich mir aber die Züge der Römer und die Antwort der Germanen dazu an, muß so ein Aufgebot relativ zügig erfolgt sein, die einzelnen nennen wir sie Warlords müssen irgendwie schnell an einem Strang ziehen, das heißt, sich einig sein. Das klappte ja weder in Afghanistan noch in Afrika.
Trotz dieser vermeintlichen Unfähigkeit haben zum Beispiel die Afghanen im Laufe ihrer Geschichte fast jeder Invasion widerstanden. Weder das britsche Empire noch die sowjetische Kriegsmaschinerie konnte sie besiegen. Nur Alexander der Große hat es geschafft, und der ist nach dem Sieg schnellstmöglich weitergezogen.

Vollkommen unorganisiert waren der germanische Adel aber auch nicht. Die Mobilisierung kann mit Meldeläufern und hierarchischen Strukturen durchaus fix gehen.
Es spricht aber nichts dafür, dass es hierarchische Strukturen gab.

Stammesgesellschaften sind in der Regel eher "kleinteilig" strukturiert. Kern dieser Gesellschaften ist die Sippe, in der sich die Beziehungen zwischen den Menschen auf Blutsverwandtschaft und Verschwägerung gründen. Mehrere Sippen bilden eine Siedlungsgemeinschaft, mehrere Siedlungsgemeinschaften bilden einen (Sub-)Stamm, mehrere Stämme bilden einen Großstamm. Großstämme können Stammesverbände bilden.

Die (Sub-)Stämme sind die größten weitgehend stabilen Einheiten, aber auch bei denen sind die Bindungen schon relativ instabil. Sie halten nur, wenn jeder Mensch jeden anderen potenziell kennen und den Weg zu ihm binnen einem Tag zurücklegen kann. Das heißt: 3000 bis 5000 Menschen und ein Siedlungsgebiet, das man in einem Tag zufuß durchqueren kann. Werden Substämme größer, brechen sie auseinander oder entwickeln unweigerlich eine Art "Bürokratie". Nichts deutet darauf hin, dass es in den germanischen Stämmen etwas derartiges gab. Allenfalls im Marbod-Reich kann man die Existenz übergeordneter Verwaltungsstrukturen vermuten.

Grundsätzlich gilt: Je weiter man sich von der Sippe entfernt und zu größeren Gemeinschaften kommt, desto geringer werden die Bindungskräfte und desto instabiler sind die Gemeinschaften. Oder anders ausgedrückt: Es müssen besondere Bindungskräfte existieren, damit ein Großstamm über längere Zeit fortbesteht. Es gibt keine Gesetzmäßigkeiten oder gar institutionalisierte Sanktionsmechanismen, die einen Stamm oder auch eine einzelne Sippe daran hindern, ihr "Zugehörigkeitsgefühl" zu einer Gruppe (Stamm, Großstamm) aufzugeben und auf eine andere Gruppe zu verlagern. Triebfeder für das Zugehörigkeitsgefühl ist ein gemeinsames Interesse.

Bezogen auf die Situation in Germanien heißt das: Es liegt der Verdacht nahe, dass es die Römer waren, die durch ihre (militärisch geprägte) Anwesenheit in Germanien die Stämme bewogen haben, gemeinsame Interessen in Abgrenzung zu Rom zu entwickeln. Um von gemeinsamen Interessen zu gemeinsamem Handeln zu kommen, ist dann letztlich keine zentrale Führung, keine Hierarchie nötig. Es reicht eine Absprache. Die kann zum Beispiel im Winter für die nächste Feldzugsaison im Frühjahr getroffen werden. Die Stämme agieren dann nicht gemeinsam, sondern jeder für sich, aber alle gemäß der Absprache.

Dieses System wirkt auf den ersten Blick vielleicht archaisch oder gar ineffizient. Genau betrachtet führt es aber dazu, dass es schwieriger wird, die Stämme militärisch zu besiegen. Diese Erfahrung haben ja dann auch die Römer machen müssen: Sie haben nicht gegen EINEN Gegner gekämpft, sondern gegen viele. Und wenn sie EINEN Stamm besiegt haben, führte das noch lange nicht dazu, dass sich die anderen geschlagen gegeben haben. Hat sich EIN Stamm unterworfen, bestand keinerlei Garantie, dass die Nachbarstämme - selbst wenn sie zum gleichen Großstamm gehörten - sich an diese Unterwerfung gebunden fühlten.

Je massiver die Römer vorgegangen sind, desto größer wurde die Bereitschaft der Stämme, sich dem gemeinsamen Vorgehen gegen die Legionen anzuschließen. Typisch: Nach dem Rückzug der Römer bröckelte zwischen den Stämmen die Überzeugung, noch gemeinsame Interessen zu haben. Mit fatalen persönlichen Folgen für Arminius...

MfG
 
Es spricht aber nichts dafür, dass es hierarchische Strukturen gab.

Stammesgesellschaften sind in der Regel eher "kleinteilig" strukturiert. Kern dieser Gesellschaften ist die Sippe, in der sich die Beziehungen zwischen den Menschen auf Blutsverwandtschaft und Verschwägerung gründen. Mehrere Sippen bilden eine Siedlungsgemeinschaft, mehrere Siedlungsgemeinschaften bilden einen (Sub-)Stamm, mehrere Stämme bilden einen Großstamm. Großstämme können Stammesverbände bilden.

Genau das nenne ich einen hierarchische Struktur! Immer bezogen auf einen Großstamm wohlgemerkt wie z.B. die Chauken oder Chatten!

Auch bei den Germanen gab es einen Adel, der sich aus den großen Familienoberhäuptern bildete. Darunter gab es die Anführer von Sippen und Familien. Daß es hier keine Bürokratie und keine gefestigte Organisation und Herrschaftsverhältnisse gab, steht ausser Frage. Das braucht es aber auch nicht für geordnete Kommunikationsstruktur zur Weiterleitung von Nachrichten. Aber für das Zusammentrommeln der Ältesten zu einer Versammlung oder der wehrfähigen Männer im Ernstfall, reichte diese lockere Hierarchie vollkommen aus. Denn es ist zweifelsfrei passiert: Germanen habe sich in endlicher Zeit zu größeren Verbänden zusammengefunden.

Und darum ging es in der Frage des OP: Wie mobilisierten die Germanen ihre Stämme, als Germanicus einfiel?

Das die Römer ungewollt Entwicklungshilfe leisteten und so die Germanen, wirtschaftlich, kulturell, organisatorisch und militärisch aufrüsteten, steht für mich auch ausser Frage. Das sollte aber für die Zeit des Germanicus noch nicht relevant sein.
 
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Ich frage mich, wie die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert waren?
Von 9 n.Chr. bis 16 n,Chr ist doch eine ganz schöne Zeit. Und die Heere des Varus und vorallem dann des Germanicus waren ja nun vergleichsweise groß.
Gut, bei Varus Ende mögen nur noch 3000 -6000 kämpfende Römer dabei gewesen sein, aber Germanicus ist sicher nicht mit stark verminderter Mannschaftsstärke eingefallen.
Und das wären dann bis zu 32 0000 Männer + Troß. Wie haben die annähernd so viele Krieger auf die Beine gestellt und vor allem, neben den beutemachenden Römern auch noch versorgt?
Wie haben die das organisiert?? Frauen , Kinder und Vieh wollten ja auch was Essen und die Felder waren ja auch zu bestellen.
Das über 6-7 Jahre, nur aus der Norddeutschen Tiefebene und den Randgebieten?
Welche Art von "Verwaltung" stand dahinter? Auf germanischer Seite

Eine interessante Frage, die merkwürdigerweise nie oder selten gestellt wird.

Caesar berichtet, dass die Stämme mit einer Volksverfassung im Frieden keine einheitliche oberste Spitze hatten (Caesar, Bell. Gall. VI. 23). Die Führer der Unterverbände des Stammes und sonstige bewährte Adlige bildeten einen Führerrat, der weniger wichtige Angelegenheiten selbstständig erledigte, wichtigere Angelegenheiten aber vor die Volksversammlung zur Entscheidung brachte. In der Volksversammlung hatten die Stimmen der Anführer ein besonderes Gewicht.

Von der erst später bekannten Königsverfassung berichtet Caesar noch nichts. Zur Zeit des Tacitus war die Königsherrschaft im wesentlichen auf die Ostgermanen beschränkt.

Im Kriegsfall musste ein Heerführer bestimmt werden: der Herzog (dux, ahd. herizogo). Die Wahl des Herzogs erfolgte in der Volksversammlung mit einer Schilderhebung des Gewählten (vgl. Tacitus). Das germanische Heerwesen beruhte auf dem Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht; die Gliederung wurde ncht durch militärische Gesichtspunkte bestimmt, sondern durch die Verwandtschaft, d.h. es gliederte sich nach Sippen und Familienschaften. Da der germanische Krieger für seinen Unterhalt und seine Ausrüstung selbst zu sorgen hatte, war es nicht besonders schwierig, eine Streitmacht aufzustellen - sofern man sich auf der Volksversammlung nach oftmals langen Debatten überhaupt einigen konnte. Da das germanische Heer unter dem Schutze des Kriegsgottes stand, galt für das Heer wie auch für die Volksversammlung ein sakraler Frieden (Heerfrieden).

Da nur die politisch berechtigten freien Männer das germanische Heer bildeten, blieben die Unfreien im Kriegsfall auf dem Grund und Boden des Herrn zurück. Sie kümmerten sich darum, dass die Äcker bearbeitet und die Ernte eingefahren wurde, dass es also bei Krieg zu keiner Hungersnot oder einer Verwilderung der Anbaugebiete kam.
 
Genau das nenne ich einen hierarchische Struktur! Immer bezogen auf einen Großstamm wohlgemerkt wie z.B. die Chauken oder Chatten!
Den Begriff "Hierarchie" halte ich für unpassend, weil er mit einem Über- und Unterstellungsverhältnis verbunden ist. Das gab es aber nicht. Nach allem was wir wissen. Es deutet eben nichts darauf hin, dass zu jener Zeit in den germanischen Stämmen irgendjemand gewesen wäre, der Menschen verschiedener Substämme zum Krieg "einberufen" konnte. Befehlsgewalt wurde durch Wahl eines Heerführers erteilt. Und dieser Befehlsgewalt unterstellten sich die Menschen freiwillig. Die Befehlsgewalt galt auch nur für die Menschen (Gruppen), die an der Wahl teilnahmen. Deshalb sind auch Begriffe wie "Wehrpflicht" mit Vorsicht zu genießen. Ich spreche das deshalb nochmal an, weil sich die Stammesverfassung im Laufe der Zeit änderte. Als sich im Laufe der Völkerwanderungszeit große Stammesverbände (Franken, Langobarden, Vandalen .....) herausbildeten, spielte dann "Hierarchie" die zentrale Rolle.

Auch bei den Germanen gab es einen Adel, der sich aus den großen Familienoberhäuptern bildete. Darunter gab es die Anführer von Sippen und Familien. Daß es hier keine Bürokratie und keine gefestigte Organisation und Herrschaftsverhältnisse gab, steht ausser Frage.
Genau das ist die große Frage: Gab es tatsächlich einen Adel? Oder haben die Römer das nur so beschrieben, weil sie in Analogie zu ihrer eigenen Gesellschaftsstruktur die gewählten Wortführer der Germanen für "Adelige" hielten und sie gelegentlich sogar als "Könige" ansprachen? In keiner der heute bekannten Stammesgesellschaften, die ohne "Verwaltungsstrukturen" existieren, gibt es so etwas sie einen "Adel". Es gibt die Sippenoberhäupter. Die verständigen sich in direktem Gespräch über bestimmte Themen. Und an die Absprachen sind nur die Menschen gebunden, die dazu freiwillig bereit sind.

Die Frage, wie die Germanen ihre Heere zusammengetrommelt haben, ist deshalb auch nicht durch die Beschreibung von Kommunikationsstrukturen zu beantworten. Dass "reitende Boten" durch die Gegend zogen und Ort und Zeit der Heeresversammlung bekannt machten, ist klar. Entscheidend ist aber: Wie wurde die Bereitschaft der "freien Bauern" hergestellt, dem Ruf zu den Waffen auch zu folgen?

Das die Römer ungewollt Entwicklungshilfe leisteten und so die Germanen, wirtschaftlich, kulturell, organisatorisch und militärisch aufrüsteten, steht für mich auch ausser Frage. Das sollte aber für die Zeit des Germanicus noch nicht relevant sein.
Warum nicht? Die Ankunft der Römer war für die germanischen Gesellschaften eine grundlegende Umwälzung. Sie wurden mit einem völlig neuen Rechtssystem konfrontiert, dem sie sich dann auch noch unterwerfen mussten.

MfG
 
Den Begriff "Hierarchie" halte ich für unpassend, weil er mit einem Über- und Unterstellungsverhältnis verbunden ist.

Nö, ist er nicht. Ich habe oben erklärt, daß es sich hier um ein mathematisches Problem handelt, das sich durch eine exponentielle mathematische Reihe entlang einer hierarchischen Struktur erklären lässt. Das hat null und nix mit Politik oder Herrschaft zu tun. Der Prozess der Willensbildung erfolgt nach dem Prozess der Kommunikation. Wir misverstehen uns offensichtlich.

Warum nicht? Die Ankunft der Römer war für die germanischen Gesellschaften eine grundlegende Umwälzung. Sie wurden mit einem völlig neuen Rechtssystem konfrontiert, dem sie sich dann auch noch unterwerfen mussten.

Die Zeit bis Germanicus war zu kurz um zu irgendwelchen signifikanten vokswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu führen. Die Folgen solcher Veränderungen sehen wir im dritten Jahrhundert mit der Bildung der Stammesverbände der Franken und Alemannen. Klar haben die Germanen auf Drusus & Co reagiert. Aber über kurzfristig wirksame Effekte, habe ich nicht gesprochen.
 
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Genau das ist die große Frage: Gab es tatsächlich einen Adel? Oder haben die Römer das nur so beschrieben, weil sie in Analogie zu ihrer eigenen Gesellschaftsstruktur die gewählten Wortführer der Germanen für "Adelige" hielten und sie gelegentlich sogar als "Könige" ansprachen?

Man sollte schon davon ausgehen, dass es einen Stammesadel gab. Es handelt sich dabei um eine bevorrechtigte Schicht, die über den Freien stand und deren Entstehung sich im Dunkel der Geschichte verliert.

Die Auszeichnung einzelner Sippen als adlige Sippen beruhte wohl auf hervorragenden Eigenschaften und Taten von Sippenmitgliedern, denen man geheimnisvolle Kräfte beimaß. Diese Kräfte schrieb man schließlich der ganzen Sippe zu, die dadurch besonderes Ansehen erlangte und eine gewisse Verehrung genoss. Es entstanden die Mythen von der göttlichen Abstammung adliger Sippen, vor allem der adligsten, der Königssippe, die von Tacitus als "stirbs regia" bezeichnet wurde.

Das der adligen Sippe kraft ihrer Abstammung zugeschriebene Sippenheil sollte dem ganzen Volk nutzen. Daher wurden Könige und Heerführer aus adligen Sippen gewählt. Die adligen Führer hatten gewisse Vorrechte, so das Recht eine Gefolgschaft zu halten und das Recht auf Bevorzugung bei der Grundbesitz- und Beuteverteilung; auch nahmen sie eine bevorzugte Stellung in der Volksversammlung ein.

Es entspricht im übrigen unserer geschichtlichen Erfahrung, dass sich bei allen Stämmen im Lauf der Zeit eine Oberschicht herausbildet, die die Geschicke des Stammes bestimmt.
 
Die Volksversammlung der freien Männer spielte bei allen Germanen eine große Rolle. Bei den von Maelonn beschriebenen Substämmen könnte diese für einen solchen schnell zusammengerufen werden, und die Anreise würde niemanden überfordern. So kann eine Gesellschaft ohne (andere) zentralen Institutionen und ohne jedwede Bürokratie funktionieren. Diese Versammlung bedeutet allerdings keine Gleichberechtigung. Wohlhabendere werden einen größeren Einfluss gehabt haben, da sie andere beeinflussen, kaufen oder bedrohen konnten. Insbesondere das Gefolgschaftswesen zeigt ja, das es eine aristokratische Schicht gab, denen sich andere mehr oder minder freiwillig unterordneten.

Je höher die hierarchie Organisationsstufe wird, desto wichtiger werden mE die sozialen Unterschiede. Zu Versammlungen oder (religiösen) Zeremonien, die weiter weg abgehalten werden als ein, zwei Tagesmärsche, können oder wollen evtl nicht alle anreisen. Je größer die Versammung, desto wichtiger wird, wer spricht bzw angesichts der Menge sprechen darf. Es liegt quasi in der Natur der Sache, dass wohlhabende bzw aristokratische Schichten eine zunehmende Rolle spielen, je größer der Einzugsbereich wird. Diese können bspw im Falle eines Krieges oder einer Verheerung mancher Teile des Siedlungsgebiets Hilfe leisten, oder Widerstand organisieren (und bezahlen), zumindest eher als nicht-wohlhabende freie Bauern.

Nun zu diesen freien Bauern, die von der Hand in den Mund gelebt haben (bzw von einem Jahr aufs andere), die va auf die Subsistenzwirtschaft angewiesen waren, geringe Überschüsse produzierten und über keine großen Rücklagen oder handelbares Eigentum verfügten; sie werden mE die Masse der Freien ausgemacht haben. Diese Schicht profitierte auf der einen Seite am wenigsten von dem "Vorhandensein" der Römer. Ihnen fehlten die Mittel, um selber profitabel Handel zu betreiben, konnten sich die römischen Importwaren am wenigsten leisten. Auf der anderen Seite litt diese Schicht am meisten, wenn die Römer aggressiv vorgingen. Eine zerstörte Ernte oder geschlachtete Herde konnte die Vernichtung der Existenz bedeuten, und Gefangenen landeten unweigerlich in der Sklaverei, da es keine Möglichkeit einer Auslösung gab.

Personen bzw Familien, die dank großer oder fruchtbarer Ländereien/Herden und der Arbeit von Familienmitgliedern, Unfreien oder Gefolgsleuten Überschüsse produzieren und so Handel mit den Römern betreiben konnten, profitierten am ehesten von einem friedlichen Zusammenleben. Sie konnten in den Besitz wertvoller römischer Ware gelangen, die von Germanen selber nicht oder nur eingeschränkt produziert werden konnten. Männern mit Gefolgsleuten, die Fehden oder Kriege (an-) führten, konnten Gefangene an die Römer als Sklaven verkaufen. Durch ihr Kapital und ihre Verbindungen konnten sie als Mittelsmänner für Stammesgenossen auftreten, die zwar Überschüsse produzierten, aber keinen eigenen Handel treiben konnten oder wollten, und wiederum hiervon profitieren. Langfristig veränderte dies die germanische Gesellschaft grundlegend, aber Anfang des 1. Jh. war es noch nicht so weit (oder noch nícht weit genug).

Der Widerstand, der 9 und 16 n. Chr. geleistet wurde, muss mE von einer großen Mehrheit der betroffenen, freien Bauern getragen worden sein, und das heisst va von jenen, die wie gesagt am ehesten unter den Römern litten. Die aristokratischen Schichten fürchteten evtl einen Machtverlust, sei es durch die römische Okkupation, sei es durch eine Revolte ohne sie. Ihnen fiel es in jedem Fall zu, eine großangelegte militärische Operation zu koordinieren und zu leiten. Nur sie hatten die Verbindungen zu anderen einflussreichen Personen, und die organisatorischen Fähigkeiten und Möglichkeiten; va was Planung, Versorgung und Logistik angeht.

Germanien war groß und (aus Sicht der Römer) wild und unübersichtlich. Sie konnten Dörfer niederbrennen (wenn sie sie fanden), und Menschen versklaven oder umbringen (wenn sie ihrer habhaft werden konnten), aber darauf konnte man sich vorbereiten: Rücklagen, Saatgut, Wergegenstände verstecken oder an sicheren Orten einlagern; bei Anzeichen von Römern Menschen, Vieh und Vorräte evakuieren; im schlimmsten Falle all dies tun, und Dörfer und Ernte selber verbrennen (kA, ob die Germanen das damals machten).

Im Falle eines solchen "allgemeinen Widerstandes" mehrer Stammesverbände wird es relativ einfach, größere Zahlen zusammen zu bekommen. Das Problem ist, dass diese in der großen Masse keine Erfahrung, keine Disziplin, keine gute Ausrüstung und va keine Verpflegung mitbringen, die länger als einige Tage reicht. Jede größere militärische Operation, die über "wir treffen uns am Dienstag und verprügeln den Feind bis spätestens zum Wochenende, weil da muss/will ich wieder zu Hause sein", hinaus geht, ist erst mal unmöglich.

Anders sieht es aus, wenn vorher (va von denen, die es sich leisten konnten), Lager angelegt wurden, aus denen sich eine zusammengekommene Armee versorgen konnte. Dies können übrigens auch "mobile Lager" in Form von Schlachtvieh sein. Die Kontrolle über diese ist (neben Erfahrung, Ansehen und Gefolge) der entscheidende Punkt, der den jeweiligen Anführern konkrete Macht und damit auch Disziplinargewalt über die versammelten Kämpfer gab. Eine feste militärische Struktur existierte nicht von vorne herein, die musste wenn überhaupt so gut es ging etabliert werden. Und ich gehe davon aus, dass Arminius als römischer Offizier alles tat, solches zu tuen!

Besonders 9 n. Chr. kann und muss man mE von einer längeren Vorlaufphase ausgehen. Der Aufstand war bzw wurde geplant, es wurden von denen, die "dabei" waren und es sich leisten konnten, Vorräte angelegt, Pläne entwickelt und Absprachen getroffen. Als die beschlossene Aktion dann begann und sich die Truppen sammelten, gab es eine längere Phase (Tage bis Wochen), bevor die entscheidenden Angriffe auf die römische Armee begannen. In dieser Zeit wurde auf besagte Vorräte zurückgegriffen, und wer die Suppe austeilt hat auch die Möglichkeit, eine gewisse Hierarchie aufzubauen und die notwendige Disziplin für die Operation zu erzwingen.

Mein Fazit: Es war die Mehrheit der freien Bauern, die den militärischen Operationen die notwendige Masse und den Rückhalt in der Bevölkerung gaben. Es war die aristokratische Oberschicht, die diese Aufstände durch den Einsatz von Kapital und Verbindungen organisierten, und denen daher auch die Kommandofunktion zufiehl. Ich gehe davon aus, das insgesamt die Siege eher zu einer Stärkung der aristokratischen Macht beigetragen haben; die Konzentration dieser Macht in einer Hand, bei einer Person oder Familie, ist allerdings offensichtlich gescheitert; vermutlich weil es weit mehr als eine Person war, die diese Erfolge möglich machten, auch und gerade beim aristokratischen Kommandstab...
 
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Alles schön und gut, vom Prinzip her ...
Aber die Gegend ,über die wir reden , ist ganz grob Westlicher Nordrhein, Westfalen und Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt, die Heeresgröße > 32 000, also mehr als 32 Infantriebatallione, die im südlichen Münsterland/nördlichen Sauerland/westliches Weserbergland in ziemlich kurzer Zeit zusammengezogen wurden.
Ohne NDR und WDR nun nicht die leichteste Aufgabe, zumal ja auch erstmal die Nachricht des Einfalls sich verbreiten muß. Dann die Entscheidung, wer alle kämpfen soll usw.
 
Ohne NDR und WDR nun nicht die leichteste Aufgabe, zumal ja auch erstmal die Nachricht des Einfalls sich verbreiten muß. Dann die Entscheidung, wer alle kämpfen soll usw.

Wie auch immer - die germanische Führung scheint das organisatorisch recht schnell bewältigt zu haben. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung wurde vermutlich nicht lange palavert.
 
DAS ist der eigentliche Punkt der Frage, das wie?

Es sind ja doch einge k m zurückzulegen, vom Boten, der den römischen Einfall meldet, von denen , die die Marschrichtung erkennen, von denen , die die Truppen aufbieten, und dann von den Truppen selbst.
Auch wenn man Arminius und seinen Vertrauten "Heerführern" durchaus Spionage zutrauen kann
 
Die Römer werden nicht unbemerkt anmarschiert sein. Auch die Bewegungen der Legionen erforderten große Vorbereitungen und es gab immer Anwohner und Grenzgänger (z.B. Händler, Huren, entlaufene Gefangene etc.) die davon Kunde überbrachten, so dass man bereits im Vorfeld die Möglichkeit hatte sich vorzubereiten. Die Römer haben vielleicht die Grenzübergänge geschlossen um diese Nachrichtenübermittlung zu behindern, aber allein eine solche Maßnahme wird schon auf der anderen Seite für hellhörigkeit gesorgt haben.
 
Die Römer werden nicht unbemerkt anmarschiert sein.

Ich nehme mal an (wilde Spekulation), als Germanicus mit seinem imperium proconsulare, zusätzlichen Legionen und 4-6? praetorianischen Kohorten im linksrheinischen Germanien auftauchte, und diverse Ubier und Andere noch nach einem gangbaren Weg in seinen kaiserlichen Hintern suchten, waren andere Stammesgenossen schon über den Rhein unterwegs. Und dort sassen kurze Zeit später die Adeligen der Stämme jeweils zusammen und haben beraten, was das wohl bedeutet und was man tun müsste, wenn der was vorhat, mit dieser aussergewöhnlichen Konzentration von Militär.

Als er dann tatsächlich kam, dürfte Mobilmachung das kleinere Problem gewesen sein. Man war vorbereitet. Die Alarmkette stand und weitere Diskussionen sollten sich zumindest innerhalb der Stämme im Rahmen gehalten haben. Auch waren im Vorfeld sicher die bilateralen Gespräche ziwschen den benachbarten Stämmen intensiviert worden. Einige rechtsrheinische Stämme haben ja auch mit Germanicus paktiert und konnten der Angelegenheit eher gelassen entegegenblicken.
 
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Die Auszeichnung einzelner Sippen als adlige Sippen beruhte wohl auf hervorragenden Eigenschaften und Taten von Sippenmitgliedern, denen man geheimnisvolle Kräfte beimaß. Diese Kräfte schrieb man schließlich der ganzen Sippe zu, die dadurch besonderes Ansehen erlangte und eine gewisse Verehrung genoss. Es entstanden die Mythen von der göttlichen Abstammung adliger Sippen, vor allem der adligsten, der Königssippe, die von Tacitus als "stirbs regia" bezeichnet wurde.

Das der adligen Sippe kraft ihrer Abstammung zugeschriebene Sippenheil sollte dem ganzen Volk nutzen. Daher wurden Könige und Heerführer aus adligen Sippen gewählt. Die adligen Führer hatten gewisse Vorrechte, so das Recht eine Gefolgschaft zu halten und das Recht auf Bevorzugung bei der Grundbesitz- und Beuteverteilung; auch nahmen sie eine bevorzugte Stellung in der Volksversammlung ein.
letztlich läuft das auf das erst viel später belegte "Königsheil" hinaus - aber welche Quellen legen nahe, dass solche Vorstellungen auch zur Zeit des Varus und Arminius bei germanischen Gruppen anzunehmen seien? Die burgundische Variante des "Hendinos-Königs" wird des öfteren als altertümlicher bezeichnet, und so weit mir bekannt, weisen die nicht das besagte Königsheil auf. Und auch später scheint, vgl. Amaler oder Merowinger, dass das "Sippenheil" notwendig von einem ganz besonderen Sippenmitglied abhing, also ohne primäres Königsheil keine geheiligte Sippe (salopp gesagt ohne Theoderich keine Chance für Athalarich & Co.)

Mir scheint, dass Königsheil und Sippenheil für diese frühe Zeit eigentlich nicht nachweisbar sind, denn gar zu viele germanische "Könige" des 1.-4. Jhs. verschwanden sang- und klanglos und ebenso ihre Sippen, von denen man danach nie wieder hörte (z.B. die alemannischen Warlords des 4. Jhs. u.a.) Man kann aufgrund der Namensalliteration vermuten, dass Arminius einer mächtigen Sippe angehörte, aber ob da schon die erwähnten religiösen Vorstellungen galten, bleibt wohl offen - ich halte das für eine Rückprojektion.
 
Also, danach:
Arminius ? Wikipedia
war ja kein Frieden von 9 bis nach 16 .n.Chr, also "die Germanen" waren in "Alarmbereitschaft".
Und wenn ich lese , das die "Langobarden" von Marbod zu Arminius wechselten, kann ich mir vorstellen, das die einzelnen "großen Familien" sich darüber einig waren, das die Römer für alle eine Gefahr darstellten. Was die Entscheidungsfindung, Kampf ja oder nein/welcher Nutzen? verkürzt wird. Die "Hilfsbereitschaft" für die Germanen des Münsterlandes dürfte also an der Oker vorhanden gewesen sein, außerdem gibts ja die Möglichkeit der "Flucht", denn wo dauernd Römer durchziehen, macht das Leben keinen Spaß, man zieht erstmal weg.

Die Römer standen also unter "Beobachtung"
 
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