Wieso ergab sich Venedig 1797 kampflos?

Dieses Thema im Forum "Französische Revolution & Napoleonische Epoche" wurde erstellt von Bernhard Rogge, 5. März 2006.

  1. Bernhard Rogge

    Bernhard Rogge Neues Mitglied

    Lodovico Manin übergab Venedig am 12 Mai 1797 Napolenon !!!!! Aber wiso hat er die Stadt kampflos übergeben wo doch seine Vorgänger Venedig immer verteidigten !! Das geht nämlich aus keiner Quelle hervor warum er Venedig Naopoleon übergab !!!!!!!
     
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  2. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Ohne eine definitive Antwort geben zu können: Cádiz war zwischen 1810 und 1814 die einzige Stadt auf iberischem Boden, die Napoleon zu keiner Zeit besetzen konnte, weshalb sich hier der nichtmilitärische Widerstand versammelte. Die Insellage Cádiz' ist mit der Venedigs zu vergleichen. Cádiz konnte nicht erobert werden aus drei wesentlichen Gründen:
    - bei der friedlichen Einnahme Sevillas war man so in Feierlaune, dass man vergaß, ein spanisches Heer in der Extremadura abzufangen, welches dann nach Cádiz gelangte und die Stadtverteidiger verstärkte
    - die Briten hatten seit Trafalgar 1805 die unumschränkte Hoheit über die See, und konnten den Isthmus von Cádiz verteidigen.
    - die gaditanischen Befestigungen waren gut ausgebaut und weit vorgelagert und die Reichweite der Kanonen war noch nicht hoch genug, um die Stadt ernsthaft zu gefährden.

    Zurück zu Venedig 1797:
    - wieviele Verteidiger gab es?
    - lag Venedig innerhalb, oder außerhalb der möglichen Kanonenschussweiten?
    - wie weit waren die Verteidigungsanlagen ausgebaut? (ich kenne jetzt so direkt keine, andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass eine der Haupthandels- und -militärmächte, des ausgehenden Mittelalters und frühen Neuzeit keine adäquaten Verteidigungseinrichtungen gehabt hätte).
    - die Franzosen hatten 1797 noch eine intakte Flotte!
    - wo standen die Stadtbewohner?

    Wg. Stadtbewohner: Cádiz ist einigermaßen kurios: es war eine Stadt des Bürgertums, die von ihrem absoluten Herrscher Karl IV. und seinem Sohn Ferdinand VII. sicher nicht begeistert war, und man könnte glauben, dass die gaditanos eigentlich von Napoleon und der neuen liberalen Verfassung (von Bayonne) begeistert gewesen wären (in Spanien gab es diesbezüglich eine recht starke Differenz zwischen Stadt- und Landbevölkerung), aber Cádiz hatte Dank der Bourbonen das Monopol auf den Amerikahandel erhalten, und die spansichen Handelshäuser fürchteten, dass die Franzosen ihnen dieses Monopol streitig machen könnten!
     
  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

  4. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Venedig hatte relativ gute Befestigungsanlagen und war durch die Insellage einigermaßen geschützt.

    1849 hielt es lange der Belagerung der Österreicher stand, die wesentlich günstigere Bedingungen vorfanden als Napoleon.

    Ich würde mal eine niedrige Moral und einen schwachen Dogen als Hauptgründe der schnellen Niederlage vermuten.

    Bei der Österreichischen Belagerung fand übrigens einer der ersten Luftangriffe der Geschichte statt. Die Belagerer liessen mit Brand- und Sprengmittel beladene Ballons gegen die Stadt treiben.
     
  5. Mercy

    Mercy unvergessen

    Das war aber nach Napoleon.
    Die Luftangriffe wären schon interessant, wenn es denn keine Seifenblasen waren.
     
  6. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

  7. Mercy

    Mercy unvergessen

    Leider nur als Behauptung, ohne Quelle. :motz:
     
  8. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Ich hatte das vor längerer Zeit mal in irgend einem Buch gelesen, in dem es detailliert beschrieben wurde (weiss leider den Titel nicht mehr). Den Link habe ich nach kurzem googeln gefunden und hab, ehrlich gesagt, nicht einmal hineingeschaut.

    Wenn es dich so interessiert kannst Du, da es dir jetzt ja bekannt ist, nun selbst weitersuchen.
     
  9. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Auch wenn's nebensächlich ist, muss ich hier einen Fehler ausbügeln, der mir unterlaufen ist: Portugal konnte von den Franzosen ebenfalls nicht erobert werden, obwohl dieser Staat wegen seiner Unwilligkeit zur Kontinentalsperre den Anlass zum Krieg geliefert hatte. Man besetzte stattdessen das verbündete Spanien, ohne die Inseln und Kolonien.
     
  10. deSilva

    deSilva Neues Mitglied

    Die Sache war verwickelter (wikipedia):

     
  11. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Da es hier um Venedig 1797 ging, und die Analogie nur zu Cádiz 1808 - 1812 bestand, habe ich mich bei dem Rest kurz gefasst, eben um nicht Portugal und Spanien 1808 - 1814 in den Mittelpunkt zu rücken.
     
  12. wufi

    wufi Gast

    Im Vorfrieden von Loeben hatten die Österreicher und die Franzosen sich schon auf eine Teilung des venezischen Territoriums geeinigt.
    Die Stadt hatte somit keine Verbündeten mehr, die ihr helfen konnte (die Franzosen schlossen die Stadt von der Land- und Seeseite ein).
    Die Drohungen der Franzosen sich an der Stadt sich zu rächen, sollte die Verteidigung nicht abgebrochen werden, dürfte seinen Effekt nicht verfehlt haben (schliesslich lag die Macht der Republik in den Händen der Patrizier der Stadt, die auch ihren privaten Familienbesitz schützen wollten/mussten).

    -> Magico Veneto : Venezia e la Serenissima Repubblica Veneta, cronologia storica history storia arte musei, laguna di venezia, basilica di San Marco, fotografie photo gallery photografie, Serenissima Repubblica di Venezia Venedig Venice Venesia, st

    :fs:
     
  13. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Gerhard Rösch (Venedig. Geschichte einer Seerepublik. Stuttgart, Berlin, Köln 2000) stellt es so dar: Venedig war am Ende, die alten Kaufmannsfamilien, die in Signoria und Maggior Consiglio das Sagen hatten, waren veradelt (meine Wortschöpfung, nicht Röschs) und behinderten die neuen Kaufmannsfamilien in ihrem Aufstieg, kümmerten sich nicht mehr darum, alles für den Handel zu tun, also genau das, womit Venedig groß geworden war. Der Senat löste sich am 30. April 1797 selbst auf, der Maggior Consiglio am 12. Mai, Manin ging nach Hause und damit existierte die Republik nicht mehr. "Keine Niederlage auf dem Schlachtfeld hatte ihr dieses [Ende] bereitet, sie war in Anerkennung der Tatsache, dass sie sich überlebt hatte, freiwillig abgetreten." (S. 171)
    "...Napoleon plünderte Venedig aus, um es noch im selben Jahr an Österreich abzutreten." 1805 kam Venedig wieder an Frankreich: "Französische Herrschaft über die Lagunen und englische Seeblockaden [Kontinentalsperre] ruinierten das, was von einer großen Seemacht geblieben war." (S. 171 f.)
     
  14. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Lane (Venice. A Maritime Republic. Baltimore 1973; Seerepublik Venedig. München 1980) schreibt (S. 658):
    Die Flotte war zwar duch Angelo Emo etwas modernisiert worden, aber Venedigs Armee und Festungen befanden sich in einem hoffnungslos veralteten Zustand. [...] Stattdessen spielte die Serenissima eine passive Rolle [...] bündnisfreier Neutralität [...], [die] führte aber dazu, dass Venedig Napoleon wehrlos gegenüberstand, als er die Österreicher aus Mailand vertrieb [...] Venedig war ihm ausgeliefert.
    Was ich hier jetzt in zweieinhalb Sätzen zitiert zusammengefasst habe, ist eigentlich so etwa eine halbe Seite.
    Kampfgeist, so Lane, sei nur bei den unteren Rängen der dalmatischen Miliz zu finden gewesen (eigentlich etwas sonderbar, standen die doch unter venezianischer Fremdherrschaft), nicht bei den adeligen Führungsspitzen der Stadt.

    Dann schreibt Lane so ziemlich dasselbe, wie auch Rösch: Parade napoleonischer Truppen auf der niemals zuvor von fremden Mächten besetzten Piazza und Ausplünderung Venedigs durch Napoleon und Abgabe an Österreich und Wiedergewinnung und schließlich völliger wirtschaftlicher Ruin der Stadt durch das "Zusammenspiel" von Engländern und Franzosen:
    Ein Jahrzehnt französischer Herrschaft im Vereinn mit der britischen Blockade vervollständigten dann den Ruin Venedigs als Schifffahrtszentrum (S. 660).
     
  15. Brissotin

    Brissotin Aktives Mitglied

    Vielen Dank für die Einlassungen, El Quijote. :yes: Dieses Bild hatte ich auch vom Venedig der Zeit Casanovas vor Augen.
     
  16. Dieter

    Dieter Premiummitglied


    Eoigentlich ein Jammer, dass damit rund 1200 Jahre venezianischer Geschichte endeten - zumindest die eines selbstständigen Staates, wenn man die byzantnische Oberherrschaft der Frühzeit mitrechnet.

    Ob sich das venezianische Regierungssystem wirklich überlebt hatte, wie man das oft in verschiedenen Publikationen lesen kann, weiß ich nicht. Auf jeden Fall gingen im 18. Jh. die großen Handelsströme an der Republik Venedig vorbei und der Hafen war nur noch eine zweit- oder gar drittrangige Größe. Insofern fehlten auch die Gelder, um eine effektive souveräne Außenpolitik zu betreiben, sodass sich die Serenissima längst von allen Bündnissen und Paktsystemen zurückgezogen hatte. Sie betrieb eine Politik der nahezu unbewaffneten Neutralität, und zwar aus einer Position der Schwäche heraus.

    Die meisten Historiker sind der Ansicht, dass es die Republik versäumte, die Menschen und Führungseliten der Terra ferma - des venezianischen Festlandbesitzes - in die Regierung einzubinden, denn die durfte sich laut Verfassung nur aus der Inselstadt rekrutieren. Das schwächte nicht nur die Identität der Bevölkerung der Terra ferma mit dem venezianischen Staat, sondern auch die Verteidigungsstärke.

    Abgesehen davon wäre ohnehin jeder Widerstand gegen die napoleonische Militärmaschine sinnlos gewesen, die bereits zuvor militärisch erheblich stärkere Staaten Oberitaliens überrollt hatte. Venedig fiel also auch wegen der Ungunst der Zeitläufte, seiner geografischen Lage und natürlich wegen des habsburgischen Nachbarn im Norden, der schon seit langer Zeit begehrliche Blicke auf Venedig geworfen hatte. Und so konnte sich Habsburg nach Napoleons Sturz endgültig die Republik Venedig sowie Mailand und Mantua einverleiben und daraus das Lombardo-venezianische Königreich innerhalb der Habsburgermonarchie bilden.
     
  17. Brissotin

    Brissotin Aktives Mitglied

    Die Italienarmee war doch weder besonders groß, noch mit Sicherheit besonders ausdauernd. Dass es an allen Ecken fehlte, hatte ja nichtmal deren Kommandeur Buonaparte selber verhehlt. Wobei ich dessen Erklärung - von wegen, ihr seid schlecht (von eurem Vaterland - von wem sonst?) versorgt, ich werde euch ins gelobte Land (=sprich Beute machen) führen, dass es euch besser gehen möge - im Grunde schon eine Unverschämtheit war, die sich eine stärkere Regierung, als es das Direktorium war, nicht hätte bieten lassen.
     
  18. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Die französische Flotte hat einige sehr gute Schiffe von den Venezianern übernommen und einige neue in den venezianischen Werften bauen lassen. Die Venezianische Marine war zwar klein, aber technisch auf dem Stand.
     
  19. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Napoleon hatte hier große Baupläne:

     
  20. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Ich hatte mal, in einem anderen Umfeld, folgendes über die Entwicklung der Segelschiffe nach 1814 geschrieben. Ein Teil davon betrifft das Schiffsbauprogramm das noch unter Napoleon aufgelegt wurde, deren Bauten zum größten Teil jedoch erst Jahre danach fertig gestellt wurden bzw. abgebrochen wurden da sie auf der Werft verfaulten.


    Das sind nur die, die in Frankreich gebaut wurden, da die in Venedig und Triest sich im Bau befindenden von den Österreichern übernommen wurden.
     

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