Wieso hat die Macht des Islams so stark abgenommen?

Könnten wir vielleicht mal - aus Gründen der angewandten Methodik - klären, warum wir jetzt in dem Thread Warum hat die Macht des Islam abgenommen über Unterschiede in Bibel und Koran diskutieren?

Das liegt daran, daß von Anfang an Unterschiede zwischen Christentum und Islam und damit auch zwangsläufig (wenn ich mich nicht irre, seit Beitrag Nr. 8) immer wieder Unterschiede zwischen Bibel und Koran zur Sprache kommen.

Ich tue mich schwer, diese Nebendiskussion herauszulösen, bin aber für konstruktive Vorschläge offen.
 
Frage: Was ist denn nun die Haupt- und die Nebendiskussion?

Heißt die Frage "Machtverlust des Islam" oder "Machtverlust islamischer Staaten"?

Geht es um einen Machtverlust der Religion an sich? Dann stimmt schon die Fragestellung nicht, da "der Islam" eine seit Jahrhunderten nicht mehr dagewesene Machtdemonstration veranstaltet - und dabei bedauerlicherweise der Missbrauch einer Religion zu Tage tritt, seine Instrumentalisierung, die Gleichsetzung eines Glaubens mit einer polit. Gemeinschaft "islamischer Staaten" und schließlich die Reduktion seiner Vielfalt, einer mannigfaltig ausgelegten Schrift, auf fundamentalistische Parolen zum Zwecke einer weltumspannenden polit. Machtstellung!

Entstanden aus einer historisch teils berechtigten und teils mit- und selbstverursachten Wirtschaftsopferrolle der Staaten sowie einer sozialen Opferrolle als Migranten heraus:

Geht es in der Frage (der Migranten) also nicht auch um die Machtlosigkeit der islamischen Glaubensgemeinschaft(en) innerhalb der westlichen Welt?
(Die letzte Ausgabe der ZEIT und sein ausführliches Dossier zum -wie ich meine, erfolgversprechenden- Start zur Islamkonferenz in Deutschland unter Innenminister Schäuble befasst sich auch damit).

Und geht es beim "Machtverlust" nicht insgesamt bloß um die Bevormundung der islamischen Welt durch die westliche Wirtschaftsdynamik und ein gesellschaftspolitisches Dagegenhalten durch einen instrumentalisierten Islam?

Dann enden wir beim Sieg der Säkularisierung, dem gesamtpolitischen Pragmatismus senza Dio - welchen das westeuropäische Christentum aber auch erst durch Jahrhunderte voll der Gewaltorgien erreichte.

9/11 und der US-Krieg gegen den Terror hat (meiner Meinung nach) nun einen revolutionären und solidarisierenden Höhepunkt erreicht, der uns "Westler" im 21. Jh. vielleicht anachronistisch erscheint, in seiner diesbezüglichen Entwicklung in der islamischen Welt aber noch relativ jung ist. Da steht als Anfangsmarke der Mahdi-Aufstand, differenzierter wird's später beim post-großbritannisch-kolonialen Bürger-Religionskrieg in Indien vor, unter und nach Gandhi sowie die ab den 60ern Indonesiens Staatsreligionspolitik und die Kriege der arab. Staaten mit Israel ...

Natürlich kommen wir gerade, was den Anfang betrifft, nicht umhin, die imperialist. Kolonialmächte des 19. Jh.s + an den Pranger zu stellen, deren Rolle in abgewandelter Form die USA übernahmen (und wir heutigen Europäer im Fahrwasser mit), was uns ingesamt heute eine Kriegsfront 1. gegen 3. Welt, Reich gegen Arm, beschert hat, die der religiöse Fundamentalismus perfekt anheizen kann ...
(und alles klingt in seinen Verbalien wie weiland Europa im 16. und 17. Jh. - und diese heutigen Injurien zu bekämpfen ist die einzige Chance, uns vor den blutigen Auswirkungen zu bewahren, die Europa damals erlebte ...)

(Verzeihung, ich wollt gar keine Ansprache halten, also: Wie war nun die eigentliche Frage?)
 
In der Tat impliziert die Überschrift des Threads "Wieso hat die Macht des Islam so stark abgenommen" etwas Anderes als die Konkretisierung Taigers im Eingangspost:
"Die Großmächte des heutigen Zeit sind alles nicht muslimische Staaten, weil der Islam nicht für eine Großmacht der heutigen Zeit geeignet ist." Das soll heißen, warum ist heute kein islamischer Staat mehr eine "Großmacht"
Die Frage deutet ja auch eine mögliche Erklärung an, nämlich "weil der Islam nicht für eine Grossmacht der heutigen Zeit geeignet ist".
Daher die religiösen Auseinandersetzungen, die der Klärung der Aussage dienen, warum der Islam einen fortschritthemmenden Einfluss auf die jeweilige Landespolitik haben kann/könnte.
Die Frage ist aber, ob so eine monokausale Erklärung ausreichend ist.
Eventuell spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle, die sich nicht aus den jeweiligen religiösen Grundlagen ergeben.
Hier erkenne ich mehrere Strömungen:
1. Der Islam ist vornehmlich eine weltlich ausgerichtete Religion. Desweiteren ist der Koran so restriktiv, dass er jeden Fortschritt, gesellschaftlich und in der Wissenschaft abwürgt. Daher resultiert auch die jetzige Bedeutungslosigkeit islamischer Staaten.

2.Die andere Strömung sieht eher, dass sich parallel zum Machtverlust der islamischen Staaten auch die christlichen, europäischen Staaten entwickelten. In diesen Staaten wurde aufgrund der historischen Entwicklungen mehr und mehr die religiöse Macht von der politischen Macht ausgeschlossen (wobei dafür biblische Grundlagen vorhanden sein mögen). Damit konnte sich der Fortschritt in diesen Staaten frei entfalten.
Mit der einsetzenden fortschrittlichen Entwicklung in diesen Staaten wurde gleichzeitig der Abstand zu den verharrenden islamischen Staaten immer grösser.

Habe ich das soweit verstanden?
 
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Könnten wir vielleicht mal - aus Gründen der angewandten Methodik - klären, warum wir jetzt in dem Thread Warum hat die Macht des Islam abgenommen über Unterschiede in Bibel und Koran diskutieren?
Weil ich mal die unterschiedliche Entwicklung an den unterschieden zwischen Islam und Christentum festgemacht habe.
Das ist zwar teiweise auf Kritik gestoßen - aber bisher hat keiner eine überzeugende Alternative geboten. Der Untergang der Kalifate und das anschließende Osmanische Reich kann's ja nicht sein, denn auch das war ja muslimisch. Und die Absatzmärkte reichen mir auch nicht.

Außerdem geht's bei mir nicht um den gesamten Islam, weil ich über den Islam in Indien und sonstigen fernen Osten nicht Bescheid weiß und schon gar nicht, ob es da signifikante Unterschiede zu Buddhismus, Hinduismus, Lamaismus in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung gibt.
Bei mir ging es nur um den Islam im nahen Osten, woran in der Ausgangsfrage ja der Unterschied festgemacht worden war.

Es wäre einmal zu untersuchen, wie sich die religiösen Strömungen im Osmanischen Reich entwickelt haben, und seit wann wir eigentlich den sogenannten "Rückstand" überhaupt diagnostiziert haben und worauf er sich bezieht. Der politische Niedergang ist ja nicht das Entscheidende. Denn Machtverlust kommt ja immer und überall vor. Und partiell konnte man noch lange Zeit mithalten:
Ulug Beg, 1392-1449, lebte in Samarkand; bekannt durch seine Forschungen über Mathematik und Astronomie.
Ali Kuscu,gest. 1474, großer Astronom und Mathematiker.
Takiyüddin Rasid, 1526-1585, einer der berühmtesten Mathematiker und Astronomen; auch seine Werke in anderen Wissenschaftszweigen wie Medizin, Zoologie und Optik sind von Bedeutung.
Ibn Kemal, 1469-1534, verfasste wertvolle Werke in den Bereichen islamisches Recht, Literatur, Geschichte und Sprachwissenschaft.
Ebussuud Efendi, großer Rechtsgelehrter.
Piri Reis, berühmt durch seine Weltkarte von 1513.
Sinan, gest. 1588, Architekt und Erbauer der Süleyman-Moschee in Istanbul und der Selim-Moschee in Edirne.
Davud al-Antaki, 1544-1600, großer Gelehrter; verfasste in fast allen Bereichen der Wissenschaft wertvolle Werke, besonders im Bereich der Medizin.
Baki,gest. 1600, großer türkischer Dichter; sein Werk bildete den Höhepunkt der klassischen türkischen Lyrik.
Naf`i, gest. 1635, ebenfalls ein großer türkischer Dichter.
Itri, 1640-1712, ein weiterer türkischer Dichter; berühmt auch durch seine klassischen Musikstücke.
Katib Celebi, gest. 1658, berühmter Kosmograph und Enzyklopädist.
Evliya Celebi, gest. 1684, Verfasser eines bedeutenden Reiseberichtes über das Osmanische Reich und seine Nachbarländer.

Insofern nehme ich meine frühere Aussage über den "Rückstand" des Islam nach neuerlicher Prüfung zurück.

Umso dringlicher stellt sich aber jetzt die Frage, was eigentlich in Europa zum Verdikt "rückständig" geführt hat, so dass man nach einem "Luther" für den Islam rief.

Eine Ursache scheint mir die enge Verzahnung von Religion und Politik zu sein, die Friedensschlüsse im Nahen Osten blockiert. Dies macht sich fest an der Kairoer Erklärung der Menschenrechte vom 5.8.1990, wonach die Scharia darüber befindet, was an Menschenrechten anerkannt werden kann. Der iranische Vertreter bei den Vereinten Nationen hat damals die Haltung der Islamischen Staaten zu der UN-Menschenrechtskonvention so zusammengefasst: "
eine säkulare Interpretation der Judäo-Christlichen Tradition, die von Muslimen nicht ohne Bruch des islamischen Rechts befolgt werden kann."
So heißt es in Art. 24: "Alle in dieser Erklärung festgelegten Rechte und Freiheiten sind der islamischen Schari'a nachgeordnet."
Artikel 22 zum Beispiel beschränkt die Redefreiheit auf diejenigen Meinungsäußerungen, die dem islamischem Recht nicht widersprechen. Auch die in der UN-Erklärung festgelegte Religionsfreiheit kommt dort nicht vor. Daher wurde der Muslim Abdul Rahman, der zum Christentum konvertiert war, in Afghanistan zum Tode verurteilt, gestützt auf Sure 4,90 und verschiedene Hadithe. Die Freiheit der Eheschließung wird nur auf Rasse, Hautfarbe und Nationalität bezogen, nicht auf die Religion.
Der Artikel 6 garantiert Frauen gleiche Würde, aber nicht Gleichstellung in anderen Belangen. Weiterhin legt der Artikel dem Mann die Verantwortung für den Unterhalt der Familie auf, der Frau wird keine entsprechende Rolle zugewiesen.
Senegalesische Jurist Adama Dieng, ein Muslim, hat daher auch scharfe Kritik an dieser Kairoer Erklärung geübt. (Zu seiner Person http://de.wikipedia.org/wiki/Adama_Dieng)
Vielleicht sind es gar nicht Wissenschft, Technik und Macht, sondern diese Punkte, die wir als "mittelalterlich" begreifen, weil das Mittelalter im Abendland eben die Zeit gewaltsamer Ketzerbekämpfung war.
 
Naja, ich würde die machtpolitische Bedeutung eines Staates nicht an seiner Gesellschaftsform festmachen wollen.
Wenn man nachfragt, welche Staaten Grossmächte sind, werden mit Sicherheit keine islamischen Staaten genannt. Und zwar nicht, weil ihr Gesellschaftssystem mittelalterlich anmutet, sondern weil sie in der Weltpolitik heutzutage keinen Einfluss haben (ausser über Terroranschläge).

Denkt zum Beispiel an die Besetzung der UNO-Gremien, an die Zusammensetzung der G7 Konferenz, daran, wer ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat ist usw.
Daran würde ich die politische Stellung dieser Staaten festmachen wollen.

Aber das sind nur meine 5 Cent dazu.
 
Frage: Was ist denn nun die Haupt- und die Nebendiskussion?

Heißt die Frage "Machtverlust des Islam" oder "Machtverlust islamischer Staaten"?

Geht es um einen Machtverlust der Religion an sich? Dann stimmt schon die Fragestellung nicht, da "der Islam" eine seit Jahrhunderten nicht mehr dagewesene Machtdemonstration veranstaltet - und dabei bedauerlicherweise der Missbrauch einer Religion zu Tage tritt, seine Instrumentalisierung, die Gleichsetzung eines Glaubens mit einer polit. Gemeinschaft "islamischer Staaten" und schließlich die Reduktion seiner Vielfalt, einer mannigfaltig ausgelegten Schrift, auf fundamentalistische Parolen zum Zwecke einer weltumspannenden polit. Machtstellung!

Entstanden aus einer historisch teils berechtigten und teils mit- und selbstverursachten Wirtschaftsopferrolle der Staaten sowie einer sozialen Opferrolle als Migranten heraus:

Geht es in der Frage (der Migranten) also nicht auch um die Machtlosigkeit der islamischen Glaubensgemeinschaft(en) innerhalb der westlichen Welt?
(Die letzte Ausgabe der ZEIT und sein ausführliches Dossier zum -wie ich meine, erfolgversprechenden- Start zur Islamkonferenz in Deutschland unter Innenminister Schäuble befasst sich auch damit).

Und geht es beim "Machtverlust" nicht insgesamt bloß um die Bevormundung der islamischen Welt durch die westliche Wirtschaftsdynamik und ein gesellschaftspolitisches Dagegenhalten durch einen instrumentalisierten Islam?

Dann enden wir beim Sieg der Säkularisierung, dem gesamtpolitischen Pragmatismus senza Dio - welchen das westeuropäische Christentum aber auch erst durch Jahrhunderte voll der Gewaltorgien erreichte.

9/11 und der US-Krieg gegen den Terror hat (meiner Meinung nach) nun einen revolutionären und solidarisierenden Höhepunkt erreicht, der uns "Westler" im 21. Jh. vielleicht anachronistisch erscheint, in seiner diesbezüglichen Entwicklung in der islamischen Welt aber noch relativ jung ist. Da steht als Anfangsmarke der Mahdi-Aufstand, differenzierter wird's später beim post-großbritannisch-kolonialen Bürger-Religionskrieg in Indien vor, unter und nach Gandhi sowie die ab den 60ern Indonesiens Staatsreligionspolitik und die Kriege der arab. Staaten mit Israel ...

Natürlich kommen wir gerade, was den Anfang betrifft, nicht umhin, die imperialist. Kolonialmächte des 19. Jh.s + an den Pranger zu stellen, deren Rolle in abgewandelter Form die USA übernahmen (und wir heutigen Europäer im Fahrwasser mit), was uns ingesamt heute eine Kriegsfront 1. gegen 3. Welt, Reich gegen Arm, beschert hat, die der religiöse Fundamentalismus perfekt anheizen kann ...
(und alles klingt in seinen Verbalien wie weiland Europa im 16. und 17. Jh. - und diese heutigen Injurien zu bekämpfen ist die einzige Chance, uns vor den blutigen Auswirkungen zu bewahren, die Europa damals erlebte ...)

(Verzeihung, ich wollt gar keine Ansprache halten, also: Wie war nun die eigentliche Frage?)

Ganz einfach lieber ning! Die Antwort steht bei dir ganz unten.

... Die Karwane zieht weiter!
 
Weil ich mal die unterschiedliche Entwicklung an den unterschieden zwischen Islam und Christentum festgemacht habe.
Das ist zwar teilweise auf Kritik gestoßen - aber bisher hat keiner eine überzeugende Alternative geboten. Der Untergang der Kalifate und das anschließende Osmanische Reich kann's ja nicht sein, denn auch das war ja muslimisch. Und die Absatzmärkte reichen mir auch nicht.
Bei mir ging es nur um den Islam im nahen Osten, woran in der Ausgangsfrage ja der Unterschied festgemacht worden war.

Entscheidende Triebfeder ist die Entwicklung des bebauten Ackerlandes und das dadurch erzeugte Mehrprodukt. Zur Frühzeit des Islams garantierten große gut organisierte Staaten auch eine gut ausgebaute Bewässerung (seit jeher die Aufgabe der staatlichen Organisationen in Ägypten und im Irak). Schwächung und Niedergang dieser Staaten führten zum Verfall des Ackerbaus. Ebenso negativ wirkt sich der Vormarsch von Nomaden am 10./11./12. Jhd. aus (Berber und Tuareg im Maghreb, Seldschuken in Asien bis tief nach Anatolien hinein)

Eine umgekehrte Entwicklung dagegen nördlich des Mittelsmeers: im 12./13. Jhd. Ausdehnung der bestellbaren und bestellten Bodenfläche. Teilweise durch Intensivierung des Ackerbaus in den bisherigen Gebieten (also Steigerung der Produktivität), teilweise durch Gewinnung neuer Böden (in Deutschland gehen die ganzen Orte mit Endung –rode auf diese Zeit zurück). Hier haben tatsächlich Klöster eine bedeutende Rolle gespielt. Technische Verbesserungen wie der Wechsel von Anbau und Brache.

Daraus ergibt sich ein Anstieg der Bevölkerung. Dass dieser Bevölkerungsanstieg langfristig andauert, spricht für ein dauerhaftes agrarisches Mehrprodukt. (Lässt sich nicht exakt beziffern, aber die Tendenz ist unbestritten.)

(Auch das christliche Byzanz wird zu dieser Zeit abgehängt.)

Das agrarische Mehrprodukt wiederum setzt zusätzliche Mittel für Spezialisierung des Handwerks frei.

- das bedeutet immer größeres Geschickt bei der Herstellung von Rüstungen, damit immer größere Kampfkraft der lateinischen Ritter

- Für Seestädte wie Genua, Venedig und Pisa bedeutet das Verbesserung der Navigationstechniken und damit zunehmend Dominanz im Mittelmeer (womit wiederum die dortigen Handelswege unter Kontrolle kommen).

- An anderen Stellen gestattet es die Eröffnung von Universitäten, die Verbreitung vorhandenen Wissens unter größeren Teilen der Bevölkerung (Theologie, Juristerei). Die rein „ideologischen“ Entwicklungen (Religion, Philosophie, Proto-Wissenschaft) spielen erst auf dieser relativ späten Stufe eine Rolle.

- weiterhin bedeutet es Intensivierung des Handels, einmal weil mehr Agrargüter zu handeln sind, zweitens weil durch Spezialisierung auch eine breitere Palette an Fertigprodukten (Waffen z.B.) im Angebot ist

(Die wachsende Rolle des Handels wiederum richtet die Agrarproduktion verstärkt am Markt und nicht am Eigenbedarf aus-> fördert also wiederum die Produktivität)

(Dazu kommen auch Faktoren wie die Eroberung Südspaniens und der damit verbundene Wissenstransfer u.a.m.)

Als dann in der islamischen Welt mit dem OR eine neue Großmacht auftrat, war Westasien (=“Europa“) schon etliche Schritte voraus; die Unterwerfung Amerikas und Kontrolle der Handelswege im Weltmaßstab verstärkte dies zusätzlich.
 
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Säkulares

höskuldurs Vater schrieb:
Eine Ursache scheint mir die enge Verzahnung von Religion und Politik zu sein(...)
(ich weiß, ich zitiere und reisse aus dem Kontext, trotzdem:)

Ich behauptete oben ja steif und fest, dass nur die wahrliche Säkularisierung dem Islam an sich und auch den Staaten, in denen der Islam die Hauptreligion darstellt, wieder zu Ansehen - und positiver Macht verhelfen kann.
Wie sieht aber das staatspolitische Vorbild-Programm (der modernen Türkei ) des islamischen Säkularismus nun aus? - Geradezu gegensätzlich zur Säkularisierung des christlichen Europas!: Priester (Imame) werden vom Staat verbeamtet, um Irrlehren und Falschauslegungen (im Sinne des inneren Friedens des Staates) zu verhindern, ihre Predigten werden konform ausgearbeitet, per Internet vom jeweiligen Vorbeter downgelowdet und als Staatsreligion verbreitet. Verwirrend, dieser Laizismus, der mit dem westlichen Erklärungsmodus "säkular" übertitelt wurde.
Der Laizismus ist ein Oktroy des Staates, der nichts mit dem Prinzip des Säkularen gemein hat. Er kann dem politischen Programm, das Mohammed in den Koran hineingewoben hat, nicht ausweichen - aber er versucht es in Schach zu halten.
Womit sich die Frage stellt, inwieweit der Islam (=Koran) als reiner Glauben, als reine Religion überhaupt zu betrachten ist. Und falls man dies in Frage stellen kann, erübrigt sich die Suche, worin seine Schwäche dann eigentlich liegt.
 
(ich weiß, ich zitiere und reisse aus dem Kontext, trotzdem:)

Ich behauptete oben ja steif und fest, dass nur die wahrliche Säkularisierung dem Islam an sich und auch den Staaten, in denen der Islam die Hauptreligion darstellt, wieder zu Ansehen - und positiver Macht verhelfen kann.
Wie sieht aber das staatspolitische Vorbild-Programm (der modernen Türkei ) des islamischen Säkularismus nun aus? - Geradezu gegensätzlich zur Säkularisierung des christlichen Europas!: Priester (Imame) werden vom Staat verbeamtet, um Irrlehren und Falschauslegungen (im Sinne des inneren Friedens des Staates) zu verhindern, ihre Predigten werden konform ausgearbeitet, per Internet vom jeweiligen Vorbeter downgelowdet und als Staatsreligion verbreitet. Verwirrend, dieser Laizismus, der mit dem westlichen Erklärungsmodus "säkular" übertitelt wurde.
Der Laizismus ist ein Oktroy des Staates, der nichts mit dem Prinzip des Säkularen gemein hat. Er kann dem politischen Programm, das Mohammed in den Koran hineingewoben hat, nicht ausweichen - aber er versucht es in Schach zu halten.
Womit sich die Frage stellt, inwieweit der Islam (=Koran) als reiner Glauben, als reine Religion überhaupt zu betrachten ist. Und falls man dies in Frage stellen kann, erübrigt sich die Suche, worin seine Schwäche dann eigentlich liegt.
Tust grad so, als ob Du wüsstest, was Höskuldur bedeutet.
Aber ich stimme Dir zu, wenn ichs auch nicht so unverblümt ausdrücken wollte.

Ich denke, innerislamisch ist die Haltung in gewissem Umfang konsequent. Wenn Allah alle Macht hat, dann hat dem die Politik auch Rechnung zu tragen.

Nur: Auch das Juden- und Christentum glaubt ja, dass Gott alle Macht hat, und trotzdem gingen sie einen anderen Weg.

Die Muslime nehmen wohl an, dass sie den Auftrag Allahs hätten, seine Herrschaft auf Erden unter allen Umständen durchzusetzen, koste es was es wolle.
Die Juden und Christen denken wohl eher, dass Gott die Menschen nicht nötig hat, seinen Machtanspruch durchzusetzen, denn es "fällt (ohnehin) kein Haar vom Haupte ohne Gottes Wille". Hinsichtlich der allumfassenden Schöpfermacht kann man sich eigentlich zurücklehnen und zuschauen - nennt sich Gottvertrauen.

Jesus sagt mal zu Pilatus: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.
Wer das "oben" ist, der Kaiser oder Gott, das sagt er nicht - er dachte wohl an Gott, Pilatus an den Kaiser.

Insofern, um auf Deine Ausführungen zurückzukommen, ist die Allmacht Allahs/Gottes bei beiden ein religiöses Faktum. Die Annahme eines Auftrages zur muslimischen Weltherrschaft ergibt sich daraus nicht, ist eigentlich eine Art Fremdkörper in dieser Überlegung, weil überflüssig, und das ist dann der politische Teil der Religion - so, wie es der politische Teil des Christentums gewesen ist, einen göttlichen Auftrag für die Kreuzzüge zu konstruieren.

Zu Saint Juste möchte ich sagen, dass mir noch nicht ganz klar ist, worin eigentlich der sogenannte Rückstand bestehen soll. Nil und Zweistromland waren so fruchtbar, dass auch da ein agrarisches Mehrprodukt zu erwirtschaften war. Ägypten war mal Kornkammer Roms.
Was die Seefahrt anbetrifft, hinkten sie auch nicht hinterher, wenn ich an die Weltkarte von Piri Reis denke. Die wurde nicht in Genua oder Venedig gezeichnet. Am Schiffbau kann es eher gehangen haben, weil es mit dem Holz nicht so üppig aussah. Aber Handel? Du liebe Zeit! Europa führte seit jeher alle Luxusgüter aus dem Orient ein.

Nein, ich glaube inzwischen, dass das, was wir heute als "rückständig" betrachten, tatsächlich erst Ende des 19. Jh., vielleicht erst 1918 eingetreten ist.
 
(ich weiß, ich zitiere und reisse aus dem Kontext, trotzdem:)

Ich behauptete oben ja steif und fest, dass nur die wahrliche Säkularisierung dem Islam an sich und auch den Staaten, in denen der Islam die Hauptreligion darstellt, wieder zu Ansehen - und positiver Macht verhelfen kann.

Stellt sich nun aber die Frage, welche Art von Säkularisierung damit gemeint ist: Die Säkularisierung, die eine Trennung von Staat und Religion anstrebt oder aber eine Art "sekundäre Säkularisierung" der Gesellschaft?

Ich wills kurz erklären, was ich mit dem zweiteren meine: Es mag -insgesamt in allen 3 monotheistischen Weltreligionen- mindestens den Versuch geben, mehr Religiösität (Religiösität! Nicht Religion!) zu implementieren (sei es islamischer Fundamentalismus, sei es christlicher Fundamentalismus). Das aber hat gleichzeitig zur Folge, dass das eigentliche gesellschaftliche Leben eben nicht religiöser wird. Ganz im Gegenteil: Es wird säkularer! Das heutige Amerika (USA) ist längst nicht mehr das Amerika der 50er. So prüde es auch sein mag und so viel Bemühungen die Evangelikalen darin reingesteckt haben.

So....und ähnlich verhält sich das auch im Islam: In der Islamischen Republik Iran wurde mit der Machtergreifung der Mullahs das Heiratsalter für Mädchen von -ich glaub- 16 auf 9 Jahre gesenkt. Resultat ist nun nicht eine Absenkung des durchschnittlichen Heiratsalters sondern im Gegenteil ein Ansteigen.
Es wurden ebenso weitere Frauenrechte beschnitten, wo es nur ging und an islamisches Recht angepasst. Effekt: Deutlich mehr Frauen studieren (auch prozentual zu Männern) als während des Pahlewiregimes, die Lebenserwartung ist deutlich gestiegen, das Bevölkerungswachstum etwas gebremst....

Will heißen: Die Machthaber können tun und lassen, was sie wollen....das Alltagsleben wird nicht religiöser, es wird säkularer....

Ich will, weiß Allah, aus der Islamischen Republik keinen Wohlfahrtsstaat machen. Im Gegenteil: Diese gesellschaftliche Entwicklung verläuft gegen die vom Staat versuchte Steuerung. Eigentlich ist exakt diese gesellschaftliche Entwicklung genau das, was sie verhindern wollten und was ihren eigenen Paradigmen zuwiderläuft.
 
Zu Saint Juste möchte ich sagen, dass mir noch nicht ganz klar ist, worin eigentlich der sogenannte Rückstand bestehen soll. Nil und Zweistromland waren so fruchtbar, dass auch da ein agrarisches Mehrprodukt zu erwirtschaften war.
Ich will mal nur auf das Zweistromland eingehen. Dort ist ein schon zuvor zu stark beanspruchtes Bewässerungssystem (Versalzung der Böden ect.) infolge der Eroberung durch die Mongolen 1258 völlig zusammengebrochen. Die Kanäle wurden nicht mehr gepflegt, die landwirtschaftlichen Flächen versteppten und verwüsteten. Erst im 20. Jahrhundert erreichte die Bevölkerung dort wieder Zahlen wie zur islamischen Blütezeit.
 
Zu Saint Juste möchte ich sagen, dass mir noch nicht ganz klar ist, worin eigentlich der sogenannte Rückstand bestehen soll. Nil und Zweistromland waren so fruchtbar, dass auch da ein agrarisches Mehrprodukt zu erwirtschaften war. Ägypten war mal Kornkammer Roms.
Was die Seefahrt anbetrifft, hinkten sie auch nicht hinterher, wenn ich an die Weltkarte von Piri Reis denke. Die wurde nicht in Genua oder Venedig gezeichnet. Am Schiffbau kann es eher gehangen haben, weil es mit dem Holz nicht so üppig aussah. Aber Handel? Du liebe Zeit! Europa führte seit jeher alle Luxusgüter aus dem Orient ein.

Nein, ich glaube inzwischen, dass das, was wir heute als "rückständig" betrachten, tatsächlich erst Ende des 19. Jh., vielleicht erst 1918 eingetreten ist.

@Saint Juste: Die Böden im O.R. wurden zu seiner Blüte ebenfalss effektiv bestellt und die Kornkammer Anatolien hat nicht nur die Osmanen versorgt. Daran kann es m.E. nicht gelegen haben.

Auch tritt m.E. die Rückständigkeit nicht Anfang des 19 Jhdt. zu Tage sondern mit Abschluss der Kapitulationen der Osmanen mit den Franzosen und dann mit den Engländern im 16 Jhdt., welches den osmanischen Markt den Europäern Tür und Tor öffnete und der osmanische Binnenmarkt von europäischen Billigwaren überschwemmt wurde. Die an sich qualitativ besser gestellten Waren der Osmanen hatten gegenüber den europäischen Waren nun keine Chance. Und während zu dieser Zeit alle europäischen Staaten ihren Binnemarkt mit hohen Schutzzöllen abschirmten wurde der osmanische Binnenmarkt, wie beschrieben, geradezu von den Billigprodukten aus Europa überschwemmt.

So kam das O.R. in den Würgegriff des Früh-Kapitalismus, der sich zuerst positiv auf den osmanischen Fiskus auswirkte, dann aber zunehmend in Abhängigkeit umschlug. Die Nachwirkungen sind bis in die heutige Zeit in der Türkei, oder auf dem Balkan zu betrachten.

Zur Schiffahrt folgendes:
Da der osmanische Fiskus nur die Abschöpfung von Steuern für den Staatssäckel kannte, wurde die Schiffahrt mit ihren Seewegen überwiegend griechischen Reedern überlassen. Auch hier hat sich die griechische Seefahrt bis in die Gegenwart erhalten. Onassis liess grüssen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Laizismus ist ein Oktroy des Staates, der nichts mit dem Prinzip des Säkularen gemein hat. Er kann dem politischen Programm, das Mohammed in den Koran hineingewoben hat, nicht ausweichen - aber er versucht es in Schach zu halten.
Womit sich die Frage stellt, inwieweit der Islam (=Koran) als reiner Glauben, als reine Religion überhaupt zu betrachten ist. Und falls man dies in Frage stellen kann, erübrigt sich die Suche, worin seine Schwäche dann eigentlich liegt.

Jetzt machst Du dir es aber ein bisschen zu einfach lieber ning! Auch wenn Du tief in die Fremdwort-Kiste greifst. Ein Freibrief des türkischen Staates ist der Laizismus mit Sicherheit nicht. Die vorangeganegen Jhdt. haben Atatürk dazu animiert den Laizismus zu propagieren, da er eingesehen hat, dass der osmanische, religiöse Vielvölkerstaat mit dem Versuch der Eroberung weiter Teile in Asien, Europa und Afrika, gescheitert war. Die Einführung des Laizismus sollte einschneidend festmachen, dass ab jetzt der Status Quo erhalten bleiben sollte und der Nationalstaat in seinen Grenzen entstand.

M.E. macht der politische Teil des Koran, die Religion Islam nicht weniger Religion als das Judentum oder das Christentum. Auch heute noch muss festgehalten werden, dass für einen Muslim nichts ausserhalb Allahs Machtbereich existieren oder wirken kann.
 
Auch tritt m.E. die Rückständigkeit nicht Anfang des 19 Jhdt. zu Tage sondern mit Abschluss der Kapitulationen der Osmanen mit den Franzosen und dann mit den Engländern im 16 Jhdt., welches den osmanischen Markt den Europäern Tür und Tor öffnete und der osmanische Binnenmarkt von europäischen Billigwaren überschwemmt wurde.

Ein Ziffernsturz?? :confused: Welche "Kapitulationen" vor Frankreich und England waren das? Was Du beschreibst, fand gerade bzgl. England doch tatsächlich erst ab dem frühen 19. Jh. spürbar statt. Der Bankrott der Pforte parallel dazu ebenfalls - welcher abschließend, peinlich genug für beide Seiten, gar mit einer Kriegsanleihe beim Deutschen Reich zum Eintritt in den 1. WK führen konnte ...
Wie auch immer, richtig ist die Stoßrichtung, dass vor allem England die gesamte Levante langsam in seinen Handelswürgegriff bekam - und somit die "Macht des Islam", weil so schnöde beiseite gedrängt, sich angegriffen fand.
(Bitte klär mich auf, vielleicht fehlt mir da ein historischer Background ;-)

Und noch kurz zu deiner Laizismusreplique ;) (und "Oktroy" ist doch ein schönes Fremdwort, findest Du nicht?): Sonderbar, in Deiner Antwort stellst Du Dich wieder in unerreichbarer Ferne auf. Sag mir: ist der Laizismus für Dich nun irgendeine Art "Säkularisierung (Kirche-Staat bzw. innergesellschaftlicher Natur nach Leo)", als welcher er sich gerne beschreiben lässt?
Mit "einen Schlussstrich unter dem Kapitel Osman. Reich setzen" ist nur plakativ etwas (und nichts falsches) dazu gesagt und würde Atatürk Unrecht tun. Sein Konzept erscheint deutlich als eine staatliche Bevormundung der Religionsgemeinschaft und führt in der Türkei erstmalig eine zentrale Kirchenorganisation unter Vormundschaft des Staates für Moslems ein. Eine zentralistisch-politische Maßnaheme - und hat nichts (nullo) mit Säkularismus im westlichen Sinne zu tun, sondern führte in "Nutzungs-Folge" durch sein organsisationsbeispiel sogar zu einer machtpolitischen Besserstellung der Imame - bis hin zu heutigen Konstellationen wie in Iran etc.
 
Ein Ziffernsturz?? :confused: Welche "Kapitulationen" vor Frankreich und England waren das? Was Du beschreibst, fand gerade bzgl. England doch tatsächlich erst ab dem frühen 19. Jh. spürbar statt. Der Bankrott der Pforte parallel dazu ebenfalls - welcher abschließend, peinlich genug für beide Seiten, gar mit einer Kriegsanleihe beim Deutschen Reich zum Eintritt in den 1. WK führen konnte ...
Wie auch immer, richtig ist die Stoßrichtung, dass vor allem England die gesamte Levante langsam in seinen Handelswürgegriff bekam - und somit die "Macht des Islam", weil so schnöde beiseite gedrängt, sich angegriffen fand.
(Bitte klär mich auf, vielleicht fehlt mir da ein historischer Background ;-)

Und noch kurz zu deiner Laizismusreplique ;) (und "Oktroy" ist doch ein schönes Fremdwort, findest Du nicht?): Sonderbar, in Deiner Antwort stellst Du Dich wieder in unerreichbarer Ferne auf. Sag mir: ist der Laizismus für Dich nun irgendeine Art "Säkularisierung (Kirche-Staat bzw. innergesellschaftlicher Natur nach Leo)", als welcher er sich gerne beschreiben lässt?
Mit "einen Schlussstrich unter dem Kapitel Osman. Reich setzen" ist nur plakativ etwas (und nichts falsches) dazu gesagt und würde Atatürk Unrecht tun. Sein Konzept erscheint deutlich als eine staatliche Bevormundung der Religionsgemeinschaft und führt in der Türkei erstmalig eine zentrale Kirchenorganisation unter Vormundschaft des Staates für Moslems ein. Eine zentralistisch-politische Maßnaheme - und hat nichts (nullo) mit Säkularismus im westlichen Sinne zu tun, sondern führte in "Nutzungs-Folge" durch sein organsisationsbeispiel sogar zu einer machtpolitischen Besserstellung der Imame - bis hin zu heutigen Konstellationen wie in Iran etc.

Zum einen kann man im Falle der Türkei nicht von einem Säkularisierungsprozess reden, da man im Falle der Türkei m.E. nicht von einer Verweltlichung in diesem Sinne sprechen kann. Sicherlich gilt das für Istanbul und die anderen grossen Städt der Türkei. Die Masse allerdings ist von diesem sogenannten Säkularisierungsprozess nicht betroffen. Auch ist diesem Prozess, ich nenne ihn mal Laizismus, keine Aufklärung durch den Humanismus vorangegangen, wie es in Mitteleuropa der Fall war.

Zu den Kapitulationen folgendes:

müsste ich nochmal nachschlagen, wann die Kapitulationen geschlossen wurden, ich meine, 1536 für Frankreich und dann 1580 für England, erinnern zu können. Nicht vor Frankreich, mit Frankreich!!! Bitte genau lesen!

Wieso bin ich weit entfernt und vor allem von wem?
Leo hat im gewisser Weise recht. Trotz mehr als 80 Jahren Laizismus ist der Islam doch allgegenwärtig in der Türkei, vor allem auf dem Lande. Und wie gesagt wir hatten mit Erbakan auch schon mal einen Ministerpräsidenten, bei dem die Militärs arge Kopfschmerzen bekamen. Und der heutige Ministerpräsident ist auch nicht frei von "fundamentalistischen" Gedanken, die er als Bürgermeister von Istanbul vor ein paar Jahren kund tat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch heute noch muss festgehalten werden, dass für einen Muslim nichts ausserhalb Allahs Machtbereich existieren oder wirken kann.
Das gilt wohl für alle Monotheismen. Der Unterschied kommt ja erst dann zum Tragen, wenn man die Frage stellt, ob die jeweiligen Anhänger aufgerufen sind, ihrem Glauben gewaltsam Geltung zu verschaffen.

JAHWE/Gott/Allah herrscht selbstverständlich schon definitionsgemäß auch über das Jagdglück sibirischer Jäger, ob sie nun an den einen Gott glauben, oder nicht. Für die Juden ist damit die Sache zu Ende. Die Christen sehen sich beauftragt, diesen Leuten das (und andere von ihren Wahrheiten mehr) auch zu verkünden, damit auch die wissen, was "in Wirklichlkeit" los ist und Schamanismus ein Holzweg ist.
Tja, und die Muslime? Die belassen es ja wohl nicht bei der Verkündigung, sondern sehen sich beauftragt, den Islam als religiöse und und die Scharia als politische Form des Zusammenlebens ubiquitär durchzusetzen, so als glaubten sie nicht recht daran, dass Allah auch dort herrscht, wo kein Islam ist, sondern auf die sehr tatkräftige Mithilfe seiner Gläubigen angewiesen sei, um auch dort die Herrschaft auszuüben, die er doch eigentlich schon hat (oder haben sollte). Das ist so ziemlich der einzige Punkt, den ich beim Islam nie verstanden habe.
Soweit ich dazu etwas in Erfahrung bringen konnte, handelte es sich in aller Regel um die Auffassung, dass unter der Scharia die ganze Welt in Frieden und Glückseligkeit leben würde, was mal zunächst einleuchtet, wenn das "Haus des Krieges" besiegt und dessen Anhänger ausgerottet sind. Auf den zweiten Blick gibt es auch dann noch Zündstoff genug, wenn der Streit über die rechte Auslegung der Scharia entbrennt (mit Hadithen oder ohne?)

In der Geschichte wirkt sich das so aus, dass die Feindschaft zwischen Schiiten und Sunniten und die Beurteilung der Soufis eben nicht so aussieht, wie die (frühere) Feindschaft zwischen Katholiken und Protestanten, wenn auch der 30-jährige Krieg es vorübergehend so aussehen lässt. Aber Lessings Bibelkritik hat auch zu einer anderen Behandlung der Bibel in den katholischen Fakultäten geführt. Das heißt, dass sich das argumentative Potential hier durchgesetzt hat. Im islamischen Bereich ist eine ähnliche Entwicklung nicht zu beobachten.
Wenn man nun den religiösen Bereich für die beste Trainigsstätte für für scharfsinnige Argumentationen hält, so hat diese Abstinenz natürlich Auswirkungen auf das Geistesleben überhaupt.
Ich denke also schon, dass dieser (etwas naive) Ruf nach einem "muslimischen Luther" auf eine Entwicklung zurückzuführen ist, die erst im 19. Jahrhundert begonnen hat.
Möglicherweise hat der politische Niedergang des osmanischen Reiches zu einer Rückbesinnung auf die eigenen religiösen Wurzeln geführt, was dann einen bestimmten Konservativismus zur Folge hatte, dessen Auswirkungen wir jetzt erleben.
 
Ich denke also schon, dass dieser (etwas naive) Ruf nach einem "muslimischen Luther" auf eine Entwicklung zurückzuführen ist, die erst im 19. Jahrhundert begonnen hat.
Möglicherweise hat der politische Niedergang des osmanischen Reiches zu einer Rückbesinnung auf die eigenen religiösen Wurzeln geführt, was dann einen bestimmten Konservativismus zur Folge hatte, dessen Auswirkungen wir jetzt erleben.

Halbe Zustimmung...

...mag sein, dass der Niedergang des Osmanischen Reiches dazu geführt hat, das will ich nicht bestreiten. Aber: Vermutlich nur in einer Region, nämlich da, wo der Herrschaftsbereich des Osmanischen Reiches lag. Und selbst hier gibt es Najjd und den Hedschas, in dem die Wahhabiten/Salafiten schon mindestens ab dem 18. JH eine Art Rückbesinnung initiieren und dem Osmanischen Reich in dieser Region schon mal gewaltig zusetzen.

Um eine andere Region zu nehmen: Iran. Dort gab es über Jahrhunderte einen "Beinah-Säkularismus": Die Mullahs zogen sich in ihre Moscheen zurück und hielten sich weitgehend aus der Politik heraus. Das theokratische Konzept der "velayat-e faqih" (der "Herrschaft der Rechtsgelehrten") entstand erst 1979 mit Ruhollah Khomeini (wenngleich da ein mindestens jahrzehntelanger Kampf der Mullahs vorausging. Hier aber lag dies weniger an einer staatlichen (in dem Fall: weltlichen) Schwäche des Staats (der Iran war noch 100 Jahre zuvor deutlich schwächer gewesen) sondern an einer Mißachtung der Religion durch das herrschende Establishment.....
 
Wieso bin ich weit entfernt und vor allem von wem?
Leo hat im gewisser Weise recht. Trotz mehr als 80 Jahren Laizismus ist der Islam doch allgegenwärtig in der Türkei, vor allem auf dem Lande. Und wie gesagt wir hatten mit Erbakan auch schon mal einen Ministerpräsidenten, bei dem die Militärs arge Kopfschmerzen bekamen. Und der heutige Ministerpräsident ist auch nicht frei von "fundamentalistischen" Gedanken, die er als Bürgermeister von Istanbul vor ein paar Jahren kund tat.

Ich bin der Meinung, dass man zum ersten zwischen Religion und Religiösität eine Trennlinie machen muss. Ein guter Teil dessen, was nun als Religion "verkauft" wird, ist eigentlich Religiösität (also das was man schlussendlich draus macht).
Natürlich spielt der Islam in der Türkei durchaus noch eine Rolle Dennoch behaupte ich: Die Gesellschaft an sich säkularisiert sich, ganz egal wie sehr die Hüter der Religion auch versuchen, dies zu bremsen oder zu verhindern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Gesellschaft an sich säkularisiert sich, ganz egal wie sehr die Hüter der Religion auch versuchen, dies zu bremsen oder zu verhindern.

Hm, würdest Du nicht meinen, daß aufgrund der politischen Entwicklungen in den letzten Jahren diese Entwicklung z.T. wieder rückläufig ist, daß also das Bedürfnis nach Religion wächst?
 
hier ist auch ein interessantes Dokument eines Wissenschaftlers mit ausgewiesener Reputation zur Frage des Threads:

http://www.ifsh.de/pdf/publikationen/hb/hb138.pdf

aus dem Inhaltsverzeichnis:

Inhalt
1. Zur aktuellen politischen Situation in den Beziehungen Europas zur
islamischen Welt: Die Golf- und Irakkriege, der versandete Barcelona-
Prozess der EU und die kemalistische Türkei vor den Toren Brüssels 7
2. Theoriegeleitete Überlegungen zu Lernprozessen von Gesellschaften
angesichts externer Schocks 14
3. Modernisierung wider Willen oder Anfang der Rückentwicklung: der
Vertrag von Karlowitz im Jahr 1698 nach der militärischen Niederlage
des Osmanischen Reichs vor Wien 1683 - die ewige „Warum“-Frage 19
4. Historische Rückschau auf glänzende Anfänge der muslimischen Welt 23
5. Die Lähmung endogener Innovationspotentiale durch externe Einflüsse
(Mongolensturm) 30
6. Strukturelle Schwächen des Osmanischen Reiches: Bildungsdefizite
und mangelnde Freiheiten 35
7. Die Autonomie des Subsystems Bildung und die subalterne Rolle der
Ulama: die sogenannte „Schließung des Tors der Ischtihad“ 41
8. Kapitel: Warum Europa? – Pluralismus, Arbeitsteilung, Wettbewerb
und die Bedeutung technisch-wissenschaftlicher Innovationen 46
9. Die Schlüsselrolle der Organisation von Wissenschaft und Bildung
und der Innovationsvorsprung durch Europas Universitäten und
Intellektuelle 56
10. Bilanz und Ausblick: Die Differenz der Organisation von Erkenntnissuche
und Wahrheitsfindung und die ungelöste Frage der Säkularisierung
58
Literatur 65
 
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