Wieso Kaiserproklamation in Versailles?

History4fun

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Hi,

ich habe mich gerade gefragt, warum die Kaiserproklamation gerade im Spiegelsaal von Versailles stattfand?

Es ist klar, dass man durch den Standort Frankreich für die deutsche Reichsgründung, die Franzosen demütigen wollte. Aber warum macht man das gerade im Spiegelsaal von Versailles, welche Gründe gibt es dafür?

Grüße
History
 
Hmm,
danke für die schnelle Antwort.

Ich kann aus den Links entnehmen, dass Versailles deshalb als Ort gewählt wurde, weil dort Sonnenkönig Ludwig der XIV. residierte, der durchaus für die Macht und den Einfluss Frankreichs steht. Darüber hinaus war die Decke im Spiegelsaal teilweise mit Bildnissen von Verherrlichungen franz. Siege über Deutschland versehen.
Somit sollte die Kaiserproklamation dort zum einen Demütigung sein, zum anderen wollte man den gemeinsamen Franzosenhass nutzen, um den Partikularismus im Innern zu umgehen, die Staaten zu einen und dadurch ein Deutsches Reich ausrufen zu können.

Stimmt das soweit?
Wenn ja, ist das für mich noch immer keine eindeutige Begründung, warum gerade eben der Spiegelsaal von Versailles als Ort der Kaiserproklamation gewählt wurde.

Grüße
History
 
Hmm,
danke für die schnelle Antwort.

Ich kann aus den Links entnehmen, dass Versailles deshalb als Ort gewählt wurde, weil dort Sonnenkönig Ludwig der XIV. residierte, der durchaus für die Macht und den Einfluss Frankreichs steht. Darüber hinaus war die Decke im Spiegelsaal teilweise mit Bildnissen von Verherrlichungen franz. Siege über Deutschland versehen.
Somit sollte die Kaiserproklamation dort zum einen Demütigung sein, zum anderen wollte man den gemeinsamen Franzosenhass nutzen, um den Partikularismus im Innern zu umgehen, die Staaten zu einen und dadurch ein Deutsches Reich ausrufen zu können.

Stimmt das soweit?
Wenn ja, ist das für mich noch immer keine eindeutige Begründung, warum gerade eben der Spiegelsaal von Versailles als Ort der Kaiserproklamation gewählt wurde.

Grüße
History

Versailes ist das Symbol für die absolutistische französische Blüte, die ja unter Ludwig dem 14. auch immer wieder gerne gegen Deutschland in der Pfalz offensiv wurde.

Das bietet sich doch dann gut an, um die "neue Zeit" zu symbolisieren.
 
Man sollte vor lauter Symbolik auch die praktische Seite sehen:

Zu dieser Zeit wurde die französische Hauptstadt Paris von den Koalitionstruppen belagert. Das preußische Führung - und zumindest teilweise - die Spitzen der Verbündeten waren daher um Paris versammelt. Versailles war in deutscher Hand und bot sich als Versammlungsort an. Wie hätte es gewirkt, wenn man die Reichsgründung in einer französischen Provinzschule oder in einer Kaserne ausgerufen hätte?

Den Festakt der Reichsgründung auf deutschem Boden hatte auch seine Tücken. Jeder wählbare Ort hatte seine Geschichte. Man hätte zum Beispiel Frankfurt/Main wählen können. Dieser Ort war jedoch mit der Nationalversammlung 1848/1849 oder der Kaiserwahl im alten Reich verbunden. Beides Ereignisse, in deren Tradition man das neue Reich nicht stellen wollte.

Wäre die Wahl auf Berlin gefallen, hätte die preußische Dominanz den Betrachter noch mehr auffallen müssen.

Die Wahl eines geeigneten Ortes war also gar nicht so einfach. Vielleicht wäre Straßburg eine gute Wahl gewesen. Aber nach der Belagerung im Sommer 1870 wäre die dortige Bevölkerung wohl auf die deutschen Fürsten nicht gut zu sprechen gewesen. So gesehen, hatte Versailles - in deutschen Augen - auch seine Vorzüge.
 
Man sollte vor lauter Symbolik auch die praktische Seite sehen
Ich gehe sogar davon aus, daß diese praktische Seite im Vordergrund stand.
Man brauchte eine ausreichend große und repräsentative Versammlungsstätte im Umkreis von Paris. Da liegt Versailles einfach nahe.
Ob die Franzosen das gut finden, wird wenig interessiert haben. Aber an eine bewußte und demonstrative Demütigung glaube ich nicht. Das wäre weder Stil der Zeit gewesen, noch besonders sinnvoll - schließlich dauerte der Krieg noch an und es wäre dumm gewesen, die Gegner noch zusätzlich zu weiterem Widerstand zu motivieren.

Ich könnte mir sogar vorstellen, daß die Verwendung des Spiegelsaals zum Zeitpunkt des Geschehens auch in Frankreich wenig interessiert hat. Gut möglich, daß das erst später zur großen Demütigung wurde, nachdem der Krieg beendet war und den Franzosen bewußt wurde, wie sehr die Niederlage ihre Stellung in der Welt verändert hatte.
 
(...)
Stimmt das soweit?
Wenn ja, ist das für mich noch immer keine eindeutige Begründung, warum gerade eben der Spiegelsaal von Versailles als Ort der Kaiserproklamation gewählt wurde.

Weil er neben den ideologischen Gründen ein verdammt beeindruckender Raum ist, der jedweder Zeremonie einen eigenen Glanz gibt.

Man hätte das bestimmt auch Ludwigs XIV Kohlenkeller machen können, aber das hätte einfach nicht so gut ausgesehen, oder??? ;)

kaiserproklamation.jpg
 
Ich könnte mir sogar vorstellen, daß die Verwendung des Spiegelsaals zum Zeitpunkt des Geschehens auch in Frankreich wenig interessiert hat. Gut möglich, daß das erst später zur großen Demütigung wurde, nachdem der Krieg beendet war und den Franzosen bewußt wurde, wie sehr die Niederlage ihre Stellung in der Welt verändert hatte.

Das es sie später Gedemütigt ist ja klar, was ja wohl der Grund war warum sie uns dann rund 47 Jahre später wieder dorthin eingeladen haben, nur dass wir dann den Spiegelsaal ja nicht zu Gesicht bekamen, weshalb wir uns dann ja wieder gerecht haben und sie in den gleichen Güterwagen haben den nächsten Frieden unterzeichnen lassen, ähnlich wie: Die Graußarkeit des Friedens schafft noch Grausamerere

Aber ich würde auch Vermuten, dass einfach ein "Raum" hermusst um den Kaiser auszurufen, in Deutschland war es gar nicht möglich weil man damit die Stellung irgendeines Fürsten höher gestellt hätten.
Außerdem, so vermute ich war dafür gar nicht die Zeit, nach dem Sieg von Sedan war einfach dieser nationale Aufschwung, den auch die Fürsten erlebten, noch so greifbar, dass man den erstbesten Saal nahm, den Versailles war ja auch zu dem Zeitpunkt ein Soldatenlager, dass man den Feind gleichzeitig noch mit demütigte war sicherlich ein guter Nebeneffekt.

So meine Vermutung:D
 
Aber ich würde auch Vermuten, dass einfach ein "Raum" hermusst um den Kaiser auszurufen, in Deutschland war es gar nicht möglich weil man damit die Stellung irgendeines Fürsten höher gestellt hätten.

Der König von Preußen war laut Verfassung immer Deutscher Kaiser. Wenn das keine eindeutige Höherstellung zugunsten Preußens ist... man hätte die Proclamation ohne weiteres in Berlin machen können. Symbolträchtiger wären allerdings Aachen oder Frankfurt gewesen... und ich denke schon, dass sich das neue Kaiserreich in die Tradition des Alten stellen wollte. Da gibt es ja genügend Indizien für. Die preußische Vorherrschaft sollte aber unbestreitbar sein.
 
Aachen oder Frankfurt hätten sich von der Traditionslinnie her zwar angeboten, aber hier gab es,ähnlich wie in Strassburg das Problem einer antipreußischen Grundstimmung der lokalen Bevölkerung. 1848 und die Rolle Preußens und des potentiellen Kaisers dabei war im Westen und Süden noch nicht vergessen (Schlaf,mein Kind ,schlaf leis, da drußen geht der Preuß...)

Die Idee dazu das ganze im Versailler Spiegelsaal zu machen , hatte m.E. Bismarck
 
Man sollte vor lauter Symbolik auch die praktische Seite sehen:
Zu dieser Zeit wurde die französische Hauptstadt Paris von den Koalitionstruppen belagert. Das preußische Führung - und zumindest teilweise - die Spitzen der Verbündeten waren daher um Paris versammelt. Versailles war in deutscher Hand und bot sich als Versammlungsort an.

Ich denke auch, dass das der Hauptgrund ist! Und danach kommt wohl tatsächlich das Bedürfnis, in "Frankreichs guter Stube" mal Revanche zu nehmen für 200 Jahre französischer Expansionspolitik gen Osten.

Aber vielleicht noch eine Überlegung zur Symbolik, zu der mich Gall [1] inspiriert hat. Versailles steht ja auch für eine besondere Form von Herrschaft, nämlich die von Gott gegebene Herrschaft der Fürsten! In Galls Worten:
Im Herzen des besiegten Landes, im Kreis von Generalen, Höflingen und Diplomaten begingen die deutschen Fürsten die kleindeutsche Einigung als einen Akt der Bestätigung und Bekräftigung ihrer Souveränität und ihres Anspruches auf die alles überragende Stellung. Die Öffentlichkeit, die Volksvertretung, die eigentlichen Antriebskräfte der nationalstaatlichen Einigung in Wirtschaft und Gesellschaft - sie alle traten zurück gegenüber dieser Selbstdarstellung des Fürstenstaates, die später zum Nationalfeiertag stilisiert wurde und das äußere Bild des kleindeutschen Nationalstaates sehr wesentlich mitprägte.
Übrigens liest man ab und zu, dass am 18.1.1871 in Versailles das Deutsche Reich gegründet wurde. Das ist nicht ganz korrekt: Das "Deutsche Reich" wurde bereits rechtskräftig zum 1.1.1871 errichtet (siehe Verfassung des Deutschen Bundes, genannt Deutsches Reich (1870) – Wikisource), und an diesem Tage begann auch das Amt des Kaisers. Huber [2] schreibt:
Der Tag des Amtswerbs war der 1. Januar, der Tag der Amtseinweisung und Amtsergreifung war der 18. Januar 1871.
und fügt hinzu:
[Der preußische König] entschied sich für die Amtsübernahme in einem feierlichen Akt, für den er den 18. Januar 1871, den alten preußischen Krönungstag, bestimmte. Dieses Datum der Kaiserproklamation wies auf das preußische Fundament des neuen deutschen Kaiseramts nachdrücklich hin.
[1] Lothar Gall, Bismarck, Frankfurt 1980, S. 450
[2] Deutsche Verfassungsgeschichte, Stuttgart 2/1970, S. 751
 
Aachen oder Frankfurt hätten sich von der Traditionslinnie her zwar angeboten, aber hier gab es,ähnlich wie in Strassburg das Problem einer antipreußischen Grundstimmung der lokalen Bevölkerung.

[spam]
Ob die Einwohner von Versailles allerdings glühende Preussenfans waren darf auch bezweifelt werden...
[/spam]

Sry, konnte ich mir nicht verkneifen; ist schon klar, dass die Stimmung der französischen Bevölkerung eine völlig andere Sache ist... ;)
 
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