Horus
Horus ist zunächst ein Himmelsgott, sein Symbol ein Falke mit ausgebreiteten Flügeln. Horus, äg. Her(u), bedeutet "der oben ist" (fliegender Falke am Himmel), "der Hohe" oder "der Entfernte". Der Himmelsfalke (Horus) wird mit dem König gleichgesetzt (daher der "Horus-Name" des Königs, s. "Titulatur der Pharaonen"). Später gilt Horus als Sohn des Osiris und der Isis.
Dargestellt wird der Gott Horus in falkenköpfiger Menschengestalt mit einer uräus-umwundenen Sonnenscheibe auf dem Haupt. Als Gott der Morgensonne (Harachte; s.u.) wird Horus häufig mit Löwenkopf dargestellt (der Löwe gilt als solares Tier).
Weitere Namen und Erscheinungsformen des Horus:
(1) Von den Griechen wird er auch "Harsiëse" ("Horus, Sohn der Isis") genannt (äg. "Hor-Sa-Iset"). In dieser Form vollzieht Horus das Mundöffnungsritual an seinem Vater Osiris. Als "Horus-Jun-mutef" zelebriert ein "Sem"-Priester (Totenpriester) im Pantherfell oder der älteste Sohn eines Verstorbenen ebenso dieses Ritual für seinen Vater.
(2)
Als Sohn des Re wird er in Kom Ombo (OÄ) unter dem Namen "
Haroëris" (äg. "Hor-wer" = "Horus der Große", "Horus der Ältere") verehrt. Der Doppeltempel von Kom Ombo ist die einzige Kultstätte für zwei Gottheiten (von den Ptolemäern errichtet): der südliche Teil ist dem krokodilsköpfigen Gott Sobek geweiht (mit Hathor und Chons als Götter-Triade; beide gehören ursprünglich anderen Triaden an; s. "Gottheiten 3"), der nördliche dem falkenköpfigen Gott Haroëris, der mit Tasenetneferet ("die schöne Schwester") und dem jugendlichen Panebtaui ("der Herr Beider Länder") eine weitere Götter-Triade bildet.
(3) "Harpokrates" ist die griechische Verballhornung der ägyptischen Bezeichnung "Hor-pa-chered" ("Horus das Kind"). In dieser Form wird er mit Jugendlocke und Lutschfinger (s. Kindgott Ihi, "Gottheiten 3" [12]) dargestellt, nackt auf einer Lotosblüte sitzend ("Sonnenkind auf der Lotosblüte"). Die Griechen mißdeuten die Geste mit dem Finger am Mund und machen daraus einen "Gott des Schweigens".
(4) Unter der Bezeichnung "Harendotes" (grch.) tritt Horus als Rächer seines von Seth ermordeten Vaters Osiris auf (äg. "Hor-nedj-itef"; wörtlich: "Horus, der Schützer seines Vaters").
(5) Der Name "Harsomtus" ist die Verballhornung der ägyptischen Bezeichnung "Hor-Semataui" ("Horus, der Vereiniger der Beiden Länder"). Außer diesem Aspekt der Vereinigung von OÄ und UÄ gilt Horus (Harsomtus) auch als Schöpfergott, indem er in Gestalt eines Kindes oder einer Schlange auf einer Lotosblüte dargestellt wird (da der Lotos die Blume war, die aus dem Urozean auftauchte; s. auch "Horus das Kind").
(6) "Hor-em-achet" ("Horus im Horizont"; grch. Harmachis) ist eine andere Bezeichnung für den Sphinx (seit dem NR; s. "Upuaut-Projekt").
(7) In Athribis (äg. Hut-Heriib) im Deltagebiet wird der Krokodilgott Chentechtai (Chenticheti) verehrt, der aber bald die Gestalt des falkenköpfigen Horus annimmt und als "Horus Chenticheti" bezeichnet wird.
[Anm. zur Aussprache von "Chenticheti": erstes "ch" wie in "Buch", zweites wie in "ich"]
(8) In Bubastis wird Horus als "Hor-hekenu" verehrt, d.h. (wörtlich) "Horus der Salben". Unter dieser Bezeichnung hat er auch den Beinamen "Herr des Schutzes", womit die schützende Kraft der Salben gemeint ist. Die Toten werden nicht nur gereinigt sondern auch gesalbt, um durch den Wohlgeruch zu duften wie die Götter.
(9) In Edfu (äg. Mesen + Djeba) wird Horus im Bild der Flügelsonne verehrt (als "Horus von Behedet" oder "Horus Behedeti"). Behedet (heute: Damanhur) ist eine Stadt im Deltagebiet (17. uä. Gau).
Horus von Edfu ist auch als "Horus der Harpunierer" bekannt. Auf Reliefs an den Umfassungsmauern des Tempelbezirks von Edfu sind Szenen dargestellt, in denen Horus seinen Feind Seth (in der Gestalt eines Nilpferds) mittels Harpunen-Stichen besiegt.
(10) Horus von Nechen (grch. Hierakonpolis; heute: Kom el-Ahmar) assimiliert möglicherweise schon in der frühdynastischen Zeit eine dort verehrte Falken-Gottheit namens "Necheni" ("der von Nechen"). Der goldene Falkenkopf aus dem Tempel von Nechen (Ägypt. Museum Kairo) stammt wahrscheinlich von einer Kultstatue des Gottes.
(11) Der Falkengott Horus Chenti-irti wird spätestens seit der 4. Dynastie - wahrscheinlich schon seit der Thinitenzeit - in Chem (2. uä. Gau; grch. Letopolis; heute: Kom Ausim) im südwestlichen Delta verehrt. Der Beiname "Chenti-irti" bedeutet "der den beiden Augen vorsteht", womit die Sonne und der Mond (bzw. das Sonnen- und Mondauge des Horus) gemeint ist.
[Anm. zur Aussprache von "Chenti-irti": "ch" wie in "Buch"]
(12) Harachte ("Horus des Horizonts") ist eine weitere Erscheinungsform des Horus. Der Horizont ist die Stätte des Sonnenauf- und -untergangs ("Horizont" ist auch eine Metapher für "Tempel" und "Königspalast"); als "Harachte" fungiert Horus als Gott der Morgensonne (des Sonnenaufgangs). Harachte wird besonders in Heliopolis verehrt. In Verbindung mit dem Sonnengott Re wird er zu Re-Harachte (s. "Gottheiten 2", Sonnengötter: [4] Re-Harachte).