Wilhelm II. und das Automobil

Arne

Premiummitglied
Kürzlich las ich in einer Illustrierten mal wieder das Zitat vom letzten Kaiser:

"Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung."

...als Beispiel dafür, wie sehr man falsch liegen kann.

Hat mich etwas geärgert, weil so bei der Masse der Leser hängen bleibt, daß der Kaiser ein trotteliger Technikverächter war - und zumindest Letzteres war er ja ganz und gar nicht. Er war nämlich extrem technikbegeistert und interessierte sich für jede neue Entwicklung. Auch wenn er anfangs mit seiner Prognose bezüglich des Automobils falsch lag, so war er doch später ein großer Autofan.

Er hatte ja einen großen Fuhrpark, die "Automobil-Abteilung beim kaiserlichen Marstall" und bestellte sich diverse Sonderanfertigungen bei den Herstellern. Er fuhr 1907 gern Opel ("Kaiserlicher Hoflieferant"), ließ sich aber auch 1910 von Mercedes einen Wagen in Marinegrau(!) liefern.

Selbst gefahren ist er aber wohl kaum, seine "kaiserlich und königlichen Wagenführer" (=Chauffeure), Karl Krieger und Julius Knoop, kutschierten ihn in der Regel.

Wann soll KWII das eigentlich gesagt haben? Dürfte sehr früh gewesen sein, als die ersten Motorkutschen durch die Straßen knatterten. Weiß da jemand etwas Genaues?
Kann noch jemand was zum Fuhrpark des Kaisers oder ein paar Anekdötchen beitragen? ;-)
Spezielle Literatur-Tips?
 
Grad beim goggeln noch etwas gefunden:

Wilhelm II. soll nach einer oft erzählten Geschichte noch um die Jahrhundertwende Vorbehalte gegen den „Stinkkarren“, wie er das Auto angeblich nannte, gehabt haben.

Eine Anekdote sagt, dass er im Herbst 1902 einmal vierspännig in der Nähe seines Schlosses mit der Kutsche gefahren sein soll. Dabei wäre ihm ein Major von der Berliner Trainabteilung mit einem Benz Automobil begegnet. Der Kaiser ließ halten und befahl den Major zu einer Wettfahrt. Der Major ließ Seiner Majestät anstandshalber einige Hundert Meter Vorsprung, doch dann rauschte er lärmend an der Kutsche vorbei. Dies soll sogleich den Meinungsumschwung beim deutschen Kaiser bewirkt haben.

Es ist heute wohl nahezu unmöglich, den Wahrheitsgehalt dieser netten Geschichte nachzuprüfen. Zeitgenössische Literatur sagt uns jedoch, dass die ersten Fahrzeuge im Jahre 1903 in den kaiserlichen Marstall kamen und dass bereits 1910 Wilhelm II. 22 Kraftwagen für seinen persönlichen Bedarf, von denen immerhin 20 Personenwagen waren, besaß. Diese Fahr*zeuge waren mit einer speziellen viertönigen Hupe ausgestattet, die den normalen Verkehrsteilnehmern das Herannahen „allerhöchster“ Wagen signalisierte.

Die kaiserlichen Fahrzeuge waren elfenbeinfarben und mit dunkelblauen und goldenen Streifen verziert. Die preußischen Hoheitszeichen sind an der Wagentür und am Heck angebracht. Ähnlich war auch der Hofsonderzug des Kaisers farblich gestaltet.

Quelle: Das Deutsche Kaiserliche Automobilcorps und seine Dolche - By Vic Diehl and H.Hamp
 
Selbst gefahren ist er aber wohl kaum, seine "kaiserlich und königlichen Wagenführer" (=Chauffeure), Karl Krieger und Julius Knoop, kutschierten ihn in der Regel.

Wann soll KWII das eigentlich gesagt haben? Dürfte sehr früh gewesen sein, als die ersten Motorkutschen durch die Straßen knatterten. Weiß da jemand etwas Genaues?
Kann noch jemand was zum Fuhrpark des Kaisers oder ein paar Anekdötchen beitragen? ;-)
Spezielle Literatur-Tips?


Wenn er schon nicht selber steuerte, so wollte Wilhelm II. wenigstens Gas geben, und er ließ sich eigens ein Automobil anfertigen, wo er im Fond sitzend Gas geben und bremsen konnte.
 
"Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten - allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren."

Ein (zumindest zugeschriebenes) Zitat von Herrn Daimler. Heutzutage habe selbst ich grobmotoriker eine Berechtigung zur Führung eines Kraftfahrzeugs und eine dazu passende Motordroschke und diesem Herren kann man ja wohl kaum Technophobie vorwerfen...
 
Apropos "Politiker": Wilhelm II. meinte auch, Automobil würde sich nie durchsetzen: Er glaubte an das Pferd. :D

Hat mich etwas geärgert, weil so bei der Masse der Leser hängen bleibt, daß der Kaiser ein trotteliger Technikverächter war - und zumindest Letzteres war er ja ganz und gar nicht. Er war nämlich extrem technikbegeistert und interessierte sich für jede neue Entwicklung.

Richtig, das "Zitat" passt denkbar schlecht zu dem technikbegeisterten Kaiser, der persönlich die Schirmherrschaft für den Deutschen Automobilclub übernahm und selbst 22 Autos besaß. Tatsächlich ist so ein Zitat auch gar nicht überliefert, es wurde dem Kaiser erst im Internet-Zeitalter in die Schuhe geschoben, und wird wie viele andere unausrottbare Märchen fröhlich weiterverbreitet, siehe

Wie beeinflussbar, war Wilhelm der Zweite Wirklich?

Wann soll KWII das eigentlich gesagt haben?

Gute Frage. Da es kein Originalzitat gibt, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, jeder kann sich seine eigene Jahreszahl ausdenken:
... "um 1900" sowie je nach Quelle mit dem Jahr 1904, 1905, 1906 oder 1916 ...
 
"Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten - allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren."

Ein (zumindest zugeschriebenes) Zitat von Herrn Daimler.

Es würde mich nicht wundern, wenn auch das eine Fehlzuschreibung wäre.

Oder gibt es dafür eine Quelle?

Etwas Leichtes: Gesucht wird ein Erfinder und Unternehmer, der am Ende des 19. oder am Anfang des 20. Jahrhunderts prognostiziert hatte, dass die weltweite Nachfrage nach Autos 1 Million nie überschreiten würde.
 
Ähnliche "Zitate" gibt es auch von einem amerikanischen Patentamts-Chef um 1900, der gesagt haben soll, "es ist alles erfunden".

Und vom IBM-CEO um 1945 "mehr als 5 Computer werden nicht gebraucht".
 
Zitat aus Wikipedia:

Kurz vor seinem Tod soll Adam Opel beim Anblick eines Automobils angeblich ausgerufen haben: „Aus diesem Stinkkasten wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen!“[4]

Ist das glaubhafter, weil die Quelle (Opel Jugend Kalender 1965, S. 31.) vor dem Internetzeitalter stammt?

Ist es glaubhaft, dass Goethes letzte Worte „Mehr Licht!“ waren?

Man kann alles anzweifeln, auch den Aufzeichnungen von Leuten, die dabei waren – noch weniger glaubt man jenen, die nicht dabei waren, sondern das nur gehört haben von jenen, die dabei waren.

In diesem Forum gibt es ein seltsames Verhalten: Wird ein Ereignis nur von einem antiken (Geschichts)schreiber erwähnt, wird angezweifelt, ob das stimmen könne, schließlich hätte man nur diese eine Quelle. Und wenn sich heute jemand auf diese eine Quelle bezieht, um eine These zu begründen, werden andere, die diese These nicht aufgestellt haben – oder gar eine andere vertreten –, als erstes diese Quelle in Zweifel ziehen. Dabei konnte ein Zufall gewesen sein, dass nur die eine antike Quelle „überlebte“, während die anderen verloren gegangen sind.

Hinter diesem Misstrauen steckt der Verdacht: Alle Menschen lügen als wären sie alle Kreter. o_O
 
Das ist ein ganz klein wenig unterkomplex dargestellt.





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Zuletzt bearbeitet:
Das ist ein ganz klein wenig unterkomplex dargestellt.
Natürlich ist es das.

Was wir glauben, ist weniger individuell abhängig als von dem, was der Zeitgeist gerade für richtig hält.

Und die Zitate von Daimler und Wilhelm II. entnahm ich einem Buch, das man als die Zustandsbeschreibung der Deutschen nennen könnte – es heißt zutreffend auch „Die deutsche Seele“ und ist von Thea Dorn und Richard Wagner, einem Banater Schwaben, geschrieben. Ein faszinierendes Buch, kann ich nur empfehlen.
 
Ja, ja, selbst die Lottozahlen werden von der "Lottofee" im Fernsehen ohne Gewähr präsentiert, obwohl die Ziehung lange Zeit live ausgestrahlt wurde und sie wie auch Millionen Zuschauer vor dem Fernsehern "live" dabei waren.
 
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