Wilson 14-Punkte-Programm/Historischer Hintergrund

deviloper

Neues Mitglied
Hey,

da man ja nicht sofort im Neuzeit-Teil schreiben darf, schreib ich mal hier hin ;)

Also meine Frage ist, auf welchen historischen Begebenheiten die einzellnen Punkte des 14-Punkte-Programms von Willson vermutlich zurück zu führen sind? z.B. mit Nationalitätengrenzen in Österreich u. Italien sollte ja auf den Konflikt um Südtirol basieren, oder?

Vielen danke schonmal :)
 
Da empfiehlt sich doch, die Punkte mal aufzulisten. Was willst du da jetzt genau wissen? Generell kann man schonmal sagen, dass Wilson eine Freihandels-Politik verfocht, er wollte mit seiner Forderungen nach freier Seefahrt und Protektionismus-Abbau neue Absatzmärkte für seine prosperierende Heimatwirtschaft schaffen. Eine Politik, die sich schon lange durch US-amerikanische Außenpolitik zieht. Seine Politik des Selbstbestimmungsrecht der Völker ist meiner Meinung eine überaus doppelzüngige Politik gewesen. Man nutze Sie als Instrument, um feindliche Vielvölkerreiche wie das Osmanische zu sprengen, anderseits spielte es bei den Annektierungen des Reiches oder dem Erhalt von noch heute instabilen Ländern wie Beligien keine Rolle. Auch in Bezug auf Österreich Italien war es lächerlich, Südtirol ist ja heute noch in großen Teilen deutschsprachig, genauso wie das Anschluss-Verbot seinen Postualten widersprach.

1. Offene, öffentlich abgeschlossene Friedensverträge. Danach sollen keinerlei geheime internationale Abmachungen mehr bestehen, sondern die Diplomatie soll immer aufrichtig und vor aller Welt getrieben werden.

2. Uneingeschränkte Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren, außerhalb der Territorialgewässer, im Frieden sowohl wie im Kriege, ausgenommen jene Meere, die ganz oder teilweise durch internationales Vorgehen zur Durchführung internationaler Verträge gesperrt werden.

3. Möglichste Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken und Herstellung einer Gleichheit der Handelsbedingungen für alle Nationen, die dem Frieden beitreten und sich zu seiner Aufrechterhaltung verbinden.

4. Entsprechende gegenseitige Bürgschaften für die Beschränkung der Rüstungen der Nationen auf das niedrigste, mit der Sicherheit im Innern vereinbare Maß.

5. Freier, unbefangener und völlig unparteiischer Ausgleich aller kolonialen Ansprüche, auf der genauen Beachtung des Grundsatzes beruhend, dass beim Entscheid in solchen Souveränitätsfragen die Interessen der betreffenden Bevölkerungen ebenso ins Gewicht fallen, wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist.

6. Räumung des ganzen russischen Gebietes und ein Einvernehmen über alle auf Russland bezüglichen Fragen, das das beste und freieste Zusammenwirken der anderen Völker sichert, um für Russland eine ungehemmte Gelegenheit zur unabhängigen Bestimmung seiner eigenen politischen Entwicklung und nationalen Politik herbeizuführen und ihm eine herzliche Aufnahme in der Gesellschaft der freien Nationen unter selbst gewählten Staatseinrichtungen, ja noch mehr, Hilfe jeder Art, deren es bedürftig sein und von sich aus wünschen mag, gewährleistet. Die Russland von seinen Schwesternationen in den nächsten Monaten gewährte Behandlung wird der Prüfstein ihres guten Willens, ihres Verständnisses für seine Bedürfnisse im Unterschied zu ihren eigenen Interessen und ihres verständigen und selbstlosen Mitgefühls sein.

7. Belgien muss, die ganze Welt wird dem beipflichten, geräumt und wiederhergestellt werden, ohne jeden Versuch, seine Souveränität, deren es sich wie alle anderen freien Völker erfreut, zu beschränken. Kein anderer einzelner Schritt wird so wie dieser dazu dienen, das Vertrauen unter den Nationen in die Gesetze wiederherzustellen, die sie selbst geschaffen haben und als maßgebend für ihre Beziehungen zueinander festgesetzt haben. Ohne diesen heilsamen Schritt bleibt die gesamte Struktur und die Gültigkeit des Völkerrechts für immer geschädigt.

8. Das ganze französische Gebiet muss geräumt und die besetzten Teile wiederhergestellt werden. Das Unrecht, das Frankreich im Jahre 1871 in Beziehung auf Elsaß-Lothringen durch Preußen angetan worden ist und das den Weltfrieden während nahezu fünfzig Jahren erschüttert hat, muss wieder gut gemacht werden, damit der Friede im Interesse Aller wiederhergestellt werden kann.

9. Berichtigung der Grenzen Italiens nach den genau erkennbaren Abgrenzungen der Volksangehörigkeit.

10. Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden.

11. Rumänien, Serbien und Montenegro sollten geräumt, die besetzten Gebiete zurückgegeben werden. Serbien sollte ein freier und sicherer Zugang zur See gewährt werden, und die Beziehungen unter den verschiedenen Balkanstaaten zueinander sollten durch freundschaftliche Übereinkunft nach den bestehenden geschichtlichen Richtlinien der Zugehörigkeit und der Nationalität geregelt werden. Internationale Bürgschaften für die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie die Unverletzlichkeit des Gebiets der verschiedenen Balkanstaaten sollten geschaffen werden.

12. Den türkischen Teilen des jetzigen osmanischen Reiches sollte eine unbedingte Selbständigkeit gewährleistet werden. Den übrigen Nationalitäten dagegen, die zur Zeit unter türkischer Herrschaft stehen, sollte eine zuverlässige Sicherheit des Lebens und eine völlig ungestörte Gelegenheit zur selbständigen Entwicklung gegeben werden. Die Dardanellen sollten unter internationalen Bürgschaften als freie Durchfahrt für die Schiffe und den Handel aller Nationen dauernd geöffnet werden.

13. Ein unabhängiger polnischer Staat sollte errichtet werden, der alle Gebiete einzubegreifen hätte, die von unbestritten polnischer Bevölkerung bewohnt sind; diesem Staat sollte ein freier und sicherer Zugang zur See geöffnet werden, und seine politische sowohl wie wirtschaftliche Unabhängigkeit sollte durch internationale Übereinkommen verbürgt werden.

14. Ein allgemeiner Verband der Nationen muss gegründet werden mit besonderen Verträgen zum Zweck gegenseitiger Bürgschaften für die politische Unabhängigkeit und die territoriale Unverletzbarkeit der kleinen sowohl wie der großen Staaten.
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Wilson [...] Seine Politik des Selbstbestimmungsrecht der Völker ist meiner Meinung eine überaus doppelzüngige Politik gewesen. Man nutze Sie als Instrument, um feindliche Vielvölkerreiche wie das Osmanische zu sprengen, anderseits spielte es bei den Annektierungen des Reiches oder dem Erhalt von noch heute instabilen Ländern wie Belgien keine Rolle. Auch in Bezug auf Österreich Italien war es lächerlich, Südtirol ist ja heute noch in großen Teilen deutschsprachig, genauso wie das Anschluss-Verbot seinen Postulaten widersprach.

Da sollte man sich die Frage stellen, wie viel Einfluss die USA überhaupt auf die Neuaufteilung hatten. Abgesehen davon, das Italien nach dem WK I. zu den Siegermächten, Österreich zu den Verlierern und zumindest aus damaliger Sicht auch zu den Kriegsschuldigen gehörte, zogen sich die USA ja bald wieder in ihre angestammte Politik nach der Monroe-Doktrin zurück: Amerika hat nichts in Europas zu schaffen, Europa hat nichts in Amerika zu schaffen. Und Wilson, der ja eigentlich auch ein Verfechter dieser Doktrin war, konnte sich weder nach Innen noch nach Außen gegenüber seinen Kriegsalliierten (insbesondere Frankreich) wirklich durchsetzen.
Speziell zu Belgien: m.E. eine anachronistische Argumentation. Der wallonisch-flämische Konflikt ist meines Wissens relativ jung. Die sprachlichen Unterschiede spielten in der Vergangenheit eine eher untergeordnete bis marginale Rolle. Die Konfession war bei der belgischen Staatsgründung viel tragender. Es war doch gerade die Wahl der Belgier gewesen, sich aufgrund ihres katholischen Bekenntnisses von den protestantisch dominierten Niederlanden zu lösen.
 
Da sollte man sich die Frage stellen, wie viel Einfluss die USA überhaupt auf die Neuaufteilung hatten. Abgesehen davon, das Italien nach dem WK I. zu den Siegermächten, Österreich zu den Verlierern und zumindest aus damaliger Sicht auch zu den Kriegsschuldigen gehörte, zogen sich die USA ja bald wieder in ihre angestammte Politik nach der Monroe-Doktrin zurück: Amerika hat nichts in Europas zu schaffen, Europa hat nichts in Amerika zu schaffen. Und Wilson, der ja eigentlich auch ein Verfechter dieser Doktrin war, konnte sich weder nach Innen noch nach Außen gegenüber seinen Kriegsalliierten (insbesondere Frankreich) wirklich durchsetzen.
Speziell zu Belgien: m.E. eine anachronistische Argumentation. Der wallonisch-flämische Konflikt ist meines Wissens relativ jung. Die sprachlichen Unterschiede spielten in der Vergangenheit eine eher untergeordnete bis marginale Rolle. Die Konfession war bei der belgischen Staatsgründung viel tragender. Es war doch gerade die Wahl der Belgier gewesen, sich aufgrund ihres katholischen Bekenntnisses von den protestantisch dominierten Niederlanden zu lösen.

Zu Wilson:
Wenn er so revolutionär auftritt, dann hätte er es auch durchsetzen sollen. Seine Heere hatten doch den Sieg gebracht, Frankreich und England waren doch ausgeblutet. Das er nicht in der Lage war, seine Pläne umzusetzen, kann seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit zeigen. Es kann aber auch bedeuten, dass ihm diese Ziele nur als Propagandazweck dienten und er andere, wirtschaftliche 'Interessen hatte.


Spielte wohl schon vorher eine Rolle, es wäre ja auch verwunderlich, wenn sich ein Nationalitätenkonflikt erst heute herausbilden würde. Es tut ja auch nichts groß zur Sache, es ist einfach nur ein Fakt, dass ein Belgien, dass ja auch Gebietsgewinne machte, alles andere als ein homogener Staat war. Und das Habsburger-Reich war ja auch durch die Klammer des katholischen Glaubens lange zusammengehalten worden.

"Die Herabstufung der niederländischen wurde von den gebildeten und führenden Kreisen nicht als Problem empfunden, sprachen doch die gebildeten Bevölkerungsschichten in ganz Belgien französisch. Erst langsam entstand eine „Flämische Bewegung“ (ndl. Vlaamse Beweging), die sich gegen die Unterdrückung ihrer Sprache wehrte, zuerst in den Kreisen gebildeter Kleinbürger. Ende des 19. Jahrhunderts trat die Bewegung aus dem Schatten des reinen Kulturbetriebs und Politiker verschiedener Parteien fingen an, die Lage ihrer niederländischen Sprache zu definieren und auszubessern. Ein Meilenstein war die Einrichtung des zweisprachigen Unterrichts in Flandern auf dem Niveau der Sekundarstufe (Französisch und Niederländisch).
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand als Gegenreaktion die „Wallonische Bewegung“. Der Name ist irreführend, da die Bewegung zuerst in Flandern in Kreisen der französischen Bildungsbürger entstand. Sie wollten die Stellung ihrer französischen Sprache in Verwaltung und Unterricht verteidigen, gegen die drohende verpflichtete Zweisprachigkeit in Flandern. Auch die Erweiterung des Wahlrechts beschleunigte die Entstehung einer wallonischen Bewegung. In der Wallonie befürchteten die führenden Kreise eine Beherrschung durch die zahlenmäßig überlegenen Flamen: Das agrarische Flandern war weitgehend konservativ-katholisch, die von der Schwerindustrie geprägte Wallonie hatte eine antiklerikale Tradition, die im 20. Jahrhundert stark sozialistisch geprägt war. Der flämisch-wallonische Konflikt, der auf den ersten Blick „nur“ mit Sprache zu tun hatte, war in Wahrheit auch ein sozialer Konflikt, verbunden mit der Besetzung von Arbeitsstellen und Machtausübung.
Der Erste Weltkrieg beschleunigte den Konflikt. Zahlreiche Flamen kämpften im Stellungskrieg in Westflandern gegen die kaiserliche deutsche Reichsarmee. Sie erlebten, wie ihre nur französisch sprechenden Offiziere ihre Sprache missachteten. Der Sprachenkonflikt stellte sich hier insofern auch als soziale Kluft dar. Die Flämische Bewegung entwickelte den Mythos, dass viele einfache flämische Soldaten in den Schützengräben wegen Verständigungsschwierigkeiten mit ihren französisch sprechenden Befehlshabern sterben mussten. Viele Flamen arbeiteten im besetzten Teil Belgiens mit der reichsdeutschen Besatzungsmacht zusammen. Diese „Aktivisten“ wurden nach dem Krieg von der französisch sprechenden belgischen Obrigkeit streng bestraft. Auch dadurch wurde nach dem Krieg die flämische Bewegung stark politisiert."


aus Wikipedia
 
Meinte eigtl. das z.B. bei Punkt 1 ja eine Handlung Deutschlands oder anderer Länder vorausgegangen sein muss, auf die dieser Punkt nun abzielt, um dies zu unterbinden.
 
Meinte eigtl. das z.B. bei Punkt 1 ja eine Handlung Deutschlands oder anderer Länder vorausgegangen sein muss, auf die dieser Punkt nun abzielt, um dies zu unterbinden.

Geheimdiplomatie war vorher bei allen Staaten angesagt und war es nachher auch noch. Direkte Handlungen Deutschlands sind vor allem bei den Räumungsartikeln vorausgegangen.
 
Zu Wilson:
Wenn er so revolutionär auftritt, dann hätte er es auch durchsetzen sollen. Seine Heere hatten doch den Sieg gebracht, Frankreich und England waren doch ausgeblutet. Das er nicht in der Lage war, seine Pläne umzusetzen, kann seine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit zeigen. Es kann aber auch bedeuten, dass ihm diese Ziele nur als Propagandazweck dienten und er andere, wirtschaftliche 'Interessen hatte.

Du verkennst die Unterschiede zwischen dem politischen System der USA und dem bundesrepublikanischen, sowie die Macht von Repräsentantenhaus und Senat gegenüber dem Präsidenten.
Desweiteren gehst du offensichtlich, wenn auch nur implizit, von einer Weisungsbefugnis des amerikanischen Präsidenten über die Staatschefs souveräner verbündeter Staaten aus. Doch weshalb sollte ein Präsident, dessen Interessen in Europa sich darauf beschränken einen Krieg zu beenden (und das hat er ja geschafft!) sich lange in die europäischen Ränke, mit denen er doch eigentlich nichts zu schaffen hat, einmischen?!
 
Du verkennst die Unterschiede zwischen dem politischen System der USA und dem bundesrepublikanischen, sowie die Macht von Repräsentantenhaus und Senat gegenüber dem Präsidenten.
Desweiteren gehst du offensichtlich, wenn auch nur implizit, von einer Weisungsbefugnis des amerikanischen Präsidenten über die Staatschefs souveräner verbündeter Staaten aus. Doch weshalb sollte ein Präsident, dessen Interessen in Europa sich darauf beschränken einen Krieg zu beenden (und das hat er ja geschafft!) sich lange in die europäischen Ränke, mit denen er doch eigentlich nichts zu schaffen hat, einmischen?!

Mir ist schon klar, dass Wilson vielerlei Strömungen unterlag. Aber ich find trotzdem, dass eine massive Diskrepanz zwischen der Propaganda und dem Anspruch und dem letzlich umgesetzten besteht. Das kritisiere ich. Außerdem glaube ich nicht, dass sich die US-amerikanischen Interessen darauf beschränkten, den Krieg zu beenden. Vielmehr dürfte ein Machtgewinn das Hauptziel gewesen sein, und mit dem Versailler Vertrag und seinen Folgen war Europa ja dann auch als politischer Faktor alsbald marginalisiert und die USA wurden Weltmacht.
 
...und mit dem Versailler Vertrag und seinen Folgen war Europa ja dann auch als politischer Faktor alsbald marginalisiert und die USA wurden Weltmacht.

So? Was änderte sich denn für die USA konkret nach dem Ersten Weltkrieg?
Stützpunkte in Europa? Fehlanzeige.
Vergrößerung der Landmasse? Fehlanzeige.
Reparationszahlungen an die USA? Kaum der Rede wert: Meines Wissens beschränkten sie sich auf einen Zeppelin.

Frankreich und GB als politische Faktoren marginalisiert? Davon kann doch wohl kaum die Rede sein, beide Länder blieben Welt- und Kolonialmächte, beerbten sogar noch das osmanische Reich (GB: Palästina/Jordanien, F: Syrien/Libanon), wenn auch "nur" als Völkerbundsmandate (welches Völkerbundsmandat erhielten die USA?) und wohl letztlich auch eher zu ihrem Schaden, als ihrem Nutzen. Der Niedergang der Kolonialreiche begann eigentlich erst mit den Erfolgen der Japaner im WK II in Asien, die wohl mitbegünstigt wurden durch den Kriegszustand der Mutterländer mit dem Dt. Reich.
Die USA als westlicher Meinungsführer, das begann 1923 mit Dawes und der Tolerierung GBs, die USA als Weltmacht, das begann erst 1941/42, mit dem Angriff auf Pearl Harbour und der folgenden deutschen Kriegserklärung.
 
Mir ist schon klar, dass Wilson vielerlei Strömungen unterlag. Aber ich find trotzdem, dass eine massive Diskrepanz zwischen der Propaganda und dem Anspruch und dem letzlich umgesetzten besteht.
Ein häufig übersehener Punkt ist der, dass Wilson beim Friedensschluss im 1. WK eigentlich eine andere Rolle spielen wollte. Ursprünglich wollte er zwischen den Kriegsparteien vermitteln (1916/17). Das liess seinen Ruf entstehen, es mit den Deutschen gut zu meinen. Ironischerweise war der Erwartungsdruck in Deutschland am stärksten, nachdem das Deutsche Reich Wilson erfolgreich in den Krieg hineingezogen (uneingeschränkter U-Boot-Krieg und Zimmermann-Depesche) hatte, dieser schon ein Jahr lang der Präsident eines Feindstaates war, sein Handlungsspielraum hierdurch bereits erheblich eingeschränkt war und nun die Niederlage drohte. Vor deren Härten sollte der 1917 verschmähte Wilson das Reich bewahren.

Die "14-Punkte" selbst waren zunächst nur ein Programm des Kriegspräsidenten Wilson (kein Programm der Alliierten), die dieser vor dem amerikanischen Kongreß erläuterte. Später berief sich dann das Deutsche Reich auf dieses Programm und noch ein wenig später tauchten die ersten deutschen "Völkerrechtsprofessoren" auf, die einen Anspruch auf einen Wilson-Frieden nach deutscher Interpretation herleiteten. Die Diskrepanz zwischen der "Propaganda" und dem "Ergebnis" war zum Großteil deutsche Hausmannskost.

In der Sache selbst schwebte Wilson eigentlich auch ein anderes "Ergebnis" vor. Er musste aber Kompromisse insb. mit den Franzosen eingehen, die in Versailles am liebsten den deutschen Nationalstaat beerdigt hätten und die nach absoluter Sicherheit strebten. Das konnte er nicht einfach ignorieren. Immerhin bedurfte es der gemeinsamen Anstrengungen von Frankreich, Russland, Großbritannien, Italien und der USA um die Mittelmächte niederzuwerfen. Hinzu kam die aussenpolitische Lage, die sich durch die Oktoberrevolution 1917 zu Lasten Frankreichs verschlechtert hatte (Untergang der französisch-russischen Entente). Bei einem solchen Behauptungsvermögens Deutschlands und solcher außenpolitischer Lage war es nicht das Deutsche Reich, um das sich Wilson primär Sorgen machen musste. Wilsons Konzeption sah den Abschluss eines Bündnisvertrages mit Frankreich vor. Durch diesen Vertrag sollte Frankreich politisch stabilsliert werden mit dem Ziel, dass es gegenüber dem Deutschen Reich weniger hysterisch um seine Sicherheit bedacht auftritt und eher zu Kompromissen und Veränderungen bereit ist. Wegen diesem Bündnisvertrag war Poincare wiederum zu Zugeständnissen Wilson gegenüber bereit. Als dann der amerikanische Senat seine Zustimmung zur Ratifikation dieses Vertrages verweigerte, war diese Konzeption gescheitert. Eine der Folgen davon war, dass sich Frankreich nun betrogen fühlte und sein Ziel, den deutschen Nationalstaat zu zerstören, über den "Ruhrkampf" wiederaufgriff.
 
Frankreich und GB als politische Faktoren marginalisiert? Davon kann doch wohl kaum die Rede sein, beide Länder blieben Welt- und Kolonialmächte, beerbten sogar noch das osmanische Reich (GB: Palästina/Jordanien, F: Syrien/Libanon), wenn auch "nur" als Völkerbundsmandate (welches Völkerbundsmandat erhielten die USA?) und wohl letztlich auch eher zu ihrem Schaden, als ihrem Nutzen. Der Niedergang der Kolonialreiche begann eigentlich erst mit den Erfolgen der Japaner im WK II in Asien, die wohl mitbegünstigt wurden durch den Kriegszustand der Mutterländer mit dem Dt. Reich.

Ganz richtig.

Die Schwächung dieser Mächte - wenn man darauf abstellt - erfolgte auch nicht durch den Versailler Vertrag (wie auch?), sondern durch die Schäden des Weltkriegs. Hier im Forum wurden an anderer Stelle einmal die Kriegsfolgen für Frankreich diskutiert.

Richtig ist ebenfalls, dass der Krieg die Finanzmacht USA (ausgehend vom Vorkriegs-Schuldnerstaat) manifestierte. Die Summen der Auslandsforderungen der USA entsprachen etwa den Exportüberschüssen während des Krieges.
 
Ganz richtig.

Die Schwächung dieser Mächte - wenn man darauf abstellt - erfolgte auch nicht durch den Versailler Vertrag (wie auch?), sondern durch die Schäden des Weltkriegs. Hier im Forum wurden an anderer Stelle einmal die Kriegsfolgen für Frankreich diskutiert.

Richtig ist ebenfalls, dass der Krieg die Finanzmacht USA (ausgehend vom Vorkriegs-Schuldnerstaat) manifestierte. Die Summen der Auslandsforderungen der USA entsprachen etwa den Exportüberschüssen während des Krieges.

Durch das Beharren der Amerikaner auf die Rückzahlung der Schuld seiner Alliierten wurde die harte Haltung der europäischen Siegermächte gegenüber den Deutschen doch mit bedingt. Anstatt gemeinsam die Wirtschaft wiederaufzubauen, überzog man sich im Versailler Vertrag mit Reparationen. Das wiederrum war dem Wiederaufbau sehr hinderlich und wurde den wirtschaftlichen Vorkriegsbeziehungen nicht gerecht.
 
Anstatt gemeinsam die Wirtschaft wiederaufzubauen, überzog man sich im Versailler Vertrag mit Reparationen. Das wiederrum war dem Wiederaufbau sehr hinderlich und wurde den wirtschaftlichen Vorkriegsbeziehungen nicht gerecht.

Natürlich kann man rügen, dass hier die Weitsicht fehlte (von einigen warnenden Stimmen wie Keynes, der seine Stellungnahmen aber in der anderen Richtung mE übertrieben hat, mal abgesehen) - der Zeit geschuldet.

Wieso sollten die auch Anleihezeichner in den USA auf ihre Forderungen gegen Großbritannien und Frankreich bzw. ggü. dem Staat USA mit weitergeleiteten Finanzmitteln (ab 1917) verzichten? - sarkastisch: aus amerikanischer Sicht hatten sich das die großmächtigen "Geheimdiplomaten" in Europa doch selbst eingebrockt.
 
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Natürlich kann man rügen, dass hier die Weitsicht fehlte (von einigen warnenden Stimmen wie Keynes, der seine Stellungnahmen aber in der anderen Richtung mE übertrieben hat, mal abgesehen) - der Zeit geschuldet.

Wieso sollten die auch Anleihezeichner in den USA auf ihre Forderungen gegen Großbritannien und Frankreich bzw. ggü. dem Staat USA mit weitergeleiteten Finanzmitteln (ab 1917) verzichten? - sarkastisch: aus amerikanischer Sicht hatten sich das die großmächtigen "Geheimdiplomaten" in Europa doch selbst eingebrockt.

Natürlich, klar, dass ist haben sich die europäischen Länder selbst zuzuschreiben, davon haben die USA ja dann, also auch durch die Regelungen des Versailler Vertrags profitiert und ihre Machtstellung trotz der neo-isolationistischen Tendenzen stark ausgebaut.
 
...also auch durch die Regelungen des Versailler Vertrags profitiert und ihre Machtstellung trotz der neo-isolationistischen Tendenzen stark ausgebaut.

Genau da sind wir unterschiedlicher Meinung.

Wie soll das Profitieren durch den VV aussehen? Durch die Aufrechterhaltung des Status quo der Verschuldung der Westallierten?

Man sollte sich die Wirkung eines Schulderlasses verdeutlichen: den Transport der Finanzprobleme der kriegsgeschädigten europäischen Länder in die USA. Für diese Opfer fehlte in den USA jede Bereitschaft.
 
Genau da sind wir unterschiedlicher Meinung.

Wie soll das Profitieren durch den VV aussehen? Durch die Aufrechterhaltung des Status quo der Verschuldung der Westallierten?

Man sollte sich die Wirkung eines Schulderlasses verdeutlichen: den Transport der Finanzprobleme der kriegsgeschädigten europäischen Länder in die USA. Für diese Opfer fehlte in den USA jede Bereitschaft.

Der Versailler Vertrag hat meiner Meinung nach den Hass zwischen den Ländern manifestiert, und damit den USA ihre Machtsteigerung doch erst ermöglicht. Ein Schuldenerlass wäre, wie du schreibst, natürlich sinnlos aus USA-Sicht gewesen, da hast du natürlich Recht.
 
Der Versailler Vertrag hat meiner Meinung nach den Hass zwischen den Ländern manifestiert, und damit den USA ihre Machtsteigerung doch erst ermöglicht.
Überlege hier mal die Richtung (zwischen).

Ich vereinfache einmal "vor dem Vertrag", also 1917:
1) Frankreich: die Deutschen zahlen alles [einen kurzen Moment sollte man über vier Jahre Besatzung in Nordwestfrankreich innehalten - und zu den Schäden, ohne über "Kriegsschuld nachzudenken]
2) Großbritannien: sie zahlen für jedes versenkte Schiff [mit ihrer Handelsflotte], natürlich ansonsten auch.

Vier Jahre Verwüstung, Hass. Und dazu zB in Frankreich die prozentual höchsten Opferzahlen.


Ein Schuldenerlass wäre, wie du schreibst, natürlich sinnlos aus USA-Sicht gewesen, da hast du natürlich Recht.
Welcher Einsicht hätte man denn dann folgen sollen: nach dem Kriegseintritt noch das Friedensopfer? Ein Marshallplan für die kriegsgeschädigten Europäer? (die aus amerikanischer Sicht an der ganzen Katstrophe ohnehin selbst Schuld waren) - Wer sollte das den US-Bürgern vermitteln?
 
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