Winter 1709 und Wärmedämmung

Nergal

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Lese gerade über den Winter 1709 und die "Verwüstungen" die daraus folgten.
es heißt in Versailles sei auf der königlichen Tafel das Wasser in den Gläsern zu Eis erstarrt, die Herzogin von Orleans schrieb dass sie vor einem Ofen sitze und in Felle eingehüllt sei und trotzdem noch zittere.

In Untersuchungen zum Winter 1709 wird erwähnt dass die Temperaturen durchschnittlich 7°C tiefer fielen als sonst.

Was kann man nun über die Dämmung der damaligen Gebäude sagen?
Ich habe da einen Bekannten der eine Burg hat und dort ist es bei 28°C Aussentemperatur nur noch etwa 9°C im Inneren, doch trotzdem schafft er es auch in kälteren Wintern einige Räume angenehm zu beheizen.

Waren die Heitzmethoden damals derart ineffizient, oder lag es an der Dämmung?
Was kann man über Versailles bzw. andere Paläste dieser Zeit sagen, lag es an der Größe der Räume oder an den fensterreichen Fassaden dass das Erwärmen mißlang?
 
Wie wolltest Du damals die Gebäude dämmen? Man hat allenfalls mit doppelten Wänden gearbeitet. Es gab keine Zentralheizung, sondern jeder beheizbare Raum wurde einzeln beheizt. Wobei nicht jeder Raum beheizbar war. Und in den Gebäuden war und ist eine enorme Deckenhöhe. Die kriegst Du auch heute nur mit enormen Aufwand geheizt. Zum anderen gab es allenfalls 1-Scheibenverglasung und dies mit hohen Fenstern. Zum anderen hat es damals in den "Kästen" wohl auch durch die Fenster und Türen gezogen. In den Burgen im MA war es wohl noch deutlich schlimmer.

Apvar
 
Lese gerade über den Winter 1709 und die "Verwüstungen" die daraus folgten.
es heißt in Versailles sei auf der königlichen Tafel das Wasser in den Gläsern zu Eis erstarrt, die Herzogin von Orleans schrieb dass sie vor einem Ofen sitze und in Felle eingehüllt sei und trotzdem noch zittere.

In Untersuchungen zum Winter 1709 wird erwähnt dass die Temperaturen durchschnittlich 7°C tiefer fielen als sonst.

Was kann man nun über die Dämmung der damaligen Gebäude sagen?
Ich habe da einen Bekannten der eine Burg hat und dort ist es bei 28°C Aussentemperatur nur noch etwa 9°C im Inneren, doch trotzdem schafft er es auch in kälteren Wintern einige Räume angenehm zu beheizen.

Waren die Heitzmethoden damals derart ineffizient, oder lag es an der Dämmung?
Was kann man über Versailles bzw. andere Paläste dieser Zeit sagen, lag es an der Größe der Räume oder an den fensterreichen Fassaden dass das Erwärmen mißlang?


Der Winter 1708/09 galt als der härteste seit Menschengedenken. Elche und Hirsche erfroren in den Wäldern, und es wurde dieser Winter zum Wendepunkt des Großen Nordischen Krieges. karl XII. hatte 1707 beschlossen, in Russland einzumarschieren, nachdem die neu organisierte Armee des Zaren Ingermanland und weite Tweile von Estland und Livland erobert und an der newa eine neue Stadt, St. Petersburg gegründet hatte. Im September 1708 standen die schweden bei Smolensk, nur noch 10 Tagesmärsche von Moskau entfernt. Im Oktober 1708 gelang es den Russen, die Schweden bei Lesnaja zu schlagen und den Versorgungstross des Generals Lewenhaupt zu erbeuten, worauf die Schweden den Marsch auf Moskau abbrechen mussten. Lewenhaupt schlug sich bis in die Ukraine durch, wo der Ataman der Kosaken Masepa sich auf Seite der Schweden schlug. Allerdings waren die Russen unter Alexander menschikow als Erste in Masepas Hauptstadt Baturlin, so dass der Kosakenaufstand scheiterte.

Um die Entscheidung zu erzwingen, musste Karl XII. gegen eine 4 fach überlegene und gut verschanzte russische Armee die Schlacht von Poltava 1709 annehmen. Poltava war eine der wenigen Schlachten des 18. Jahrhunderts, die nachhaltig die Geschichte veränderten. An einem einzigen Tag löste die neue Großmacht Russland Schweden ab, auch wenn Karl XII. den Krieg fortsetzte, bis 1718 eine Kugel seinem Leben ein Ende machte. Etwas OT, historisch aber von weit größerer Tragweite, als die Frage nach den Heizkosten von versailles.
 
… dort ist es bei 28°C Aussentemperatur nur noch etwa 9°C im Inneren, doch trotzdem schafft er es auch in kälteren Wintern einige Räume angenehm zu beheizen.
Hoi Nergal

Bauphysikalisch lässt sich dieses Phänomen kaum erklären.
Wo sollten die 9°C Innentemperatur im Sommer denn herkommen? Von Aussen geht ja nicht, da ist es 28° warm. Also kann sie nur aus der Winterzeit kommen; da ist die Burg aber warm beheizt! Und eine Klimaanlage hat die Burg ja wohl nicht?
Da muss wohl etwas Übersinnliches im Spiel sein. Oder dein Bekannter erzählt Unsinn?


Gruss Pelzer

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Ich hab' keine Ahnung wie's mit der Isolierung in französischen Gebäuden um 1709 bestellt war, ebensowenig sonstwo auf dem Kontinent, also wäre das einzige was ich momentan zum Thema anzubieten hätte eher ein Vergleich.

In Südengland, wo ich lange Zeit gewohnt habe, und das Klima milder ist als in Schottland, sind die meisten Häuser in denen ich gewohnt hatte schlichtweg gar nicht isoliert, und die Heizungen zumeist so angebracht, daß die Wärme nicht richtig zirkuliert. Außerdem hat es überall, an jedem Fenster und an jeder Tür durchgezogen, mit dem Erfolg, daß ich anhand der Innentemperatur immer in etwa wusste wie kalt es draußen war.

Als ich nach Schottland gezogen bin, hatte ich schlichtweg Angst vor dem Winter, und war dann angenehm überrascht. Die meisten Häuser die vor 1900 gebaut wurden, haben Mauern die bis zu einem Meter dick sind, und es zieht nirgendwo rein. Sobald man anfängt zu heizen wärmen sich die Wände auf, und bleiben dann auch warm, es sei denn man lässt sie auskühlen. Dazu kommt, daß es die Mauern aus Granit sind, und die hiesigen -alten- Kamine meistens noch eine Klappe haben, mit denen man sie schließen kann, damit's nicht zieht. Das hört sich selbstverständlich an, aber das ist in England ganz anders. Also mit gescheitem Gemäuer, dichten Fenstern und Türen, und sinnvoll plazierten Heizkörpern kann man schon einiges anstellen. Dazu muß man aber auch sagen, daß kalte Temperaturen die Norm sind und man daher darauf eingestellt ist.

Eine ähnliche Erfahrung habe ich in Schweden im Winter gemacht, in einem Holzhaus- zwei Holzwände und dazwischen Füllmaterial- wo sich das ganze Haus bei -24°C Außentemperatur ziemlich gut mit dem Holzofen in der Küche beheizen ließ, der strategisch günstig positioniert ist, so das die Wärme zirkuliert. Das Haus wurde übrigens 1800 gebaut.

Was ich damit sagen will, ist das es meiner Erfahrung nach bei Wärmedämmung halt- wen wundert's- in kälteren Breiten etwas mehr Erfahrung gibt, weswegen ich nicht gerade überrascht wäre wenn es in Versailles 1709 ziemlich düster aussah. Der Palast wurde nicht für einen schwedischen/schottischen Winter gebaut, und ebenso kann ich mir vorstellen, daß andernorts schlichtweg die Erfahrung oder der Bedarf vorher fehlte.

Aber was die Geschichte über die Burg angeht, möchte ich mich da @ Pelzer anschließen. Wie soll das denn funktionieren? Wurde die Temperatur im zweiten Kellergeschoss gemessen? :grübel:
 
Bei Karl XII. kann ich nur kopfschütteln:
Schieb es auf den russischen Winter, wenn die Sache schief geht.
Dabei ist das nicht die Primärursache für das Scheitern aller Versuche, Russland zu bezwingen. Offenbar hat man bis ins 21. Jahrhundert nichts dazugelernt.
 
Nein, eigentlich nicht, es war das Erdgeschoss, man hat die Kälte direkt in den Knochen gespürt, richtung Dach wird es besser, werde aber bei Gelegenheit mal nachmessen.
Interessant ist auch dass die Burg einen längeren Zugang zum Innenhof hat, dort geht es zu einer Seite steil abwärts, es fällt kein Licht ein, dieser Bereich wurde als ein Aufbewahrungsort für Eis und Schnee verwendet (hat man mir zumindest erzählt) welche als eine Art "Kühlschrank" genutz wurden, soweit ich weiß ist das nur bis 11-12°C möglich.
Ich vermute mal das Gebäude wird sich übers Jahr nicht wesentlich aufheizen.
 
OFFTOPIC: Ich habe irgendwo gelesen das Karl XII von seinen eigenen Truppen erschossen wurde, was ist davon zu halten?
 
Versailles: hohe große Fenster, "dünne" Wände-> draußen so kalt wie drinnen ohne Heizung, Burg dicke Wände, kaum oder keine Fenster-> das ganze jahr Kellertemperatur
Und die ist 9-10°C. Es ist egal ob nun Erde oder Steine über etwas sind, darunter heizt Mutter Erde
 
Versailles: hohe große Fenster, "dünne" Wände-> draußen so kalt wie drinnen ohne Heizung, Burg dicke Wände, kaum oder keine Fenster-> das ganze jahr Kellertemperatur...
Hoi zäme

Wilfried sagt es völlig richtig; in einer solchen Burg herrschte das ganze Jahr Kellertemperatur. Im Sommer fühlen sich die 9°C herrlich kühl an. Im Winter recht warm, da es draussen frostig kalt ist.
Das enorm massive/schwere Mauerwerk reagiert extrem träge auf Temperaturveränderungen. Das Mauerwerk wird im Sommer bloss aussen warm. Die Sonnenwärme dringt nicht bis in die Räume, sondern wird auf der Aussenseite gespeichert. Wenn im Winter geheizt wird, erwärmt sich im Wesentlichen bloss die Raumluft, die Mauern bleiben kalt. Das hat den unangenehmen Effekt, dass die warme Raumluft an den kühlen Wandoberflächen kondensiert und sich einen feuchten Niederschlag bildet.
In den Räumen ist es solange warm, wie geheizt wird. Sobald das Feuer schwächer wird, wirds kühler. Die Raumtemperatur war höher, je näher man an der Feuerstelle sass. Zudem verbrauchte die offene Feuerung viele frische Luft. Und das hat zur Folge, dass es zieht.
Um diesen Unannehmlichkeiten zu begegnen verwendete man zum Beispiel Ohrensessel, die den Rücken vor der Zugluft schützten. Dazu ein Schosshündchen auf die Weichteile – und schon war es wohlig warm.
Das Bett war meist ein Hochbett, also weg vom kalten Boden. Und die Vorhänge schützten vor der Zugluft und der Kälte. Und ganz wichtig; ein Knecht, der das Feuer die ganze Nacht am glimmen hält.
Usw, usw…


Gruss Pelzer

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Waren die Heitzmethoden damals derart ineffizient, oder lag es an der Dämmung?
Was kann man über Versailles bzw. andere Paläste dieser Zeit sagen, lag es an der Größe der Räume oder an den fensterreichen Fassaden dass das Erwärmen mißlang?

Warst Du schonmal in so einem Schloss?

In den meisten Räumen mit gewaltig hoher Decke findet man nur einen Kamin. Die Grundfläche der Räume gerade im Barock - während der Zeit von Louis XV wurden bspw. einige große Räume unterteilt in mehrer Appartements - entspricht heutigen Zweizimmerwohnungen. Diese Dimensionen hat man häufig garnicht sosehr vor Augen, weil die Räume durch die hohen Decken für viele Menschen kleiner wirken als sie wirklich sind. Und nun stelle man sich vor, dass so ein Raum durch einen Kamin (oder auch zwei) beheizt werden soll.

Die Konsequenz aus dieser Problematik schlug sich auch in der Kleidung der Zeit nieder. Ab einem bestimmten Tag im Jahr (das genaue Datum habe ich vergessen) war Winterkleidung angesagt. Das heißt, dass die Höflinge statt der Anzüge aus Seidentaft o. dgl. nun welche aus Samt trugen etc..

Daneben fallen auf vielen Gemälden die Mäntel auf, welche durchaus auch drinnen getragen wurden. Genauso sieht man auch Hüte etc. auf den Häuptern vieler Schlossbewohner, wohl v.a. in der kalten Jahreszeit. Hausmäntel gab es, die waren dick gefüttert, die Hauskappen oder Schlafmützen, die man auch tagsüber in den privaten Gemächern trug, waren oft wattiert.

Kuschelige 21°C Raumtemperatur erreichte man also in diesen Schlössern nur ganz selten im Winter. (Es gab ja auch kleinere Räume und welche mit weniger hohen Decken etc..) Man behalf sich mit oben angeführter Kleidung, welche sich zu der, die man vor dem Gebäude trug, kaum oder garnicht unterschied, und auch mit Decken, kleinen Kohlebecken, die man an die Füße stellte usw.. (Im Sitzen ist ja bekanntlich die Kälte besonders schlimm.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass sich das Gesinde üblicherweise in der Küche aufhielt, dürfte auch damit zu tun haben. Nur dort liess es sich im Winter aushalten.
 
Dass sich das Gesinde üblicherweise in der Küche aufhielt, dürfte auch damit zu tun haben. Nur dort liess es sich im Winter aushalten.
Nicht unbedingt. Oft waren viele Räume "beheizt", resp. hatten eine Feuerstelle.
Die Anzahl der Kamine auf dem Dach kündete vom Reichtum des Hausherrn...

Gruss Pelzer

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Nicht zu vergessen die Hand- und Fußwärmer. :winke:
Als Fußwärmer gab es z.B. gußeiserne "Töpfe" oder Pfannenartige und spezielle Ziegel-Fußbänke, die von unten mit heißer Kohle zu beheizen waren.

Auch entsprechende "Bettwärmer" gab es in vielen Variationen, seien es heisse Ziegel, oder metallene Scheiben oder Pfannen, die man erhitzt unter die Decken legte.
 
Zuletzt bearbeitet:
In Untersuchungen zum Winter 1709 wird erwähnt dass die Temperaturen durchschnittlich 7°C tiefer fielen als sonst.

Das ist erstaunlich. Was ist denn der Vergleichsmaßstab? Und was ist durchschnittlich 7°?

Die europäischen Winter nördlich der Alpen waren idR die härtesten, bei denen auch in England monatelang Ostwind herrschte, Hochdruckgebiete von Osteuropa.

Bekannt ist hier "The Great Frost" 1683/84, der auch in der Literatur verewigt wurde. Danach folgten wohl ganze Serien von extrem kalten Wintern, ebenso wie auch einige Jahrhunderte zuvor (einige Wetteraufzeichnungen in GB reichen mW bis Anfang 14. JH).
zB:
extreme temperatures

Mit Burgen kenne ich mich weniger aus, aber Pelzers Beitrag erinnert mich ein wenig an Bergwerksbetrieb in geringen Tiefen oder parallel zur GOK im Berg. Nach wenigen Meter erreicht man die Zone der mitteldeutschen Luft-Durchschnittstemperatur über alle Jahreszeiten sowie Tag/Nacht von 8-9°, erst dann ansteigend nach Tiefe. Bei entsprechender Isolierung/ohne Bewetterung bringen Jahreszeitenwechsel keine Schwankungen.
 
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Bekannt ist hier "The Great Frost" 1683/84, der auch in der Literatur verewigt wurde. Danach folgten wohl ganze Serien von extrem kalten Wintern, ebenso wie auch einige Jahrhunderte zuvor (einige Wetteraufzeichnungen in GB reichen mW bis Anfang 14. JH).
zB:
extreme temperatures

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Noch als Ergänzung dazu gibt es eine Seite: Climate History in the British Isles wo sich jemand die Mühe gemacht hat das englische Wetter nach Jahr aufzuzeichnen, unter Mithilfe historischer Aufzeichnungen etc. Wie die Seite besagt sind diese Daten im besten Falle bis zum Beginn der tatsächlichen Aufzeichnung von meterologischen Daten eher mit Vorsicht zu geniessen, und stützen sich zum Teil auf zeitgenössische Anektdoten und meterologische Erkenntnisse der Neuzeit.
 
dann freue Dir doch :D
Neben der Raumhöe und der dünnen wände und Fenster war ein Grund für die Kälte auch die Anordnung der Zimmer.Die Meisten waren ´hintereinander angeordnet und durch gegenüerliegende Türen miteinander verbunden,so daß ein korridorähnlicher Baukörper entstand. Resultat:Es zog wie Hechtsuppe .
 
Bleibt vielleicht noch zu klären, womit geheizt wurde. Verwendete man seinerzeit bereits Kohle? Holz hat einen ungleich geringeren Heizwert, man muß permanent nachlegen - erst recht bei offenen Kaminen. Da geht die Hitze fix zum Schornstein raus. Kein Vergleich mit einem Grundofen - und schon gar nicht mit modernen Heizsystemen.
 
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