Wird es Regen geben? Siedlungswahl der Linearbandkeramiker anhand von Niederschlägen?

silesia

Moderator
Teammitglied
Hier werden für Bayern archäologische Siedlungsdaten mit regionalen Klima-Rekonstruktionen zusammengeführt.

Ergebnis: "man" siedelte, wo es verstärkt regnete.

Vielleicht.

Tree rings as a proxy for seasonal precipitation variability and Early Neolithic settlement dynamics in Bavaria, Germany

Abstract ~deepL

Die Untersuchung der Dynamik neolithischer Siedlungen auf lokaler Ebene und ihres Zusammenhangs mit der Klimaschwankung ist oft schwierig, da vor Ort keine Klimarekonstruktionen aus natürlichen Archiven fehlen.

Hier werden archäologische Siedlungsdaten und eine regionale Klimarekonstruktion aus niederschlagsempfindlichen Bäumen zusammengeführt. Beide Archive verfügen über Informationen über die regionale Siedlungsdynamik und Hydroklimavariabilität aus der Zeit der ersten Bauerngemeinden, der so genannten Linearbandkeramik (LBK) in Bayern, Deutschland.

Aus niederschlagsempfindlichen Baumringreihen aus subfossiler Eiche wird eine für Süddeutschland repräsentative Frühjahr-Sommer-Niederschlagsrekonstruktion (5700-4800 v. Chr.) entwickelt. Frühneolithische Siedlungsdaten aus Bayern, vor allem für die Dauer der LBK-Siedlungsaktivitäten, werden kritisch bewertet und mit dieser einzigartigen regionalen Hydroklimarekonstruktion sowie mit Rekonstruktionen von Grönlandtemperatur, Sommermeeroberflächentemperatur, Delta 18O und globaler Sonneneinstrahlung verglichen, um die möglichen Auswirkungen des Klimas auf neolithische Siedler und ihre Siedlungsdynamik während des LBK zu untersuchen.

Unsere Hydroklima-Rekonstruktion zeigt eine außerordentlich hohe Häufigkeit schwerer Trocken- und Nassfrühlingssommersaisonen während der gesamten LBK, mit besonders hohen jährlichen Schwankungen von 5400 bis 5101 v. Chr. und mit geringeren Schwankungen bis 4801 v. Chr. Ein signifikanter Einfluss des regionalen Klimas auf die Dynamik des LBK ist möglich (z.B. um 4960 v. Chr.), sollte aber aufgrund asynchroner Trends in der Siedlungsdynamik sehr vorsichtig interpretiert werden.

Daraus schließen wir, dass es selbst dann, wenn ein Klimaproxy wie Baumringe mit ausgezeichneter räumlich-zeitlicher Auflösung zur Verfügung steht, schwierig bleibt, potenzielle Zusammenhänge zwischen der Siedlungsdynamik des LBK und der Klimavariabilität herzustellen.
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Die Linearbandkeramiker siedelten bevorzugt entlang von Wasserläufen und als erste neolithische Kultur in Mitteleuropa auf den noch reichlich vorhandenen Lössflächen (die sie u.a. auch an den Waldzusammensetzungen erkennen konnten). Wenn das aufgrund des Höhenprofils mit den durchschnittlichen Niederschlagsmengen korreliert, dann wäre das ein Fehlinterpretation der Niederschlagsstatistiken, zumal Eichenholz für den Hausbau das Material der Wahl darstellte. Wir können hier im Übrigen auch eine Enteicklung festmachen, denn die frühen LBKer verwendeten noch dickere Stämme, wohingegen der Trend allmählich zu schmaleren und weniger Stämmen überging, Die Bäume wuchsen halt nicht so schnell nach, wie neue Häuser gebaut werden mussten. Das veränderte auch die Architektur der bandkeramischen Häuser.
 
Ich will meinen Verdacht auf einen methodischen Fehler noch mal erläutern.
Vor etwa 20 Jahren las ich ein Buch über Statitsiken (oder worin es u.a. auch um Statistiken ging). Ein bekanntes Bonmot, welches ja gerne als Totschlagargument gegenüber der Statistik genutzt wird, welches eigentlich nur zur Vorsicht und Kritik, nicht zum absoluten Verwerfen der Statistik führen sollte, - jeder kennt es: "Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast".

In dem Buch war nun ein Bsp. vorgeführt - wenn ich mich recht entsinne, war es nicht fiktiv sondern aus der Wirklichkeit entnommen - wonach jemand nach Auswertung der Statistik festgestellt hatte:

Dicke Männer verdienen mehr als schlanke Männer.
Die Kritik war, dass derjenige nicht tiefer ins Detail gegangen ist. Das hat sich dann noch mal jemand anders angeschaut:
Aus biologischen Gründen sind ältere Männer i.d.R. korpulenter als junge Männer. (Das gilt natürlich auch für Frauen.)
Aus arbeitstechnischen Gründen sind ältere Männer auf der Karriereleiter jüngeren Männern i.d.R. einige Sprossen voraus, ergo verdienen sie mehr.

Die Korrelation ist also nicht das Körpergewicht, sondern das Alter.

Ich denke bei der Niederschlagsmessungsstudie ist ein ähnlicher Fehler unterlaufen, wie in dem Bsp. Die Niederschlagsmengen werden wohl richtig berechnet sein. In dem - ich weiß, Bayern ist flächenmäßig Deutschlands größtes Bundesland - doch relativ überschaubaren geographischen Raum kann man von relativ ähnlichen makroklimatischen Bedingungen je nach Höhe über NN ausgehen, dementsprechend auch von relativ ähnlichen Niederschlagsmenge nach dem jeweiligen Landschaftsprofil.

Die Korrelation ist aber nicht die Niederschlagsmenge, sondern der geologische Aufbau der Landschaft.
 
Das ist das Korrelations-Kausalitäts-Problem.*

Kausalitäten sind durch Experiment mit Kontrollgruppe nachzuweisen.
In der Publikation geht es vorsichtig nur um Korrelationen, und zwar insbesondere hinsichtlich der Klimavariationen und der Siedlungsstabilitäten (zeitlich).

Und zwar auch vice versa: auch die Belastbarkeit der abgeleiteten Klimadaten ist interressant, soweit diese mit Siedlungsdaten korrelieren. Mit "was" Siedlungsdaten noch korrelieren, lässt die Studie offen.

*Berüchtigt für die Verwechselung ist das Schokoladenkonsum-Nobelpreisträgerbeispiel,
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMon1211064
landläufig auch unter Storchenhäufigkeit und Geburtenanzahl bekannt.

Das sind allerdings keine Probleme der Statistik, sondern des (falschen) Verständnisses (bzw. falscher Verwendung) von Statistik, was - s.o. - auch in renommierten Fachblättern passieren kann.
 
Das sind allerdings keine Probleme der Statistik, sondern des (falschen) Verständnisses (bzw. falscher Verwendung) von Statistik

Ich habe tatsächlich einmal eine Studie gesehen, für die DNA-Proben auf einem Friedhof im heutigen Griechenland und ebensolche auf einem Friedhof im heutigen Spanien genommen wurden. Ermittelt wurden prozentuale Anteile der beteiligten Abstammungslinien. Dazu wurde eine Karte beigefügt. Auf dieser wurden - mangels untersuchter Proben - für Italien Mittelwerte (!!) der gefundenen Verteilungswerte eingezeichnet.
Irgendwie logisch, wenn man sich eine Europakarte anschaut, oder ?!
Auch so kann man die Herkunft der Italiener erforschen.
 
So ähnliche Studien habe ich auch schon gesehen.

Dabei ging es um Folgendes: wenn kein (genetisches) Isolationsszenario (sondern ein "Austausch" zwischen Regionen) unterstellt wird, ist die Populationsgenetik bezogen auf Merkmalsausprägungen im Prinzip eine Häufigkeitsverteilung, die auf ein Abstandsmaß "reduziert" wird.

Etliche Studien haben sich dann mit der Korrelation dieser genetischen Abstandsmaße (zB Fst) und geografischer Entfernung beschäftigt. Dazu gibt es zahlreiche Untersuchungen für alle Kontinente.

Ob solche groben Vereinfachungen für Fragestellungen unsinnig oder irgendeinen Wert aufweisen, können vermutlich Populationsgenetiker sagen.
 
Ob solche groben Vereinfachungen für Fragestellungen unsinnig oder irgendeinen Wert aufweisen, können vermutlich Populationsgenetiker sagen.

Sie können es möglicherweise auf einem begrenzten Raum. Aber über eine Entfernung von mehreren tausend Kilometern sollte die Sinnlosigkeit erkennbar sein.
Leider wird in vielen Fachrichtungen der Einfachheit halber eine gaußsche Normalverteilung angenommen, auch da, wo diese wenig Sinn ergibt.
 
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