Wirkung von Sanktionen, historisch betrachtet

L

Langsamdenker

Gast
Liebe Leser (m/w/d),
hallo Forumisten,

ich habe eine kleine Frage:
Ich erinnere mich, dass die sog. "Hungerblockade" im 1. Weltkrieg zur Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens geführt hat. Somit wurden die Mittelmächte (oder nur das 2. Kaiserreich) unabhängig von Düngemittelimporten.

Während Napoleon die Kontinentalsperre durchsetzte, wurde in Europa die Zuckerrübe angepflanzt, weil man keinen Zugriff mehr auf britischen Rohrzucker hatte.

Meine Frage ist: Gibt es ähnliche analoge Situationen?

Kann man allgemein eine Lehre aus der Geschichte ziehen, dass die Unverfügbarkeit von gewissen Waren dazu führt, dass sie getauscht werden?

MfG,

Langsamdenker
 
Ganz logisch betrachtet, nimmt man i.d.R. die preiswerteste Ware. Hat man die Auswahl zwischen zwei gleichwertige Waren, und wählt die teurere, ist man schon beim Fetisch. Also meinetwegen zwei Pullover, der eine ist unbeschriftet, auf dem anderen steht der angesagte Markenname und man nimmt letzteren, obwohl er 20 € teurer ist, obwohl es rein sachlich durch nichts gerechtfertigt ist (etwa weil Material, Farbe, Qualität identisch).
Ggf. können auch Ideale eine Rolle spielen. So nimmt man etwa bei teureren Bioprodukten eher in Kauf, dass die Paprika eine Druckstelle hat, als bei der billigeren Discounterpaprika, die bloß glatt sein muss. Was sicherlich auch mit dem Bewusstsein der Konsumenten zusammenhängen wird. Aber, Ideal und Vernunft hin oder her, auch dies dürfte unter den Warenfetisch fallen.

Wenn die Auswahl zwischen zwei Waren wegfällt, dann muss man die übrigbleibemde nehmen, was i.d.R. dann wohl die teurere ist. Nicht zwingend, aber es gibt ja Gründe, warum Ware 2 offensichtlich zwar leichter zu beziehen aber teurer ist, als die wegfallende Wäre 1.
Wenn man die wegfallende Ware ersetzen kann und der Bedarf danach ist hoch genug, dann wird man sie ersetzen. Voraussetzung dafür ist aber, dass man es kann.

Du hast die Kontinentalsperre angesprochen. Diese wurde immer wieder unterlaufen. Heinrich von Kleist spottete über sie in seinen Berliner Abendblättern, in denen er Artikel über die neueste Pariser Mode schrieb (wenn man sie aufmerksam las, merkte man, dass es dabei eben nicht um neue Stoffe und Schnitte ging, sondern um Wiederverwendetes aus dem Vorjahr).
Britannien spielte während der Kontinentalsperre seine bei Trafalgar erlangte Seehoheit voll aus, förderte den Schmuggel, wurde zur Drehscheibe des europäischen Handel.

Schauen wir ein paar Jahrzehnte weiter zur Great Potatoe Famine. Es wäre England ein leichtes gewesen, die irische Bevölkerung mit Weizen zu versorgen, aber man wollte nicht. Während in Westirland die Ernten wegen der Kartoffelfäule wegbrachen, exportierten die meist englischen Landowner von ihren ostirischen Estates Weizen sonstwohin. Die Iren aber hatten kein Produkt auf das sie ausweichen konnten. Also, wo auch immer du dich befindest: es hängt davon ab, ob du - ggf. auch mit teuren Verfahren - ein Produkt (kurzfristig) ersetzen kannst oder eben nicht.
 
Sanktionen haben weder Saddam, noch Milosevic zum Einlenken gebracht, dass werden sie bei Russland erst recht nicht.

Vor allem da der größte Teil der Welt nicht mal über Sanktionen nachdenkt. Russland hat seine größte Grenze mit China.

Also außer, dass die Leute mehr zahlen müssen, wird es nichts bringen.

Sollte jetzt der Totalboykott kommen, wird wenigstens weniger CO2 ausgestoßen, wenn Teile der Industrie lahm liegen und Autofahren zum absoluten Luxus wird, mit 3,50 € für einen Liter Benzin.
 
Kann man allgemein eine Lehre aus der Geschichte ziehen, dass die Unverfügbarkeit von gewissen Waren dazu führt, dass sie getauscht werden?

Ich weiß nicht genau, worauf du hinaus willst, aber: Sicher, wenns keinen Kaffee mehr gibt, trinken die Leute auch Muckefuck.

Es gibt so viele verschiedene Dinge, die man hier betrachten könnte, und die so völlig verschieden gelagert sind. Bei der Blockade Deutschlands im 1. Wk. ging es (ua) um Nahrungsmittel, da wird es ziemlich essentiell...

Die Frage ist, ob sich die fragliche Ware substituieren lässt, man sie anders produzieren kann (Rüben- statt Rohrzucker, oder die Versuche im 2. Wk., Treibstoff aus Holz zu gewinnen), oder ein Verzicht eine Option ist. Je nachdem wird sich eine Blockade auswirken, von "kaum" bis "dramatisch".

Da du die Kontinentalsperre erwähnst: Eine Folge für Frankreich und den "Kontinent" war das Ausbleiben von Indigolieferungen. Mit Indigo wurden damals ua die französischen Militäruniformen gefärbt. Es gab daher Planungen, die teilweise auch umgesetzt wurden, wieder zum royalen weiß zurückzukehren. Auch hier wurden aber Alternativen gefunden.
 
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