Da die Diskussion um Götter, Götterdiener, Namen und Funktionen etwas stockt, möchte ich eine Zwischenfrage stellen.
Was sagen die Schriftquellen und Rollsiegelbilder über die mesopotamische Viehzucht?
Der sumerische Ackerbau fand auf Flächen statt, die nur durch künstliche Bewässerungssysteme genügend Wasser für Pflanzenwachstum boten.
Wo und wie wurde die neolithische Haustierpalette Schaf, Ziege, Rind, Schwein gehalten? Die Zucht des Maulesels wird manchmal den Sumerern zugeschrieben, der wurde vielleicht eher als Zugtier gebraucht und vor den Pflug gespannt. Rinder, Stiere kommen auf Rollsiegeln oft vor, auch ein Ochse vor dem Pflug?
Ich möchte mir ein Bild der Landwirtschaft und ihren Spezialisierungen machen und wie der Alltag der sumerischen Bauern aussah.
Neben der Schrift gelten die Errungenschaften der Sumerer in der Landwirtschaft als besonders hervorhebenswert, sie zählen zu den ersten „Pflugbaukulturen“.
Der Ackerbau wird sich nicht in Südbabylonien entwickelt haben, sondern in Bereich des Regenfeldbaus. Es gab im Süden auch zunächst gar keine Motivation, da eine komplett andere Palette die Nahrungsgrundlage bildete. (Fischerei, Schildkröten, diverse Vögel und in den Flussniederungen lebende Tiere).
Im Süden ist Ackerwirtschaft ohne Irrigation nicht möglich. Daher war Landwirtschaft in diesem Bereich stets eine Gemeinschaftsaufgabe. Das bedeutet nicht, dass es kein Privateigentum gab, obwohl es sich hierbei um kein Individualeigentum handeln muss. Auch Wittfogels These, die Anforderungen des Bewässerungssystems wären die primäre Motivation gewesen, die zu komplexen sozialen Strukturen und Staatlichkeit geführt haben, gilt heute so singulär nicht mehr.
Unzweifelhaft führte das Anpassen landwirtschaftlicher Techniken an die prinzipiell feindliche Umwelt zu enormen Erfolgen und gesteigerten Erträgen. Der Erfolg der südbabylonischen auf der Bewässerung beruhenden Agrarwirtschaft spiegelt sich auch in der Literatur wieder. Erst nachdem das „Getreide“ und das „Mutterschaf“ von den Göttern aus dem Zargosgebirge in das Land Sumer gebracht wurde, war es den Menschen möglich, die Götter ausreichend zu versorgen.
Der Mythos zeigt auch den engen Zusammenhang zwischen Kleinviehzucht und Ackerbau, die nebeneinander existierten und einander (Brachland als Weidefläche, Düngung durch die Tiere) bedingen. Außerdem stellten Getreide und Wolle die wichtigsten und am weitesten verbreiteten Güter dar.
Land stellte im 3. Jht. nie einen limitierenden Faktor für die Landwirtschaft dar, sondern vielmehr Wasser und die zur Verfügung stehende Arbeitskraft. Ackerbau konnte also nur in Flussnähe betrieben werden. Der Euphrat bietet hierfür die günstigeren Bedingen, bis hin zu der Feststellung, dass der mitgeführte Schlamm des Euphrats unter heutigen Bedingungen bis zu 20% höhere Erträge bringt. Innerhalb der Stadtmauern waren ebenso Felder zu finden wie an der Peripherie der urbanen Zentren und in einiger, z.T. enormer Entfernung zu der vom Überschuss zu versorgenden Stadtbevölkerung. Was das Eigentum an Feldern und die Beziehungen der in der Landwirtschaft Tätigen zu den Besitzern und Institutionen betrifft, steht verschiedensten, komplexen Modellen gegenüber. In den Dörfern wird es jeweils eigene Lagerhäuser und Dreschböden gegeben haben, wo nach der Ernte die Erträge für alle sichtbar und transparent verteilt wurden. Auch die Ausgabe von Materialen und Werkzeugen sowie regelmäßige Zuwendungen wurden direkt an Ort und Stelle gelagert und ausgegeben. Der Überschuss wurde primär auf Schiffen, seltener mit Packtieren, den großen Lagerhäusern der urbanen Zentren zugeführt.
Großvieh
Die Stückzahl an Großvieh war selbst in den institutionellen haushalten stets gering. Große Herden waren auch gar nicht wirtschaftlich, da stets zugefüttert werden musste. Daher wurden diese Tiere meist im häuslichen Kontext gehalten. Es gibt Hinweise, dass
Rinder sogar als Teil der Familie betrachtet wurden, es war etwa üblich ihnen eigene Namen zu geben oder sich in der Korrespondenz nach ihnen zu erkundigen. Wichtig waren sie für die Milchproduktion und als Zugtiere. Als ziemliche „Spritfresser“ wurde der Aufwand an Futtermitteln bei der Planung der Kosten für die Kultivierung von Land als eigener Posten mitberechnet. Ihr Einsatz lohnte nur im großen Rahmen.
Kleinvieh
Besonders
Schafe, aber auch
Ziegen, waren sehr weit verbreitet. Das Kleinvieh war besonders Wirtschaftsgrundlage kleinerer Haushalte, aber auch eine gute Möglichkeit für die urbane Bevölkerung in die Landwirtschaft zu investieren. Dementsprechend variierte die Größe der Herden stark. Die großen Haushalte wie Tempel und Palast konnten über mehrere Tausend Tiere verfügen. Je größer die Herde, desto weiter auch die Strecken, die mit der Herde im Wechsel der Jahreszeiten zurückgelegt werden mussten, um ausreichende Weidegründe zu finden (Zargos-Gebirge, Regenfeldbau). Bei kleineren Herden konnten brachliegende Felder, angrenzende Bereiche, deren Versorgung mit Wasser für Ackerbau nicht ausreichte, aber auch die bestellten Felder selbst dienen. Wenn also im Mythos „Der Streit zwischen Dumuzi und Enkimdu“ der Bauer dem Hirten erlaubt, die Herden auf dem von ihm kultivierten Land grasen zu lassen, wird hier eine durchaus übliche Praxis wiedergegeben.
Auch Kreuzungs- und Zuchtbemühungen sind dokumentiert. In den Texten wird eine recht große Bandbreite verschiedener Arten genannt.
Wichtigstes Gut war die Wolle, die zu Textilien weiterverarbeitet wurde. Textilien wiederum eignen sich hervorragend als Handelsgut. Im Kontext des redistributiven Systems wurde die Wolle in der Rohform ausgegeben. Milchprodukte von Schafen sind so gut wie undokumentiert.
Schweine begegnen uns interessanterweise fast ausschließlich in archäologischen Funden. Sie waren kein Gegenstand der Kunst, treten nicht in Zusammenhang mit Omen oder Opfern auf und außer dem Öl werden in den Texten keine weiteren Nebenprodukte genannt. Und selbst in diesem Zusammenhang wurde das Fett in der Akkadzeit vom Sesamöl verdrängt. Trotzdem muss das Schwein im 3.Jht. „a common sight on streets of Mesopotamien cities“ gewesen sein. Ihr Fleisch wurde zweifelsohne ebenso verzehrt wie das der Ziegen, dessen Verzehr auch nicht aufgezeichnet wurde.
Pflanzen und Felder
Dem Wasser am nächsten wurden Dattelpalmen, eventuell gemischt mit Obstbäumen, gepflanzt. Zwischen den Bäumen fanden Gemüsesorten, besonders oft werden verschiedene Zwiebel oder Knoblauchsorten genannt, Platz. Die Felder schlossen sich in langgestreckter Form an den Baumgürtel an.
Der Pflug war spätestens im 4. Jht. bekannt und bereits aus der Meslimzeit gibt es Abbildungen des Saatpfluges.
Da der Boden mit Handgeräten für den Pflug vorbereitet und geebnet werden musste, lohnte der Einsatz nur auf großen Fluren im Rahmen großer Haushalte. Die lange Form der Felder mag neben bewässerungstechnischen Ursachen auch um die Zahl der Wendepunkte zu reduzieren gewählt worden sein. Mit dem Saatpflug war eine saatsparende, gleichmäßige Aussaat möglich. Die Furchen, deren Abstand zwischen 60 und 75 cm lag, leiten das Wasser dank des leichten Hangs an das kanalferne Ende der Felder. Gepflügt wurde in 4-Mann Teams. Einem Aufseher und 3 Pflüger. Diese „plow-teams“ waren von überschaubarer Zahl und ihre Dienste wurden gut entlohnt. Neben Ochsen wurden auch Onager vor den Pflug gespannt.
Im privaten und kommunalen Kontext wurden weiterhin Hacke, Grabstock und Ziehspaten verwendet oder von Menschen gezogene, einfachere Pflüge.
Der Ertrag der so erzielt werden konnte lag ein 24–faches` über der Aussaatmenge. Neben Gerste und Emmer wurden auch Linsen und Erbsen angepflanzt. Sie waren allerdings von geringerer Bedeutung. Den Stellenwert der Gerste kann man allein anhand der Tatsache ablesen, dass Silberzahlungen in Kaufverträgen oft zusätzlich in Gerste umgerechnet angegeben wurden.
Aus neusumerischer Zeit ist das Gedicht „Farmer’s instructions“ überliefert, das in zwei Gesängen die fiktiven Ratschläge eines Vaters an seinen Sohn den Neubruch und Anbau betreffend enthält und so detailliert Auskunft über die sumerischen Anbaumethoden gibt.
Interessanterweise ist die Bedeutung der
Rohrwirtschaft gar nicht zu überschätzen. Das Rohr war ein vielfältig eingesetzter und enorm wichtiger Rohstoff in dem holzarmen Mesopotamien. Rohr war nicht nur für den Korbflechter wichtig, sondern wurde auch im Hausbau und als Brennmaterial genutzt.
`lt. RIA 1932 in Urkunden des Urukagina gar das 82-fache