Wirtschaft und Thesaurierung bei den Germanen zur Zeitenwende

Richtig. Aber damals standen die Viecher nicht ständig eingezäunt auf der Weide, sondern wurden auch in Hudewälder getrieben und dort gehütet.
aber nur die Rinder,und die wurden erst wenn sie keine Milch mehr gaben geschlachtet,die Rinder die als Zugtiere gebraucht wurden mußten ständig zur Verfügung also nicht irgendwo weit draußen stehen.Die Weidenutzflächen brauchte man zur Heugewinnung als Winterfutter
 
Eine seltsame Rechnung. Klingt so, als würden die Viecher Getreide kötteln.
Muspilli hatte schon geschrieben (#325), dass beide Wirtschaftsflächen zur Versorgung der Menschen in Feddersen Wierde knapp waren.

Germanen hatten auch Felder, gewiss, aber ergänzend mussten sie Waldfrüchte sammeln, d.h. Bucheckern, Eicheln, Nüsse und Beeren usw.. Diese Zutaten vermischten sie mit halb geronnener Milch zu einer Art Müsli. Fleisch stand nicht täglich auf dem Speiseplan, ist aber wie oben gezeigt, ebenfalls nachgewiesen.


Eicheln zB sind für den menschlichen Genuss ungeeignet! Kannst ja mal versuchen. Saubitter
Die wurden zur Schweinemast verwendet.
Und bei den Bucheckern, kann man essen, OK, aber ich behaupte mal, dass man beim auspulen mehr Kalorien verbraucht, wie man beim Essen gewinnt.

Der Begriff "Germanen" bringt eh keinen weiter.
Weiter oben habe ich ja geschrieben, dass die Franken den Pflug Jahrhunderte später noch, kaum kannten, als sie aber ein Gebiet in Besitz nahmen, wo er "was brachte" änderte sich dies fast sofort.
Für die Franken scheint die sehr stark überwiegende Viehzucht zuzutreffen, allerdings Schweine.
Was aber bei den Bewohnern der Börde und Lößgebiete ganz anders war.
Und wieder "Technikgeschichte" als Quelle.
 
Eicheln zB sind für den menschlichen Genuss ungeeignet! Kannst ja mal versuchen. Saubitter
Die wurden zur Schweinemast verwendet.
Und bei den Bucheckern, kann man essen, OK,

Das kann man beides so nicht stehenlassen. Sowohl Eicheln wie Bucheckern sind roh nicht anzuraten, sondern müssen bearbeitet werden. Eicheln waren übrigens ein Grundnahrungsmittel der indigenen Völker in California.

Und zu Bucheckern sagt Tante Wiki dies:

Die Bucheckern werden von Vögeln und Nagetieren hoch geschätzt und spielten in der Vergangenheit auch in der menschlichen Ernährung eine Rolle. Trotz der leichten Giftigkeit – die rohen Nüsse enthalten Alkaloide und Trimethylamin (auch Fagin genannt) – wurde im 19. Jahrhundert (und in der Notzeit nach dem Zweiten Weltkrieg) aus den Nüssen in Ölmühlen Öl gepresst, welches sowohl beim Kochen als auch als Lampenöl Verwendung fand. Auch zur Herstellung von Kaffeeersatz wurden Bucheckern ähnlich wie Eicheln verwendet. Rohe Bucheckern enthalten viel Oxalsäure. Auch deshalb können nach dem Genuss größerer Mengen Beschwerden aufreten.
Der übermäßige Genuss roher Bucheckern kann durch den Wirkstoff Fagin zu Vergiftungserscheinungen führen. Die giftigen Substanzen in den Bucheckern können jedoch durch Rösten abgebaut werden. Zudem führt leichtes Rösten zu einem besseren Aroma der Nüsse.
 
Das kann man beides so nicht stehenlassen. Sowohl Eicheln wie Bucheckern sind roh nicht anzuraten, sondern müssen bearbeitet werden. Eicheln waren übrigens ein Grundnahrungsmittel der indigenen Völker in California.

Und zu Bucheckern sagt Tante Wiki dies:

OT:
Bucheckern habe ich als Kind noch gesammelt, 50kg brachten 100 DM.
Aber........... die Dinger sind fürchterlich leicht. Gab dann glaube ich 2 DM, und die ganzen Herbstferien gesammelt.:weinen: War glaube ich 1959.

Aber das Zeug in Müsliform
Germanen hatten auch Felder, gewiss, aber ergänzend mussten sie Waldfrüchte sammeln, d.h. Bucheckern, Eicheln, Nüsse und Beeren usw.. Diese Zutaten vermischten sie mit halb geronnener Milch zu einer Art Müsli
würde ich doch eher ausschließen.

Eicheln haben die "Germanen" sicher gerne gegessen, nach "Veredelung" als Schweinefleisch.:rofl:
 
Hallo, Gemeinde!

Zunächst mal will ich mich in aller Form entschuldigen für meinen Post von gestern. Ich habe meinem Temperament erlaubt, mit mir durchzugehen. Das ist nicht in Ordnung. Ich gelobe Besserung. Inhaltlich stehe ich natürlich zu dem, was ich geschrieben habe.

@Cherusker: Nachdem ich es nochmal durchgelesen habe, bekenne ich, dass man meinen Beitrag tatsächlich so interpretieren kann, als hätte ich Dir rechtsextremes Gedankengut unterstellt. Auch dafür entschuldige ich mich, es war nicht beabsichtigt. Es ist nur so, dass die braune Mischpoke uns glauben machen will, dass Krieg ein "Wert an sich" sei und den "Herrenmenschen im Blut liegt". Dein Beharren darauf, dass die Germanen Krieger und nichts anderes gewesen seien, schien mir der Argumentationsweise jener Kreise gefährlich nahe zu liegen. Nochmal: Ich wollte Dir kein rechtsextremes Gedankengut nachsagen. Deine Meinung, dass die Germanen ziemlich kriegerisch waren, teile ich sogar. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass zwar Deine Beobachtung richtig, deine daraus abgeleiteten Schlüsse aber falsch sind. Sie waren nicht "von Natur aus" kriegerisch. Und sie haben nicht Krieg geführt, weil sie kriegerisch gewesen sind. Vielmehr mussten sie kriegerisch werden, weil sie in einer Welt der Gewalt und des Krieges lebten. Daran hatten sie selbst ganz sicher kein Vergnügen. Sie hätten sonst keine Religion entwickelt, die ihnen "göttliche Belohnung" für das Erdulden der Mühen im Diesseits in Aussicht stellte.

Zur Sache:
Ach so...die römischen Chronisten stellen das alles falsch da?....Na, das ist dann aber einfach. So eine Diskussion ist dann wahrlich "fruchtlos".
Natürlich beschreiben die hier Krieger und somit unterstüzen sie doch meine These.
Hierzu ein Zitat aus "Die Schlacht im Teutoborger Wald" von Reinhard Wolters:
"Die den Römern gegenübertretende Mischung von Kriegergruppen und Siedlungssuchenden, von Stammesverbänden, Stämmen und Teilstämmen, von An- und Zusammenschlüssen - mal aus dem Moment entstanden, mal auf längere Dauer angelegt - machte es kaum möglich, die Germanen als politische Gegner oder Partner überhaupt klar ins Auge zu fassen."

Wenn Wolters Recht hat, wussten die Römer also gar nicht, mit wem sie es überhaupt zu tun hatten. Es war ihnen auch wurscht. Wie die Leute gelebt haben, war ihnen ebenfalls egal. Der weiter oben zitierte Tacitus-Bericht von den Chatten macht das deutlich. Da gab es offenbar eine Kriegerkaste. Und bei Tacitus liest sich das so, als wären alle Männer der Chatten solche Krieger gewesen.

@ Maelonn, um ehrlich zu sein, frage ich mich, was du mit deinem Beitrag bezweckst. Im Gegensatz zu dir hat Cherusker für seine Position, die er hier vertritt, gewisse Argumente auf seiner Seite...
Argumente finde ich da nicht. Nur Postulate.

Wie wäre es mal, wenn du auch belegen würdest, was du so niederschreibst: "dass sie [die Germanen] permanent 'im kritischen Bereich', an der Grenze zum Existenzminimum, wirtschaften...."
Das besagt schon der Begriff "Subsistenzwirtschaft": Keine Überschüsse. Eine schlechte Ernte, eine Krankheit unter dem Vieh, schon hat man Mangel. Dass Knochenreste der Menschen jener Zeit Mangelernährung belegen, hat auch Cherusker schon zitiert.

"Gerade Du sagst doch immer, dass die Germanen keine Überschusswirtschaft hatten!"
Ach hat er das gesagt?
Ja, hat er.

Seltsamerweise habe ich mal davon gelesen, daß die Germanen sogar Handel trieben. Aber was haben sie nur getauscht oder gingen sie plündern?
:pfeif:
Und trotzdem haben sie, laut Cherusker, im Frühjahr regelmäßig Kohldampf geschoben.

Und dann das weitere Gerede von der "noch 'halbnomadischen' Lebensweise", etwa weil "die Viehwirtschaft dominiert hat"? Und wie habe ich mir solch halbnomadierenden Germanen vorzustellen? Wie im Mesolithikum mit wechselnden Stationen?
:pfeif:
Frag zum Beispiel Herrn Wolters. Hier ein Zitat von ihm:
"...gab es dann eine weniger von Ackerbau als von Viehzucht geprägte, halbnomadisch erscheinende Gesellschaft mit gering entwickelter materieller Kultur. Vorherrschend waren Kleinsiedlungen mit Familienclans, während übergeordnete gesellschaftliche Strukturen kaum zu erkennen sind. Das Aufkommen des Germanennamens gerade in diesem Raum [gemeint ist der der Norden, speziell das "niederländisch-norddeutsche Flachland"] spricht dafür, wenn überhaupt, gerade in diesem Gebiet und seinen Bewohnern jene Kulturgruppe zu suchen, von der aus aufgrund vermeintlich ähnlicher Lebensformen der Name "Germanen" auf alle Bewohner rechts des Rheins übertragen wurde." ("Die Schlacht im Teutoburger Wald", S. 32)

Ach, die "Leute haben ihre Rinder nicht gefressen! Oder jedenfalls nicht oft. Fleisch stand nur ganz selten auf ihrem Speiseplan. Nur Rinder, die LEBEN, nutzen dem Viehzüchter!" Maleonn, wie stellst du dir das jetzt wieder vor? Haben sich die Rinder gar deswegen so stark vermehrt, weil sie im hohen Alter sterben durften? Ist das gar der Grund, daß die Germanen ihre Felder nicht beackern konnten, weil sie zur viele Rinder hatten - wohl kaum.
Ich habe nie behauptet, dass sie keine Ackerwirtschaft betrieben haben. Ich bin ein Vertreter der anderen Fraktion, weißt Du noch? Zum Vieh und zum Essen gebe ich zwei Dinge zu bedenken:
Erstens ist an den heute noch existenten Völkern, deren Wirtschaft auf Viehhaltung beruht, erkennbar, dass Fleisch nicht das Hauptnahrungsmittel ist. Sicher werden die Tiere hin und wieder auch geschlachtet. Das ist aber selten. Bis in die Neuzeit hinein war selbst in bäuerlichen Regionen Deutschlands nur selten Fleisch auf dem Tisch.
Zweitens lassen die kombinierten Stall-Wohn-Häuser der Germanen schon an der Größe erkennen, wie viel Vieh dort gehalten werden konnte. Wenn Fleisch Grundnahrungsmittel gewesen sein sollte, hätte so eine Großfamilie/Sippe wöchentlich ein Schwein schlachten müssen. Das wären 50 Schweine im Jahr. Um 50 Schweine schlachten zu können, hätten sie - da ja Zeit für die Mästung nötig war - mindestens hundert davon besitzen müssen. Je Sippe.

Mein Fazit: Wenn Fleisch also nicht das Hauptnahrungsmittel war, dann muss es was anderes gewesen sein.

Ich frage mich allerdings, wofür haben sie ihre Schafe und Schweine gehabt? Oder hatten sie die gar nicht gezüchtet? Und überhaupt: wie kriegten sie die Milch aus den Bullen ohne Euter?
Schafe hatten sie zum Beispiel der Wolle wegen. Und wie man Milch aus dem Bullen kriegt? Indem man ihn auf die Kuh hüpfen lässt, die davon trächtig wird und erst dann Milch zu produzieren beginnt. Wozu man Bullen noch braucht? Man kastriert sie und spannt sie dann als Ochsen vor den Pflug. Viehhaltung ist weit mehr als nur Nahrungsmittelproduktion für solche Gesellschaften.

Außerdem hatte sie oft hunger und die Männer zogen nicht in den Krieg, weil sie ihre Familien zu Hause nicht verhungern lassen konnten.
:pfeif:
Ich gehe tatsächlich davon aus, dass nicht immer alle in den Krieg zogen. Sonst hätte es die Völker nach ein, zwei Generationen nicht mehr gegeben.

Die Argumentation scheint mir nicht ganz stimmig zu sein. Insbesondere der 2. Teil. In einer Mangelwirtschaft mag man die Sklaverei nicht einführen wollen, aber eine Überschusswirtschaft könnte um den Kriegerethos zu fröhnen mit der Sklavenhaltung beginnen und sich damit der Mangelwirtschaft nähern.
Mangelwirtschaft steht doch nicht vor ausklinken der Männer, sondern danach. Ich habe das Gefühl, dass Du in deinem Gedankenspiel Kausalitäten und Ereignisabfolgen durcheinanderbringst.
Wieviel davon auf die Germanen zutrifft, ist nochmal eine andere Sache.
Die Mangelwirtschaft bei den Germanen scheint mir nicht auf Kriege sondern auf eine zum Beispiel im Vergleich zu den Kelten rückständige Technologie zurückzuführen gewesen zu sein. Ich finde keine Belege dafür, dass sie zuvor eine höher stehende Kultur gehabt hätten.

MfG
 
@ Maelonn, da mir das von dir zitierte Buch nicht vorliegt, habe ich in einem anderen von R. Wolters nachgeschaut, was er darin zu der halbnomadischen Germanen zum Besten gibt. Leider findet sich dazu nichts, insofern weißich auch nicht, was er mit dem Begriff "halbnomadisch" meint. Ich kann dir aber sagen, was ich darunter verstehe. Es entspricht in etwa dem, was hier www.gat.st: nachrichten: sonnTAG 137 als "schweifendes Wohnen" bezeichnet wird. Den Eindruck habe ich bezüglich der Siedlungen wenigstens im Nordseeküstenbereich eigentlich nicht, wenn hier Feddersen Wierde als Referenz herangezogen wird und sich aus archäologischer Sicht anscheinend auch nicht von den Siedlungen im norddeutsch-niederländischen Flachland unterschied. Wie angedeutet, bleibt mir fraglich, was hier mit "halbnomadisch" bezeichnet werden könnte! Dies ist mein Hauptkritikpunkt an deiner Auffassung, die mir insofern auch nicht präzise erscheint. Den Rest den ich schrieb, war nur polemisch zu verstehen.
Ich sehe, um es noch einmal zu betonen, die Vorstellung von germanischen Halbnomaden nicht in Einklang mit dem Nachweis der festen Siedlungen nicht haltbar. Nun weiß ich nicht, ob du dich den Ausführungen von Alfons Dworsky anschließen würdest, der etwa schreibt:
"Das 'Dorf' ist im wesentlichen nur die Gemarkung, das bewirtschaftbare Land. Die baulichen Anlagen sind eher als mittelfristige Provisorien vorzustellen, die immer wieder, etwa im Generationentakt verlegt werden. Individualeigentum war unbekannt. Lediglich Kult- und Bestattungsplätze bleiben über längere Zeit am gleichen Ort."
Er beschreibt aber genau das, was ich als Halbnomadismus bezeichnen würde, aber im archäologischen Material etwa der Nordseeküste gerade nicht als nachgewiesen sehe.
 
Hallo, Muspilli!
Das Wort Nomadentum macht Dir also zu schaffen. Gut, dann lass uns mal Konfliktpotenzial abbauen. Ich habe ja schon in einem anderen Thread geschrieben, dass die Germanen meiner Ansicht nach keine Nomaden (mehr) waren. Meiner Ansicht nach lässt ihre Lebensweise aber erkennen, dass sie es mal gewesen sind und dass das noch nicht allzu lange her war.

Den von Dir geposteten Link habe ich gelesen. Mal abgesehen davon, dass ich den Text "überintellektuell" und schwer verdaulich fand, scheint mir, dass der Referent mehr auf den Versuch aus war, gemeinsame Gesetzmäßigkeiten für unterschiedliche Lebensweisen (also auch nomadischer oder ortsfester Lebensweise) herauszuarbeiten. Das ist für unser Thema nicht hilfreich, da von dieser Frage ganz entscheidend die Wirtschaftsweise abhängt. Aber das nur am Rande.

Warum komme ich auf "halbnomadisch"?
Ich definiere den Begriff ganz formal: Nomadisch ist ein Volk, das mehr oder minder periodisch seine Wohnsitze wechselt - wie nordamerikanische Prärieindianer, deren Wanderungen vom Zugverhalten der Büffel abhing, oder skandinavische Lappen, die ihren halbdomestizierten Rentieren folgen.
Sesshaft ist eine Gesellschaft dann, wenn sie feste Wohnsitze hat und - vor allem! - eine gemeinsame Infrastruktur aufbaut (Straßen, Marktplätze, zentrale Verwaltungen etc.)

Und insofern waren die Germanen "Wanderer zwischen den Welten": Sie hatten zwar offensichtlich feste Wohnsitze, aber keine Infrastruktur. Deshalb fiel es ihnen leicht, ihre Wohnsitze einfach aufzugeben und sich woanders anzusiedeln. Sie haben keine "teure Infrastruktur" zurückgelassen. Solche Siedlungsbewegungen kamen damals häufig vor.

Auch die Wohnverhältnisse der Germanen deuten das an. Heute ist ein Haus zumeist die kumulierte ökonomische Lebensleistung einer ganzen Familie. Wird es durch ein Erdbeben zerstört, ist die Familie ruiniert. Bei den Germanen war das nicht so. Deren Häuser erinnerten eher an "Unterstände", an bloßen Wetterschutz. Sie ließen sich jederzeit an jedem Ort mit den dort vorhandenen Mitteln neu aufbauen, ohne dass dafür "angesparte Ressourcen" nötig waren.

Folge: Die Gesellschaften (Stämme?) waren überaus beweglich. Das lässt sich an den ständigen Wanderbewegungen Richtung Gallien ablesen, aber auch an der "Standardtaktik", bei Gefahr (Einmarsch der Römer) die "Dörfer" zu verlassen und sich in die Wälder zu zerstreuen oder tiefer ins eigene Gebiet zurückzuziehen. Ich sage damit nicht, dass die Leute nicht lieber zuhause geblieben wären. Ich sage nur, dass es ihnen leicht gefallen ist, sich so zu verhalten, weil sie kaum materielle Güter zurückgelassen haben. Es ist ihnen sogar leicht gefallen, eine Zeitlang ausschließlich von ihrem Vieh zu leben (Viehwirtschaft ist im Gegensatz zur Landwirtschaft eben auch nicht ortsgebunden).

@ Maelonn, da mir das von dir zitierte Buch nicht vorliegt, habe ich in einem anderen von R. Wolters nachgeschaut, was er darin zu der halbnomadischen Germanen zum Besten gibt. Leider findet sich dazu nichts, insofern weißich auch nicht, was er mit dem Begriff "halbnomadisch" meint.
Ich habe ein bisschen Bedenken, Wolters Theorie hier zusammenfassen zu wollen, weil ich erst gestern zufällig über das Buch gestolpert bin und es gekauft habe. Ich bin mit Lesen halt noch nicht weit gekommen. Unter dem Vorbehalt, dass im weiteren Text vielleicht noch mehr zu dem Thema kommt, versuche ich es mal:

Wolters stützt sich auf historische Quellen. Und denen entnimmt er, dass die Barbaren bei der ersten Begegnung mit dem Reich, eine für die Römer erschreckende Mobilität an den Tag gelegt haben. Das fing schon bei Caesar an, der während des gallischen Krieges zweimal harte Kämpfe führen musste, um Siedlungsversuche ganzer Völkerschaften in Gallien zu unterbinden. Zuerst die Sueben unter Ariovist, später Tenkterer und Usipeter (deren Zahl Caesar mit mehreren hunderttausend angibt). Daneben gab es Siedlungsbewegungen mit Zustimmung der Römer (Bataver, Ubier, eventuell später auch Teile der Sugambrer) Gleichzeitig gab es laut Wolters eine Vielzahl von Einfällen germanischer Kriegergruppen, die aus eigenem Antrieb zum Plündern kamen oder sich als Söldner verdingen wollten. Er zitiert Quellen, wonach in praktisch alle Unruhen in Gallien bis zur Zeitenwende germanische Gruppen involviert waren.
Er verweist weiter darauf, dass die eindringenden Gruppen auch "politisch" nicht berechenbar waren. Beispiel: Auf "Einladung" Caesars sind die Sugambrer nach Gallien gekommen, um das Land der (romfeindlichen) Eburonen zu plündern - und dann haben diese "Verbündeten" von einem Moment zum nächsten kehrt gemacht und ein römisches Lager angegriffen.

Wolters selbst relativiert die Idee von der Mobilität der Germanen dann, indem er darauf hinweist, dass insbesondere Caesar diese Mobilität stark betont, dass sie in den Publikationen der folgenden eineinhalb Jahrhunderte dann aber mehr und mehr in den Hintergrund tritt (Tacitus schreibt davon gar nicht mehr). Demnach könnte es so sein, dass Caesar das nur aus politischen Gründen gemacht hat, um die Germanen (die er ja aus innenpolitischen Gründen als "Feind" brauchte) in eine Reihe mit dem Schreckgespenst der Kimbern und Teutonen zu stellen.

Andererseits geht Wolters noch einen Schritt weiter und vertritt die Auffassung, dass es auch hohe Mobilität über Stammesgrenzen hinweg gegeben habe. Ein Zitat:

"Zudem war die Stammeswelt vergleichsweise instabil. In der Überlieferung oft nur kurz aufscheinende und verblassende Stammesnamen spiegeln Abspaltungen und Zusammenschlüsse, Neubildungen und das Verschwinden von Stämmen. Eine gemeinschaftlich handelnde Gruppe blieb oft nur so lange stabil, wei eine starke Führung oder der gemeinsame Erfolg sie zusammenhielt. Mit den aus den Stämmen herausbrechenden Verbänden und deren Mobilität wurden die Römer bei jenen gefolgschaftlich organisierten Kriegergruppen konfrontiert, die als Räuber oder Söldner nach Gallien gekommen waren und sich auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen zur materiell weiter entwickelten Kultur hin orientierten. Mit den jungen Männern waren es vor allem die besonders leistungsfähigen Teile der Gesellschaft, die diesen Schritt wagten. Solange sie Erfolg hatten, blieben solche auch aus Angehörigen unterschiedlicher Stämme zusammengesetzten Gruppen zumeist beieinander. Zur Identifizierung und Abrenzung belegten sie sich selbst mit einem spezifischen Namen - oder wurden von außen so angesprochen - und konnten sich im Erfolgsfall als "Stamm" verfestigen."

Zusammengefasst: Wolters geht davon aus, dass den Römern ein und dieselben Germanen mal unter diesem Namen, mal unter jenem Namen gegenübergetreten sein könnten, dass sie mal als Plünderer, mal als Siedler und mal als Söldner gekommen sind.

Wolters zweifelt überdies an, dass die Stammeshäuptlinge nachhaltigen Zugriff auf alle Stammesmitglieder hatten. Als Beispiel nennt er unter anderem wieder die Sugambrer: Die haben sich in einem Jahr den Römern unterworfen, den eroberten Adler der Lollius-Legion zurückgegeben und Geiseln gestellt - und im nächsten oder übernächsten Jahr sind sie wieder zusammen mit Tencterern und Usipetern auf die Römer losgegangen. Wolters meint, es könnten einfach andere Gruppen des gleichen Stammes gewesen sein, die sich an die Unterwerfung nicht gebunden fühlten. Zitat:

"Viele dieser Raub- und Söldnerzüge lagen außerhalb des Gewaltmonopols der Stammesführung und trugen primär privaten Charakter. Enstprechend unmöglich war es, diesen Problemen mit Verträgen beizukommen."

und ein paar Seiten weiter, bezogen auf das Sugambrer-Beispiel:

"Es bleibt durchaus fraglich, ob sich die Stammesautoritäten für Handlungen derartiger, auf persönlicher Übereinkunft gegründeter Verbindungen überhaupt zuständig und letztlich haftbar fühlten."

Wie gesagt: Alles unter Vorbehalt!

MfG

P.S.: Die von Dir zitierte Passage aus Deinem Link beschreibt schon ganz gut, wie auch ich "halbnomadisch" verstehe. "Provisorische" Einrichtungen, die durch langjährige Existenz dann auch durchaus über das Stadium des Provisoriums hinauswachsen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo El Quijote,

es ist schon witzig, dass du Wolters und Howgego als deine Gewährsleute nennst. Denn bei näherem Nachschauen stellt sich heraus, dass sie deinem Standpunkt widersprechen.
Hast wohl gedacht, es prüft niemand nach, was? :)


Reinhard Wolters, Römische Funde in der Germania magna und das Problem römisch-germanischer Handelsbeziehungen in der Zeit des Prinzipats, in: Georgia Franzius (Hrsg.), Aspekte römisch-germanischer Beziehungen in der Frühen Kaiserzeit, Espelkamp 1995, S.106

„Die Dominanz der Silbermünzen und ihr Abklingen mit dem Absinken des Silberanteils, das weitgehende Fehlen des für den täglichen Geldverkehr unentbehrlichen Kleingelds in den germanischen Gebieten sowie schließlich das relativ geringe Vorkommen von Münzen in den dortigen Siedlungsfunden legen zusammenfassend nahe, dass die römischen Münzen in Germanien keine vollwertige Geldfunktion besaßen. Soweit sie beim Tauschvorgang eine größere Rolle spielten, sind sie eher als durch Gewicht und Legierung genormte „Metall-Tauschobjekte“ anzusprechen.“


Christopher Howgego; Geld in der antiken Welt, Was Münzen über Geschichte verraten, Stuttgart 2000 :
„Insgesamt scheinen die Funde im Barbaricum in zwei Kategorien zu fallen. Für eine Pufferzone, die sich etwa über 200 km hinter der römischen Grenze hinzog, sind Funde aus Bronzemünzen charakteristisch. Sie dürften Handel und andere Kontakte mit dem Römischen Reich reflektieren und vielleicht auch die Ausbreitung eines gewissen Maßes an Monetarisierung. Für die anschließende Zone sind Funde von Silbermünzen und anderen prestigeträchtigen Gütern charakteristisch, wobei wir annehmen, dass ihr symbolischer Wert im Vordergrund gestanden hat (Fulford 1985).“


LG Nicole :winke:
 
Hallo El Quijote,

es ist schon witzig, dass du Wolters und Howgego als deine Gewährsleute nennst. Denn bei näherem Nachschauen stellt sich heraus, dass sie deinem Standpunkt widersprechen.
Hast wohl gedacht, es prüft niemand nach, was? :)

Blödsinn!


Reinhard Wolters, Römische Funde in der Germania magna und das Problem römisch-germanischer Handelsbeziehungen in der Zeit des Prinzipats, in: Georgia Franzius (Hrsg.), Aspekte römisch-germanischer Beziehungen in der Frühen Kaiserzeit, Espelkamp 1995, S.106

„Die Dominanz der Silbermünzen und ihr Abklingen mit dem Absinken des Silberanteils, das weitgehende Fehlen des für den täglichen Geldverkehr unentbehrlichen Kleingelds in den germanischen Gebieten sowie schließlich das relativ geringe Vorkommen von Münzen in den dortigen Siedlungsfunden legen zusammenfassend nahe, dass die römischen Münzen in Germanien keine vollwertige Geldfunktion besaßen. Soweit sie beim Tauschvorgang eine größere Rolle spielten, sind sie eher als durch Gewicht und Legierung genormte „Metall-Tauschobjekte“ anzusprechen.“
Und direkt daran anschließend: "Dennoch soll darauf hingewiesen werden, dass sich die Struktur der Denarhorte in den ersten beiden Jahrhunderten im Reichsgebiet und in der Germania magna kaum voneinander unterscheidet: Dies kann auch als ei Hinweis auf einen relativ regelmäßigen Rückfluss der Denare ins Römische Reich gedeutet werden."

Bei dem zweiten Zitat verstehe ich nun überhaupt nicht, was Du mir damit sagen willst, da es ja genau das widerspiegelt, was ich als These vertrat, nämlich, dass Germanen im Handel mit Römern deren Geld und seinen Wert anerkannten:
Christopher Howgego; Geld in der antiken Welt, Was Münzen über Geschichte verraten, Stuttgart 2000 :
„Insgesamt scheinen die Funde im Barbaricum in zwei Kategorien zu fallen. Für eine Pufferzone, die sich etwa über 200 km hinter der römischen Grenze hinzog, sind Funde aus Bronzemünzen charakteristisch. Sie dürften Handel und andere Kontakte mit dem Römischen Reich reflektieren und vielleicht auch die Ausbreitung eines gewissen Maßes an Monetarisierung. Für die anschließende Zone sind Funde von Silbermünzen und anderen prestigeträchtigen Gütern charakteristisch, wobei wir annehmen, dass ihr symbolischer Wert im Vordergrund gestanden hat (Fulford 1985).“
Man kann an dem Wolterstext in Franzius' Aspekte... im Übrigen sehr schön erkennen, dass Wolters - von dem ich zunächst nur ältere Texte zur Hand hatte - ursprüngliche Stellungnahmen revidierte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Blödsinn!

Und direkt daran anschließend: "Dennoch soll darauf hingewiesen werden, dass sich die Struktur der Denarhorte in den ersten beiden Jahrhunderten im Reichsgebiet und in der Germania magna kaum voneinander unterscheidet: Dies kann auch als ei Hinweis auf einen relativ regelmäßigen Rückfluss der Denare ins Römische Reich gedeutet werden."
.

Hat die Nicole gedacht es prüft keiner nach.............:winke:
 
Wie bitte?


Und direkt daran anschließend: "Dennoch soll darauf hingewiesen werden, dass sich die Struktur der Denarhorte in den ersten beiden Jahrhunderten im Reichsgebiet und in der Germania magna kaum voneinander unterscheidet: Dies kann auch als ei Hinweis auf einen relativ regelmäßigen Rückfluss der Denare ins Römische Reich gedeutet werden."
Dass die Denare ins Reich zurückflossen, widerspricht doch nicht der Aussage, dass sie bei den Germanen als Metall-Tauschobjekte galten. Oder meinst Du, Wolters würde sich hier widersprechen?


Bei dem zweiten Zitat verstehe ich nun überhaupt nicht, was Du mir damit sagen willst, da es ja genau das widerspiegelt, was ich als These vertrat, nämlich, dass Germanen im Handel mit Römern deren Geld und seinen Wert anerkannten:

Moment. Du hast die Meinung vertreten, dass es bei den Germanen eine "sekundäre Geldwirtschaft" gab, also Germanen auch untereinander mit Geld wirtschafteten.
Die Stelle in Howgegos Text, die ich fett markiert hatte, bezieht sich auf die Germanen im tiefen Landesinneren, z.B. dem Weserraum (u.a. Cherusker). Und um die ging es im Wesentlichen auch in dieser Diskussion.


Man kann an dem Wolterstext in Franzius' Aspekte... im Übrigen sehr schön erkennen, dass Wolters - von dem ich zunächst nur ältere Texte zur Hand hatte - ursprüngliche Stellungnahmen revidierte.

Na also, dann wäre es doch für dich auch an der Zeit, ursprüngliche Stellungnahmen zu revidieren....:)

Lieben Gruß
Nicole
 
Die Stelle in Howgegos Text, die ich fett markiert hatte, bezieht sich auf die Germanen im tiefen Landesinneren, z.B. dem Weserraum (u.a. Cherusker). Und um die ging es im Wesentlichen auch in dieser Diskussion.
Die Cherusker sind doch keine Germanen tief im Landesinneren gewesen.


Na also, dann wäre es doch für dich auch an der Zeit, ursprüngliche Stellungnahmen zu revidieren....:)

OK, Du hast Recht und ich hab meine Ruhe....
 
Hallo El Quijote,

da Du das Wolters-Zitat so gut kanntest, dass du es sogar weiterziteren konntest, stellt sich dem unbefangenen Leser die Frage, warum du es bisher nicht erwähnt bzw. berücksichtigt hast?
Stattdessen führst du Wolters als Unterstützer deines Standpunktes auf.


Eine verwunderte Nicole:confused:
 
Hallo El Quijote,

da Du das Wolters-Zitat so gut kanntest, dass du es sogar weiterziteren konntest, stellt sich dem unbefangenen Leser die Frage, warum du es bisher nicht erwähnt bzw. berücksichtigt hast?
Stattdessen führst du Wolters als Unterstützer deines Standpunktes auf.


Eine verwunderte Nicole:confused:

Ich kannte das Wolters-Zitat nicht. Ich hatte das Buch nur gerade hier rumliegen. Aber es ehrt mich, dass Du mein Gedächtnis für so gut hältst, dass ich es aus dem Stand zitieren könnte.
 
Ich kannte das Wolters-Zitat nicht. Ich hatte das Buch nur gerade hier rumliegen. Aber es ehrt mich, dass Du mein Gedächtnis für so gut hältst, dass ich es aus dem Stand zitieren könnte.
:winke: Dann hast du es tatsächlich eben erst gelesen? Ist doch toll, das freut mich!
 
Na ja, zumindest liegt die Weser außerhalb der von Howgego angegebenen Zone von 200 km (vom Rhein).

LG Nicole

Von Neuss bis nach Hannover sind es wenig mehr 200 km, Xanten oder Gelduba bis Hannover ziemlich genau. Da hat man die Weser aber längst überschritten und dies nur bei der konservativen Einschätzung des römischen Machtbereichs, unter Ausklammerung der Lippelager und der Germanicus-zeitlichen Lager an der unteren Weser.
 
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