Wirtschaftliche Aspekte der Krise der späten römischen Republik

Waterpolo

Mitglied
Ich verstehe derzeit nicht ganz die wirtschaftlichen Aspekte der Krise der späten Republik. Hierbei geht es mir vor allem darum, welche wirtschaftlichen Aspekte dazu geführt haben, dass die Bauern in die Stadt gezogen sind.

Villenwirtschaft - war rational durchorganisiert und deutlich marktorientierter, da man sich auf spezielle Produkte, wie z.B. dem Olivenanbau spezialisierte und dementsprechend durch die hohe Anzahl an Sklaven auf den Feldern deutlich ertragreicher war als die Kleinbetriebe der Bauern, die sich auf die konservative Art und Weise der Landwirtschaft stützten.

Hat aber die Villenwirtschaft dazu geführt, dass die Kleinbetriebe der Bauern nicht mehr in Konkurrenz mit dieser neuen Art und Weise der Wirtschaft treten konnten und somit in die Stadt zogen, um einen neuen Arbeitsplatz in der Stadt zu finden? Habe ich das richtig verstanden oder gibt es noch einen größeren wirtschaftlichen Aspekt, welchen ich hier nicht neben der Villenwirtschaft aufgeführt habe?

Liebe Grüße,
Waterpolo
 
Im Prinzip ist das eine Entwicklung, die mit den Punischen Kriegen begonnen hat. Insbesondere seit dem zweiten punischen Krieg und der Besetzung Spaniens in seinem Gefolge verlängerten sich die Dienstzeiten der römischen Bürgersoldaten. Das führte dazu, dass die römischen Bauern - und daraus bestand damals noch die Mehrheit der Römer - ihre Höfe nicht mehr bewirtschaften konnten. Gleichzeitig wurden durch die Kriege vermehrt Sklaven auf die Märkte gebracht, die sich wiederum nur diejenigen leisten konnten, deren Höfe mehr als nur auf Subsistenz ausgerichtet waren. Kleine Höfe gingen pleite, große Höfe profitierten vom Überangebot an Sklaven und expandierten, der besitzlose plebs kam in die Städte und wurde fortan mit tesserae bei Laune gehalten. Gegenmaßnahmen waren die marinische Heeresreform und der gescheiterte Versuch der gracchischen Reformen. Rom hatte sich selbst zur Expansion verdammt.
 
Ich denke, die Entwicklung ist noch etwas komplexer.

Verschuldete Bauern und daraus resultierende Maßnahmen und politische Konsequenzen gab es schon in den Jahrhunderten vor den punischen Kriegen. Und Verschuldung gab es auch wieder bei den (noch) freien Pachtbauern des Prinzipats, die ab Mitte des ersten Jahrhunderts die Sklavenbetriebe wieder sukzessive ablösten.

Das Problem war, daß diese Bauern Subsistenzwirtschaft betrieben und so oft bereits eine Misernte, dazu führen konnte, daß sie keine Getreide für Saatgut mehr hatten, oder um den Winter zu überleben. In einem solchen Fall ging der römische Bauer selten zu einer Bank, obwohl es Vergleichbares gab. Er ging zu seinem Patron, einem adeligen Großgrundbesitzer, und bat ihn um Unterstützung bzw. einen Kredit. Bei den geringen Überschüssen der Kleinbetriebe muß es Jahre gedauert haben, diese Schuld zu begleichen. Gab es in dieser Zeit weitere Vorfälle, dann geriet der Bauer in eine Schuldenfalle, der er selten entrinnen konnte.

Auch wenn wir also bereits in den glorreichen Tagen vor den punischen Kriegen von verschuldeten Bauern hören, gab es nicht diese massenhaften Pfändungen der späten Republik. Das mag darauf zurückzuführen sein, daß die Patrone mit diesem Land mangels Kapital und Sklaven keine deutlich bessere Optionen hatten, als es ihren verschuldeten Bauern und Clienten weiter zu überlassen. Als jedoch im Zuge der Expansion mehr und mehr Kapital und Sklaven nach Italien strömten, änderte sich das. Verschuldete Höfe wurden eingezogen und in Latifundien integriert. Dies auch, weil es adeligen Römern durch ein eher verhängnisvolles Gesetz verboten war in Handel oder Handwerk zu investieren. Zumindest waren ihnen solche Investitionen sehr erschwert.

Der Dienst in der Legion in entfernten Provinzen für länger als wenige Monate ist vollkommen unbestritten eine wesentliche Ursache für die Verarmung der Bauern. Ich denke aber, daß der enorme Kapitalufluß nach Italien mindestens so bedeutend ist für die folgenden sozialen Verwerfungen; auch innerhalb der Aristokratie selbst.

Auch haben Archäologen bis heute ein Problem, eine von massenhaften Latifundien geprägte Landschaft Italiens zu beweisen. Es mag sein, daß Latifundien eher eine römische Entwicklung waren. Die größten Extreme, die auch die Grachhen beseitigen wollten, liegen so auch im römischen ager publicus. Der größte Teil der Bevölkerung Italiens lebte aber auf Land der Bundesgenossen und versorgte auch deren Städte und Gemeinden. Die importierten aber meist kein Getreide im großen Stil wie Rom. Es muß also immer noch bedeutenden Getreideanbau in Italien gegeben haben.

In Büchern zur römischen Landwirtschaft, die allerdings oft später datieren, wird auch empfohlen, daß ein Sklavenbetrieb, der sich auf Öl oder Wein spezialisiert hat, nicht selbst das Getreide zur Ernährung seiner Sklaven anbaut, sondern hierzu entferntere Äcker verpachtet und die üblichen 30% Pacht zur Ernährung der Sklaven einsetzt.
 
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der besitzlose plebs kam in die Städte und wurde fortan mit tesserae bei Laune gehalten.
Die "tesserae" gehören allerdings erst in die Kaiserzeit.
Es kam zwar immer wieder vor, dass die Regierung kostenloses oder preisreduziertes Getreide verteilen ließ, meist aus politischen Gründen, um das Volk ruhigzustellen, aber eine feste Einrichtung war das lange Zeit nicht. Erst Gaius Sempronius Gracchus verschaffte jedem Bürger einen monatlichen Anspruch auf eine bestimmte Menge Korn zu einem subventionierten Preis. Dieses System wurde immer wieder verändert und weiterentwickelt, aber erst der Volkstribun Publius Clodius Pulcher führte eine kostenlose Getreideausgabe ein. Caesar schränkte die Anzahl der Anspruchsberechtigten ein, indem er eine Liste erstellen ließ. Die tesserae als (übrigens veräußerlicher und vererbbarer) Nachweis der Anspruchsberechtigung wurden erst in der Kaiserzeit eingeführt, wobei allerdings nur die Ärmsten das Korn gratis bekamen, der Rest lediglich verbilligt.

Auch haben Archäologen bis heute ein Problem, eine von massenhaften Latifundien geprägte Landschaft Italiens zu beweisen.
Ich frage mich, wie man so etwas archäologisch nachweisen will. Einem Stück Land sieht man doch nicht an, ob es zu einer bestimmten Zeit zu einem großen Gut oder einem kleinen Gehöft gehörte. Gehöfte selbst werden wohl eher zufällig gefunden. Man müsste wohl ganz Italien flächendeckend umgraben, um sagen zu können, ob es zu einer bestimmten Zeit viele kleine Bauernhäuser oder wenige große Villae gab.
 
Latifundien archäologisch nachweisen?

@Nachweis von Latifundien... Ich frage mich, wie man so etwas archäologisch nachweisen will. Einem Stück Land sieht man doch nicht an, ob es zu einer bestimmten Zeit zu einem großen Gut oder einem kleinen Gehöft gehörte. Gehöfte selbst werden wohl eher zufällig gefunden. Man müsste wohl ganz Italien flächendeckend umgraben, um sagen zu können, ob es zu einer bestimmten Zeit viele kleine Bauernhäuser oder wenige große Villae gab.

Das ist gewiss schwierig nachzuweisen. Dazu einige Gedanken: Flächendeckend umgraben kann man sicherlich nicht. Die italienische Siedlungsgeschichte ist in der Regel auch recht konstant geblieben (Überbauung). Man wird wohl darauf angewiesen sein über Surveys auf große Hofkomplexe schließen zu können. Die von Agricola angesprochene Zu-Pacht, welche antike Bücher empfehlen dürfte sich in der Landschaft überhaupt nicht abbilden!

Die römische Feldvermessung mag auch hilfreich sein, aber deren Grenzen für ihre Nutzung hast du bereits angesprochen. Hinzu kommt, dass die römische Feldeinteilung in Italien eine längere Entwicklung, parallel zur Expansion mit entsprechenden Brüchen abdeckte und damit ein schwierigeres Forschungsgebiet bilden mag, als die bekannten Großvermessungen in Tunesien, die sich heute noch abzeichnen. Die oft kleinteilige Landschaft Italiens mit seinen Bergen und saisonal unbändigen Flüssen setzte der Vermessung auch gewisse Grenzen. Dennoch wurden die "Zwickel" sicher landwirtschaftlich genutzt. Dazu kommt die gleichbleibend wichtige Rolle der Transhumanz in Italien während der ganzen Antike, die entsprechende Flächen und ergiebige Routen beanspruchte... Ein spannendes Feld, vielleicht weiß jemand mehr zu berichten?
 
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