Wirtschaftliche und fiskalische Möglichkeiten stark rohstoffbasierter Volkswirtschaften

Shinigami

Aktives Mitglied
Ich mache hier mal einen neuen Faden auf, um den RWG-Staaten-Faden zu entlasten, da sich die Diskussion zunehmend vom dortigen Thema entfernt, bzw. deswegen folgt jetzt eine zweigeteilte Antwort.



Ich denke, entscheidend ist hier, dass es in Norwegen und den reichen Golfstaaten wirklich sehr große Vorkommen an Erdöl und/oder Erdgas und entsprechend große Einnahmen gibt und eine im Verhältnis dazu sehr kleine Bevölkerung.

Z. B. hat Norwegen etwa 5,6 Millionen Einwohner, die Sowjetunion dagegen hatte 1988 286 Millionen Einwohner, Russland heute hat 144 Millionen Einwohner. Da verteilen sich die Einnahmen dann auf entsprechend mehr Köpfe.

Im Fall von Saudi-Arabien wirkt sich das starke Bevölkerungswachstum von etwa 4 Millionen im Jahr 1961 auf etwa 37 Millionen heute deutlich auf den relativen Reichtum aus. Heute hat Deutschland ein deutlich höheres BIP pro Kopf als Saudi-Arabien (53.565 USD vs. 32.530 USD, Zahlen von 2023). Auch hinter einige der kleineren Golfstaaten wie Katar oder die Vereinigten Arabische Emirate sind sie deutlich zurück gefallen.

Grundsätzlich können sich hohe Einnahmen aus dem Export von Rohstoffen auch nachteilig auf die übrige Wirtschaft auswirken, in dem durch die hohen Einnahmen von Devisen und deren Umtausch in die eigene Währung diese aufwertet und dadurch Importe billiger und Exporte teurer werden und in Folge der industrielle Sektor und gegebenenfalls auch die landwirtschaftliche Produktion schrumpft. Das ist als sog. Holländische Krankheit bekannt geworden.

Nun war die sowjetische Währung ja nicht frei konvertierbar, dennoch denke ich, dass dort möglicherweise ähnliche analoge Mechanismen eine Rolle gespielt haben und die industrielle Entwicklung der Sowjetunion gegenüber dem kapitalistischen Ausland, aber auch gegenüber den sozialistischen Bruderländern ausgebremst haben. Bei Russland dürfte das heute auch eine Rolle spielen.


Es ist ja nicht so, dass die sowjetischen Rohstoffvorkommen gering gewesen wären oder dass man die Förderkapazitäten bei Bedarf nicht hätte ausbauen können. Das Resultat wäre dann eben eine Übersättigung der Märkte und ein Verfall der ÖL- und Gaspreise gewesen und an sinkenden Ölpreisen litt die Sowjetunion in den 1980er Jahren ja ohnehin bereits.
Der Hauptunterschied zwischen der Sowjetunion und den Golfstaaten, im Besonderen den Kleineren besteht darin, dass die Sowjetunion versucht hat eine Rolle als Weltmacht auf Augenhöhe mit den USA zu spielen und sich einen entsprechenden Militärapparat und eine entsprechende Infrastruktur zuzulegen, während die Golfstaaten nicht nur auf solche Ambitionen verzichten, sondern auch einen großen Teil ihrer strategischen Sicherheit dadurch outgesourced zu haben, dass sie sich als Juniorpartner an die USA dranngehängt haben.
Die Saudis verfügen in Sachen Seestreitkräften nicht über allzu viel militärisches Potential ( Royal Saudi Navy – Wikipedia ), eine allgemeine Wehrpflicht und die Kosten einer hochgerüsteten Wehrpflichtarmee hat Saudi-Arabien übrigens auch nicht.

Wenn die Golfstaaten, im Besonderen für die Sicherung der für ihren Rohstoffexport notwendigen Seewege selbst aufkommen müssten, statt sich sich darauf zu verlassen, dass die USA mit ihrer Navy de facto die Freiheit der Meere schützen und auch einigermaßen regelmäßig im Bereich des Persischen Golfs und des Roten Meeres präsent sind, würde dass den Aufbau von Seestreitkräften erfordern, die einen erheblichen Teil der Rohstoffeinnahmen auffressen würden, zumal, wenn man bedenkt, dass die Rüstungskosten eben auch von einer relativ kleinen Bevölkerung getragen werden müssten.
Bei den Sowjets verteilte sich das auf an die 250 Millionen Sowjetbürger, bei den Golfstaaten wäre es erheblich weniger, die diese Ausgaben stemmen müssten.

Der relative Reichtum der Golfstaaten ist vor allem deswegen notwendig, weil man diesen Weg nicht geht und den der Unterordnung unter die USA als Seniorpartner vorgezogen hat.
 
Es ist ja nicht so, dass die sowjetischen Rohstoffvorkommen gering gewesen wären oder dass man die Förderkapazitäten bei Bedarf nicht hätte ausbauen können. Das Resultat wäre dann eben eine Übersättigung der Märkte und ein Verfall der ÖL- und Gaspreise gewesen und an sinkenden Ölpreisen litt die Sowjetunion in den 1980er Jahren ja ohnehin bereits.

Entgegen manchen Annahmen dürfte das Hauptmotiv für die sowjetischen Ölexporte auf wirtschaftlichem Gebiet liegen. Die Sowjetunion leidet unter einem chronischen Mangel an ausländischen Zahlungsmitteln, die sie zur Bezahlung wichtiger Importe benötigt. Aus den westlichen Industrieländern möchten die Sowjets vor allem Maschinen und ganze Fabrikausrüstungen beziehen, nicht zuletzt für den Ausbau der eigenen öl- und petrochemischen Industrie. Da die Sowjets im Handel mit den Industriestaaten nur wenige attraktive Güter anzubieten haben, greifen sie verständlicherweise auf die Rohstoffe zurück, für die im Westen ein großer aufnahmefähiger Markt besteht. Das gilt vor allem für Erdöl (auch für Gold, Zinn, Diamanten). Hinzu kommt, daß die für Öl erzielbaren Preise den Sowjets einen angemessenen Gewinn einbringen dürften Bei den Handelsvertragsverhandlungen drängen die Sowjets zunehmend auf eine Abnahme von Erdöl, selbst bei Ländern, die über eine gesicherte EigenVersorgung verfügen (Kanada, Frankreich). Daraus kann man schließen, daß Öl auch künftig das Hauptprodukt sein wird, das die Sowjetunion zur Bezahlung ihrer eigenen Importe auf dem Weltmarkt verkaufen wird.

Q: Rudolf B. Eich, Das sowjetische Öl auf dem Weltmarkt, in: Ost-Probleme, Vol. 14, No. 8 (19. April 1962), pp. 234-241, S. 238.

Weder Norwegen noch die Förderstaaten am Arabischen Golf brauchten die Deviseneinnahmen durch Erdöl-Exporte, um Industrieprodukte aus dem NSW importieren zu können, für den Auf- und bzw. weiteren Ausbau der bzw. einer eigenen Industrieökonomie (einer hegemonialen Weltmacht).

Norwegen gründete 1990 rund 20 Jahre nach Entdeckung und Beginn der Förderung des Nordseeöls den Staatlichen Pensionsfonds Ausland, welcher einen guten Teil der Überschüsse/Gewinne aus dem Erdöl-Export anlegt/ investiert und verwaltet:

Der Fonds besitzt Anteile an mehr als 8.500 Unternehmen in den meisten Ländern und Branchen. Im Durchschnitt besitzt der Fonds 1,5 Prozent aller börsennotierten Unternehmen. Damit ist der Fonds der weltweit größte Einzelinvestor. Darüber hinaus investiert der Fonds in festverzinsliche Wertpapiere, bei denen es sich um Kredite an Regierungen, staatliche Institutionen und Unternehmen handelt. Der Fonds besitzt außerdem 900 Immobilien in zentraler Lage in Weltstädten und Infrastrukturprojekte für erneuerbare Energien.
(Q: Investeringene | Norges Bank Investment Management )


Ähnlich agieren Saudi-Arabien oder die kleinen Golfstaaten, mit Anteilen an diversen Firmen im Ausland usw.

Die SU hat, soweit mir bekannt, nichts dergleichen gegründet, brauchte die laufenden Deviseneinnahmen für laufende Gegengeschäfte, wie bei Eich bereits 1962 auch für die späteren Jahre zutreffend notiert.
 
Weder Norwegen noch die Förderstaaten am Arabischen Golf brauchten die Deviseneinnahmen durch Erdöl-Exporte, um Industrieprodukte aus dem NSW importieren zu können, für den Auf- und bzw. weiteren Ausbau der bzw. einer eigenen Industrieökonomie (einer hegemonialen Weltmacht).

Dieses Problem war im Fall der Sowjetunion ja nun insofern hausgemacht, als dass man auf eine entsprechende weltmarktfähige Währung schlicht verzichtete.

Russland und auch die frühere Sowjetunion sind/waren ja Länder mit durchaus ansehnlichen Vorkommen, auch was Edelmetalle angeht und dementsprechend hätte man sich mit Rückgriff auf die Eigenförderung als potentielle konvertierbare Reserve wahrscheinlich sogar eine sehr solide Währung aufbauen können, möglicherweise hätte man sogar mehr oder weniger ein das Bretton-Woods-System spiegelndes System innerhalb der eigenen Einflusszone aufbauen können, mit einer in Edelmetall gedeckten konvertierbaren sowjetischen Währung und in festen Wechselkursen daran angelehnten Währungen in den Satelitenstaaten.

Wahrscheinlich wäre das zummindest im Prinzip gangbar gewesen.

Die SU hat, soweit mir bekannt, nichts dergleichen gegründet, brauchte die laufenden Deviseneinnahmen für laufende Gegengeschäfte, wie bei Eich bereits 1962 auch für die späteren Jahre zutreffend notiert.
Das das der Fall war und dass es der Sowjetunion an entwickelten verarbeiteten Industrien für tatsächliche Spitzenprodukte mangelte, ist klar, auch dass das bei den Golsfstaaten (inzwischen nicht mehr) so ist.

Die Frage, ist, denke ich eher:

Hat die Sowjetunion keine entsprechenden Industrien ausbilden können, weil ihr da die entsprechenden eigenen (menschlichen) Ressourcen und Kapazitäten in Form von gut ausgebildetem Personal etc. gefehlt haben?
Oder aber hat der politische Zwang mit den Statelitenstaaten in wirtschaftliche Beziehungen zu treten und sich für deren weiterentwickelte Produkte zu öffnen eine Situation herbeigeführt, aus der eine Blockade der Entwicklungsmöglichkeiten in der Sowjetunion selbst entstehen musste?

Ohne die Satelitenstaaten hätte man in der Sowjetunion natürlich eine protektionistische Politik fahren und von Deviseneinnahmen aus Rohstoffen, wie in der Zeit zwischen den Weltkriegen weniger direkt Konsumgüter, als viel mehr moderne Maschinen etc. einkaufen können um eine eigene Produktion aufzubauen.
Das hatte zummindest bei den Grundstoffindustrien in den 1920er und 1930er Jahren ja einigermaßen funktioniert (wobei die natürlich den Vorteil haben, dass das die Produktion sehr homogener Güter war, die sich im Sinne von Planbarkeit recht gut, in das Modell der zentralgesteuerten Wirtschaft einfügen ließen, was bei heterogenen und schnellerlebigen Konsumgütern natürlich wesentlich schwieriger ist).

Nur wenn man zu Gunsten des Ausbaus der eigenen Konsumgüterproduktion vor allem auf Importe von Konsumgütern aus den Satelitenstaaten verzichtet und die Schwerpunkte anders gesetzt hätte, wie genau hätte man dann wirtschaftliche Beziehungen zu den Satelitenstaaten aufrecht erhalten sollen, nachdem die sowjetische Importe nicht oder jedenfalls nicht ausreichend in harter Währung bezahlen konnten, und die Sowjetunion selbst keine Rohstoffe in Zahlung hätte nehmen können, weil sie selbst zu viel davon hatte?

Wie ich das sehe, hätte man von sowjetischer Seite, wenn man nicht zu Lasten der Entwicklung eigener Konsumgüterindustrien den Import solcher Güter aus den Satelitenstaaten betrieben hätte, die wirtschaftlichen Beziehungen zu letzteren mehr oder weniger einstellen müssen, weil die nichts anderes zum Bezahlen hatten.
Das hätte aber wahrscheinlich wie gesagt, die entsprechenden Regimes in diesen Staaten delegitimiert, weil die ohne Zugang zu den sowjetischen Rohstoffen und gleichzeitig ohne hinreichenden Zugang zu Rohstoffen aus dem nichtsozialistischen Ausland, die Industrien, im Besonderen in der DDR, der CSSR und Polen wahrscheinlich relativ schnell in Schwierigkeiten gekommen wären.

Was hätten deren Machthaber dann noch machen können?
Im Prinzip nur versuchen, von der Moskauer Linie los zu kommen, sich selbst weltmarktfähige Währungen zuzulegen und mit dem kapitalistischen Ausland in nähere Beziehungen zu treten.


Wie ich das sehe, war die Vernachlässigung des Aufbaus eigener Konsumgüterindustrien für die Sowjetunion eine notwendige Grundbedingung dafür über die Einfuhr von Konsumgütern die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Staaten ihres Machtbereis aufrecht erhalten zu können und somit einigermaßen Ruhe innerhalb dieses Bereichs zu schaffen.
 
und dementsprechend hätte man sich mit Rückgriff auf die Eigenförderung als potentielle konvertierbare Reserve wahrscheinlich sogar eine sehr solide Währung aufbauen können, möglicherweise hätte man sogar mehr oder weniger ein das Bretton-Woods-System spiegelndes System innerhalb der eigenen Einflusszone aufbauen können, mit einer in Edelmetall gedeckten konvertierbaren sowjetischen Währung und in festen Wechselkursen daran angelehnten Währungen in den Satelitenstaaten.
Das ist alles im Rahmen von marktwirtschaftlichen Systemen gedacht, im Fall von Zentralplanwirtschaften ist gar nicht klar, was eine konvertierbare Währung bedeuten soll: Im Ostblock sollten Privatpersonen oder Unternehmen gerade nicht die Möglichkeit haben, nach Belieben Finanzanlagen in einem Land aufzulösen und aus dem Erlös Vermögen in einem anderen Land zu erwerben.
 
Was in diesem Faden fehlt, ist eine quantitative Übersicht über die Handelsbeziehungen zwischen Sowjetunion, sozialistischem und nichtsozialistischem Ausland, und zwar getrennt nach Industriegütern, Rohstoffen und Agreargütern (eine Spezialform von Rohstoffen). Ohne solche Daten ist zum Beispiel nicht klar, ob der Nettoimport von Industriegütern aus dem sozialistischen Ausland überhaupt von erheblicher Bedeutung war.
 
Das ist alles im Rahmen von marktwirtschaftlichen Systemen gedacht
Nunja, auch Marx&Engels haben im Rahmen von marktwirtschaftlichen Systemen gedacht, Episodisch haben in den 1920er Jahren auch Lenin/Trotzki im Rahmen der NEP in begrenztem Maße Marktwirtschaft zugelassen und wäre die sich herausbildende KPdSU in den 1920er Jahren den theoretischen Vorstellungen Nikolai Bucharins gefolgt, statt den Vorstellungen des linken Parteiflügels um Trotzki und Sinowjew, dessen Positionen sich Stalin nach der Ausschaltung seiner Protagonisten weitgehend aneignete, hätte es möglicherweise auch den konkreten Versuch gegeben den Sozialismus im Rahmen einer Marktwirtschaft aufzubauen.

Wenn man im Hinterkopf hat, dass es durchaus Denktraditionen gab, die eine Vereinbahrung von Sozialismus und Marktwirtschaft für duchaus möglich hielten, war das Festhalten an einer Linie, die das aber verwarf, ein hausgemachtes Problem der Entscheidungsträger, kein eigentlich systemimmanentes Problem, dessen Lösung die Preisgabe des Sozialismus als System erfordert hätte.

Im Ostblock sollten Privatpersonen oder Unternehmen gerade nicht die Möglichkeit haben, nach Belieben Finanzanlagen in einem Land aufzulösen und aus dem Erlös Vermögen in einem anderen Land zu erwerben.
Das eine setzt ja das andere nicht zwangsläufig vorraus.

Über eine harte Währung zu verfügen bedeutet ja wenn der Staat selbst als wirtschaftlicher Akteur auftritt, nicht zwangsläufig diese im eigenen Land auch in Umlauf zu bringen.
Man hätte ja eine edelmetallgedeckte Währung als einzig dem Staat zugängliche reine Außenhandelswährung erfinden können, um die Probleme der Handelsbeziehungen auf Staatsebene zu lösen, ohne dabei gleichzeitig die Bevölkerung in diese Möglichkeiten einzubeziehen.

Genau so hätte man auch allgemein eine harte Währung einführen, jede Form von Außenhandel oder Invsetition im Ausland per Gesetzt aber zu einem staatlichen Monopol machen können, um die Effekte zu kanalisieren und zu steuern.
Wenn man hätte verhindern wollen, dass Sowjetbürger ihre Mittel irgendwo im Ausland anlegen hätte man einfach zwischen jede Form von Devisenverkehr mit dem Ausland eine staatliche Behörde und eine entsprechende Genehmigungspflicht zwischenschalten können, oder das mit so hohen Gebüren belegen, dass es de facto an Attraktivität verloren hätte.

De facto gab es etwas ähnliches ja:

 
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Was in diesem Faden fehlt, ist eine quantitative Übersicht über die Handelsbeziehungen zwischen Sowjetunion, sozialistischem und nichtsozialistischem Ausland, und zwar getrennt nach Industriegütern, Rohstoffen und Agreargütern (eine Spezialform von Rohstoffen). Ohne solche Daten ist zum Beispiel nicht klar, ob der Nettoimport von Industriegütern aus dem sozialistischen Ausland überhaupt von erheblicher Bedeutung war.
Das wird man vorraussetzen dürfen, weil sämtliche europäische Satelietenstaaten als eher rohstoffarme Gegenden ohne harte Währung darauf angewiesen waren, erhebliche Teile ihres Rohstoff- und Energiebedarfs aus der Sowjetunion zu beziehen.

Sofern das Sowjetregime nicht gewillt war das einfach zu verschenken, wovon eher nicht auszugehen ist, blieb nur der Import von Industriegütern oder Devisenreserven aus den Satelitenstaaten in entsprechendem Maße und da die selbst ständig unter Devisenmangel litten, wird es auf Industriegüter in signifikanten Mengen hinausgelaufen sein.
 
Nunja, auch Marx&Engels haben im Rahmen von marktwirtschaftlichen Systemen gedacht, Episodisch haben in den 1920er Jahren auch Lenin/Trotzki im Rahmen der NEP in begrenztem Maße Marktwirtschaft zugelassen und wäre die sich herausbildende KPdSU in den 1920er Jahren den theoretischen Vorstellungen Nikolai Bucharins gefolgt, statt den Vorstellungen des linken Parteiflügels um Trotzki und Sinowjew, dessen Positionen sich Stalin nach der Ausschaltung seiner Protagonisten weitgehend aneignete, hätte es möglicherweise auch den konkreten Versuch gegeben den Sozialismus im Rahmen einer Marktwirtschaft aufzubauen.
Natürlich, wäre die Sowjetunion nicht kommunistisch gewesen, wäre alles anders gewesen. War sie aber nun mal.

Wenn man im Hinterkopf hat, dass es durchaus Denktraditionen gab, die eine Vereinbahrung von Sozialismus und Marktwirtschaft für duchaus möglich hielten, war das Festhalten an einer Linie, die das aber verwarf, ein hausgemachtes Problem der Entscheidungsträger, kein eigentlich systemimmanentes Problem, dessen Lösung die Preisgabe des Sozialismus als System erfordert hätte.
Nur weil es Leute gab oder gibt, die Sozialismus und Marktwirtschaft für vereinbar hielten oder halten, bedeutet noch lange nicht, dass das auch so ist.

Es hängt natürlich auch davon ab, was man unter Sozialismus versteht. Wenn man darunter im klassischen Sinne die Sozialisierung der Produktionsmittel meint, dann dürfte die Vereinbarkeit nur sehr begrenzt gegeben sein.

Das eine setzt ja das andere nicht zwangsläufig vorraus.

Über eine harte Währung zu verfügen bedeutet ja wenn der Staat selbst als wirtschaftlicher Akteur auftritt, nicht zwangsläufig diese im eigenen Land auch in Umlauf zu bringen.
Man hätte ja eine edelmetallgedeckte Währung als einzig dem Staat zugängliche reine Außenhandelswährung erfinden können, um die Probleme der Handelsbeziehungen auf Staatsebene zu lösen, ohne dabei gleichzeitig die Bevölkerung in diese Möglichkeiten einzubeziehen.

Genau so hätte man auch allgemein eine harte Währung einführen, jede Form von Außenhandel oder Invsetition im Ausland per Gesetzt aber zu einem staatlichen Monopol machen können, um die Effekte zu kanalisieren und zu steuern.
Wenn man hätte verhindern wollen, dass Sowjetbürger ihre Mittel irgendwo im Ausland anlegen hätte man einfach zwischen jede Form von Devisenverkehr mit dem Ausland eine staatliche Behörde und eine entsprechende Genehmigungspflicht zwischenschalten können, oder das mit so hohen Gebüren belegen, dass es de facto an Attraktivität verloren hätte.
Ein harte Währung macht doch keinen Sinn, wenn die Empfänger diese dann nicht frei verwenden können.

In Deinem Szenario hätten Empfänger der Währung dann damit Rohstoffe (oder gegebenenfalls andere Produkte) aus der Sowjetunion kaufen oder die Währung gegen Gold eintauschen können.

Im Ersteren Fall läuft das dann letzten Endes auf einen Tausch Rohstoffe gegen Industrieprodukte hinaus und dann bleibt es eben dabei, dass die Sowjetunion nur in dem Maße Industrieprodukte aus dem NSW einkaufen kann, in dem sie auch Rohstoffe verkauft, es sei denn, man spekuliert darauf, dass die Empfänger sich genötigt sehen, mit der Währung mehr Rohstoffe aus der Sowjetunion zu kaufen, als sie es sonst getan hätten, weil sie sonst nichts mit der Währung anfangen können. In diesem Fall stellt sich aber die Frage, weshalb die Verkäufer der Industrieprodukte diese Währung dann überhaupt akzeptieren sollten.

Im Letzteren Fall hätte die Sowjetunion dann immer nur so viel der Währung herstellen und ans Ausland abgeben können, wie sie gegen Gold eintauschen konnte. Das hätte aber das Devisenproblem nicht gelöst, weil man dann genauso gut gleich Gold gegen goldgedeckte Devisen wie den Dollar hätte eintauschen und diese dann als Zahlungsmittel hätte verwenden können. Es hätte im Fall einer sowjetischen "harten" Währung sicher nicht wie beim Dollar gereicht, dass die theoretische Möglichkeit bestanden hätte, diese in Gold einzutauschen, sondern ein erheblicher Teil der Empfänger hätte die Währung sicher auch tatsächlich gegen Gold eingetauscht. Selbst beim Dollar hat das ja nicht dauerhaft funktioniert und die Golddeckung wurde 1968 zuerst eingeschränkt und 1971 dann aufgehoben.
 
Nur weil es Leute gab oder gibt, die Sozialismus und Marktwirtschaft für vereinbar hielten oder halten, bedeutet noch lange nicht, dass das auch so ist.
Ob das im Endeffekt funktioniert hätte, ist eine andere Frage.

Ich stelle nur fest, dass die Vorstellung Sozialismus/Kommunismus und Marktwirtschaft in gewissem Maße seien nicht vereinbar miteinander in dieser dezidierten Form bei wichtigen Theoretikern des Sozialismus/Kommunismus so in dieser Stringenz nicht vorhanden war.

In den Theorievorstellungen von Marx selbst definiert sich der angenommene Klassenunterschied zwischen Proletariern und Nichtproletariern, dessen Abschaffung dort angepeilt wird, über den Besitz an Produktionsmitteln.
Das eigentliche Thema dabei war nicht die Abschaffung von Handel und Konkurrenz, sondern die Abschaffung an ausschließlichen Privatbesitz an Produktionsmitteln um "ausbeuterische" Arbeit (nach den Vorstellungen der Marxschen Arbeitswerlehre) abzuschaffen.
Marx selbst hat allerdings in seinen Schriften gefordert das Arbeitsprodukt vollständig zur Disposition derer zu stellen, die es Erzeugt haben, was auf genossenschaftliche Kontrolle von Arbeitern über die jeweiligen Arbeitsstätten hinausgelaufen wäre, inklusive genossenschaftlicher Kontrolle darüber an wen und zu welchen Preisen dieses Arbeitsprodukt veräußert werden könne.

Man hätte also ohne den Anspruch sozialistisch/kommunistisch zu sein, aufzugeben, mit Beruf auf Marx/Engels, oder die NEP unter Lenin oder Bucharin durchaus marktwirtschaftliche Züge in Form von einigermaßen starker Währung, konventionellem handel (mindestens im Binnenmarkt), genossenschaftlichem Eigentum an Großbetrieben (gab es pro forma) und Privateigentum an Klein-/Familienbetrieben durchaus implementieren können.
Wenn man das nicht tat, dann weniger deswegen weil die sozialistische/kommunistische Ideologie per se keinen Platz für so etwas gehabt hätte, sondern weil man sich in eine Denkschule innerhalb des Spektrums verrannt hatte, die das partout nicht wolle (ohne es eigentlich theoretisch sinnvoll begründen zu können) und möglicherweise, weil man sich in politischer Pfadabhängigkeit durch die Entscheidungen in der Stalinzeit wähnte.

Das sind allerdings, mehr oder weniger alles Effekte, die mit der Einstellung der politischen Führung zusammenhingen, nicht im eigentlichen Sinne mit dem Potential, dass das Land auch ohne den Anspruch einer sozialistischen/kommunistischen Organisationsform aufzugeben möglicherweise gehabt hätte.


Es hängt natürlich auch davon ab, was man unter Sozialismus versteht. Wenn man darunter im klassischen Sinne die Sozialisierung der Produktionsmittel meint, dann dürfte die Vereinbarkeit nur sehr begrenzt gegeben sein.
Aus welchem Grund?

Sozialisierung lässt ja prinzipiell immernoch den genossenschaftlichen Besitz an Produktionsmitteln und den Wettbewerb verschiedener Produktionsgenossenschaften zu.
Unvereinbar mit der Marktwirtschaft sind aber ledigliche Maßnahmen, die eigennützig gewinnorientiertes Wirtschaften und freie Konkurrenz generell verbauen.

Die Abschaffung des privaten Besitzes an Produktionsmitteln nimmt zwar einzelnen Privatpersonen als Kapitaleignern eines Unternehmens die Möglichkeit allein auf sich gestellt als Wettbewerber am freien Markt teilzunehmen, aber die gleiche Person kann noch immer als Teil einer Genossenschaft als Wettbewerber auftreten.
Die Sozialisierung von Produktionsmitteln schafft also nicht automatisch den Wettbewerb ab. Dazu kommt es erst, wenn weitergehende Maßnahmen, wie etwa eine Politik staatlicher Preisfestsetzungen betrieben wird, oder auch genossenschaftlicher Besitz an Produktionsmitteln untersagt wird und diese verstaatlicht werden.


Ein harte Währung macht doch keinen Sinn, wenn die Empfänger diese dann nicht frei verwenden können.
Natürlich nicht.
Aber wenn es sich um eine reine Außenhandelswährung gehandelt hätte, nicht für den internen Umlauf bestimmt und nur mit dem Ziel belastbare Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen, hätten die Empfänger diese Währung ja frei verwenden können.
Die Empfänger wären in diesem Fall das Ausland oder dort ansässige Unternehmen gewesen, und die hätten diese Devisen natürlich handeln, damit in der Sowjetunion Rohstoffe oder andere Produkte einkaufen oder sie theoretisch in entsprechendes Edelmetall eintauschen können.

Selbst wenn man das nicht als reine staatliche Außenhandelswährung konzipiert hätte, gleichzeitig aber Maßnahmen getroffen hätte, um privaten Kapitalexport ins Ausland einzuschränken, hätte das durchaus eine deutlich stabilisierende Wirkung auf die Binnenwirtschaft, in Form der Zurückdrängung der Schwarzmärkte haben können.

De facto hätte auch eine vollertige weltmarktfähige Währung die für den Umlauf im gesamten Inland konzipiert gewesen wäre, selbst ohne Reglementierung des Kapitalexports von Privatpersonen, den Einwohnern der Sowjetunion de facto nicht die Möglichkeit gegeben in größerem Stil im Ausland zu investieren oder Spitzenprodukte aus dem Ausland zu importieren, weil auch bei entsprechenden Währung, die Löhne, die in der Sowjetunion gezahlt werden konnten (auf Grund der geringen Leistungsfähigkeit der Industrie und anderer Ausgaben) de facto zu gering gewesen wären.
Eine stabile Währung hätte erstmal den Konsumwünschen der Bevölkerung wenig Nutzen gebracht, sondern sie hätte vor allem dem Staat Nutzen gebracht in Form von Vertrauen in die eigenen Zahlungsmittel und besseren Importmöglichkeiten für den Staat und ggf. genossenschaftlich organisierte Kollektive, die sich hätten nutzen lassen um die rückständige Konsumgüterindustrie über direkte Importe oder Importkredite zu entwickeln und über deren sukzessive gesteigertes Produktionspotential höheres Außenhandelseinkommen zu erzielen und dann im zweiten Schritt Löhne und Importmöglichkeiten anderer Konsumgüter sukzessive auszubauen.

Geholfen bei den eigenen Konsumwünschen hätte der Bevölkerung der Sowjetunion aber nur ein Ausbau der Industrieleistungen und ein Herunterfahren, anderer, unproduktiver Ausgaben (vor allem Militär).
Eine stabile Währung nutzt einem Niedriglohnempfänger bei seinen Konsumwünschen erstmal nicht viel, da spielt es eigentlich keine Rolle, ob die gewünschten Güter nicht erworben werden können, weil die Währung nicht akzeptiert ist, oder weil die Person nicht über genügend Währungseinheiten verfügt.
Das wäre ein Ansatz gewesen dem Staat zu helfen die Grundlagen für Importmöglichkeiten und für die Befriedigung von Konsumwünschen aufzubauen, nicht um sie zu erfüllen.
 
Im Ersteren Fall läuft das dann letzten Endes auf einen Tausch Rohstoffe gegen Industrieprodukte hinaus und dann bleibt es eben dabei, dass die Sowjetunion nur in dem Maße Industrieprodukte aus dem NSW einkaufen kann, in dem sie auch Rohstoffe verkauft, es sei denn, man spekuliert darauf, dass die Empfänger sich genötigt sehen, mit der Währung mehr Rohstoffe aus der Sowjetunion zu kaufen, als sie es sonst getan hätten, weil sie sonst nichts mit der Währung anfangen können. In diesem Fall stellt sich aber die Frage, weshalb die Verkäufer der Industrieprodukte diese Währung dann überhaupt akzeptieren sollten.
Du übersiehst die Inhomogenität des NSW und die Möglichkeit von Kapitalreexporten und Devisenhandel.

Da die Sowjetunion über keine entwickelten, konkurrenzfähigen Konsumgüterindustrien verfügte und sich auch keine herbeizaubern ließen, konnten, egal mit welcher Währung unterlegt, die entwickelten westlichen Industrieländer ohnehin nicht Hauptempfänger der sowjetischen Industrierzeugnisse sein.
Prädestinierter Hauptabnehmer für die billigen Halberzeugnisse und relativ minderwertigen Konsumgüter mussten naturgemäß die noch ärmeren, industriell noch weniger entwickelten Länder sein, für die Importe westlicher Spitzenprodukte schlicht zu teuer waren und die selbst vorwiegend Rohstoffe anzubieten hatten, ihrerseits aber wiederrum in wirtschaftlichem Kontakt mit den westlichen Industriegütern standen.

Selbst wenn die westlichen Industrieländer mit den sowjetischen Industrieprodukten nicht viel anfangen konnten, hätten sie mit entsprechenden Edelmetallreserven besicherte aus der Sowjetunion kommende Währungseinheiten mit einer entsprechenden Kredibilität beim Handel mit Schwellen- und Entwicklungsländern reexportieren können und dann wären die Devisen bei Akteuren angekommen, die sehr wohl Interesse an vergleichsweise schlechten, aber eben auch billigen sowjetischen Industrieerzeugnissen haben konnten.

Der Schlüssel für die Sowjetunion um die eigene Industrie aufzuwerten, hätte in der Etablierung eines stärkeren Handelsdreiecks zwischen der Sowjetunion selbst, den westlichen Industrieländern und den Schwellen/Entwicklungsländern gelegen, mit der Implikation gegen harte Währung Maschinen und Wissen aus dem Westen zu importieren, es via Kapitalrexport der Industrieländer in die Schwellenländer am Ende mit qualitativ eher minderwertigen Erzeugnissen der eigenen Industrie zu bezahlen und entsprechend gegenläufig zum Ausbau der Konsumgüterindustrie die Rohstoffindustrie (oder verschiedene Zweige davon) zurück zu fahren oder nicht weiter auszubauen und den Sektor so weit als Möglich den Schwellen/Entwicklungsländern zu überlassen, um denen über Rohstoffexport in den Westen den Kapitalimport zu ermöglichen, der wiederum Grundvorraussetzung für größere Importmengen sowjetischer Industrieprodukte gewesen wäre.

Auf die Weise hätte man vorran kommen können, nicht mit dem Versuch sowjetische Industriegüter in die westlichen Industriestaaten zu exportieren, dass hätte schlich nichts werden können.
Hierbei hätte eine allgemein im Ausland akzeptierte, weil entsprechend besicherte Währung (um den Umlauf zu sichern) durchaus helfen können, ein solches System in Gang zu bringen und im Gang zu halten.
 
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Aber wenn es sich um eine reine Außenhandelswährung gehandelt hätte, nicht für den internen Umlauf bestimmt und nur mit dem Ziel belastbare Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen, hätten die Empfänger diese Währung ja frei verwenden können.
Die Empfänger wären in diesem Fall das Ausland oder dort ansässige Unternehmen gewesen, und die hätten diese Devisen natürlich handeln, damit in der Sowjetunion Rohstoffe oder andere Produkte einkaufen oder sie theoretisch in entsprechendes Edelmetall eintauschen können.
Außenhandel kann im Prinzip in jeder Währung erfolgen, die internationales Vertrauen genießt. Das ist am häufigsten der Dollar, der Euro wird auch häufig verwendet. Dass es in der Regel nicht die türkische Lira ist, ist für den türkischen Außenhandel kein großes Problem. Die Sowjwetunion ist wirtschafltich nicht daran gescheitert, dass im Handel mit dem nichtsozialistischen Ausland der Rubel keine Verwndung fand.
 
Außenhandel kann im Prinzip in jeder Währung erfolgen, die internationales Vertrauen genießt.
Ja und eine solide besicherte Währung genießt in der Regel erstmal mehr Vertrauen als eine nicht besicherte. Je größer das Vertrauen, desto größer die Akzeptanz und je größer die Akzeptanz, desto wahrscheinlicher, dass die Währung auch für Reexport und Devisenhandel interessant wird.

Die Sowjwetunion ist wirtschafltich nicht daran gescheitert, dass im Handel mit dem nichtsozialistischen Ausland der Rubel keine Verwndung fand.
Das habe ich auch nicht behauptet. Natürlich konnte jeder Rubel akzeptieren, der in der Sowjetunion Rohstoffe einkaufen wollte und diese dann wieder in Rubel bezahlen.
Aber da sind wir wieder beim Teufelskreis im Hinblick darauf die Rolle als Rohstoffexporteur loszuwerden, was die Sowjetunion betrifft.
Die Sowjetunion hätte da eine Währung mit größerem Vertrauen, die nicht nur für direkte Einkäufe in der Sowjetunion selbst taugte, durchaus ganz gut gebrauchen können.
Jedenfalls hätte es ihre Möglichkeiten beim Einkauf von Maschinen und Technologie erhöht, wenn der potentielle Partner nicht unbedingt an sowjetischen Rohstoffen interessiert war.
 
Schöne Beiträge!

Dass die RGW-Staaten und besonders die SU keine breite Palette am 'welt-marktfähigen' Konsum-, Industrie- und Hightech-Produkten entwickeln konnten, ist als Entwicklung vor allem ab den 1960er Jahren immer stärker hervor getreten.
Es gab fast im gesamten RGW keine ausreichenden Anreize und Möglichkeiten sowie Freiheiten zur hinreichenden Steigerung der ProduktionsEffizienz, effektiven Selbststeuerung, Marktorientierung, zur technologischen Weiterentwicklung, lokalen und regionalen Entscheidungsbefugnis und -möglichkeit.
Die dazu notwendig Freiheiten im ökonomischen Bereich auf lokaler, regional und betrieblicher Ebene waren nicht gegeben. Die Dynamik einer solchen ökonomischen Freiheit hätte wahrscheinlich zu großen Verwerfungen und Spannungen, Friktionen und Korruptionsanfälligkeit und einer teilweisen Infragestellung der autoritären Monopol-Machtstrukturen geführt.

Weiterhin hatten praktisch alle RGW-Staaten ab den 1970ern so eine Art Konsum- und Sozialstaats-Sozialismus als Legitimationsbasis und lukratives Alternativ-Modell zum 'Kapitalismus' implementiert oder es zumindest versucht. Vorbild war wiederum die Breshnew-Sowjetunion. Dieser Konsum- und Sozialstaatssozialismus war meist nicht ausreichend Gegenfinanziert (leichte Ausnahme scheint Ungarn gewesen zu sein, in welchem auf niedriger und nicht-strategischer Ebene begrenzte Privatwirtschaft zu gelassen war), zudem durfte es keine Arbeitslosigkeit geben, keine breiten sozialen Härten usw.

Der Hinweis auf die NEP unter Lenin ist nützlich, erinnern möchte ich daran, dass die im NEP zugelassene begrenzte Privatwirtschaft vor allem eine Notreaktion auf die Hungersnöte und durch Krieg und Bürgerkriege vielfach zerstörten Wirtschaftsstrukturen darstellte. Sie führte damals aber auch umgehend zu sozialen Verwerfungen u.a. aufgrund der entstehenden hohen Arbeitslosigkeit. Diese auf lokaler Ebene teilweise ökonomische Restaurierung und Erneuerung auf wirtschaftsliberaler Basis stand natürlich mittel- und langfristig im Gegensatz zur politisch-ideologischen Ausrichtung der Kommunistischen Partei.

[....]​
Die Interpretation der NÖP als „taktischer Schritt zurück“ wird auch daran deutlich, dass bereits im Februar 1921 die Staatliche Plankommission (Gosplan) gegründet wurde, mit der Aufgabe, einen einheitlichen gesamtstaatlichen Wirtschaftsplan auszuarbeiten. Wenn auch diese Funktionszuweisung für Gosplan erst nach 1928 voll wirksam wurde, so weist dies dennoch auf die zeitlich begrenzte Akzeptanz der NÖP hin: als Abwendung einer wirtschaftlichen Katastrophe für das Land und einer politischen Gefährdung für die Machterhaltung der kommunistischen Partei. Denn in der NÖP-Periode waren sowohl die individualwirtschaftlichen bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe wie auch der privatwirtschaftliche Kleinhandel und die privatwirtschaftliche Kleinindustrie wieder erstarkt.
V. a. die Hintanstellung ideologischer Ziele der KPdSU, nämlich die soziale und politökonomische Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt, waren es, die den neuen Führer der KPdSU, Iosif V. Stalin, veranlassten, die NÖP im Jahre 1928 zu beenden. Im Rahmen der sog. „Revolution von oben“ war die nun beginnende stalinistische Wirtschaftspolitik durch drei fundamentale Zielsetzungen gekennzeichnet: Verstaatlichung aller nichtagrarischen Wirtschaftszweige, Durchführung einer radikalen Industrialisierung v. a. der Schwerindustrie, zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft.
Q: R. Peterhoff, Neue Ökonomische Politik (Stichwort in "Enzyklopädie des europäischen Ostens", Uni Klagenfurt)

Die diversen Versuche in RGW-Staaten, moderne Industriekerne mit Hilfe moderner Industrieanlagen aus dem NSW aufzubauen, beispielsweise als Ausgangspunkt von Selbstläufern, entwickelten sich mehrheitlich wenig erfolgreich.
 
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Der Hinweis auf Marx hinsichtlich von vermeintlich großen Handlungsspielräumen beim Aufbau einer nicht-kapitalistischen Wirtschaftsordnung überzeugt in der Dis. insoweit weniger, wie die Revolution im Russischen Reich 1917 wie auch die kommunistische Machtübernahme in China 1949 nicht mit dem Marx'schen Modell der Entwicklung hin zum Sozialismus übereinstimmten - beide Länder wurden damals nicht durch eine hochkapitalistische (Industrie-/Agrar-) Ökonomie mit breiter (Industrie-)Arbeiterschaft dominiert bzw. geprägt.

Mit Marx würde man, meine ich, nachträglich notieren können, dass Marx'sche Überlegungen bzw. Nichtüberlegungen zu(r) (möglichen) 'Wirtschaftsordnung'(en) im (entwickelten) Industriekapitalismus bzw. im 'Sozialismus' für Russland/Sowjetunion, China usw. wohl keine entscheidende diskursive Relevanz beanspruchen können.

Bei der konkreten Gestaltung der Wirtschaftsordnungen, der Wirtschaftsentwicklungen in den seit vielen Jahren erfolgreichen Ökonomien der VR China wie auch Vietnam spielte Marx keine Rolle.
 
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Mit Marx würde man, meine ich, nachträglich notieren können, dass Marx'sche Überlegungen bzw. Nichtüberlegungen zu(r) (möglichen) 'Wirtschaftsordnung'(en) im (entwickelten) Industriekapitalismus bzw. im 'Sozialismus' für Russland/Sowjetunion, China usw. wohl keine entscheidende diskursive Relevanz beanspruchen können.
In China und Asien nicht, zumal die dortigen Akteure zur Person Marx und zur Theorie ja auch relativ wenig bezug hatten.

In Russland sah das ja aber wenigstens in den 1920er und Jahren und eventuell auch Anfang der 1930er jahre duchhaus noch insofern anders aus, als dass die führenden Köpfe der Sowjetunion da druchaus noch einen entsprechenden Theoriebezug hatten.

Mir ging es aber weniger darum, ob die tatsächliche Realität in der Sowjetunion irgendwas mit der Marx'schen Theorie zu tun hatte, oder ob die Marx'sche Theorie in der Praxis hätte umgesetzt werden können.

Mir geht es einfach darum, dass Marx als Legitimationsbasis getaugt hätte, wenn es in der Führungsspitze der KPdSU den politischen Willen gegeben hätte so etwas zu versuchen.
Die Sowjetunion nach der Stalinzeit hatte zwar realiter wenig tatsächlichen Theoriebezug zu Marx, allerdings stilisierte sie Marx, Engels, Lenin und Stalin ja zu mehr oder weniger kultisch verehrten Überfiguren, so dass man gewissermaßen ad verecundiam argumentierend Marxens Schriften für die politische Durchsetzung eines solchen Versuchs hätte heranziehen können.

Das war weniger als Argument dahingehend gedacht, dass das tatsächlich sicherlich funktioniert hätte (das weiß ich nicht, obwohl ich es mir vorstellen könnte), sondern das hatte mehr das wahrscheinliche Gegenargument antizipiert, dass Marktwirtschaft ja bedeutet hätte aus dem Kommunismus auszubrechen, was aber mit den Strukturen der kommunistischen Partei und dem ganzen Apparat niemals machbar hätte sein können, weil nicht legitimierbar.
Legitimierbar, wäre es mit ein wenig Theoriekenntnis möglicherweise durchaus gewesen.

In die gleiche Kerbe schulg auch der Bezug auf Lenin und die NEP. Mir ist natürlich klar, dass das für Lenin und Trotzki mehr ein Taktieren war, als deren tatsächliche Überzeugung (bei Bucharin mag das anders ausgesehen haben).
Man hätte es sich aber in legitimatorischer Hinsicht, auf Lenin berufen können, um zwecks Konsolidierung erstmal zu einer solchen Politik überzugehen, möglicherweise mit der Implikation dann einfach mal abzuwarten, wie sich das langfristig entwickelt.
Hier hätte man nach dem 2. Weltkrieg und dem Tod Stalis möglicherweise damit argumentieren können, dass der Krieg, wie schon der 1. Weltkrieg viel von dem erreichten Fortschritt zerstört habe und man deswegen wieder auf die bewährten Rezepte Lenins zurückgreifen müsse um zu konsolidieren und aufzuholen.



Das wäre in Sachen Legitimation wahrscheinlich wirkungsvoller und sinnvoller gewesen als ein Beruf auf Marx, weil ein Beruf auf Marx vorrausgesetzt hätte Lenins und Stalins Handels als Irrwege zu behandeln.
Lenins Tun als Irrweg zu behandeln hätte in den 1950er und 1960er Jahren wahrscheinlich angehen können, dass war zeitlich weit genug weg, und de facto begann die Erinnerung an den 2. Weltkrieg etc. ohnehin 1917 und die 1920er Jahre als dem kollektiven Gedächtnis zu verdrängen.

Aber Stalin zu einem vollständigen Irrweg zu erklären, wäre nicht angegangen. Das hätte geheißen zuzugeben, Millionen von Menschenleben völlig umsonst einer Irrlehre geopfert zu haben und es saßen definitiv noch zu viele Funktionäre, die dabei mitgemacht hatten im Politbüro, im ZK und an den Schaltstellen von Armee und Geheimdiensten um das durchsetzen zu können.
Chruschtschow hat ja seinerzeit mit der Entstalinisierung versucht sich ein Stück weit davon abzusetzen, ohne den vollständigen Bruch mit dem System zu wagen, dabei sind natürlich die Grenzen politisch machbaren aufgezeigt worden.

Aber da greift dann die politische Pfadabhängikeit durch die Gräuel der Stalinzeit, als politisches Reformhindernis. nicht im eigentlichen Sinne der Anspruch ein sozialistisches/kommunistisches System zu sein an und für sich.
Darum ging es mir.
 
Vielen Dank.
Mir ging es darum, dass die russ. Revolution ab 1917 nicht mit dem Modell von Marx des reifen Kapitalismus zu tun hatte oder erklärbar war bzw. erklärt wurde.
Ein offerierter Rückgriff auf Marx, welcher im revolutionären Russland bzw. der beginnenden Sowjetunion dauerhaft andere, erfolgreichere Wirtschaftsordnungen ermöglicht hätte, machte bei der Ausgangslage der russ. Revolution entsprechend keinen Sinn. Hier bildete die Lenin'sche Position im Fahrwasser eines weiterentwickelten Marxismus-Leninismus die reale und legitimatorische Ausgangslage und Machtbasis.
In der etablierten Nach-Stalin-SU blieb das so, meine ich, das Lenin-Mausoleum als zentraler Referenzort für die ideologische & machtpolitische Legitimation der SU und der Partei-Herrschaft der KPdSU im leninistischen Aufbau bildete dies ab.

Die begonnene Dezentralisierung/Regionalisierung im Rahmen von Wirtschaftsreformen unter Chrustschow führte rasch zu massiven Unwuchten zwischen den ökonomisch sehr unterschiedlich geprägten/ entwickelten Regionen und Sowjet-Republiken, zu erheblichen Mangelerscheinungen und aufbrechenden Spannungen zwischen diversen Sowjetrepubliken. Und wurde entsprechend nach kurzen Jahren rückgängig gemacht.
Die von Ministerpräsident Kossygin teils versuchten Wirtschaftsreformen wurden unter Breshnew nicht weiter geführt, Breshnew etablierte den stabilen Konsum- und Sozialstaatssozialismus als breite Legitimationsbasis inkl. praktisch garantierte Arbeitsplätze für jeden.
Der/das vertrug sich nirgends mit durchgreifenden, umfassenden Reformversuchen in der Wirtschaft und Wirtschaftsordnung. Siehe DDR unter Honecker, der die kleineren Reformversuche (NÖS) unter Ulbricht beendete.
 
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