Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Soziale Krise der späten Republik; Literatur

anarchobear

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Hallo an alle!

Ich muss demnächst für mein Sklavenkriegeseminar eine Hausarbeit schreiben, die sich mit dem Wandel des römischen Wirtschaftssystems beschäftigt. Meine These: Billige Sklaven überfluten das Land, während die Kleinbauern durch die vielen und langen Kriege auf den Feldern fehlen. Sie verarmen, sterben oder können mit den Großagrariern nicht mehr konkurrieren. Diese kaufen die Landgüter auf und lassen sie von ihren Sklaven bestellen (soweit alles bekannt). Daraus entwickeln sich zwei Dinge:

a) Landflucht, Entstehung eines städtischen Proletariats, soziales "Pulverfass"
b) viele billige Sklaven, schlechte Behandlung, kaum Kontrolle, soziales "Pulverfass"

Zuerst revoltieren die Sklaven und zwar in ungewöhnlichen Ausmaßen. Dann entbrennen die Bürgerkriege (wo die machtpolitische Komponente zwar bedeutend ist, aber hätte Cäsar den Umsturz wagen können, wenn die Lage der ärmeren Bevölkerung nicht so kritisch wäre? Dieser Frage würd ich auch gern nachgehen).
Und wie ist die Krise dann im angehenden Kaiserreich gelöst worden? Man kann "Humanisierungsprozesse" bei der Behandlung von Sklaven erkennen. Was gab es noch für Faktoren in dieser Hinsicht? Steigende Preise für Sklaven? Furcht vor einem neuen Spartacus? Resignation der Landsklaven (die städtischen waren ja bekanntlich nicht unzufrieden genug für einen Aufstand)?
Und was die Proletarier betrifft... Hat man ihnen Land in den Provinzen gegeben? Oder hat die städtische Wirtschaft sie mit der Zeit mit eingebunden? Oder erhielten sie einfach "Sozialhilfe" und wurden durch panem et circenses stillgelegt?

Das Grundgerüst meiner These:
Expansion -> Wandel des Wirtschaftssystems -> Sklavenkriege/Bürgerkriege -> herrschende Schicht zieht Lehre
"Nebenthese": Man kann die Reformen (Gracchus, Marius), die Sklavenkriege und die Bürgerkriege wirtschafts- und sozialgeschichtlich nicht isoliert betrachten.

Ich bräuchte ein wenig Literatur, um das ganze zu stützen. Kennt einer von euch einen Autor, der die beiden Themenkomplexe Sklaven- und Bürgerkriege in einem Zug betrachtet? Was mir auch wichtig wäre, ist die Beteiligung der verarmten Bevölkerung an den Sklavenkriegen (ich weiß es gab da kaum Beteiligung, aber vllt weiß man was über das Stimmungsbild) und an den Bürgerkriegen (wiederum: wenn nicht Beteiligung, dann zumindest Stimmungsbild, Aufruhrpotential, politische Beteiligungsversuche durch Volkstribune u.Ä.).
Reaktionen der Großagrarier müssen auch mit rein.

Und was wurde eigentlich aus den Veteranen, die in Italien Land bekommen haben? Marius hat ja seine Leute im Süden angesiedelt und dann hat Sulla sie rausgeschmissen und durch seine ersetzt. Sind sie auch verarmt? Manche haben ihre Landgüter ja gleich an die Großgrundbesitzer verkauft, das Geld rasch verheizt und dann auf die Straße gegangen. Haben das viele getan? Gab es nach der ganzen Geschichte noch einen signifikanten Prozentsatz an Kleinbauern in Italien? (das jetzt nur nebenbei)

Ich weiß, das sind jetzt ne Menge Fragen :D Aber ich bin gerade in der Stoffsammlungs- und -ordnungsphase.

Und los!
 
Billige Sklaven überfluten das Land, während die Kleinbauern durch die vielen und langen Kriege auf den Feldern fehlen. Sie verarmen, sterben oder können mit den Großagrariern nicht mehr konkurrieren.

Lies mal bei Herbert Heftner, Von den Gracchen bis Sulla nach. Der wendet sich ein wenig gegen die zitierte Voraussetzung, indem er der Meinung ist, dass die Großgrundbesitzer gar nicht so sehr Konkurrenz für die Kleinbauern gewesen wären, da beide unterschiedliche 'Märkte' bedient hätten, daher also durchaus - bis zu einem gewissen Maß - nebeneinander existieren konnten.
Details der Begründung müsstest du nachschauen.
 
Auch deiner These, daß es den Landsklaven so schlecht ging, wurde schon widersprochen. Die liefen da ja nicht in Ketten rum. Sie lebten auf Landgütern und kleineren Gehöften. Teilweise auch weitgehend eigenverantwortlich ohne permanente Kontrolle. Eher zu vergleichen mit leibeigenen Bauern, die es im modernen Europa noch bis vor wenigen hundert Jahren gab. So manchem Freien gings da wohl dreckiger. Nicht zu vergleichen mit dem eher kurzen Leben der Sklaven in Bergwerken und anderen Anlagen. Die Frage stellt sich natürlich, warum es dann Aufstände gab.

Die Frage ob Caesar das Proletariat nicht hätte überzeugen können, wenn es nicht so ausgeprägt gewesen wäre, ist interessant. Mit seinen Legionen vor der Stadt und einer gehörigen Portion Populismus war er sicher sehr überzeugend. Ausserdem war m.E. das Proletariat nicht die revolutionäre Schicht. Sie wurden nur wie in jeder Revolution, von der revolutionären Mittelschicht, die nach der Macht strebte, instrumentalisiert. Cui Bono ...
 
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Auch deiner These, daß es den Landsklaven so schlecht ging, wurde schon widersprochen. Die liefen da ja nicht in Ketten rum. Sie lebten auf Landgütern und kleineren Gehöften. Teilweise auch weitgehend eigenverantwortlich ohne permanente Kontrolle. Eher zu vergleichen mit leibeigenen Bauern, die es im modernen Europa noch bis vor wenigen hundert Jahren gab. So manchem Freien gings da wohl dreckiger. Nicht zu vergleichen mit dem eher kurzen Leben der Sklaven in Bergwerken und anderen Anlagen. Die Frage stellt sich natürlich, warum es dann Aufstände gab.
Man sollte das Los von Sklaven in der Landwirtschaft aber auch nicht verharmlosen. Sie konnten gezüchtigt und sexuell missbraucht werden, und der ältere Cato empfahl ganz ungeniert, alte und unbrauchbar gewordene Sklaven ihrem Schicksal zu überlassen.
 
Man sollte das Los von Sklaven in der Landwirtschaft aber auch nicht verharmlosen. Sie konnten gezüchtigt und sexuell missbraucht werden, und der ältere Cato empfahl ganz ungeniert, alte und unbrauchbar gewordene Sklaven ihrem Schicksal zu überlassen.

Klar, war der Sklave unfrei und der Willkür seines Herren machtlos ausgesetzt. Die Frage ist, inwieweit das umgesetzt wurde und wie ein Landbesitzer wirklich alle 2000 Frauen auf seinem Gut vergewaltigen wollte. Dennoch alleine, daß er es konnte und es gelegentlich sicher auch zu heftigen Eingriffen aller Art in den Alltag der Sklaven kam, ließ den Sklaven erleben, was Unfreiheit meinte. In der Masse dürfte sich aber das Leben von Landsklaven von den späteren Kolonen oder mittelalterlichen Leibeigenen nicht groß unterschieden haben. Wir sind da wohl zu sehr von jüngsten HBO-Serien geprägt.

Auch wollten römische Großgundbesitzer möglichst effizient sein. Das ist man aber nicht mit Legionen von teuren Aufsehern für tausende halb verhungerte Sklaven auf den Latifundien. Ich kann der Vorstellung nach einer weitgehenden Selbstverwaltung der Landsklaven mit einer allerdings massiv höheren Abgabepflicht sehr viel abgewinnen. Ausserdem gab es sicher Aufstiegsmöglichkeiten in der Organisation eines solch riesigen Unternehmens, bis hin zur Freilassung. Der Freigelassene war wiederum Klient seines Patrons und dürfte wohl in der oberen Verwaltungsebene des Unternehmens einsetzbar gewesen sein.
 
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Und wurde das denn allgemein so praktiziert?
Keine Ahnung. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass irgendwo erwähnt worden wäre, dass massenweise alte Sklaven herumlungern.*
Allerdings erreichten die meisten mit schwerer körperlicher Arbeit befassten Sklaven wohl auch kein allzu hohes Alter.

Die Frage ist, inwieweit das umgesetzt wurde und wie ein Landbesitzer wirklich alle 2000 Frauen auf seinem Gut vergewaltigen wollte.
Nicht der Landbesitzer, aber seine (freien oder unfreien) Verwalter, aber auch die anderen Mitsklaven. Der alte Cato zwang seine Sklavinnen gewissermaßen zur Prostitution, indem er seinen Sklaven gestattete, gegen (eine an ihn zu entrichtende) Bezahlung mit den Sklavinnen zu schlafen. Und natürlich konnten Sklaven auch nach Belieben kastriert werden.

In der Masse dürfte sich aber das Leben von Landsklaven von den späteren Kolonen oder mittelalterlichen Leibeigenen nicht groß unterschieden haben. Wir sind da wohl zu sehr von jüngsten HBO-Serien geprägt.
Dass es den mittelalterlichen Leibeigenen nicht gut ging, macht das Los der antiken Sklaven nicht besser. Man darf sich auch nicht von der bukolischen Dichtung prägen lassen, wo die Hirten gemütlich im Schatten neben einer plätschernden Quelle liegen und mit ihrer Liebsten schäkern. Grundlos werden sie nicht geflohen sein - und damit schwere Strafen bis hin zur Kreuzigung in Kauf genommen haben.

Ich kann der Vorstellung nach einer weitgehenden Selbstverwaltung der Landsklaven mit einer allerdings massiv höheren Abgabepflicht sehr viel abgewinnen.
Nicht in Form einer Kommune. Es gab aber das peculium, bei dem der Eigentümer einem Sklaven Vermögenswerte zur eigenen Bewirtschaftung überließ. Es blieb aber dem Herrn überlassen, ob er alle Erträge kassierte oder einen Teil davon dem Sklaven beließ.

Ausserdem gab es sicher Aufstiegsmöglichkeiten in der Organisation eines solch riesigen Unternehmens, bis hin zur Freilassung.
Natürlich gab es auch Sklaven, die als Aufseher oder Verwalter fungierten. Aber da sich Hierarchien nach oben hin verdünnen, konnte nur ein Bruchteil aufsteigen. Der Rest war den Schikanen der Aufgestiegenen ausgeliefert.
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* Eventuell gibt es allerdings einen indirekten Hinweis: Es entwickelte sich im 1. Jhdt. v. Chr. der Missstand, dass viele Sklaven freigelassen wurden, um ihnen die Teilnahme am staatlichen Getreideabgabesystem zu ermöglichen, bis Pompeius das regulierte und Caesar Nichtbürger von der Getreideverteilung ausschloss. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich bei diesen Freigelassenen um Alte handelte, deren Versorgung auf diese Weise auf den Staat abgewälzt werden sollte.
 
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Da wesentlich auf die antiken Quellen abgestellt wird, hier eine Gesamtbewertung:

Sandra R. Joshel: Slavery and Roman Literary Culture, in: Cambridge World History of Slavery, Band I, S. 214 ff. Darin wird auch auf die Kontextualisierung verwiesen, die Scott als "Public Transcript" bezeichnet hatte, mit dessen Hilfe die "Hegemonie dominanter Werte" formalisiert und aus Sicht der Oberschicht einer breiten Leserschaft vermittelt wird.
 
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Hi,

ich würde auf John Scheidt verweisen wollen. Römische Sozialgeschichte.

Zu den Landsklaven, das war sehr übel, im Gegensatz zu den Stadtsklaven.

Statt Sklaven wurden aber auch häufig freie Erntehelfer verdungen.
Etwas makaber, aber für die Weinpflücker, wurde eine Verpflichtung überbommen, das diese bei einem tötlichen Arbeitsunfall vom Gutsbesitzer beerdigt wurden.
Die hochwertigen Trauben wurden an Ulmen gezogen und mussten mit einem entsprechend hohen Gefahrenpotential geerntet werden.

Cato seine Ansicht zu Sklaven war einfach brutal. Er spricht von sprechendem Werkzeug und ehe diese Sklaven untätig sind, dann lieber überfordern. Tod von Sklaven wird von ihm als ein normaler Vorgang dargestellt.

In der späten Kaiserzeit war für den plebs ein Berufsgebot erlassen. Söhne von Schumachern mussten Schumacher werden usw.
Den Kleinbauern ging es noch schlechter, die durften nicht mal ihren Hof verlassen. dieses galt nicht nur für Eigentümer, sondern auch für Pachtbauern, wenn das Gut verkauft wurde.
Ganz interessant sind dazu die Briefe von Plinius dem Jüngeren.


Die Hirtengedichte von Vergil wurden dem Kaiser vorgetragen und der wollte bestimmt nicht wissen, wie es den Hirten wirklich ging. Allerdings wurde auch verfügt, das die Hirten keine Waffen tragen durften.
Für Vergil hat sich dieser angepasste Kurs an den Kaiser gelohnt, er bekam sein Gut realtiv schnell zurück. Während Ovid seine Aufsäsigkeit mit Verbannung bezahlt hat. Das er wegen der Liebeskunst verbannt wurde, ist nur ein vorgeschobenes Argument.

ich grüße euch
 
Lies mal bei Herbert Heftner, Von den Gracchen bis Sulla nach. Der wendet sich ein wenig gegen die zitierte Voraussetzung, indem er der Meinung ist, dass die Großgrundbesitzer gar nicht so sehr Konkurrenz für die Kleinbauern gewesen wären, da beide unterschiedliche 'Märkte' bedient hätten, daher also durchaus - bis zu einem gewissen Maß - nebeneinander existieren konnten.

Richtig, die Konkurrenz liegt nicht in den Märkten, dafür aber bei der Produktionsfläche, also dem Land. Und da waren dann die Großgrundbesitzer schon darauf aus, sich soviel Land wie möglich anzueigenen, entweder von ungenutztem ager publicus oder aber bei verarmten Kleinbauern. Die ganze Sozialgesetzgebung der Gracchen thematisiert dieses Problem, und wenn man von der Krise der Republik spricht, setzt diese ja spätestens dort ein.
 
Hi,

ich sehe es etwas anders.
Italien war nicht die Kornkammer des Reiches, das war Ägypten und teilweise auch Nordafrika. Wobei gerade in Nordafrika die Güter auch römischen Großgrundbesitzern gehört.
Ich habe jetzt die Quelle verlegt, ich glaube es war Vitruv, bitte nicht schimpfen, nur korregieren, wenn ich falsch liege.
Das Haus soll der Fläche des Gutes angepasst sein. Es soll weder in seiner Kleinheit verschwinden noch soll es den Grund dominieren. Einige wie Lukullus haben ihren gesamten Grundbesitz eines Gutes in einen Park verwandelt. Was heftig kritisiert, aber eben dennoch hingenommen wurde.
Grundbesitz war schlicht und ergreifend ein status Symbol.

An Cato seiner Anweisung, das man eher Viehweidewirtschaft, als Getreideanbau verfolgen sollte, wurde immer noch stark Rechnung getragen.

Die Gracchen warne an der Unfähigkeit der Änderungsbereitschaft der Nobilität gescheitert, aber ich denke es war eher die Grundlage der Bürgerkriege, als das Ende der Republik.

ich grüße euch

peregrinus
 
ich sehe es etwas anders.
Italien war nicht die Kornkammer des Reiches, das war Ägypten und teilweise auch Nordafrika. Wobei gerade in Nordafrika die Güter auch römischen Großgrundbesitzern gehört.
Was aber nichts daran änderte, dass immer mehr Kleinbauern in Italien ihr Land verloren, was zum sozialen Problem wurde.
 
Das Römische Reich importierte zu der Zeit beachtliche Nahrungsmengen, worüber ebenfalls Schriftquellen berichten.

Können wie tatsächlich - aus anderen Schilderungen - darauf schliessen, dass gerade die landverlierenden Kleinbauern (das mal als zutreffend unterstellt) wesentlich an den steigenden sozialen Spannngen beteiligt waren?
 
Ok, das klingt alles sehr gut! Bin gespannt, was noch rauskommt.

Ja, Sklaven wurden nicht immer schlecht behandelt, doch ich halte es für glaubwürdig, dass das Ausmaß an "Überheblichkeiten" (das Wort wird in der Fachliteratur zu diesem Thema nicht umsonst so oft benutzt) in den Zeiten der schlimmsten Sklavenzuströmen relativ hoch war. Für den Ausbruch der Aufstände war natürlich auch wichtig, dass die Leute aus aller Herren Länder kamen, wo sie erst kürzlich freie, wenn nicht gar angesehene Bürger waren.
Kann mir in dieser Zeit also kaum eine Selbstverwaltung der Sklaven vorstellen, zumindest nicht in großen Ausmaßen. Wäre ja noch eher schiefgegangen.

Dass Italien nicht die Kornkammer war, ist klar. Bisher hab ich schon Carl W. Weber zu Rate gezogen. Er hat einerseits das mit Cato dem Älteren erwähnt (was ich total widersinnig von dem Alten finde, immerhin kämpfte er gegen die Dekadenz Roms und dann sowas), und andererseits hat er herausgehoben, dass Rom nahrungsmitteltechnisch auf billige Importe umgestiegen ist und auf italischem Boden die Großgrundbesitzer sich stattdessen auf die Herstellung von Luxusgütern spezialisiert haben (Wein, Öl, Fischteiche,...)

Vielen Dank auch für die Literaturempfehlungen! Werde ich beherzigen.

Jetzt, wo so viel über die Sklaverei geredet wurde, vielleicht einpaar Worte zu den Freien?
Das, was ich zu Cäsar gesagt habe, ist möglicherweise doch eher übertrieben. Hier spielte vielmehr die dritte Kraft wohl die wichtigste Rolle, die sich am Ende der Republik herausgebildet hat, nämlich das Heeresklientel. Würde aber trotzdem gerne nachforschen, wie die sozialen Zustände in den Städten - speziell in Rom - waren und was man gegen die grassierende Armut unternommen hat.
 
Würde aber trotzdem gerne nachforschen, wie die sozialen Zustände in den Städten - speziell in Rom - waren und was man gegen die grassierende Armut unternommen hat.

Da muß man ganz klar trennen zwischen Rom und den vielen kleinen Ortschaften in Italien, wo die sozialen Spannungen kaum so hoch gewesen waren, daß man etwas dagegen unternehmen mußte. Es kann wohl in einigen größeren griechischen Städten in Unteritalien in kleinerem Maßstab vergleichbares gegeben haben. Die Helden des Satyricon sind ja auch solche leute, die sich von Unterkunft zu Unterkunft und von Mahl zu Mahl durchschnorren, allerdings haben wir es bei diesem Roman mit einer übersteigerten Darstellung der frühen Kaiserzeit zu tun, es ist also sehr fragil, daraus geradlinig auf die späte Republik zurückzuschließen.

Und in dieser Zeit solltest Du klar herausstellen, wer "man" in Deiner Frage eigentlich sein soll?
 
Können wie tatsächlich - aus anderen Schilderungen - darauf schliessen, dass gerade die landverlierenden Kleinbauern (das mal als zutreffend unterstellt) wesentlich an den steigenden sozialen Spannngen beteiligt waren?

Tela hat ja schon Heftner angeführt, den ich auch in der Hand habe. Dieser zitiert (S. 37) Appian mit einer drastischen Schilderung der Landnahme der Reichen zuungunsten der Kleinbauern. Heftner meint zwar, daß Appian gewaltig übertreibt und führt auch Gründe dafür an, den, daß beide Gruppen unterschiedliche Märkte beliefern, halte ich aber aber nicht für ausreichend, um damit zu sagen, die Großgrundbesitzer hätten deshalb kein Interesse an dem Land der anderen gehabt. Heftner reduziert auch seine Aussagen und widerspricht sich sogar ein bißchen und geht von einer Bauernnot, und Not erzeugt soziale Spannungen, aus, weil sonst die politischen Diskussionen und Reformbestrebungen der Gracchen gar keine Grundlage gehabt hätten.
Und Plutarch überliefert eine Rede des Gracchus, in der er mit aufpeitschenden Worten beschreibt, wie zwar jedes wilde Tier seine Höhle, die Männer Italiens aber gar nichts haben. "...ohne Heimstätte müssen sie mit Frauen und Kindern umherirren." Die Landlosigkeit ist in einer agrarischen gesellschaft wie der römischen soziales Problem und gesellschaftliches Stigma zugleich gewesen.
 
Tela hat ja schon Heftner angeführt, den ich auch in der Hand habe. Dieser zitiert (S. 37) Appian mit einer drastischen Schilderung der Landnahme der Reichen zuungunsten der Kleinbauern. Heftner meint zwar, daß Appian gewaltig übertreibt und führt auch Gründe dafür an, den, daß beide Gruppen unterschiedliche Märkte beliefern, halte ich aber aber nicht für ausreichend, um damit zu sagen, die Großgrundbesitzer hätten deshalb kein Interesse an dem Land der anderen gehabt. Heftner reduziert auch seine Aussagen und widerspricht sich sogar ein bißchen und geht von einer Bauernnot, und Not erzeugt soziale Spannungen, aus, weil sonst die politischen Diskussionen und Reformbestrebungen der Gracchen gar keine Grundlage gehabt hätten.
Und Plutarch überliefert eine Rede des Gracchus, in der er mit aufpeitschenden Worten beschreibt, wie zwar jedes wilde Tier seine Höhle, die Männer Italiens aber gar nichts haben. "...ohne Heimstätte müssen sie mit Frauen und Kindern umherirren." Die Landlosigkeit ist in einer agrarischen gesellschaft wie der römischen soziales Problem und gesellschaftliches Stigma zugleich gewesen.

Du hast das nochmal gut zusammengefasst, Dank dafür.

Sind diese Hinweise Grundlage dafür, den Eigentumsänderungen (bei unklarer Größenordnung) und den veränderten bzw. Auch rückläufigen Erzeugungsbedingungen wesentliche Bedeutung für die Spannungen beizumessen? Gibt es Zählungen, die diese beiden Entwicklungen belegen?

Ich nehme an, insoweit passt auch das archäologische Fundbild?

Welche Bedeutung wird den Importen und Importpreisen bei der Entwicklung, welche Bedeutung Bevölkerungsschwankungen zugemessen?

Ausgehend von den Brennpunkten müsste es eine Stadtflucht gegeben haben, siehe oben die Differenzierung der Spannungen von hjwien. Lässt die sich im Umfang und in der Herkunft und den Gründen des Zuzugs für größere Städte neben Rom und für Rom belegen? Was waren die Stationen des Zuzugs, ggf. dazwischen die Armee?

Wie lässt sich der Rückgang der landwirtschaftlichen Erzeugung in Italien insgesamt belegen, wie die Volumina der strukturell veränderten landwirtschaftlichen Produktion? Wieso konnten kleinere Einheiten von der eigenen Erzeugung nicht mehr leben, und wie lässt sich das zeigen? Wie hoch war die landwirtschaftliche Produktion in Italien, wie die Zusammensetzung, wie die Veränderung über die Jahrzehnte?

Das sind natürlich zT rhetorische Fragen. Sie sind aber mE Grundlage, um ökonomische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Das sollte deutlich werden.
 
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Das sind eine ganze Menge Fragen, die jede für sich ein eigenes Themenfeld umreißen. Wir können ja mal einige Punkte kurz angehen.

Sind diese Hinweise Grundlage dafür, den Eigentumsänderungen (bei unklarer Größenordnung) und den veränderten bzw. Auch rückläufigen Erzeugungsbedingungen wesentliche Bedeutung für die Spannungen beizumessen? Gibt es Zählungen, die diese beiden Entwicklungen belegen?

Die Hinweise gehören mit zur Grundlage für die Theorie, die sozialen Spannungen der späten Republik auf die veränderten Eigentumsverhältnisse zurückzuführen, es gibt natürlich noch mehr Quellen, die dies andeuten, und viele sind davon auch tendenziell, müssen also vorsichtig interpretiert werden. Zählungen sind schwierig, denn obwohl die Bodenforschung in den letzten Jahren vieles erkunden konnte, ist doch die Datierung von Nutzungsphasen für Landgüter fast unmöglich.

Ich nehme an, insoweit passt auch das archäologische Fundbild?

Dies ist auch eines von Hetfners Argumenten, der meint, die archäologische Fundlage würde eine gewisse Kontinuität bei kleineren Gehöften im 2 Jh. v. Chr. zeigen. Ich weiß aber nicht genau, auf welche Datenmenge und welche Regionen er sich dabei stützt.

Welche Bedeutung wird den Importen und Importpreisen bei der Entwicklung, welche Bedeutung Bevölkerungsschwankungen zugemessen?

Die Zunahme von Getreideimporten seit den punischen Kriegen für Rom ist evident. Die Bevölkerung der Stadt ist so angeschwollen, daß neben den 3 Millionen modii (ein Modus ist ein Drittelscheffel oder 8,7 l), also 26 Mill. l Getreide, die als Steuer aus Sizilien kam, nach 73 v. Chr. nochmal 3, 8 Mill. modii dazugekauft wurden. Schwankungen in der Getreideversorgung führten regelmäßig zu Unruhen, Preisteigerungen u.ä. Welche Bedeutung dies haben konnte, zeigt sich, daß Pompeius für 5 Jahre beauftragt wurde, die Versorgung sicherzustellen. 46 v. Chr. gab es in Rom 320 000 Menschen, die von den Getreidespenden lebten. Die Getreidevresorgung war so wichtig, daß sich Caesar und Augustus ihrer schließlich selbst annahmen.

Ausgehend von den Brennpunkten müsste es eine Stadtflucht gegeben haben, siehe oben die Differenzierung der Spannungen von hjwien. Lässt die sich im Umfang und in der Herkunft und den Gründen des Zuzugs für größere Städte neben Rom und für Rom belegen? Was waren die Stationen des Zuzugs, ggf. dazwischen die Armee?

Die Stadtflucht betraf wohl Rom mehr als andere Städte, eben der nur hier stattfindenen kostenlosen Getreideversorgung wegen. Sicher haben es nicht alle dorthin geschafft und blieben in anderen Städten hängen, wo sie als Handlanger, Taglöhner, bettler, Kriminelle sich durschlagen mußten, auf das Wohlwollen von Patronen angewiesen waren. Viele sind auch auf dem Land geblieben und schlugen sich dort ebenso kläglich durch.
Für Rom ist allerdings typisch, daß wir hier ein derartiges Anschwellen der Bevölkerung sehen, die nicht mit einer normalen Gebrurtensteigerung zu erklären ist, sechs- oder achtstöckige Wohnhäuser kennen wir woanders nicht. Da liegt aber auch das Problem, was wissen wir schon von den Wohnhäusern vieler Städte, wo man mal eine Handvoll Grundrisse freilegen konnte. Wie sahen die Wohnbedingungen im Osten aus, in Antiochia oder Alexandria, ebenfalls riesige Städte?

Wieso konnten kleinere Einheiten von der eigenen Erzeugung nicht mehr leben, und wie lässt sich das zeigen?

Der Kern der Landgesetze der Gracchen war der ager publicus, das Staatsland, welches eigentlich der öffentlichen NUtzung freigegeben war, aber zunehmend von den Großgrundbesitzern annektiert wurde. Damit konnten unter Umständen Weideflächen wegfallen, das Vieh mußte nun auf dem eigenen Land untergebracht werden, was die Anbaufläche verringert. Kleinere Höfe, die vor allem auf Eigenbedarf fixiert sind und nur wenig Überschüsse anhäufen, weil sie ja Erntegut verkaufen müssen für alles, was sie selbst nicht erzeugen können, haben nur geringe Rücklagen, um Mißernten, Dürren, Zerstörungen, aber auch Kontributionen im Kriegsfalle zu überstehen. Verschuldung, Zwangsverkauf, Abhängigkeit von den reicheren Nachbarn sind da oft die Folge. Offensichtlich häuften sich die Gründe im 2 und 1 Jh., gegeben haben wird es sie auch vorher, doch da konnten sie noch aufgefangen werden oder beeinträchtigten das Gesamtbild nicht so sehr. Man könnte ja mal fragen, wieviel zum Beispiel der Bundesgenossenkrieg zerstört hat?
 
Heftner meint zwar, daß Appian gewaltig übertreibt und führt auch Gründe dafür an, den, daß beide Gruppen unterschiedliche Märkte beliefern, halte ich aber aber nicht für ausreichend, um damit zu sagen, die Großgrundbesitzer hätten deshalb kein Interesse an dem Land der anderen gehabt.
Ich will und kann hier nur kurz eingreifen: Der wirtschaftliche Aspekt mag sich damit eventuell auflösen lassen, soll heißen, dass Großgrundbesitzer und Kleinbauer möglicherweise sich wirklich nicht zu stark in die Quere kamen. Allerdings vernachlässigt diese Argumentation einfach die politische Situation. Über den Besitz von Land ließ sich einfach und schnell ein großes Klientennetz aufbauen und wenn es eine Schicht in der römischen Republik gab, die politisch Aktiv war, so waren es eben die Großgrundbesitzer. Mit den Änderungen im Umgang mit politischen Ämtern und der Wahl dazu, war es einfach nützlich nicht nur eine große Menge an Land zu haben, sondern auch die entsprechende "Manpower" dahinter. Du sprichst das Thema ja auch noch an, wenn du auf die Fragen von silesia antwortest.
 
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der auch zeigt, daß es den Großgrundbesitzern zugute kam, möglichst viele Leute in Abhängigkeit von sich zu bringen.
 
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