Wo lagen "Ad pontes Tesseninos"

Dieses Thema im Forum "Das Römische Reich" wurde erstellt von Erich, 25. Juni 2020.

  1. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Also gehst du damit konform, dass Ad Lunam der Vicus von Urspring ist?
     
  2. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Wobei auch zu fragen ist, wie intakt das Gebäude überhaupt noch war, als man in seinem Inneren einen oder zwei Speicher errichtete. Die vereinfachte Darstellung des Planum deutet m.E. auf zwei Speicherbauten, nicht auf einen. Fraglich, ob die Mauern, als man das Hypocaustum abtrug, noch ein Dach stützten.
     
  3. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das heißt die Pflege der Infrastruktur, über die wir hier vor einigen Tagen diskutiert haben:

    Die Antwort auf meine Frage, wo wir denn archäologische Hinweise auf den Betrieb solcher Einrichtungen in frühalemannischer Zeit haben, ist mit *nirgends* beantwortet. Damit betrachte ich diesen Teil der Diskussion als abgeschlossen.

    Dass die Römerstraßen (auch ohne Instandsetzungsarbeiten) noch viele Jahrzehnte benutzbar waren und im Bedarfsfall auch benutzt wurden, ist kein Diskussionsthema.

    Nein, in Laiz gibt es keine Römerbrücke.

    Dazu schrieb ich bereits:
    Ich hatte die Formulierung...
    ... so verstanden, als ob Du damit die Gegend zwischen der Iller und der Donau oberhalb der Illermündung meintest, also das hier grün markierte Gebiet:
    upload_2021-2-15_17-47-20.png

    ... das gesichert würde von der von Dir behaupteten Sicherungslinie Unterkirchberg-Rißtissen-Emerkingen-Ennetach-Tuttlingen. Diese steht zur Diskussion.

    Natürlich liefert Grünewald keine Bestattungsbelege für diese Gegend und damit auch Argumente für die von Dir behauptete Linie. Darum ist mir auch nicht ganz klar, was Du mit der aus Grünewald kopierten Graphik bezweckst. Offene Türen einrennen?

    Mir ist auch nicht klar, worin Du eine "starke Behauptung" siehst. Dass nach 260 die Römer noch am Ostufer der Iller und am Südufer der Donau (unterhalb der Illermündung) saßen, hielt ich bislang nicht für umstritten.
     
  4. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Zu Rißtissen müssen wir uns nicht auf Wiki stützen; die Dissertation von Martin Kemkes gibt es online:
    https://freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:8768/datastreams/FILE1/content

    Demnach ergibt sich für das Kastell Rißtissen "eine Gründung in spätclaudischer Zeit um ca. 50 n. Chr., ein Ende des frühflavischen Kastells etwa in den 90-Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. sowie eine traianische 3. Kastellphase bis max. 110 n. Chr."
    (Hier finden sich auch kurze Angaben zu Hüfingen, Tuttlingen, Mengen-Ennetach, Emerkingen, Unterkirchberg und zahlreichen weiteren Kastellen.)

    Der Vicus existierte bis ins frühe 3. Jahrhundert.

    Genau wie ich schrieb: Die zivilen Siedlungen blieben nach dem Abzug der Kastellbesatzungen bestehen und wurden dann um 250/260 aufgegeben.
    Die spätesten Münzen der "Falschmüzerwerkstatt" gehen bis Elagabal (222), außerdem gibt es einen Töpferofen aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts. Irgendwann danach wurde der Vicus aufgegeben, das genaue Datum lässt sich natürlich nicht bestimmen.


    Ähnliches gilt für das Nachbarkastell Emerkingen.
    Dort gibt es Spuren eines größeren Steingebäudes, dessen Funktion nicht ganz klar ist: "Auch eine Zeitstellung nach Aufgabe des Kastells ist im Bereich des Möglichen, da der Vicus weiter bestanden haben dürfte. [...] Die bislang datierbaren Funde gehören in den Zeitraum von der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts."
    (Günther Wieland, Das Donaukastell Emerkingen und sein Umland, in: Römer an Donau und Iller, Sigmaringen 1996)
     
    Zuletzt bearbeitet: 15. Februar 2021
  5. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Zur Romania am Rhein und im Schwarzwald habe ich mich in den letzten Jahren oftmals geäußert, ich zitiere nur zwei Beispiele:


    Meine Reserviertheit bezüglich "eventuell am unteren Neckar" gilt den oben angeführten Beispielen Altrip und Ladenburg. Der Name Altrip ist keineswegs beweiskräftig, siehe Jörg Fesser, Namenskontinuität und Siedlungskontinuität am Beispiel ‚Altrip’, in: Beiträge zur Namenforschung 47 (2012).

    Während sich in der oberrheinische Tiefebene (und Teilen des Schwarzwalds) relativ viele Ortsnamen belegen lassen, die auf die Römerzeit zurückgehen, sieht es im württembergischen Landesteil sehr dünn aus.
    Diese Karte ist von 1978 und teilweise überholt, vermag aber einen ungefähren Eindruck zu vermitteln:
    Vordeutsche nichtgermanische Gewässer-und Siedlungsnamen - Detailseite - LEO-BW
    Auffällig sind die zwei Siedlungsnamen am Limesknick, hier würde ich eine frühe Kontaktzone vermuten.
    In und um Cannstatt kommen außerdem noch der Flurname Prag und der landesnamengebende Wirtenberg als vorgermanische Ortnamen in Frage. (Skeptisch machen würde mich hier die fehlende keltische/römische Siedlung.)
     
    Zuletzt bearbeitet: 15. Februar 2021
  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das beißt sich halt mit Deiner früheren (durch nichts begründeten) These von der "Zweitgründung". Wenn die Orte durchgegend besiedelt waren, entfällt der Grund für eine Neubenennung.

    Wobei in keinem der genannten Fälle die alte Siedlung aufgegeben wurde. Das alte York, das alte Gablonz und das alte Schongau existieren immer noch. Im letzteren Fall dauerte es plus minus zwei Jahrhunderte, bis der alte Name außer Gebrauch gekommen war und man nur noch von der "Alten Stadt" sprach.
     
  7. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Gibt es dafür eigentlich eine belastbare Quelle?
     
  8. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Damit das nicht missverstanden wird: Natürlich meine ich "keine Bestattungsbelege und damit auch keine Argumente"...
     
  9. Erich

    Erich Aktives Mitglied

    zunächst einmal:
    es geht um den Zeitraum zwischen 260 (Limesfall) und 370 (Befestigung der Donau-Iller-Rhein-Grenze), das sind rund 100 Jahre der Entwicklung. Und es geht um das gesamte Dekumatenland bis zum Limes.

    Nach 260 ist das Dekumatenland nicht auf einen Schlag von einer geschlossenen Einwanderungswelle überrollt worden.
    Entscheidend war zunächst die Bürgerkriegs-Lage im römischen Reich, die zum Abzug der römischen Militärs aus den Grenzkastellen (Limes) führte. Damit war das Dekumatenland aber nicht "leer gefegt". Was mit dem Militär mitging, waren die Bewohner des Lagerdorfes, deren Einkommen unmittelbar von den Soldzahlungen der römischen Militärs abhing. Damit erfolgte eine Leerung, aber keine völlige Entvölkerung der Lagerdörfer (Grünewald macht m.E. den Fehler, die Bevölkerung der Grenzprovinzen nahezu ausschließlich als Anhängsel des Militärs zu sehen (vgl. S. 163 ff, 182 ff), womit er den vielen Nekropolen im Umfeld der Kastelle eine für mich überzogene Bedeutung bemisst.
    Nekropolen im Bereich der Zivilsiedlungen und kleinen Landgüter werden dagegen in seiner Arbeit als "untypisch" kaum bzw. gar nicht einbezogen. Dabei braucht man nur den Atlas zur Archäologie zur Hand zu nehmen und zu sehen, wie dicht etwa ober- und unterhalb von Ulm das Netz der römischen Villae gespannt war.

    Dieser Abzug vom Limes öffnete die "Grenze" sowohl für größere Verbände aus dem Limesvorland (Franken und Proto-Alemannen wie Juthungen) bis aus der "zweiten Reihe" (spätere Burgunder, Thüringer und Sachsen).
    Es waren zusätzlich kleine Gruppen, die sich auf römischem Reichsgebiet niederließen:
    (Grünefeld unter Bezug auf Claudia Teune "Eine Einwanderung vom späten 3. bis frühen 5. Jahrhundert begrenzt sich dabei nach ihr allenfalls auf Einzelpersonen und kleine Verbände")
    Dazu wie schon einmal zitiert "Landeskunde online":
    Die römische Administration zog sich "langsam aus dem zwischen Oberrhein und Donau gelegenen Landkeil ... (dem sogenannten Dekumatenland), zurück, doch wurde dieser dadurch nicht auotomatisch oder gar unmittelbar <alemanisch>; auch hielten sich römische Institutionen und Strukturen, einen allmählichen Wandlungsprozess durchlaufend, noch über Jahrhunderte hin. Diese Neuformierungsprozess konnten friedfertig verlaufen, ...." allerdings gab es auch "Blutbäder wie in Heldenbergen" (Meier, S. 320, ebenso 323). Ob die Benefiziarier, die Aufsichts- und Zollaufgaben an den Straßen wahrnahmen, auch abgezogen wurden, lasse ich erstmal offen stehen.

    Vor diesem Hintergrund der "Unsicherheit" begann auch die örtliche Bevölkerung, sich mit örtlichen Milizen bzw. Foederaten zu militärisieren und eigene Abwehrverbände zu bilden. Der "Augsburger Siegesaltar" als Beispiel für die zusammen gewürfelten Abwehreinheiten, wie auch die vielfach zu beobachtende Verkleinerung der Kastelle (wohl unter Aufnahme des ehemals vor den Toren gelegenen Lagerdorfes in die Umfassung) belegen dies eindringlich.
    Auf dem "Galgenberg" nördlich von Emerkingen ist - beispielsweise - zeitlich nahtlos die Ablösung der Zivilbesatzung des ehemaligen Lagerdorfes durch eine Alemannische Besiedlung dokumentiert.
    "Die römische Führung begann sehr bald, auf die sich zunehmend lokal verankernden neuen Verbände zuzugreifen, ihr militärisches Potential zu nutzen, und trug damit zur Verfestigung der gesellschaftlichen Strukturen bei den Zuzüglern bei" was mit den Alemannen in höchsten römischen Offiziersdiensten vor allem unter Konstantin I. und seinen unmittelbaren Nachfolgern in der ersten Hälfte des 4. Jh. erfolgte (Meier S. 323).
    Es wäre nun völlig unlogisch, eine solche "Militarisierung der örtlichen Bevölkerung" lediglich auf wenige bekannte Kastelle zu begrenzen. Diese Militarisierung dürfte vielmehr die gesamte Region umfasst haben. Und wenn das so war, dann wurden auch die alten Kastellorte an der oberen Donau mit ihrer sowohl verteidigungsmäßig guten Lage wie auch der strategisch wichtigen Orientierung an der Donau(Süd-)Straße als Rückzugsorte für die verbliebene Bevölkerung der Umgebung wiederbelebt.

    Das wäre auch logisch - denn die Strecke entlang der Donau und dann im Bereich der früheren Provinzgrenze zwischen Donau und Rhein wäre vor einem Rückzug zur Iller die "kürzeste Verteidigungslinie" gegen plündernde Germanenscharen gewesen. Auch die Nekropole von Günzburg wurde von der zweiten Hälfte des 1. Jhs. bis in das 5. Jh. kontinuierlich genutzt. Warum sollte das vor 370 nicht auch an der oberen Donau oberhalb der Iller-Mündung der Fall gewesen sein? Die spätere Iller-Grenze bestand ja noch nicht ...

    Ich beziehe mich auf eine Fülle von Quellen, die das Schicksal des Dekumatenlandes zwischen dem Limesfall (260) und dem Aufbau der Rhein-Iller-Donau-Sicherungen um 370 beschreiben, insbesondere:
    Martin Grünewald,
    Studien zur Bevölkerungsdichte und Migration in Obergermanien und Raetien. Ein Überblick anhand ausgewählter Gräberfelder.
    ANZEIGER DER RÖMISCH GERMANISCHEN KOMMISSIONDES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
    JAHRGANG 96 2018, S. 172 ff


    Mischa Meier, Geschichte der Völkerwanderung Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jhdt. n. Chr., Beck-Verlag, 5. Auflage 2020 insbesondere S. 320 ff

    Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends in Südwestdeutschland. (= Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland. Hg. v. Hans-Ulrich Nuber, Karl Schmid, Heiko Steuer und Thomas Zotz. Band 1) Sigmaringen: Thorbecke, 1990 (Freiburger Band genannt)


    Franz Staab (Hg.): Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein (= Oberrheinische Studien. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein e.V., Band 11) Sigmaringen: Thorbecke, 1994 (Karlsruher Band genannt)

    Roland Steinacher, Rom und die Barbaren, Völker im Alpen- und Donauraum (300 - 600) insbesondere S. 27 ff, Kohlhammer, 1. Auflage 2017
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2021
  10. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Der von dir genannte Grünewald schreibt:

    Auch wenn eine frühalammanische Nachbesiedlung im rechtsrheinischen Gebiet zu Recht mehr und mehr in den Fokus der Forschung rückt, sind an den hier betrachteten Orten kaum Bestattungen bekannt. Die vormalige hohe Bevölkerungskonzentration im Keil zwischen Rhein und Donau ist – betrachtet man die regulären Gräberfelder der vormaligen Kastellstandorte – offenbar in der Spätantike nicht mehr vorhanden.
    Bei dem einzigen bekannten größeren Bestattungsplatz bei Lampertheim mit immerhin 57 Gräbern handelt es sich weitgehend um Brandgrubengräber und einige Körpergräber, wenige Beigaben weisen in das 4. Jahrhundert, vielfach herrscht Beigabenlosigkeit vor. Friedhöfe mit mehr als zehn Körpergräbern stellen die absolute Ausnahme dar. Das deutliche Zurückgehen bekannter Bestattungen wird sich zum Teil mit den geänderten Bestattungssitten und nicht selten flachen, ärmlichen bis beigabenlosen Brandbestattungen erklären lassen, die weniger gut archäologisch fassbar sind. Die geringe Anzahl von insgesamt nur 250 Bestattungen im Rechtsrheinischen kann trotzdem als Indiz für eine sehr spärliche Besiedlung der Alamannia des 4. Jahrhunderts und als repräsentativ gelten, da 60 % der gefundenen Bestattungen Körpergräber darstellen, die an sich gut nachweisbar sind. Dies spricht trotz geänderter Bestattungssitten für einen deutlichen Rückgang der Bevölkerungsdichte; unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass beispielsweise aus dem elb-germanischen Raum häufig Gräberfelder mit mehreren hundert Brandgräbern bekannt sind. An den in dieser Untersuchung betrachteten und zur Römerzeit bedeutenden Orten befinden sich jedoch allenfalls wenige einzelne Gräber.
    [...]
    An der Donau lässt sich ein ähnliches Bild fassen: Neben der Kontinuität einer umfassenden Belegung in Regensburg sind verstärkt spätantike Bestattungen in Bregenz, Neuburg an der Donau und Günzburg bekannt. In der Spätantike werden eine Vielzahl von früheren Bestattungsplätzen an der vormaligen Rhein- und Donaugrenze wieder stärker belegt.
    [...]
    ...Entwicklung vollzog sich nach der Zeit um 260 n. Chr.: Die betrachteten Bestattungsplätze im Rechtsrheinischen und nördlich der Donau werden nicht mehr weiterbelegt, die Anzahl der betrachteten Gräber entlang der neuen (bzw. teilweise alten) Flussgrenze steigt erneut auf ein höheres Niveau. Daraus lässt sich für die Spätantike auf eine Migration zur Donau-Iller-Rhein-Grenze schließen, ein mindestens teilweiser Rückfluss der Bevölkerung aus dem rechtsrheinischen bzw. transdanubischem Raum ist anzunehmen. Bereits Markus Scholz ging für das Limesgebiet von einer Evakuierung der Romanen nach den Zerstörungen von 254 n. Chr. aus; die germanische Besiedlung nach diesen Umbrüchen führte nach ihm nicht die römische fort. Zwar sind rechts des Rheins bzw. nördlich der Donau nicht wenige frühalamannische Siedlungen des 4. Jahrhunderts belegt, doch ihre Bevölkerungsanzahl und -konzentration wird deutlich unterhalb jener der vormaligen Kastelle sowie vici gelegen haben und hat meist den Charakter von einzelnen Gehöften oder kleineren Weilern. Claudia Teune nimmt einerseits, aufgrund des Bezugs von Waffengräbern zu römischen Militär- und Zentralorten sowie den ähnlichen Bestattungssitten wie im linksrheinischen Gebiet, Personen in römischen Diensten sowie andererseits eine germanische Aufsiedlung des ländlichen Bereichs an. Eine Einwanderung vom späten 3. bis frühen 5. Jahrhundert begrenzt sich dabei nach ihr allenfalls auf Einzelpersonen und kleine Verbände.
     
  11. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Ich fragte ja konkret nach den "Gelegenheitskriegern".
    Meier und Steinacher liegen mir vor, da finde ich aber nichts dergleichen...
     
  12. Erich

    Erich Aktives Mitglied

    Dann habe ich Dich falsch verstanden - bzw. konkret nachgefragt:
    Meinst Du das jetzt im Ernst? Wo sollen germanische Stämme ein stehendes Heer von Berufskriegern vorgehalten haben?
    Das ganze ist u.a. im Thread hier Volksmenge germanischer Stämme | Geschichtsforum.de - Forum für Geschichte schon ausführlich dargestellt worden (vgl. #14).

    Aber schauen wir in's Detail:
    1. Elbgermanen aus dem tiefen Hinterland
    Heiko Steuer (Uni Freiburg) nimmt zur Herkunft der Proto-Alemannen ausführlich Stellung S. 290 ff
    es handelt sich also
    - um "Heerhaufen", die mit dem "Limesfall" (260) die Chance für schnelle Bereicherung sahen und aufgrund der dargestellten Funde insbesondere aus dem Mecklenburgischen bzw. von Ober- und Mittelelbe zu Raubzügen in das heutige Südwestdeutschland aufgebrochen sind
    - oder um Einzelpersonen (Söldner), die sich etwa in den Dienst der gallischen Sonderkaiser gestellt hatten.
    Die Mitglieder dieser Heerhaufen waren im Norden wohnhaft und lebten von Landwirtschaft und Viehzucht. Die Teilnehmer der Kriegszüge kehrten nach ihren Raubzügen auch dorthin zurück (vgl. Augsburger Siegesaltar). Regelrechte "Kriegersiedlungen", also befestigte Plätze zur Aufnahme von reinen Kriegereinheiten, sind dort m.W. nach nicht gefunden worden. Was aber sehr wohl vorhanden sind, ist die Funddichte der ländlichen Bevölkerung - deren Angehörige dementsprechend zu den Raubzügen nach Süden aufgebrochen sind.
    Erst zu einem späteren Zeitpunkt lässt sich eine Abwanderung feststellen (Steuer, a.a.O. S. 315) schreibt dazu
    Das korrespondiert mit den Erkenntnissen aus Südwestdeutschland:
    (btw.: der Rheinübergang Tasgetium ist wie Konstanz, Pfyn, Oberwinterthur oder Kloten als westlicher Endpunkt der Donau(Süd-)Straße ist in der fraglichen Zeit um 300, also ~ 40 Jahre nach dem Limesfall, befestigt worden).


    2. Alemannen und andere Germanen als Foederaten:
    Hier haben wir es mit einer fundamental anderen Situation zu tun: mit ganzen Sippen, die von den Römern entlang der gesamten Donaugrenze "mit Sack und Pack" als Neusiedler zugelassen wurden, um die Reichsgrenze zu schützen und dafür vielfach nicht unbedeutende Zahlungen erhielten.
    Es waren Stammesverbände, die unter der Führung eines eigenen "rex" blieben, aber unter römischer Oberhoheit (Klientelherrscher). Steinacher (Rom und die Barbaren, insbes. S. 24 ff) hat dies sehr gut dargestellt.
    Entscheidend war insbesondere auch "die Zuweisung von Land ...." also die Möglichkeit, selbst zu siedeln und Landwirtschaft resp. Viehzucht zu beschreiben.
    Dabei war es für die Römer natürlich günstig, möglichst große Partner und Verbündete auf der Gegenseite zu haben. Daher forcierten die Römer sicher auch (nicht unbedingt bewusst) die Ethnogenese von den noch bei Plinius oder Tacitus (> 40 gentes) genannten vielen Barbarenstämmen und den in der späteren Alemannia auftauchenden Kleinstverbänden zu den in der Spätantike auftauchenden Großverbänden wie eben den Alemannen. Deren Mitglieder konnten unter einem gemeinsamen Auftreten auch mehr für sich herausschlagen als wenn jeder dieser einsickernden Sippen einzeln "angeklopft" hätte.
    Ich hatte geschrieben:
    Dazu stehe ich, auch wenn sich natürlich auch die alemannischen Großfamilien und Bauern in der Nähe der ehemaligen Kastelle ("Galgenberg" nördlich von Emerkingen) und ihrer guten Verteidigungslage ansiedelten, um diese Örtlichkeiten ggf. als "Fluchtburgen" nutzen zu können.

    *)
    und für den zweiten zitierten Satz möchte ich jetzt auch eine Quelle angeben:
    Steinacher (S. 28 f):
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2021
  13. Erich

    Erich Aktives Mitglied

    *gähn* das habe ich doch schon in meinem Post geschrieben:
    und
    danke für Deine Bestätigung von posting #270 (das von Dir in #275 benannte Kempten oder Bregenz waren nicht an der vormaligen Rhein- und Donaugrenze - "Donaulimes" unter Claudius 41 – 54 n.Chr.)
    Aber:
    darauf bezieht sich dann auch der genannte Ausbau
    und möglicherweise auch die Ansiedlung alemannischer Foederaten an der Donau:
     
    Zuletzt bearbeitet: 17. Februar 2021
  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das weiß ich.
    Gefragt habe ich, was Du mit der aus Grünewald kopierten Grafik sagen möchtest.

    Hier geht es um Bestattungen südlich der Donau, das ist nicht das "gesamte Dekumatenland".

    Nun wollte ich wissen, warum Du eine Grafik verlinkst, bei der es um Bestattungen südlich der Donau (konkret: östlich, also "unterhalb" der Iller) geht.

    Nein, aber offensichtlich ist auch die Zivilbevölkerung zu großen Teilen abgewandert, jedenfalls aus dem heute württembergischen Landesteil. Es gab keinen Schutz vor Überfällen und Plünderern mehr, es wurden keine Waren mehr angeliefert, es gab keine funktionierende Infrastruktur mehr. Ein paar Alleinstehende, Alte, entlaufene Sklaven werden natürlich immer noch dageblieben sein.

    Das bezieht sich vor allem auf die Situation am Rhein. Auf der Alb, an der Donau, in Oberschwaben sah es ganz mau aus.

    Und damit komme ich noch einmal zu...
    Da Du zu diesem Diskussionspunkt bislang kein Argument geliefert hast und auf meine letzten Rückfragen gar nicht mehr reagierst, gehe ich davon aus, dass sich diese Diskussion nunmehr ebenfalls erledigt hat.

    Und durch welche Befunde soll bitte die "nahtlose" Ablösung dokumentiert sein? Datierbare römische Funde haben wir, wie geschrieben, bis zum Beginn des 3. Jahrhunderts. Dann kommt ein merowingerzeitliches Gräberfeld (siehe Emerkingen - Altgemeinde~Teilort - Detailseite - LEO-BW), dazwischen haben wir also etwa anderthalb Jahrhunderte lang - nichts.

    "Warum-nicht"-Fragen ersetzen keine Argumente.
    Oberhalb der Illermündung enden um 250 die Siedlungsspuren in den vici, die Villen wurden samt und sonders aufgegeben. Spuren neuer Befestigungen fehlen völlig. Da war nichts mehr.

    Die Situation war auch weiter südlich und östlich noch höchst unsicher. Ich erinnere daran, dass auch weit ins heute bayerische Raetien hinein die Villen reihenweise aufgegeben wurden. Das Kastell Vemania wurde laut Wiki 282/283 zerstört. Erst unter Diokletian kam es zu einer Konsolidierung, erst jetzt gab es ein Programm zur Sicherung der Grenzen, in diesem Zusammenhang entstand das Kastell Kellmünz als Kernstück der Illergrenze.
     
    Zuletzt bearbeitet: 18. Februar 2021
    flavius-sterius gefällt das.
  15. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Macht Grünewald diesen Fehler? Eigentlich stellt er auf der Basis von 27.000 Gräbern fest, dass die Belegung von Gräbernfeldern drastisch zurückgeht, irgendwo nennt er einen Rückgang von 100 auf 0,8 %.

    Ich war gerade irritiert, denn ich konnte mich nicht erinnern, dass ich in den letzten Tagen über Kempten geschrieben hätte. Der Beitrag #275 stammt von Sepiola.

    Aber ganz grundsätzlich: wir sprachen ja vorige Tage über Orte, die aufgegeben wurden und deren Name verloren gegangen ist sowie Orte, deren Ortsnamen Kontinuität vorweisen. Kempten/Cambodunum und Bregenz/Brigantium sind Orte, die Ortsnamenkontinuität aufweisen. Der Verlust des Ortsnamens bzw. die Kontinuität des Ortsnamens kannst du als Indiz (Indiz, nicht Beweis) für bestimmte Trends in der Besiedlungsgeschichte werten. Wenn du feststellst, dass im "Keil" viele Ortsnamen ersetzt wurden, aber rund um den Bodensee viele Ortsnamen Kontinuität aufweisen, kannst du daraus die Trends ablesen, dass die Region offenbar aufgelassen bzw. nicht aufgelassen wurde. Je größer bzw. bedeutender der Ort zur damaligen Zeit, desto wahrscheinlicher ist abseits vom regionalen Trend die Ortsnamenkontinuität bzw. desto aussagekräftiger als Indiz (aber immer noch nicht beweiskräftig) ist der Ortsnamenwechsel.
     
  16. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Geht es eigentlich grundsätzlich noch um die Lokalisierung der Pontes Tesseninos?
     
  17. Erich

    Erich Aktives Mitglied

    Du meinst diese Grafik:
    Hier stellt Grünewald, a.a.O., die Bestattungen südlich der oberen Donau (oberhalb der Iller) vor - bemerkenswert das Wiederaufleben der Bestattungen nach einer Lücke ab ca. 150 mit dem Zeitpunkt des Limesfalls. Grünewald erklärt auf S. 175 ff auch, was er unter "Teilgruppe" versteht:
    Beim besten Willen: wie kommst Du daraus auf die Idee, Grünefeld hätte sich auf das Gebiet unterhalb der späteren Iller-Grenzlinie beschränkt? Wunschdenken? "Südlich der Donau" ist nicht "unterhalb der Iller". Südlich der Donau umfasst auch das Gebiet oberhalb der Iller-Mündung.

    und
    Grünewald bezieht sich nahezu ausschließlich auf die Kastell-Vici und die Auswirkung von Truppenverlagerungen.
    Das macht er auch immer wieder deutlich, ergänzend zu meiner allgemeinen Seitenangabe konkret z.B.
     

    Anhänge:

  18. Erich

    Erich Aktives Mitglied

    grundsätzlich sind die frühalamannischen Brandgrubengräber schwerfassbar. Eine nur teilweise Erfassung trifft auf die meisten Gräberfelder zu. Zudem spiegelt das Nichtvorhandensein von Bestattungen einer bestimmten Zeitstufe nicht unbedingt ein Siedlungsende wider, da sich die Gräberfelder auch an eine andere Seite der weiter bestehenden Siedlung verlagert haben können (Grünewald, S. 165).
    Muss ich mich wiederholen?
    als Entgegnung auf
    (mein Quellenzitat: etwa 300 - 600 Annahme einer Alemannischen Besiedlung in der Nähe des Kastells (alemannische Gräber an der ehemaligen Munderkinger Straße auf dem Galgenberg) und ebenso
    im allgemeinen Kontext: Um 290 n. Chr. fiel der Beschluss zur Wiederbefestigung der Rhein- und Donaugrenze.

    So, und jetzt drei Karten aus Kartenbasierte Suche - LEO-BW (leo-bw.de):
    1. die römischen Siedlungen bis zum 3. Jahrhundert:
    Den Anhang 20030 betrachten

    2. die vorgermanischen Gewässer- und Siedlungsnamen der Region, die eine Namensübergabe und damit eine friedliche Bevölkerungskontinuität nahelegen
    Den Anhang 20031 betrachten

    3. die frühalemannischen Siedlungen ab dem 3. Jahrhundert:
    Den Anhang 20029 betrachten

    Man beachte gerade an der Donau(süd)straße die Nähe der früh- oder auch proto-allemanischen Funde zu den römischen Siedlung(szentr)en bei Tuttlingen, Leibertingen, Meßkirch, Riusiava (? Riß) und Ulm ...

    Jetzt aber zum Abschluss dieser Teildiskussion:
    Das ist nur auf den ersten Blick einleuchtend.

    Warum?
    Ich denke, wir sind uns einig, dass das Dekumatenland auch nach dem Abzug der römischen Grenzwachen weiterhin zumindest nominell unter römischer Oberherrschaft blieb, eine zunehmende Ansiedlung insbesondere elbgermanischer Kleingruppen erfolgte und die Alemannen zunächst als Foederaten (Klientelherrscher) entsprechendes Siedlungsgelände zugewiesen bekamen.
    Wenn das so ist, dann dürfte die römischen Staatslatifundien und die zu diesen gehörenden Vici auch weiter unter dem Schutz des römischen Imperiums gestanden haben, von diesem "beansprucht" worden sein. Die Foederaten haben also das benachbarte "unbesiedelte" Areal zur Ansiedlung und Urbarmachung erhalten.
    Das erklärt, warum nicht nur die Alemannen sondern später auch die Bajuwaren (beides Großverbände, deren Ethnogenese sich erst auf römischem Reichsgebiet vollzog) diese römischen Staatslatifundien mieden, ja geradezu meiden mussten.
    Dass die Alemannen also die römischen Kastelle und ihre Siedlungen "mieden wie der Teufel das Weihwasser" ist geradezu ein Indiz für die weiter bestehende römische Oberherrschaft und die dadurch bedingte Unantastbarkeit dieser Staatslatifundien.
    Dies erklärt auch die neue Namensgebung für alemannische Siedlungen, die nahe einem solchen römischen Staatseigentum gegründet wurden. Die älteren Namen mögen - insbesondere bei großen Orten mit Siedlungskontinuität - beibehalten sein, sie können auch auf unmittelbar benachbarte Orte übergegangen sein, sie werden aber vielfach mit dem "entschlummern der römischen Oberhoheit" auch verloren worden sein, oder sich nur in Flurnamen erhalten haben.

    Diese Latifundien sind im späteren bairischen Gebiet der Provinzen Raetien und Noricum mit dem geordneten Übergang auf die fränkisch (merowingische) - bairisch (agilolfingische) Herrschaft auch als "Königs- oder Herzogsgut" weiterhin im Eigentum der staatlichen Repräsentanten gestanden.

    Damit wir wieder zum Thema kommen:
    ja ... leider mit einem sehr weiten Umweg

    was nun für den "schleichenden Herrschaftsübergang" an die sich dort bildenden Alemannen gilt, das ist für die geordnete Übergabe der römischen Herrschaft im späteren Baiovaricum erst recht anzunehmen.

    Die römischen Straßen werden also auch in dieser Region weiter genutzt worden sein, genauso wie römische Straßenstationen (auf Epfach und Gilching hatten wir ja schon vermieden). Ich werde in den nächsten Postings versuchen, eine Lokalisierung auf dieser Grundlage vorzunehmen.
     
  19. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Es sind teilweise Städte, die ihre Namen verloren. Wir hatten z.B. über Rottweil (Arae Flaviae) und Rottenburg (Sumelocenna) diskutiert.
    Es ist auch so, dass die aufgelassenen villae nicht weiterbenutzt wurden oder wie in dem obigen Bsp. in ein Bad ein Speicher eingebaut wurde, was darauf schließen lässt, dass hier bereits kein Dach mehr existierte oder das Gebäude weiter eingerissen wurde, als das nur das Hypocaustum entfernt wurde.
    Wie viele villae überlebten denn den Limesfall 260?
     
  20. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Das ist aber jetzt wieder deine Interpretation? Oder woher?
    Eine Quelle für die sog. "Bauernkrieger" oder "Freizeitsöldner" kann ich immer noch nicht entdecken.
     

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