Wodankult. Und davor?

Muspilli schrieb:
Damit spielst du auf die Gleichsetzung von Merkur und Wodan/Odin an, was mithin durch die Gleichsetzung des lateinischen Wochentages ("dies Mercurii") mit der "germanischen" Übersetzung zu Wôdanestag (ahd.; vgl. engl. Wednesday; skand. Onsdag) auch volkstümlich belegt ist.
Babylonier und Ägypter bezeichneten die einzelnen Wochentage ebenso wie später die Griechen und Römer nach den sieben Gestirnen Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn; bei den Germanen wurden dann die römischen Götternamen zum Teil durch die entsprechenden eigenen ersetzt.
Muspilli schrieb:
Dich scheint der Widerspruch nicht zu stören, daß hier Wodan mit Mars gleichgesetzt wird.
Wodan wird nicht nur mit Mars gleichgesetzt, sondern er wird auch mit ihm gleichgesetzt. Sinnbilder des Mars waren Lanze und Stier. Plutarch nennt den Schwur der Cimbern auf einen heiligen ehernen Stier. Die Berührung der Italiker mit dem Griechentum brachte bei Angleichung seiner Gestalt an Ares auch für ihn die Erscheinung als gerüsteter Krieger. Der Schwertgott Ziu bleibt der Gott des Things (Dienstag).
Muspilli schrieb:
Denn du willst schnurstracks in die frühe Kaiserzeit und belastest deinen Gedankengang nicht mit der Nebensächlichkeit, daß hier wieder Merkur erwähnt wird.
Die siebentägige Woche wurde von Konstantin im Römischen Reich eingeführt. Die Neckar-Kimbern, die am Neckar Siedlungsland fanden, haben dem Mercurius-cimbricus noch im zweiten Jahrhundert nach der Zeitrechnung Weihesteine gesetzt.
Muspilli schrieb:
Warum erwähnst du die Vorfahren der Goten und deren damalige Oberherren?
Jordanes Gotengeschichte fußt auf Cassiodor; und gibt Hinweise auf die älteste Stammesgeschichte der Goten. Die Lugier waren nicht die Oberherren der Gotonen; zu ihnen gehörten die Vandalen.
Muspilli schrieb:
Etwas ausführlicher hätte nicht geschadet, aber du verlierst diese Thematik aus den Augen.
Strabo berichtet von diesen Walküren und Nornen.
Muspilli schrieb:
Dazu las ich in H. Wolframs Germanenbuch (im Beckverlag) einen Hinweis: "läßt sich mit dem Namen der gotischen Amaler vergleichen, die ihrerseits als A(n)sen gelten, was ebenfalls einen Balken oder Baum meint, aus dem man Pfahlgötzen macht. Und in der Tat sind solche hölzernen, bisweilen überlebensgroßen Götterdarstellungen erhalten geblieben." Vielleicht erwähnst du auf solch einem Hintergund die Gutonen und Lugier?
Nein, ich wollte lediglich den Widerspruch ansprechen, der sich aus Tacitus Germania ergibt, worin er unterstreicht, keine Bildnisse seien vorhanden, keine Spur eines fremden Brauches.
Muspilli schrieb:
Erschien dir der Stein so bedeutungsvoll, weil er "drei Göttersöhne" zeigt? Wie deutest du die gravierte Kammergrabschlußsteingravur?
Die Fachwelt ist sich nicht einig, ob es sich um die Schilderung von Bräuchen oder um die Darstellung von Göttern handelt. Das Anderlinger Steingrab ist eines unter mehreren Steinsetzungen mit Einritzungen auf deutschem Boden aus dieser Zeit. Ob es sich um die drei Göttersöhne handelt, wer kann das sagen.
Muspilli schrieb:
Kannst du dich ausführlicher darüber auslassen? Du hast sicherlich das eine oder andere Bild auf einer Internetseite oder in einem Buch gelesen, um so etwas zu behaupten?
Die mittlere Gestalt des Steinkammergrabes von Anderlingen trägt in der erhobenen Rechten ein Beil. Es sieht fast wie ein Tüllenbeil der Bronzezeit aus. Die links von ihr stehende Gestalt hält ebenfalls beide Arme empor und spreizt die Finger weit auseinander. Hier könnte es sich um den alten Sonnengott Ziu handeln, der in Indien in ähnlicher Weise dargestellt wurde. Dann wäre der Gott mit dem Beil der ebenso alte Donnergott Donar. Ob die dritte, beschädigte Gestalt Odin ist, läßt sich nur vermuten. Die über zwei Meter große Gestalt eines speerschwingenden Mannes mit Ohranhänger auf dem Felsplateau von Litsleby-Tanum weist auf einen Vorläufergott Odins oder gar schon auf diesen selbst hin. Ebenso nahe liegt es, in dem Axtgott von Kinnekulle in Västergotland einen Gott wie Thor zu sehen. In der großen Gestalt von Backa-Brastad, die auf zwei Stangen ein riesiges Radkreuz emporhält, läßt sich der Sonnengott Tyr vermuten.
Muspilli schrieb:
Hat das denn jemand (hier) behauptet?
Witege scheint mir dieser Meinung zu sein. Es gibt auch die Ansicht, der Gott Merkur in Tacitus Germania sei nicht Wodan. Wodan sei erst in der eigentlichen Völkerwanderungszeit zum höchsten Gott aufgestiegen.
Muspilli schrieb:
In deiner Antwort beschränkst du deine eigenen Überlegungen aber auf eine Zeit lange nach der Bronzezeit ein!
Selbstverständlich; die Edda ist in der Skaldenzeit entstanden. Es liegt darin aber kein Widerspruch, wenn man zwischen Gestaltung und Inhalt der Sagen unterscheidet.
Muspilli schrieb:
Loki als Alter ego Odins/Wodans.
Das kennen wir aus einer ganz anderen Religion: der jüdischen des Alten Testamentes, aber auch aus der eigenen, dem Christentum mit seiner Überlieferung des neuen Testamentes.
Das Alter ego Wodans hat seine Wurzeln im Schamanismus.
Muspilli schrieb:
Allerdings bleibt es dabei, die germanische Mythologie, wie wir sie durch die skandinavische Überlieferung kennen, könnte trotzdem christlich oder auch durch die griechische Mythologie beeinflußt sein - so ganz frei nach Rudolf Simek formuliert.
Der umgekehrte Gedanke kommt dir wohl nicht in den Sinn, oder? Die Römer und Griechen haben ja auch eine indogermanische Vergangenheit.
 
Witege scheint mir dieser Meinung zu sein. Es gibt auch die Ansicht, der Gott Merkur in Tacitus Germania sei nicht Wodan. Wodan sei erst in der eigentlichen Völkerwanderungszeit zum höchsten Gott aufgestiegen.
Nein, dann hast mich wohl falsch verstanden.
Obwohl Tyr/Tiwaz/Ziu der ursprüngliche indogermanische Hauptgott war, war Wodan/Odin bereits zur Römerzeit der germanische Hauptgott.

Das einzige was ich dir die ganze Zeit versuche klar zu machen ist, dass man nicht annehmen kann, dass die Einzelheiten der Edda als ernstzunehmde Quellen zu nehmen sind. Die Götter wie Odin, Thor usw. gab es natürlich auch zur heidnischen Zeit. Ihr Bild hat sich allerdings durch den Einfluß der Skalden gewandelt, welche die alten Sagen noch mit eigenen, christlichen und anderen mythologischen Aspekten ausgeschmückt haben (und natürlich haben sie es nicht zugegeben, wäre ja auch blöde von ihnen gewesen).

Außerdem sollte dir klar sein, dass man die einzelnen Aspekte von Odin/Wodan, welche in der Edda geschrieben stehen, nicht auf den früheren Wodankult übertragen kann, selbst wenn keine christlichen und griechisch-römischen Einflüße eingeflossen sein sollten.


Der umgekehrte Gedanke kommt dir wohl nicht in den Sinn, oder? Die Römer und Griechen haben ja auch eine indogermanische Vergangenheit.
Das ist nicht der umgekehrte Gedanken, das wäre wenn die Römer und Griechen Teile der germanischen Mythologie übernommen hätten, was natürlich komplett unsinnig ist. Wie schon öfter erwähnt wurde, gibt es Teile der Mythologie, welche in allen indogermanischen Religionen vorkommen (wie den Hauptgott und die Riesen).

Alle Gemeinsamkeiten der Edda mit der römisch-griechischen Mythologie kann man allerdings nicht so erklären, da viele Sachen einfach nicht in vorchristlichen Quellen auftauchen und sich die Kultur der Germanen schon 3000 Jahre vor der Edda von den anderen indogermanischen Kulturen getrennt hatte.
Allerdings wäre es auch sehr sonderbar, wenn die Germanen, welche zur Römerzeit bereits im kulturellem Einfluß der Römer standen, nichts von den Römern in ihre Mythologie eingebaut hätten.
Zusätzlich wäre es für die Skalden, welche viele griechische und römische Sagen kannten (wie z.B. Vergil), kein Problem gewesen etwas davon zu übernehmen, um für ihre Arbeitgeber immer mal wieder etwas neues zu dichten.
Die Schöpfungsgeschichte wird selbst von vielen Heiden nicht mehr als authentisch angesehen, da die christlichen Einflüße doch offensichtlich sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Witege schrieb:
Das einzige was ich dir die ganze Zeit versuche klar zu machen ist, dass man nicht annehmen kann, dass die Einzelheiten der Edda als ernstzunehmde Quellen zu nehmen sind. Die Götter wie Odin, Thor usw. gab es natürlich auch zur heidnischen Zeit. Ihr Bild hat sich allerdings durch den Einfluß der Skalden gewandelt, welche die alten Sagen noch mit eigenen, christlichen und anderen mythologischen Aspekten ausgeschmückt haben (und natürlich haben sie es nicht zugegeben, wäre ja auch blöde von ihnen gewesen)...Allerdings wäre es auch sehr sonderbar, wenn die Germanen, welche zur Römerzeit bereits im kulturellem Einfluß der Römer standen, nichts von den Römern in ihre Mythologie eingebaut hätten.
Ich denke, in Skandinavien dürfte der römische Einfluß, durch die relative geographische Abgeschiedenheit nicht so groß gewesen sein, wie im übrigen Germanien. Und die Edda ist speziell für die Nordgermanen die wichtigste schrftliche Quelle, die wir haben, da wir außer den Runen sonst keine weiteren schriftlichen Hinterlassenschaften haben. Jedoch halte ich die "Nordmänner" für einen einigermaßen geschlossenen Kulturkreis, bei dem es von Stamm zu Stamm - wenn überhaupt - nur geringe Unterschiede in der Mythologie gegben haben dürfte.

Witege schrieb:
Die Schöpfungsgeschichte wird selbst von vielen Heiden nicht mehr als authentisch angesehen, da die christlichen Einflüße doch offensichtlich sind.
Welche offensichtlichen Einflüsse stechen dir da besonders ins Auge?
 

Ich denke, in Skandinavien dürfte der römische Einfluß, durch die relative geographische Abgeschiedenheit nicht so groß gewesen sein, wie im übrigen Germanien...

Deswegen ja auch nur :
die Germanen, welche zur Römerzeit bereits im kulturellem Einfluß der Römer standen,
(hatte eigentlich gedacht, dass es schon klar sein würde, dass ich nicht aller Germanen gemeint habe)


Welche offensichtlichen Einflüsse stechen dir da besonders ins Auge?
Ich muß zugeben, dass ich mich nicht genug mit der Edda beschäftigt habe um hier alle aufzuzählen, was sich aber bestimmt im Internet herausfinden läßt. Besonders deutlich wird es wohl bei der Sintflut (und evtl. auch bei den 9 Welten (Himmelssphären)).


Wikipedia nennt einen deutlichen Bezug des Prologs auf die alttestamentliche Schöpfungsgeschichte und Ideen der mittelalterlichen Kirchengeschichte. http://de.wikipedia.org/wiki/Prolog_Snorra-Edda


Da selbst dir germanische Glaubensgemeinschaft es zugibt, dass es deutliche christliche Einflüße gibt, dachte ich, dass es allgemein anerkannt wird.
http://www.beepworld.de/members62/allsherjargode/juengereedda.htm schrieb:
Ihr Formáli (Prolog) ist umstritten: Ist er echt, oder ein späterer Zusatz? Vermutlich wurden die Formáli verfaßt, um den heidnischen Inhalt der Hauptteile der jüngeren Edda überhaupt schreiben zu dürfen. Mit einer christlichen Einleitung versehen war die Gefahr etwas geringer, als Heide entlarvt und vielleicht hingerichtet zu werden. Gleichzeitig findet sich in diesem Text eine wichtige, aber verschlüsselte Deutungsanweisung, die hier nicht weiter besprochen werden soll.
 
Witege schrieb:
Da selbst dir germanische Glaubensgemeinschaft es zugibt, dass es deutliche christliche Einflüße gibt, dachte ich, dass es allgemein anerkannt wird
Hab ja nur gefragt, ob dir dazu spontan ein Beispiel einfällt.

Ich habe ja die ganze Edda - "ältere" wie "jüngere" - einmal komplett durch und besonders in "Gylfaginning", der jüngeren Edda, wird Odin tatsächlich als der Übergott dargestellt und oft als "Allvater" bezeichnet, so daß es dort schon fast in die monotheistische Richtung geht. Wörtlich heißt es dort:

Gylfaginning schrieb:
...Odin ist der vornehmste und älteste der Asen. Er waltet aller Dinge, und obwohl auch andere Götter Macht haben, so dienen ihm doch alle wie Kinder ihrem Vater...Odin heißt Allvater, weil er aller Götter Vater ist, und Walvater, weil alle seine Wunschsöhne sind, die auf dem Walplatz fallen...

Insofern stimme ich den Ausführungen in Wikipedia-Prolog zu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Horst schrieb:
Geoffrey de Monmouth erwähnt in der Historia regnum Britanniae (im Jahr 1136 vollendet) Mercurius als Wodan und höchsten Gott der Angelsachsen, dem der vierte Wochentag geweiht ist.

Horst schrieb:
Babylonier und Ägypter bezeichneten die einzelnen Wochentage ebenso wie später die Griechen und Römer nach den sieben Gestirnen Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn; bei den Germanen wurden dann die römischen Götternamen zum Teil durch die entsprechenden eigenen ersetzt.

Worauf ich nur Wert lege, das ist die Identifizierirung von Wodan/Odin mit Merkur, denn hierauf bezog sich mein Hinweis auf den Widerspruch zu Prokops Angabe oder zu der von dir erwähnte Glosse, worin Wodan/Odin eben nicht mit Merkur, sondern mit Mars gleichgesetzt wird, wie du schreibst:

Jonas von Bobbio erwähnt in der Vita Columbani (nach dem Jahr 642 vollendet) ein Heiligtum, ein Biertrankopfer für Wodan mit großem Kessel, in einer Glosse dazu wird Wotant mit Mars gleichgesetzt.... Procop nennt in De Bello Gothico (um das Jahr 550) Ares den größten gotischen Gott.

Horst schrieb:
Wodan wird nicht nur mit Mars gleichgesetzt, sondern er wird auch mit ihm gleichgesetzt. Sinnbilder des Mars waren Lanze und Stier. Plutarch nennt den Schwur der Cimbern auf einen heiligen ehernen Stier. Die Berührung der Italiker mit dem Griechentum brachte bei Angleichung seiner Gestalt an Ares auch für ihn die Erscheinung als gerüsteter Krieger. Der Schwertgott Ziu bleibt der Gott des Things (Dienstag).

So scheint es für dich also kein Widerspruch zu sein, daß für andere Wochentage (dis Martis; die Jovis) eben andere Gottheiten eingesetzt wurden (mutmaßlich Týr als Kriegsgott und als oberster Gott Thor/Donar - entsprechend der intepretation romana bei Tacitus).
Dir genügt anscheinend der Hinweis darauf, daß Wodan/Odin sowohl mit Mars als auch mit Merkur identifiziert werden kann?

Horst schrieb:
Die siebentägige Woche wurde von Konstantin im Römischen Reich eingeführt. Die Neckar-Kimbern, die am Neckar Siedlungsland fanden, haben dem Mercurius-cimbricus noch im zweiten Jahrhundert nach der Zeitrechnung Weihesteine gesetzt.

- Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
- Auch ich habe bei R. Simek über diese Weihesteine gelesen, demnach es als wahrscheinlich gilt, daß Merkur (+Beinamen) dabei mit Wodan/Odin als oberster Gott betrachten werden kann.

Horst schrieb:
Cornelius Tacitus erwähnt in den Germania (nach dem Jahr 98) den Gott Merkur, der von den Germanen am meisten verehrt wird. Er erwähnt die Gotonen als nördliche Nachbarn der Lugier.

Auf meine Frage, warum du die Vorfahren der Goten und deren damalige Oberherren erwähnst, korrigierst du mich:

Horst schrieb:
Jordanes Gotengeschichte fußt auf Cassiodor; und gibt Hinweise auf die älteste Stammesgeschichte der Goten. Die Lugier waren nicht die Oberherren der Gotonen; zu ihnen gehörten die Vandalen.

Und recht hast du in gewisser Weise. Aber ich hatte vor allem im Kopf, daß Wolfram nicht nur von einer ursprünglichen vandalischen Abhängigkeit der Gutonen und Langobarden sprach, sondern daß es er von einer lugisch-vandalischen Großgruppe sprach, sowie an einer Stelle auch ohne genauere Angabe nur von Lugiern. Diese Großgruppe wurde sowohl von Tacitus (als „Lugier“) als auch von Plinius d. Ä. (als „Vandilier“) erwähnt.

Du fügst hinzu, daß du
Horst schrieb:
lediglich den Widerspruch ansprechen [wolltest], der sich aus Tacitus Germania ergibt, worin er unterstreicht, keine Bildnisse seien vorhanden, keine Spur eines fremden Brauches.

Nun gut. Aber Tatsache ist, daß man eigentlich nicht weiß, wer in diesen Pfahlgötzen verehrt wurde.

Horst schrieb:
Velleius Paterculus schildert in der Historia Romana (um das Jahr 30) die Traumgesichter der Götter durch einen weisen Alten. Strabos Geographia (etwa um das Jahr 18) enthält u. a. einen Bericht über die Opferfrauen der Cimbern. Caius Julius Caesar erwähnt in De Bello Gallico (in den Jahren 51/52 v.d.Z.) germanische Götter, Losen und Losorakel der Frauen.

Jetzt weiß ich nicht, ob du das mit ausführlicher meinst:

Horst schrieb:
Strabo berichtet von diesen Walküren und Nornen.

Darüber weiß ich leider zu wenig. Was ich darüber bei Simek gelesen habe, erscheint mir ein heilloses Durcheinander. Interessant finde ich aber insgesamt, daß es bei den Germanen anscheinend bedeutende Priesterinnen gab.

Auf meine Frage, warum dir der Anderlinger Bildstein so bedeutungsvoll erschien und meine Bitte um Information über die skandinavischen Felsbilder antwortest du:

Horst schrieb:
Die mittlere Gestalt des Steinkammergrabes von Anderlingen trägt in der erhobenen Rechten ein Beil. Es sieht fast wie ein Tüllenbeil der Bronzezeit aus. Die links von ihr stehende Gestalt hält ebenfalls beide Arme empor und spreizt die Finger weit auseinander. Hier könnte es sich um den alten Sonnengott Ziu handeln, der in Indien in ähnlicher Weise dargestellt wurde. Dann wäre der Gott mit dem Beil der ebenso alte Donnergott Donar. Ob die dritte, beschädigte Gestalt Odin ist, läßt sich nur vermuten. Die über zwei Meter große Gestalt eines speerschwingenden Mannes mit Ohranhänger auf dem Felsplateau von Litsleby-Tanum weist auf einen Vorläufergott Odins oder gar schon auf diesen selbst hin. Ebenso nahe liegt es, in dem Axtgott von Kinnekulle in Västergotland einen Gott wie Thor zu sehen. In der großen Gestalt von Backa-Brastad, die auf zwei Stangen ein riesiges Radkreuz emporhält, läßt sich der Sonnengott Tyr vermuten.

Mich würde interessieren: Streitet man sich nicht u. a. auch über das Alter der Felsbilder?

Mit meiner Bemerkung, daß du deine Überlegungen trotz der Erwähnung der bronzezeitlichen „Überlieferung“ – die du für mich neuerdings noch erläutert hast - auf eine Zeit lange nach der Bronzezeit einschränken würdest, antwortest du:

Selbstverständlich; die Edda ist in der Skaldenzeit entstanden. Es liegt darin aber kein Widerspruch, wenn man zwischen Gestaltung und Inhalt der Sagen unterscheidet.
Allerdings meinte ich den völkerwanderungszeitlichen Bezug deiner Aussage:
Horst schrieb:
Die Sagen und Heldenlieder der Völkerwanderungszeit wurden von den Germanen nicht aufgezeichnet.
Liegt die Skaldenzeit nicht noch später, nämlich im Hohen Mittelalter?

Statt durch christliche oder grecoromanischen Einfluß auf die Skaldendichtung zu fragen, schlägst du den „umgekehrten Gedanken“ vor, denn
Die Römer und Griechen haben ja auch eine indogermanische Vergangenheit.

Allerdings gilt mir die indogermanische Vergangenheit als suspekt. So heißt es zwar, daß den Indoeuropäern möglidherweise ein Himmelsgott gemeinsam war. Aber wie sind in Laufe der Jahrtausende die einzelnen Patheone entstanden?

Und überhaupt:
Das Alter ego Wodans [Loki?] hat seine Wurzeln im Schamanismus.
WIe habe ich das zu verstehen?

Du meinst WITEGE hätte behauptet bzw. sei der Meinung, daß die Skalden der Wikingerzeit den Göttervater Odin erfunden haben? Aber stellte er nicht nur die Nachfrage:
Witege schrieb:
Weil man Odin/Wodan als Gott der Germanen bezeichnen kann, sind also alle Geschichten in der Edda auch für die früheren Germanen aussagekräftig?
Jedenfalls ergänzt du:
Horst schrieb:
Es gibt auch die Ansicht, der Gott Merkur in Tacitus Germania sei nicht Wodan. Wodan sei erst in der eigentlichen Völkerwanderungszeit zum höchsten Gott aufgestiegen.
Also das halte ich zur Zeit auch für durchaus wahrscheinlich, daß der Wodanismus höchstens kurz vor der Völkerwanderung entstand.
Im übrigen gibt es, wenn ich das recht überblicke, noch andere Kandidaten für den höchsten Gott, nämlich Thor (man denke an die Identifizierung mit Iiuppiter) oder auch Týr, auf den BARBAROSSA hinwies.

Wie auch immer, du jedenfalls siehst also die Gestalt Odins/Wodans als wesentlichen Bestandteil der germanische Sagen an, wie er erscheint:
Horst schrieb:
Umgeben von Walküren, den schicksalkündenden Nornen, dem mächtigen, hammerschwingenden Donnergott Thor, dem listigen Gefährten Loki und der Liebesgöttin Freya
Und behauptest eine Entwicklun Odins/Wodans
Horst schrieb:
vom Toten- und rasenden Schlachtengott, der seine Berserker in einen Rausch versetzt und in blutige Kriege führt, über den Zauber- und Runengott zum Gott der Dichter.
 
Ich muß zugeben, dass ich mich nicht genug mit der Edda beschäftigt habe um hier alle aufzuzählen, was sich aber bestimmt im Internet herausfinden läßt. Besonders deutlich wird es wohl bei der Sintflut (und evtl. auch bei den 9 Welten (Himmelssphären)).
Wikipedia nennt einen deutlichen Bezug des Prologs auf die alttestamentliche Schöpfungsgeschichte und Ideen der mittelalterlichen Kirchengeschichte. http://de.wikipedia.org/wiki/Prolog_Snorra-Edda
Da selbst dir germanische Glaubensgemeinschaft es zugibt, dass es deutliche christliche Einflüße gibt, dachte ich, dass es allgemein anerkannt wird.

Ich denke, daß der Prolog eigentlich nicht primär für einen christlichen Einfluß auf die Edda herangezogen werden kann.

Als christlich beeinflußt gilt z. B. die Gestalt Balders - so nach Rudolf Simek, für den kein Kult nachzuweisen sei, der aber im nordischen Pantheon eine bedeutende Rolle einnehme. Er soll ein ursprünglich südskandinavischer Gott gewesen sein, auf den sich dänische und westgermanische Königsgemeaologien beziehen. Für seinen "unschuldigen Tod" war Loki veranwortlich, der auch dessen Wiederauferstehung vereitelte.
Allerdings lese ich bei Hyam Maccoby (Der Heilige Henker) gerade über die Baldermythe nach; dieser bezieht sich auf die Argumentation von Frazer (Der golödene Zweig) bezieht, der gezeigt habe, "daß der Mythos von Baldurs Tod von einem wirklich praktizierten Ritual herrührt, bei dem eine Puppe, die Baldur darstellt, im Rahmen eines Feuerfestes verbrannt wurde (in noch früherer Zeit wurde ein Mensch als Vertreter Baldurs verbrannt." Das widerspricht allerdings der Angabe Simeks.

Ebenfalls, darauf weist BARBAROSSA hin, gilt die Bezeichnung Odins als "alfathir" als christlich beeinflußt.
 
Muspilli schrieb:
So scheint es für dich also kein Widerspruch zu sein, daß für andere Wochentage (dis Martis; die Jovis) eben andere Gottheiten eingesetzt wurden (mutmaßlich Týr als Kriegsgott und als oberster Gott Thor/Donar - entsprechend der intepretation romana bei Tacitus).
Dir genügt anscheinend der Hinweis darauf, daß Wodan/Odin sowohl mit Mars als auch mit Merkur identifiziert werden kann?
So ist es, denn der Dienstag war in alter Zeit oft Gerichtstag. Das deutsche Wort wird abgeleitet von dem auf Inschriften in lateinischer Sprache bezeugten Namen des germanischen Kriegsgottes Mars Thingsus. Die Beziehungen zum lateinischen dies martis spiegeln sich in der mittelalterlichen Beachtung des Tages für den Beginn von Kriegshandlungen.
Muspilli schrieb:
Streitet man sich nicht u. a. auch über das Alter der Felsbilder?
Bronzezeit.
Muspilli schrieb:
Liegt die Skaldenzeit nicht noch später, nämlich im Hohen Mittelalter?
Das verwechselst du mit der Zeit der Minnesänger.
Witege schrieb:
Ihr Bild hat sich allerdings durch den Einfluß der Skalden gewandelt, welche die alten Sagen noch mit eigenen, christlichen und anderen mythologischen Aspekten ausgeschmückt haben (und natürlich haben sie es nicht zugegeben, wäre ja auch blöde von ihnen gewesen).
Ich frage mich, woher du das wissen kannst.
Witege schrieb:
Außerdem sollte dir klar sein, dass man die einzelnen Aspekte von Odin/Wodan, welche in der Edda geschrieben stehen, nicht auf den früheren Wodankult übertragen kann, selbst wenn keine christlichen und griechisch-römischen Einflüße eingeflossen sein sollten.
Was meinst du mit "früheren Wodankult"?
Witege schrieb:
Das ist nicht der umgekehrte Gedanken, das wäre wenn die Römer und Griechen Teile der germanischen Mythologie übernommen hätten, was natürlich komplett unsinnig ist.
Indogermanische Stämme wanderten nach Griechenland ein und vermischten sich mit der Vorbevölkerung. Wie in der griechischen Religion finden sich in den griechischen Götter- und Heldensagen morgenländische, ägäische und indogermanische Bestandteile. Die griechische Sagenwelt drang auch nach Rom vor und erlebte in der Übernahme durch die großen Dichter (z.B. Vergil) eine neue Blüte. Jupiter wurde, dem indogermanischen Brauchtum entstammend, oberster Gott der Römer und mit dem griechischen Zeus in Verbindung gebracht. So erscheint die römische Sagenwelt als eine Spiegelung der griechischen. Der Unterschied zur Sagenwelt der Germanen liegt aber schon im göttlichen Gesetz begründet, das die Germanen nicht kannten.
Witege schrieb:
Alle Gemeinsamkeiten der Edda mit der römisch-griechischen Mythologie kann man allerdings nicht so erklären, da viele Sachen einfach nicht in vorchristlichen Quellen auftauchen und sich die Kultur der Germanen schon 3000 Jahre vor der Edda von den anderen indogermanischen Kulturen getrennt hatte.
Dafür kannst du gewiß ein Beispiel nennen.
Witege schrieb:
Allerdings wäre es auch sehr sonderbar, wenn die Germanen, welche zur Römerzeit bereits im kulturellem Einfluß der Römer standen, nichts von den Römern in ihre Mythologie eingebaut hätten.
Das sagt einem der gesunde Menschenverstand, aber stimmt das auch?
Witege schrieb:
Zusätzlich wäre es für die Skalden, welche viele griechische und römische Sagen kannten (wie z.B. Vergil), kein Problem gewesen etwas davon zu übernehmen, um für ihre Arbeitgeber immer mal wieder etwas neues zu dichten.
Kannst du diesen ursächlichen Zusammenhang z.B. mit Vergil belegen?
Barbarossa schrieb:
Ich denke, in Skandinavien dürfte der römische Einfluß, durch die relative geographische Abgeschiedenheit nicht so groß gewesen sein, wie im übrigen Germanien. Und die Edda ist speziell für die Nordgermanen die wichtigste schrftliche Quelle, die wir haben, da wir außer den Runen sonst keine weiteren schriftlichen Hinterlassenschaften haben. Jedoch halte ich die "Nordmänner" für einen einigermaßen geschlossenen Kulturkreis, bei dem es von Stamm zu Stamm - wenn überhaupt - nur geringe Unterschiede in der Mythologie gegeben haben dürfte.
In der Skaldenzeit waren die Wikinger durch ihre Fahrten sehr mit der christlichen (römischen) Welt verbunden. Im römischen Heer dienten wohl auch schon zur Kaiserzeit viele Germanen, die in ihre Heimat zurückgekehrt, den Glauben der Germanen hätten verändern können.
Witege schrieb:
Besonders deutlich wird es wohl bei der Sintflut (und evtl. auch bei den 9 Welten (Himmelssphären)).
Meines Wissens kennen auch die australischen Ureinwohner eine Art von Sintflut; und bei den Maya soll es auch neun Welten gegeben haben; während in der altertümlichen Welt nach Aristoteles die Vorstellung vom siebenten Himmel vorherrschte.
Witege schrieb:
Wikipedia nennt einen deutlichen Bezug des Prologs auf die alttestamentliche Schöpfungsgeschichte und Ideen der mittelalterlichen Kirchengeschichte.
Das Vorwort ist ja auch kein Bestandteil der germanischen Sagenwelt.
Witege schrieb:
Da selbst die germanische Glaubensgemeinschaft es zugibt, dass es deutliche christliche Einflüße gibt, dachte ich, dass es allgemein anerkannt wird.
Eine germanische Glaubensgemeinschaft gibt es nicht. Dein Verweis bezieht sich lediglich auf das Vorwort der jüngeren Edda.
Barbarossa schrieb:
Ich habe ja die ganze Edda - "ältere" wie "jüngere" - einmal komplett durch und besonders in "Gylfaginning", der jüngeren Edda, wird Odin tatsächlich als der Übergott dargestellt und oft als "Allvater" bezeichnet, so daß es dort schon fast in die monotheistische Richtung geht.
Odin ist der Vater aller Götter und Menschen, Schöpfer aller Dinge. Der Monotheismus wurzelt nicht in der Überlegung, daß es nur einen Allmächtigen geben könne, sondern setzt die ausschließliche Verehrung eines Gottes voraus.
 
Das verwechselst du mit der Zeit der Minnesängerzeit.
Damit hast du Recht. Die Skaldenzeit (ab 800) begann bereits im Frühmittelalter, allerdings fällt das Ende der Skaldenzeit (zumindest in Island bis ins 13. Jahrhundert) und die Edda eindeutig ins Hochmittelalter (ca. 1050-1250).


Was meinst du mit "früheren Wodankult"?
Dem Glauben an Wodan zur Früh-, Römer- und Völkerwanderungszeit. Also den Zeiten vor der Christianisierung bzw. (in Nordeuropa) der Skaldenzeit.


Indogermanische Stämme wanderten nach Griechenland ein und vermischten sich mit der Vorbevölkerung.
Die Ackerbauern könnten auch schon immer Indogermanen gewesen sein, wie in der Anatolien-Hypothese behauptet wird...
Außerdem geht es hier um die Germanen und nicht Indoeuropäer.


Jupiter wurde, dem indogermanischen Brauchtum entstammend, oberster Gott der Römer und mit dem griechischen Zeus in Verbindung gebracht. So erscheint die römische Sagenwelt als eine Spiegelung der griechischen.
Falsch, Jupiter wurde erst durch den von den Etruskern gebrachten Einfluß der griechischen Mythologie zum Hauptgott. Zuvor war als wohl Mars.
http://de.wikipedia.org/wiki/Römische_Religion


Dafür kannst du gewiß ein Beispiel nennen.
Dazu gehört zum Beispiel das Totenreich. Rudolf Simek schreibt dazu:
Götter und Kulte der Germanen schrieb:
Noch deutlicher christliche, besonders aber klassisch-antike Züge tragen die überlieferten Beschreibungen von der Totengöttin Hel und ihrem Schattenreich. In der Schilderung von Snorri Sturluson daminiert hier überhaupt das literarische Element, das noch dazu wesentlich von biblischen Bildelementen bestimmt ist. Das ganze Konzept des Schattenreichs erweist sich als Mischung aus antikem Hades und christlichen Jenseitsvorstellungen mit deutlichen Einflüssen der mittelalterlichen Höllenvorstellung. Bei den Skalden werden weder die Göttin noch die gleichnamige Totenwelt erwähnt, vielleicht hat also erst das Christentum die Notwendigkeit provoziert, daß auch die Heiden eine Art von konkreter Jenseitsopographie entwerfen mußten, die vorher jedenfalls keine systematischen Züge kannten.


Kannst du diesen ursächlichen Zusammenhang z.B. mit Vergil belegen?
Wie du überall nachlesen kannst (auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Vergil) war Vergil das ganze Mittelalter hindurch sehr wohl bekannt. Kann ich es beweisen, dass die Skalden ihn gelesen haben? Wie sollte ich das? Kannst du etwa beweisen, dass sie ihn nicht gelesen haben?


Meines Wissens kennen auch die australischen Ureinwohner eine Art von Sintflut; und bei den Maya soll es auch neun Welten gegeben haben;
Überflutungen gab es nunmal schon immer und überall auf der Welt. Außerdem haben Missionare schon immer ihre Sintflutsgeschichte auf der Welt verbreitet. Ich habe sogar einmal gelesen, dass sie absichtlich eine Schrift der Maya falsch übersetzt haben um ihnen die Sintflut anzudichten. Aber dafür gibt es genügend anderer Threads.
Außerdem wäre dies auch kein Beweis dafür, dass die Germanen einen Sintflutmythos hatten oder nicht. Das muß man schließlich für jedes Volk einzeln beweisen...


Das Vorwort ist ja auch kein Bestandteil der germanischen Sagenwelt.
Eine germanische Glaubensgemeinschaft gibt es nicht. Dein Verweis bezieht sich lediglich auf das Vorwort der jüngeren Edda.
Warum ist das Vorwort kein Bestandteil der Sagenwelt? Weil es selbst den Heiden zu unglaubwürdig ist? Ist aber nicht wirklich konsequent, oder?

Diese "Germanische Glaubens-Gemeinschaft" nennt sich nunmal so. Hier ist ihre Homepage, welche du bestimmt schon einmal gesehen hast:
http://www.beepworld.de/members62/allsherjargode/index.htm
 
Witege schrieb:
Dem Glauben an Wodan zur Früh-, Römer- und Völkerwanderungszeit. Also den Zeiten vor der Christianisierung bzw. (in Nordeuropa) der Skaldenzeit.
Der Quellenwert der Edda wird unterschiedlich eingeschätzt, aber mir ist nicht klargeworden, weshalb man die einzelnen Aspekte (?) von Odin/Wodan, welche in der Edda aufgezeichnet sind, nicht auf den früheren Wodankult übertragen können sollte. Nach der Christianisierung lebte die Skaldendichtung ungebrochen fort und bewahrte damit die Kenntnis heidnischer Sagenstoffe und Gestalten.
Witege schrieb:
Jupiter wurde erst durch den von den Etruskern gebrachten Einfluß der griechischen Mythologie zum Hauptgott.
Ich erkenne da keinen Widerspruch zu meinen Aussagen.
Witege schrieb:
Dazu gehört zum Beispiel das Totenreich. Rudolf Simek schreibt ...
Hel wurde von Odin als die dunkle Herrscherin des Totenreiches eingesetzt und herrscht dort über alle neun Welten. Die Strohtoten, also alle Menschen, deren Schicksal es ist, im Bett oder auf dem Krankenlager zu sterben, gehörten zum Reich der Hel. Rudolf Simek widerspricht sich offenbar selbst, wenn er im Lexikon der germanischen Mythologie, S. 168 darauf hinweist, daß Hel mit Vorstellungen von einem Sippengrab verbunden war, wie es aus den Megalithgräbern der Stein- und Bronzezeit bekannt ist.
Witege schrieb:
Warum ist das Vorwort kein Bestandteil der Sagenwelt? Weil es selbst den Heiden zu unglaubwürdig ist? Ist aber nicht wirklich konsequent, oder?
Das Vorwort ist wohl kaum älter als die Edda-Handschrift selbst.
Muspilli schrieb:
Als christlich beeinflußt gilt z. B. die Gestalt Balders - so nach Rudolf Simek, für den kein Kult nachzuweisen sei, der aber im nordischen Pantheon eine bedeutende Rolle einnehme.
Balder ist der Lichtgott. Der hehre Balder wird von einigen Forschern als eine Art nordeuropäischer Christus mißverstanden.
 
Witege schrieb:
Diese "Germanische Glaubens-Gemeinschaft" nennt sich nunmal so. Hier ist ihre Homepage, welche du bestimmt schon einmal gesehen hast:
Ich kenne diese Seite auch. Das sind Scharlatane, die das Geschichtsbild verfälschen wollen. Wenn man echte Infos sucht, sollte man sie nicht auf dieser Seite suchen.
Witege schrieb:
Dazu gehört zum Beispiel das Totenreich. Rudolf Simek schreibt dazu:
Witege schrieb:
Zitat: Götter und Kulte der Germanen, S.119
Noch deutlicher christliche, besonders aber klassisch-antike Züge tragen die überlieferten Beschreibungen von der Totengöttin Hel und ihrem Schattenreich. In der Schilderung von Snorri Sturluson daminiert hier überhaupt das literarische Element, das noch dazu wesentlich von biblischen Bildelementen bestimmt ist. Das ganze Konzept des Schattenreichs erweist sich als Mischung aus antikem Hades und christlichen Jenseitsvorstellungen mit deutlichen Einflüssen der mittelalterlichen Höllenvorstellung. Bei den Skalden werden weder die Göttin noch die gleichnamige Totenwelt erwähnt, vielleicht hat also erst das Christentum die Notwendigkeit provoziert, daß auch die Heiden eine Art von konkreter Jenseitsopographie entwerfen mußten, die vorher jedenfalls keine systematischen Züge kannten.
Vielleicht sind aber sämtliche Vorstellungen über eine Totenwelt, Himmel, Hölle, ect. viel älter, als wir alle denken und die Kulturen brauchten sich gar nicht erst gegenseitig beeinflussen, weil sie bereits in einer art "Urkultur" bereits vorhanden war. Denn an ein Leben nach dem Tod glauben Menschen schon sehr lange. Auch das wäre m. M. n. zu bedenken.
 
Zuletzt bearbeitet:
An Dieter

Hallo Dieter
Ich will mich da ja nicht einmischen, aber ich habe Euren ganzen Thread gelesen und feststellen müssen, dass Du anscheinend der Einzige bist, der die Ynglingasaga gelesen hat. Erklär ihnen mal den Unterschied zwischen der Mythologie des Gylfaginnings (Prosa-Edda) und der der Ynglingasaga.
Und statt in Trichterbecherkultur und Grosssteingräbern zu wühlen, solltet Ihr mal überlegen, wieso Odin einerseits der einäugige wandernde Schamane in Mantel und Schlapphut ist, und andererseits der fürstliche Reiter mit Lanze und Goldhelm. Ich sagte "Odin", denn von dem kontinentalen "Wodan" gibt es keine Beschreibung. Und warum FReya es ist, die die Hälfte der gefallenen Krieger in ihre Halle "Folkwang" bekommt, während Odin und sein Walhall mitdenen gfüllt ist, die Freya verschmâht (Gylfaginning 24).
Schönen Gruss
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
Und statt in Trichterbecherkultur und Grosssteingräbern zu wühlen, solltet Ihr mal überlegen, wieso Odin einerseits der einäugige wandernde Schamane in Mantel und Schlapphut ist, und andererseits der fürstliche Reiter mit Lanze und Goldhelm. Ich sagte "Odin", denn von dem kontinentalen "Wodan" gibt es keine Beschreibung. Und warum FReya es ist, die die Hälfte der gefallenen Krieger in ihre Halle "Folkwang" bekommt, während Odin und sein Walhall mitdenen gfüllt ist, die Freya verschmâht (Gylfaginning 24).


Am Anfang dieses Threads stand die Frage, was wohl "vor dem Wodankult" - d.h. vor Germanen und Indoeuropäern - gewesen ist.

Um das zu beantworten, muss man zwangsläufig auf die frühen neolithischen Bauernkulturen eingehen, die vor der Ausbreitung der Indoeuropäer die Religion Europas bestimmten. Geht man von der mehrheitlich vertretenen Meinung aus, dass die Indoeuropäer ab dem 3. Jahrtsd. v. Chr. aus dem südrussischen und osteuropäischen Raum nach Mitteleuropa einwanderten, so muss man nach den religiösen Vorstellungen ihrer Vorgänger fragen.

Das sind die frühen Ackerbauern bzw. Bandkeramiker, die seit dem 7. Jahrtausend über Kleinasien und Südosteuropa nach Mitteleuropa expandierten, das sie etwa um 5000 v. Chr. erreichten. An Odin oder andere germanische Gottheiten war zu diesem Zeitpunkt freilich nicht zu denken, auch nicht an Gottheiten anderer indoeuropäischer Stämme. Vielmehr geht es hier in erster Linie um Kulte von Fruchtbarkeitsgöttinnen, wie sie bekanntlich in ackerbauenden Kulturen verbreitet waren.

Das änderte sich erst mit dem Einbruch indoeuropäischer Stämme, die eine patriarchalische Gesellschaftsstruktur und eigene Gottheiten mitbrachten - unter anderem auch einen Todes- und Sturmgott, der später bei den Germanen zu "Wotan" wurde.
 
Das änderte sich erst mit dem Einbruch indoeuropäischer Stämme, die eine patriarchalische Gesellschaftsstruktur und eigene Gottheiten mitbrachten - unter anderem auch einen Todes- und Sturmgott, der später bei den Germanen zu "Wotan" wurde.


Einmal davon abgesehen, daß der "Einbruch indoeuropäischer Stämme" nach Mittel- und Nordeuropa bislang ein fiktives Szenario ohne den geringsten archäologischen Beleg darstellt...

Welchen Anhaltspunkt gäbe es denn, daß die bäuerliche Gesellschaftsstruktur der frühen Ackerbauern nicht patriarchalisch war? Etwa 99,9% aller Bauerngesellschaften unseres Planeten sind patriarchalisch strukturiert, warum sollte das gerade in Europa ganz anders gewesen sein?

Und warum soll der Sturmgott nicht auf autochthone Traditionen zurückgehen? Stürme kannte die europäische Bevölkerung doch sicher schon vor der Indogermanisierung, und Sturmgötter finden wir in Mesopotamien ebenso wie in Ostasien oder Mittelamerika - warum sollte es da gerade in Mittel- und Nordeuropa eines Imports bedarft haben?
 
Alle diese Aussagen sind natürlich spekulativ! Die Vielzahl weiblicher Statuen, die man in Mittel- und vor allem in Südostopa in Verbindung mit den alten neolithischen Kulturen fand, lässt aber den Schluss zu, dass der Götterhimmel der frühen Ackerbauern besonders von weiblichen Gottheiten, die Fruchtbarkeit schenken sollten, bestimmt war. Diese Statuen und Idole findet man in der Sesklo-Kultur, der Vinca-Kultur, der Starcevo-Kultur und der Linearbandkultur. Männliche Statuen sind hingegen kaum vertreten. Bereits in Kleinasien ist dieser Zug zu weiblichen Gottheiten ausgeprägt, man denke nur an Catal Hüyük.

Die vor einigen Jahren verstorbene Marija Gimbutas hat auf diesem Sektor umfangreich geforscht, zahlreiche archäologische Expeditionen geleitet, und ist zu dieser Auffassung gelangt. Entsprechende Publikationen sind bekannt. Natürlich gibt es Forscher, die dem widersprechen, wie das stets der Fall ist. Doch halten viele ihre Forschungsergebnisse für im Wesentlichen stichhaltig, was mir persönlich einleuchtet.

Insofern halte ich auch den Sturmgott, aus dem Wotan hervorging, für ein indoeuropäisches Produkt, und nicht für eine Gestalt der neolithischen Bauern. Zwar kann man behaupten, dass er bereits Jahrtausende zuvor existent war, doch gibt es dafür keinen Beweis - für das Gegenteil ebenfalls nicht. Dass auch Babylon einen Sturmgott kannte, spricht nicht gegen eine Herkunft Wotans aus dem indoeuropäischen Pantheon.
 
Genausogut gibt es Figuren mit überdimensionierten Phallen oder als kopulierende Pärchen aus dem Neolithikum.
 
Nochmals an Dieter

Dieter
Eure ursprüngliche Fragestellung war mir unbekannt, aber mir scheint, eine Fragestellung die soweit zurückreicht macht es erst recht notwendig, die Unterschiede in den verschiedenen Erzählungen der Skandinavier bezüglich Odins auseinander zu klauben. Davon abgesehen haben z B Skandinavier und Kelten einen einhändigen Gott, oder, Du kennst ja die Stelle, der Unterschied der Magie von Gaaldr und Seydr müsste besprochen werden.Vor Allem aber hat Hyokkose gerade die Problematik des "Einbruchs indo-europäischer Stämme" erwähnt. Ich kann mich nicht entsinnen in Eurem Thread ein Wort von indischer Mythologie gelesen zu haben, geschweige denn von iranischer.
Ich habe an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass das Favnirgold das "Wergeld" für den Totschlag seines Bruders "Otr" war und dass es bei den Medern eine ebenso grosse Strafe kostet, wenn man einen "Oudar" tötet. Das ist doch kein Zufall, aber nieand ist darauf eingegangen.Das gleiche Tier. Niemand ist darauf eingegangen.Und bei Euch lese ich blos Edda, Edda, Edda...
Es gibt doch eine umfangreiche Litteratur zur Indo-Europäer-Frage?
Ich will hier nicht das Siebengscheitle markieren, und muss sagen, ich weiss darüber sehr wenig, aber genug, um zu sagen, mit der Edda aallein an die gestellte Frage heranzugehen ist sinnlos.
Und, wie gesagt, die Kompositionsteile der Odin-Figur auszinanderzulegen müsste Dir doch leicht fallen, auch ween das etqas schmerzhaft sein dürfte.
Der alte Kaiser schläft im Berg und sein Bart ist durch den Tisch gawachsen, sagt die Sage.Friedrich im Kyffhäuser und Karl im Untersberg bei Salzburg.Das sind zwei Personen, auch wenn man von jhnen das gleiche erzählt.Da ist es klar, dass es nicht die gleiche Person ist Aber was wir von altnordischer/germanischer Mythologie wissen ist halt ein Zufalls-Mischmasch.
Ich habe mich hier an Dich gewandt, weil Du die Ynglingasaga kennst, ohne die man die nordische Mythologie gar nicht verstehen kann.Aber ohne die notwendige Dukumentation kann man doch an Eure Fragestellung gar nicht rangehen.
Genug der Klugscheisserei, ich werde hier nichts mehr sagen, aber Du tätest gut daran, wenigstens mehr von der Ynglingasaga auszupacken.
Alles Gute
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Vielzahl weiblicher Statuen, die man in Mittel- und vor allem in Südostopa in Verbindung mit den alten neolithischen Kulturen fand, lässt aber den Schluss zu, dass der Götterhimmel der frühen Ackerbauern besonders von weiblichen Gottheiten, die Fruchtbarkeit schenken sollten, bestimmt war.


Analog könnte man aus den zahlreichen Marienstatuen, die in und vor katholischen Kirchen aufgestellt werden, den Schluß ziehen, daß es sich bei der katholischen Kirche um eine ausgeprägt matriarchalische Gesellschaft handeln müsse. (Das Beispiel ließe sich noch ausbauen, aber lassen wir das lieber...)


Die vor einigen Jahren verstorbene Marija Gimbutas hat auf diesem Sektor umfangreich geforscht, zahlreiche archäologische Expeditionen geleitet, und ist zu dieser Auffassung gelangt. Entsprechende Publikationen sind bekannt. Natürlich gibt es Forscher, die dem widersprechen, wie das stets der Fall ist. Doch halten viele ihre Forschungsergebnisse für im Wesentlichen stichhaltig, was mir persönlich einleuchtet.


Die Tatsache, daß Marija Gimbutas eine anerkannte Archäologin war, besagt ebensowenig wie die Tatsache, daß sie auch heute noch einige Anhänger hat, irgend etwas für die Stichhaltigkeit ihrer Argumente. Selbstverständlich besagt auch die Beobachtung, daß ihre Anhänger unter den Fachkollegen sehr in der Minderheit sind, nichts gegen die Stichhaltigkeit.

Ich halte Thesen dann für stichhaltig, wenn die Fakten eindeutig und die Schlußfolgerungen logisch sind. Das ist bei den Thesen Marija Gimbutas', soweit sie mir bekannt sind, nicht der Fall. Ein besonders krasses Beispiel für ihre schwache Argumentationsbasis hatte ich in anderem Zusammenhang schon einmal genannt:

Die Belege, auf die Gimbutas ihre Schwarz-Weiß-Theorie "Patriarchat gegen Matriarchat" stützt, sind bei näherem Hinsehen überaus dürftig.

Stierkult und Rinderschädel in Alteuropa? Klarer Beweis für Matriarchat, denn laut Gimbutas bedeutet das "Born des Lebens, Symbol der Wiedergeburt, Gleichnis des weiblichen Uterus" (M. Gimbutas, Das Ende Alteuropas, Innsbruck 1994, S. 131).

Stierkult und Rinderschädel bei den Indoeuropäern? Klarer Beweis für Patriarchat, denn laut Gimbutas bedeutet das "Verkörperung des Donnergottes, Symbol für Stärke und Männlichkeit" (ebenda).


Dieter schrieb:
Insofern halte ich auch den Sturmgott, aus dem Wotan hervorging, für ein indoeuropäisches Produkt, und nicht für eine Gestalt der neolithischen Bauern. Zwar kann man behaupten, dass er bereits Jahrtausende zuvor existent war, doch gibt es dafür keinen Beweis - für das Gegenteil ebenfalls nicht.


So ist es.


Dass auch Babylon einen Sturmgott kannte, spricht nicht gegen eine Herkunft Wotans aus dem indoeuropäischen Pantheon.


Es spricht allerdings auch nichts für eine Herkunft Wotans aus dem indoeuropäischen Pantheon. Genaugenommen ist es sogar sehr fraglich, ob man überhaupt von "dem indoeuropäischen Pantheon" sprechen kann.
 
Ich habe mich hier an Dich gewandt, weil Du die Ynglingasaga kennst, ohne die man die nordische Mythologie gar nicht verstehen kann.Aber ohne die notwendige Dukumentation kann man doch an Eure Fragestellung gar nicht rangehen.

Warum hälst du ein Propagandawerk, das die Herkunft der norwegischen Könige von den Göttern ableitet und dessen vorhergehende Version, das Ynglingatal, wahrscheinlich frühestens aus dem 9. Jahrhundert stammt, für besonders wichtig im Bezug auf die germanische Religion der Frühzeit?


Oder haben auch die anderen germanischen Völker an ihren Inhalt geglaubt?

http://omacl.org/Heimskringla/ynglinga.html
 
Zurück
Oben