Zama war ein Hoax... und andere wilde Theorien

Ich verweise auf Hurst, die entsprechenden Seiten für die Darstellung der Stratigraphie im Bereich der Schiffshäuser habe ich bereits genannt. Wenn du willst, können wir über diesen Befund diskutieren. Im leeren Raum stehende Spekulationen sind jedenfalls nicht gewinnbringend, noch beweiskräftig.
 
Wie war das, war nicht zur Zeit der Gracchen Karthago neu kolonisiert worden?
Caius Grachus hatten das Projekt einer Wiederansiedlung und des Neubaues der Stadt angeregt und war damit im Senat gescheitert. Erst unter Augustus wurde das Projekt, welches auch Caesar im Sinn hatte, in die Tat umgesetzt. In dieser Zeit wurde auch die Hafeninsel umgestaltet und mit Tempel und umlaufenden Porticus versehen.
 
Die Stärke von Karthagos Flotte im ersten punischen Krieg etwa in der Seeschlacht von Ecnomus macht die Existenz des Kriegshafens bereits während oder vor dem ersten punischen Krieg wahrscheinlich.
Von der Anzahl der Kriegsschiffe in der Hochphase Karthagos kann man nicht zwangsläufig darauf schließen, dass die Stadt den Kriegshafen schon da benötigte. Die Kriegsflotte kann über die Außenposten Karthagos auf Korsika, Sardinien, Sizilien und den Balearen und Nordafrika verstreut gewesen sein. Rom hatte in späteren Zeiten auch die Kriegsflotten über zahlreiche Standorte verteilt. Malta, mit seinem riesigen Naturhafen und der Nähe sowohl zu Karthago als auch Sizilien war eine wichtige Flottenbasis der Punier gegen die Römer. Es befanden sich auch karthagische Werften auf der Insel, auf denen die Schiffe instand gehalten wurden.
Der Verlust dieser Außenposten könnte der Grund für den Bau eines Kriegshafens vor der Stadt gewesen sein.
 
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Zumindest das erste Argument steht auf schwachen Beinen - da Karthago laut Friednesschluss nur 10 Kriegschiffe haben durfte, was sollte es dann mit einem Kriegshafen, der 300 fasste?
Ganz genau sollen es 220 gewesen sein.

Die 10 Triremen durften sie nach der Niederlage behalten, der Rest der Flotte wurde von den Römern verbrannt. Das bedeutet aber wahrscheinlich nicht, dass die Karthager danach keine Kriegsschiffe mehr bauten. Als die Römer im dritten Krieg mit der Belagerung der Stadt drohten, lieferten die Karthager ihre Kriegsschiffe freiwillig aus. Nachdem sie die unannehmbaren Forderungen der Römer abgelehnt hatten und diese den Handelshafen abriegelten, gruben die Karthager einen Kanal vom Kriegshafen zum Meer und versuchten mit ihren letzten 50 Trieren und zahlreichen kleineren Fahrzeugen die Blockade zu durchbrechen Wenn sie zuvor schon Kriegsschiffe ausgeliefert hatten und trotzdem noch 50 Trieren beaßen kann das mit den 10 zu dieser Zeit nicht mehr gestimmt haben. Das bedeutet, dass sie noch über eine Kriegsflotte verfügten. Ich nehme an, dass sie lediglich keine Großkampfschiffe, wie Penteren und Hexeren mehr hatten.
Laut Appian (der sich im Wesentlichen auf den Belagerungsteilnehmer Polybios, von dessen Bericht leider nur wenige Fragmente erhalten sind, gestützt haben dürfte), von dem dieser Bericht stammt, wurden die Schiffe während der Belagerung neu gebaut, indem die Karthager alles an Baumaterial verwendeten, was sie auftreiben konnten. Allerdings widerspricht er sich anscheinend etwas: Zuerst schreibt er (Punischer Krieg 121), dass sie Penteren und Trieren gebaut hätten, dann schreibt er, dass sie für ihren Angriff auf die Römer 50 Trieren und kleinere Schiffe verwendeten.
Auch Livius (Epitome zu Buch 51) schreibt, dass die Karthager eine neue Flotte bauten. Strabon (17,3) schreibt gar, dass die Karthager in zwei Monaten 120 gedeckte Schiffe gebaut hätten.
Riothamus' Überlegung, dass die Karthager vielleicht Bauteile für Fertigteilschiffe lagerten, könnte durchaus in die richtige Richtung gehen.
 
Auch Livius (Epitome zu Buch 51) schreibt, dass die Karthager eine neue Flotte bauten. Strabon (17,3) schreibt gar, dass die Karthager in zwei Monaten 120 gedeckte Schiffe gebaut hätten.
Riothamus' Überlegung, dass die Karthager vielleicht Bauteile für Fertigteilschiffe lagerten, könnte durchaus in die richtige Richtung gehen.
Ich halte es für durchaus möglich, dass die Karthager, ebenso wie in späteren Jahrhunderten die Venezianer, vorgefertigte Schiffsrümpfe vorrätig besaßen, die dann nur noch mit Auslegern, Ruderbänken , Decks, Rammspornen, Riemen und Masten versehen werden mussten, die als vorgefertigte Teile gelagert waren. Auf diese Weise verließ pro Tag eine vollständig ausgerüstete Kriegsgaleere das Arsenal von Venedig, bei Aufrüstungsaktivitäten. Bei den Karthager wären das zwei pro Tag gewesen. Ohne Fertigteile und vorgefertigte Rümpfe wäre das sonst wohl nicht zu bewältigen gewesen sein.
 
L'Histoire Véritable

Klingt ja nicht grade nach einem wissenschaftlichen Buch. ;)

Zum Kriegshafen: der war ja recht "geheim", also man konnte nicht einfach so draufgucken, wie viele Schiffe da parken und sie waren doch auch überdacht. Vielleicht hat man auch die Römer erfolgreich davon abgehalten, über die Mauer zu lunzen? :confused:

Drüberfliegen/Satellitenbilder gabs ja damals noch nicht. Also wenn die das gut bewacht haben, kam da keiner rein, der nichts sehen sollte. Fraglich, ob die Römer überhaupt vom Kriegshafen gewusst haben oder ob sie mehr gewusst haben, als Gerüchte.
 
Fraglich, ob die Römer überhaupt vom Kriegshafen gewusst haben oder ob sie mehr gewusst haben, als Gerüchte.

Der Bau eines solchen Hafens ließ sich ja kaum verheimlichen, zumal der Kriegshafen an den Handelshafen anschloss, also jedes Schiff im Handelshafen mindestens die Tore und die Mauer sah und bei geöffneten Toren - irgendwann mussten die Kriegsschiffe ja auch ein- und ausfahren - auch mal ein Blick in das Innere zu erhaschen gewesen sein muss.

Geheim kann also allenfalls die Anzahl und der Zustand der Schiffe gewesen sein, wobei die Karthager wohl eher die Zahl ihrer Schiffe durch die Größe des Hafens größer erscheinen lassen wollten, als umgekehrt, eben um damit besser abschrecken zu können.
 

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Klingt ja nicht grade nach einem wissenschaftlichen Buch. ;)

Neh. Den Eindruck habe ich auch. ;) Es gibt einige sehr lautstarke Befürworter der Theorie (auch nicht in Historikerkreisen), die fordern, die ganze Geschichte müsse bitte neu geschrieben werden, aber in Ermangelung irgendwelcher wirklich stichfester Anhaltspunkte wirkt es auf mich stark wie eine romantische Vorstellung von "armer, verleumdeter, in Wirklichkeit ungeschlagener Hannibal, böser, verlogener Scipio".

Der Triumphzug Scipios, das agnomen Africanus, und dazu passende Triumphbauten in Rom sprechen mindestens für das Stattgefundenhaben der Schlacht. Das wollen diese Leute aber auch nicht wahrhaben. :huh:

Der Hafen verwirrt mich aber zusehends. Vor allem ist er ja offenbar in einer politisch sehr brisanten Zeit entstanden - daraus hätte Rom auch gut einen casus belli stricken können. Aber keine Erwähnung in den Quellen. Oder?

(Vor allem find's ich grad schade, dass ich den schicken Hafen nun im 2. punischen Krieg offenbar nicht mehr zeichnen darf...)
 
Der Hafen verwirrt mich aber zusehends. Vor allem ist er ja offenbar in einer politisch sehr brisanten Zeit entstanden
Vielleicht nutzte Karthago die Kriege(iberischer Krieg, syrischer Krieg), die Roms volle Aufmerksamkeit erforderten, um den Hafen zu bauen. Die Zeit war sicher besser für ein solches Projekt geeignet, als wenn Rom sich gerade nicht im Krieg mit anderen Mächten befand.
 
Aber das passt dann ja auch nicht auf die terminus post quem, der mit "frühestens Mitte" des 2. Jh angegeben wird. Die Geschichte bleibt rätselhaft.

Die Identität des Originators der Zama-Hoax-Idee hingegen hat sich für mich soeben beeindruckend aufgeklärt.

Ein kleines Follow-up. Ich hoffe, ich kann vor lauter Kopfschütteln überhaupt noch tippen.

Belkhodja hat für mich nun absolut jedwede Glaubwürdigkeit, die er eventuell je besessen haben mag, eingebüßt, nachdem ich - relativ unvermittelt und nun einigermaßen entsetzt - einen kleinen Aufsatz gelesen habe, in dem Christoph Michels von der RWTH Aachen (herausgegeben in dem Bändchen "Hannibal und Europa" von Linda-Marie Günther) einen Comic rezensiert - oder besser: verreißt - den Belkhodja zusammen mit einem tunesischen Zeichner 1998 auf den Markt gebracht hat. (Da kam Zama noch vor, lustigerweise.)

In diesem Comic - "Hannibal - die Herausforderung Karthagos" - wird die antike Hannibaldarstellung einmal komplett invertiert und der Held - man höre und staune - als Bringer des Friedens, allgemein anbetungswürdiger Held, leuchtendes Rollenbeispiel und Vermittler des demokratischen Gedankens gepriesen. Gräueltaten des Krieges werden ausgeblendet. Armes Karthago, böses Rom. Hannibal erscheint als strahlende Marmorfigur ohne Schwächen, Unsicherheiten, oder irgendwie nicht verehrungswürdige Charakterzüge.

Offenbar getreu dem Motto: Zweitausend Jahre wart ihr dran mit eurer Schwarz-Weiß-Malerei, jetzt male ich weiß-schwarz!

Unfassbar. Aber sehr hilfreich für die "historische" Einordnung der Zama-Theorie.
 
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