Zigeuner im 19 Jahrhundert (nach 1848)/ Beziehung der Gesellschaft zu Zigeunern

Deserta

Mitglied
Ich habe in diesem Forum versucht verschiedene Dinge über Zigeuner herauszufinden. Da ich zurzeit für ein Buch recherchiere, würde ich gerne einige gute Literaturhinweise erhalten, die erklären/erzählen, wie das Leben der Zigeuner im 19. Jahrhundert in Deutschland aussah. Wie gingen sie mit der restlichen Bevölkerung um? Und umgekehrt? Waren sie damals schon sehr strengen Gesetzen und Verfolgungen ausgesetzt? Besonders interessiert mich ihre Beziehung zu der restlichen Umwelt. Da meine Hauptfigur aus dem guten bürgerlichen Haus stammt und aus ihrer Familie flieht, soll sie dann zu den Zigeunern stoßen. Ist das überhaupt realistisch? Kam dies zu jener Zeit vor, dass sich Nicht- Zigeuner einer Zigeunertruppe anschlossen? Und wurden sie von den Zigeunern aufgegriffen?
Vielleicht weiß ja jemand eine Antwort auf meine Frage oder nützliche Hinweise...
 
Übrigens, wenn das hier ein Sinti oder Roma liesst, gibts Ärger. Zigeuner ist ein heikles Thema.

Kommt darauf an. Es gibt Gruppierungen, die den Begriff ablehnen und solche, die ihn benutzen. Aber Du hast natürlich recht, in einem solchen Bereich sollte man als Außenstehender am besten die Maximalposition respektieren.
 
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Ich weiß, aber es ist nun mal eben ein geläufiger Begriff. Ich nehme alles auf meine Kappe, wenn irgendjemand ein Problem damit haben sollte, in Ordnung? Ich wollte damit keineswegs irgendjemanden beleidigen, diskriminieren,...und ich hoffe, das wird auch nicht so aufgefasst :confused:. Über Antworten freue ich mich trotzdem.
 
Ich weiß, aber es ist nun mal eben ein geläufiger Begriff. Ich nehme alles auf meine Kappe, wenn irgendjemand ein Problem damit haben sollte, in Ordnung? Ich wollte damit keineswegs irgendjemanden beleidigen, diskriminieren,...und ich hoffe, das wird auch nicht so aufgefasst :confused:. Über Antworten freue ich mich trotzdem.

Für das 19. Jahrhundert fällt mir nicht soviel ein wie für das 18. Da aber einige sehr gute Publikationen:

Ernst Schubert: Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 19. Jahrhunderts Neustadt/ Aisch 1983 S. 246-251

Martin Lange Räuber und Gauner ganz privat- Räuberbanden und die Justiz
Tectum Verlag Marburg 2007

Kathrin Lange, Kriminalität und Alltag Gießen 1990

Heiner Boehnke, Christian Sarcowitz Die Deutschen Räuberbanden
darin sehr viele Originaldokumente, darunter dieses hier:
Christian Friedrich Wittich, Hannikel, ein wahrhafter Zigeunerroman ganz aus den Akten gezogen.

Wenn die Lage der Juden schlecht war, so war die der Zigeuner schlichtweg erbärmlich. Sie waren rechtlos, hatten keine Möglichkeit, legale Berufe auszuüben, von denen man leben konnte, und bei Gaunerjagden kam es mitunter vor, dass auch Frauen und Kinder kurzerhand gelyncht wurden wie 1704 im fränkischen Berneck. Mitunter wurden sie sogar zum jagdbaren Wild degradiert wie in einem rheinischen Fürstentum, wo eine Zigeunerin mit ihrem Baby unter der erlegten Strecke aufgeführt wurde.

Ich habe dazu in einem anderen Thread unter Sonstiges in der Neuzeit schon einmal etwas dazu geschrieben:

"Wer hängt kann nicht ersaufen- Räuber und Räuberbanden"
 
Da musst du einen Moderator fragen.
Übrigens, wenn das hier ein Sinti oder Roma liesst, gibts Ärger. Zigeuner ist ein heikles Thema.


Die Regeln und Gepflogenheiten "politischer Korrektheit" sind doch ohnehin nichts anderes, als dümmliche Heuchelei, eine Falle für Politiker, mehr aber auch nicht, und es gibt eine ganze Reihe von renommierten Wissenschaftlern, die "Zigeuner" geschrieben haben und die wirklich politisch unverdächtig sind. Wünschenswerter, als das sich alle dem Sprachgebrauch politisch korrekter Schreibweisehingeben, wäre eher, sich gelegentlich einmal darüber zu informieren, worin sich nun Sinti und Roma unterscheiden.
 
Vielleicht weiß ja jemand eine Antwort auf meine Frage oder nützliche Hinweise...

In Deutschland gibt es mehrere Organisationen von Sinti und/oder Roma, die könntest du ansprechen und um Literaturtipps bitten, um dich in das einzulesen, was uns von der Kultur der Sinti und Roma bekannt ist. Nach der Angabe in deinem Profil wohnst du in Belgien? - auch dort sollte es solche Organisationen geben.


Da meine Hauptfigur aus dem guten bürgerlichen Haus stammt und aus ihrer Familie flieht, soll sie dann zu den Zigeunern stoßen. Ist das überhaupt realistisch? Kam dies zu jener Zeit vor, dass sich Nicht- Zigeuner einer Zigeunertruppe anschlossen? Und wurden sie von den Zigeunern aufgegriffen?
Bei einer weiblichen Person aus gutbürgerlichem Haus halte ich das Szenario für nicht sehr wahrscheinlich. (Du solltest auch nicht von Zigeuner'truppen' sprechen; Sinti und Roma sind tribal organisiert und es reisten Großfamilien bzw Untergruppen eines größeren Stammesverbandes.) Die 'Zigeuner' verschlossen und verschließen sich vor Außenstehenden, so daß eine Aufnahme in die Gemeinschaft nicht häufig vorgekommen sein dürfte; bereits das Erlernen der Sprache wurde und wird nicht vielen Nicht'zigeunern' erlaubt. Ein 'Anschluß' war und ist von daher nicht so ohne weiteres möglich.

Zunächst wäre auch einiges an Integrationsarbeit zu leisten: eine andere Sprache lernen, eine andere Kultur kennenlernen und nach deren Regeln zu leben. Im von dir genannten Zeitraum, vermute ich, dürfte (wenn auch in den einzelnen Gemeinschaften möglicherweise unterschiedlich stark ausgeprägt) viel mehr von der tradierten Religiosität der 'Zigeuner' das Alltagsleben der Familien bestimmt haben. Es gibt Dinge, die kaum miteinander zu vereinbaren sind - wenn du zb die christliche Sitte der Erdbestattung nimmst und im Vergleich dazu schaust, daß auch heute noch viele Sinti ihre toten Angehörigen in gemauerten Gräbern bestatten, da nach ihrer Kultur Leichen nicht mit der Erde in Berührung kommen dürfen. Deine Protagonistin (und zum Schreiben du) muß zb wissen, was merhime (unrein) ist und was erlaubt. Wenn eine Großfamilie sie aufnehmen soll, muß sie etwas zum Überleben der Familie beitragen können, ein Einkommen erbringen können. Du mußt zb wissen, welchem Stamm die aufnehmende Familie angehören soll, da zumeist verschiedene Stämme bestimmte Berufe ausgeübt haben (zb Kalderash - Kesselschmiede, Kesselflicker).

Wie meinst du: "Wurden sie von Zigeunern aufgegriffen?" In dem Sinne, daß Nichtsinti sozus entführt wurden, ganz sicher nicht.
 
Danke, das hat mir schon mal geholfen. D.h. also, dass meien Idee nicht sonderlich realistsich ist, na dann werde ich es wahrscheinlich als eine fiktive Geschichte verpacken.
Ich meinte auch nicht, dass Zigeuner sie im Sinne von entführen aufgriffen...Meine Hauptfigur verlässt ihre Familie (weil sie mit diesem Lebensstil nicht klarkommt) und (ich erinnere mich gerade nicht genau wie) jedenfalls endet sie ziemlich verarmt und hungernd im Wald und wird dort von Zigeunern gefunden. Meine Frage ist nun, würden sie ihr helfen oder nicht? Schließlich ist sie sehr krank und so...
Vielen Dank schon mal im Voraus. Was noch sehr hilfreich ist zu wissen: Ursprügnlich wollte ich meine Figur als Reisende in den Orient schicken, da ich darüber aber überhaupt nichts, bis fast gar nichts gefunden haben und ich ein Buch über Roma und Siniti gelesen habe und ich das sehr interessant fand, habe ich umdisponiert. Wenn jemand in diese Richtung vielleicht Hinweise hat, ich bin offen für alles.
Ja, ich wohne in Belgien, die Schwierigkeit hierin besteht, dass die Organisationen, wenn sie bestehen (was ich fast schon zu bezweifeln wagen), alle Französisch oder Niederländisch orientiert sind und daher kaum Informationen auf Deutsch besitzen. Trotzdem werde ich mich mal umsehen. Danke.
 
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