Karen Radner: An Assyrian View on the Medes
Ausgehend vom Satz der Altorientalistin und -gräzistin Sancisi-Weerdenburg „The Median empire exists for us because Herodotus sayd it did.“ untersucht die Autorin chronologisch die assyrischen Quellen nach Zeugnissen zu den Medern. Vorausgeschickt sei erstens, dass darin die Meder stets als in befestigten Siedlungen lebend beschrieben werden und es gibt keine Anzeichen einer Stammesgesellschaft (Bei medischen Orten, die assyrisch mit B[FONT=Times New Roman, serif]ī[/FONT]t-X bezeichnet werden, ist X kein Personenname). Zweitens bleibt oft unklar, wann sich der Begriff Meder auf ethnisch, sprachlich, religiös oder ökonomisch verflochtene Gruppen bezieht. Daher ist im Laufe der Zeit nicht immer klar, auf welche geographische Region sich das Land der Meder bezieht.
Horse Raid (835-745)
Das älteste Zeugnis für die Meder stammt aus dem sogenannten Schwarzen Obelisken, einer Inschrift Salmanassars III. (858-824). Darin berichtet dieser, in seinem 24. Regierungsjahres gegen Ianz[FONT=Times New Roman, serif]û, König Namris, den er selbst 9 Jahre zuvor eingesetzt hatte, einen Feldzug geführt zu haben. Den flüchtigen Ianzû habe er bis in das Land Parsua verfolgt, wo er Triibut von 27 Königen empfangen habe. Von dort sei er hinab in das Land Messu, das Land der Meder (KAR a-ma-da-a-a), das Land Araziaš und das Land [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]Ḫarḫar gestiegen und habe dort allerlei Städte vernichtet. Die Meder befanden sich zur Zeit Salmanassars III. also in der Nähe Messus, dem Süden Mannäas. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Šamši-Adad V. (823-811) berichtet von einem Feldzug (820/19) gegen einen Mederkönig Ḫanaširuka (ürigens kein indoeuropäischer Name) und der Zerstörung der Hauptstadt der Meder Sagbita (möglicherwweise das spätere Ekbatana) und vieler weiterer medischer Siedlungen. 140 Reiter wurden weggeführt. Während er die Nachbarn Messu und Gizilbunda als Streitwagenfahrer beschreibt, erscheinen die Meder immer als Reiter, die entgegen Herodot in Städten und Dörfern wohnen und eben nicht Nomaden sind.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Aus den Eponymen Adad-Niraris III. (810-783) erfahren wir von 11 Feldzügen gegen die Meder, Mannäa und Namri. Die Autorin deutet dieses verstärkte Interesse für das Zagrosgebirge als Reaktion auf das Wegfallen des Pferdeimports aus Zentralanatolien durch das Erstarken der Urartäer. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Streitwagen im assyrischen Heer sei eine sichere Pferdequelle unverzichtbar gewesen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Erst nach zehn Jahren hören wir wieder von den Medern: Unter Aššur-Dan III. (772-755) ist von einem nicht näher beschriebenen Feldzug gegen die Meder die Rede.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Kolonisierung (744-713)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Tiglat-Pileser[/FONT][FONT=Times New Roman, serif] III. (744-727) zog zweimal gegen den Osten. Seine erste Kampagne 744 (siehe Iran-Stele) führte ihn in die Länder Ellipi, Namri, Bīt-Sangibuti und in das Land der Meder. Zwei neue Provinzen wurden in diesem Zusammenhang gegründet: Parsua und Bīt-Ḫamban, die von Eunuchen regiert wurden. Zum ersten Mal kontrollierte Assyrien direkt Gebiete im Zagros. Das Auftreten von Pferdehändlern, sogenannten tamkār sisē, zeigt den Interessenschwerpunkt des Engagements entlang der Seidenstraße. Überdies ist seit dieser Zeit am asyyrischen Hof der Personenname Madāyu (=der Meder) 6bezeugt, bis er unter Sanherib völlig verschwindet. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Laut der Iran-Stele zog Tiglat-Pileser 737 wieder gegen die Meder und erhielt Tribut von deren Stadtherren die ausführlich aufgelistet werden und deren Tribute in Form von Pferden vermerkt wird (32-300 pro Stadt). Solche Listen haben sich auch in den sogenannten Kalḫu-Annalen erhalten. Diese unterscheiden auch genauer zwischen Ländern, die „ensnared like a trapped bird“ oder gar „annexed to Assyria“ wurden. Obwohl die Assyrer zumindest die „ensnared“ Länder sicherlich nicht kontrollierte, führte sie ihr Feldzug von 737 dorthin, bis zu einem Berg Bikni. Wenn dieser mit dem Berg Demavend identisch sein sollte, haben sie sogar die Ufer des Kaspischen Meers erreicht. Jedenfalls führte der Feldzug auch in Länder, die die Babylonier, vielleicht schon die Kassiten erreicht haben (bspw. Silḫazi, das die „babylonische Festung“ genannt wurde). [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Insgesamt scheint der Feldzug ohne größeren Widerstand der lokalen Machthaber verlaufen zu sein, was nicht darauf hindeutet, dass diese ein besonderes Solidaritätsgefühl untereinander aufbrachten oder gar Territorialstaaten bildeten. In der Tat werden sie auch immer als „city lords“ bezeichnet, während sogar die Machthaber der „Kleinstaaten“ in Tabal oder auf Zypern „Könige“ für die Assyrer waren.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Interessant ist schließlich, dass die Meder von dieser Zeit an bis Sargon II. als „mächtig“ ([/FONT][FONT=Times New Roman, serif]dannu[/FONT][FONT=Times New Roman, serif]) angesprochen werden, einer für Feinde Assyriens unerwartet positive Bezeichnung ist. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die Zeit Sargons II. (721-705) ist gut dokumentiert: einerseit durch die zahlreichen Inschriften, andererseits durch die Korrespondenz mit seinen Statthaltern in den neuen Provinzen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Schon 719 zog Sargon gegen Mannea, um in einem inneren Konflikt eines Vasallen einzugreifen. Direkt nach Medien zog er aber nicht. 716 zog er dann nordwärts gegen die Meder, eroberte einige Städte, die der Provinz Parsua zugeschlagen wurden, eroberte dann Kišessim, die er in Kār-Nergal umbenannte und es zum Zentrum der neu gebildeten, gleichnamigen Provinz machte. Dieser Provinz wurde auch die Stadt Bīt-Sagbat (siehe Sagbita zur Zeit Šamši-Adads V.) angegliedert. Danach eroberte Sargon Ḫarḫar, die er in Kār-Šarrukīn umbenannte und zur Hauptstadt einer neuen Provinz machte. In Ḫarḫar war es, ebenso wie in Mannäa, zu einem inneren Konflikt gekommen, der Sargons Eingreifen erforderlich machte. Die könnte darauf hindeuten, dass es zu Spannungen zwischen lokalen Eliten aufgrund deren Verhältnisses zu Assyrien gekommen sei. Schließlich zog Sargon weiter in medische Gebiete und erhielt Tribut von 28 „city lords“.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]715 schlug er eine Revolte gegen die Meder in der neuen Provinz Kār-Šarrukīn und benannte viele Städte in Kār-X (=Hafen, Handelsstützpunkt X) um. Während unter [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]Salmanassars III. Ḫarḫar noch eigenständig neben dem Land der Meder genannt wurde, erscheint sie nun eindeutig medisch. Die Frage, ob dies nun der besseren Ortskenntnis der Assyrer (oder gar umgekehrt einer größeren Verallgemeinerung assyrerseits aus Ortsunkenntnis) oder einer Expansion der Meder geschuldet ist, bleibt unbeantwortet.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]714 führte Sargon seinen berühmten Feldzug gegen Urartu. Bevor er nach Mannäa zog, sammelte er in der Provinz Parsua die Tribute Namris, Bīt-Sangibuti, Bīt-Abdadani und der [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]mächtigen[/FONT][FONT=Times New Roman, serif] Meder ein. 26 „city lords“, die vor Allem in den neuen Provinzen Kār-Nergal und Kār-Šarrukīn liegen, werden gelistet. Also gab es dort immer noch lokale Machthaber, die den Titel eines „city lords“ trugen. Im Gegensatz zu den westlichen Zagrosprovinzen Assyriens konnten sie demnach ihre (wohl vererbbare) Machtstellung bewahren, mussten aber einen assyrischen Gouverneur dulden.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Der Feldzug von 713 führte Sargon wieder in neues medisches Gebiet über Ba''it-ili in „„far-away district in the area of the 'Arabs of the east'““, called „those district of the mighty Medes that had shed the yoke of Aššur and roamed desert and mountains like thieves““. Er empfing Tribut von 45 „city lords“ der mächtigen Meder. Nun ist diese Stelle aus der so genannten Prunkinschrift oft schon als Beleg für eine nomadische Lebensweise der Meder herangezogen worden. Die Autorin plädiert aber für folgende Sichtweise: Mit der Etablierung der Zagrosprovinzen hatten die Assyrer direkt Anteil am Handel entlag der „Großen Khorasanstraße“ [die, wenn ich das richtig interpretiere, durch die Zagrosprovinzen führt, dann nördlich abzweigt und bis zum Berg Bikni zu den „Arabs of the east“ führt, schließlich nördlich der Salzwüste vorbei bis Khorasan]. Als gegen Ende des 8. Jahrhunderts Kamelkaravanen eingeführt wurden, etablierten sich Handelswege von Arabien durch Südmesopotamien weiter in den Zagros und durch die Salzwüste nach Khorasan führten. Letzteren Teil hätten die „Arabs of the east“ übernommen und hätten so die Zagrosprovinzen Assyriens umgangen. Das würde einerseits die Bezeichnungen „Arabs of the east“ erklären und ließe andererseits die diese in den Augen Assyrien als „Diebe“ erscheinen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Nach 713 musste Sargon nur zwei Revolten in den Provinzen, 707 in Ellipi und 706 in Karalla, niederschlagen; in medische Gebiete außerhalb der Provinzen zog er selbst nicht mehr, sehr wohl aber seine Gouverneure der Zagrosprovinzen. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Symbiosis (712-656)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Auch Sanherib (704-681) begegnete selbst nur einmal im Zuge eines Feldzugs gegen Ellipi Medern: er erhielt Tribut von den „fernen Medern“. Dieser Begriff ersetzt von nun an den der „mächtigen Meder“ und bezieht sich wohl auf Meder, die außerhalb der Provinzen leben. Alles in Allem scheint die Lage im Zagros recht ruhig geblieben zu sein, was darauf hindeutet, dass sich die lokalen Eliten, die „city lords“, recht gut mit den assyrischen Gouverneuren arrangiert hatten.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Asarhaddon (680-669) zog etwa 676 in das Gebiet nordöstlich der Salzwüste bis zum Berg Bikni, um in einem lokalen Konflikt zu intervenieren, zu dem ihn drei „city lords“ der „fernen Merder“ zu Hilfe gerufen hatten. Diese Episode zeigt, dass es Assyrien gelang, auch die „fernen Meder“ fest an sich zu binden. Dennoch können weder die „city lords“ der „fernen“ noch der Meder der Provinzen als Vasallen bezeichnet werden. In der Leibwache des Kronprinzen finden sich vor Allem Personen, die aus östlichen Regionen kommen, deren Machthaber als „city lords“ bezeichnet werden. Außerdem mussten diese „city lords“ nicht typische Vasallenverträge akzeptieren, sondern leisteten einen Eid ([/FONT][FONT=Times New Roman, serif]adê), [/FONT][FONT=Times New Roman, serif]durch den sie nur ihre Verantwortlichkeit für die Wachen und das Leben des Kronprinzen beschworen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Aus den Orakel-Fragen ist allerdings vermehrt von Gefahren aus dem „Land der Meder“, das sich nun auf die Gebiete außerhalb der assyrischen Verwaltung bezieht, die Rede. Diese beziehen sich aber vor Allem auf die eindringenden Kimmerer und Skythen. Ein medischer „city lord“ muss Asarhaddon aber besonders beunruhigt haben: Er fürchtet, dass Kaštaritu von Kār-Kaššî (vielleicht ein Hinweis auf frühere Kontakte mit Kassiten) sich mit anderen „city lords“ verbünden könnte, dass er Kišessim oder andere Städte angreifen würde, oder dass er gar gegen Assyrien molbilmachen würde. Leider erfahren wir nichts über den Ausgang des Konflikts. Jedenfalls scheinen einige Städte verloren gegangen zu sein. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Von Assurbanipal (668-630) erfahren wir über die Meder nur, dass der Aufstand dreier Brüder, alle drei medische „city lords“, niedergeschlagen wurde.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Silence (655-616)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Unklar bleibt, ob während Assurbanipals Herrschaft die vier Zagros-Provinzen noch Teil des assyrischen Reiches waren. Auch während der fünf Feldzüge Assurbanipals gegen Elam erfaren wir nichts über Meder. Allerdings finden wir immer noch Personen medischer Herkunft, die im Tempel von Aššur einem bestimmten Beruf (vlt. Teppichweber) nachgehen, der nach ihrer Herkunft benannt ist (ḫundur[FONT=Times New Roman, serif]āyu).[/FONT] Dies zeigt, dass sogar im Tempel Traditionen aus dem Zagros übernommen worden sind.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Median attack (615-610) [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Nichts in den assyrischen Quellen kann erhellen, wie es Umakištar gelang, Befehlshaber einr medischen Armee zu werden. Nach jahrzehntelanger Stille über die Meder kommt der Schlag gegen Assyrien wie aus dem Nichts.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Concluding remarks[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Das erste Problem in den assyrischen Quellen zu den Medern ist jenes, dass nie spezifiziert wird, was die Meder zu Medern macht: Ist es die Lebensart, Sprache, politische Organisation oder eigenes Zusammengehörigkeitsgefühl? Im Gegensatz zu Elam, Mannäa oder Urartu ist in assyrischen Texten nichts von einem „Nationalgefühl“ oder „Einigkeitsgefühl“ der Meder zu spüren. Es ist nicht einmal klar, wie die Meer zu den Mannäern sprachlich stehen. Auch die Namen der medischen Herrscher zeigen kein einheitliches Bild: manche sind indoeuropäisch, andere kassitisch oder gar akkadisch. Einige sind gar nicht zuordenbar. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass sie Bergbewohner, Viehzüchter und Reiter waren und von den Assyrern als „city lords“ bezeichnet werden. Dieser Titel ist wohl vererbbar und ist mit der Herrschaft über eine gewisse Region mit einer zentralen befestigten Siedlung verbunden. Auch nach der Errichtung der assyrischen Provinzen bleibt dieser Titel erhalten.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Über die Religion der Meder ist kaum etwas bekannt. Wenn, dann wird nur über ältere, aus Mesopotamien kommende Heiligtümer berichtet. Einige indoeuropäische Namen enthalten aber Bestandteile, die für eine Nähe zu den späteren achaimenidischen Glaubensvorstellungen nahelegen.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]In den Augen der Assyrer mag das Spezielle an den Medern ihr Engagement im Handel entlang der „Khorasan-Straße“ und später durch die Salzwüste gewesen sein. Allerdings treten sie nicht selbst als Händler auf, sondern viel mehr als Beschützer der Wege; diesen Dienst ließen sie sich ordentlich vergüten, wodurch sie es zu beträchtlichen Reichtum gebracht haben und ihnen die assyrische Bezeichnung „mächtige Meder“ eingebracht haben.[/FONT]