@ursi die verlinkte Rezension erweckt bei mir den Eindruck, dass das Buch eine zwar formal stringent konstruierte, aber insgesamt pathetische ("sprachgewaltig") Selbstbeweihräucherung sein könnte - du hast das Buch gelesen: ist die Rezension eher unglücklich formuliert, also das Buch lesenswert? Ich habe vorher von dieser Geschichte noch nie gehört.
Das Buch ist lesenswert. Seine Memoiren ist alles andere als eine pathetische Geschichte. Zeitnah und ehrlich geschrieben. Er beschreibt seine Kindheit, seine Studienjahre in Deutschland, die Vorbereitung der Tat, die Tat selber, der Prozess, sein Leben im Gefängnis bis zu seine Entlassung und dann wie er in Tel Aviv erfuhr wer von seiner Familie überlebt hat - und seine erste Anstellung in einem Flüchtlingsheim für Kinder. Hier endet es.
Wilhelm Gustloff war der Landesgruppenleiter der NSDAP, er hatte sein Büro in Davos. In der Schweiz gab es schon sehr früh Ortsgruppen, die erste war in Zürich (muss das Datum nachschauen ist mir jetzt gerade nicht mehr präsent.).
Gustloff lebte bereits ab 1917 in der Schweiz, er hatte ein Lungenleiden und deshalb lies er sich in Davos nieder. So weit zu ihm.
David Frankfurter stammte aus einer Rabbinerfamilie und kam 1933 in die Schweiz, er studierte in Bern Medizin. Als er 1934 kurz nach Hause fuhr, wurde er Zeuge wie sein Onkel von Nazis misshandelt wurden.
Er entschloss sich zu handeln - an Hitler kam er nicht ran - dafür an Gustloff in Davos. Am 4.2.1936 ging er zur Wohnung der Gustloffs, Hedwig die Ehefrau von Gustloff lies in rein und führte ihn in Büro, dort warte Frankfurter auf den Landesgruppenleiter und erschoss ihn als er zur Türe reinkam.
Kurz darauf stellte er sich der Polizei.
Die ganze Geschichte ist sehr gut dokumentiert - es gibt unzählige Quellen dazu. Sei es die Propagandabilder wie der Sarg von Davos nach Schwerin transportiert wurde - schriftquellen des Prozesses, Verhörprotokolle von Frankfurter, Zeitungsberichte aus der Schweiz und dem Reich. Was bis jetzt gefehlt hat ist die Deutsche Übersetzung der Memoiren von Frankfurter.
Der Prozess war ein Medienereignis, Goebbels schickte seine besten Männer in die Schweiz und heuerte eine bekannten NS Anwalt an. Und auch hier versuchten die Nationalsozialisten nach dem Urteil Hintermänner zu finden - die gab es nicht.
Ein KdF Schiff wurde nach Wilhelm Gustloff benannt, getauft wurde es 1937 von der Witwe von Wilhelm Gustloff. Versenkt wurde es am 30. Januar 1945 - am Geburtstag von Wilhelm Gustloff. Strassen wurden nach ihm benannt oder umbenannt, etc. In Schwerin wurde 1947 das Denkmal gesprengt. Dann gab es noch die Wilhelm Gustloff Stiftung und die -Werke.
Erst durch das Attentat wurde Gustloff in Deutschland wirklich bekannt - davor war er ein Landesgruppenführer der AO, der da bekannt war aber mehr nicht. Die Schweizer Bundespolizei beobachtete sein tun in der Schweiz.
Und David Frankfurter wurde verurteilt, sass in der Schweiz bis zum Kriegsende im Gefängnis und wurde am 1. Juni 1945 begnadigt und musste die Schweiz verlassen. 1969 durfte er dann wieder in die Schweiz einreisen.
In einem Zeitungsinterview sagte er 1969 auf die Frage ob die Tat heute noch durchführen würde: "Ich weiss es nicht. Ich bin älter geworden, erfahrener; mit 27 handelt man anders als mit 60, die Situation ist heute anders als damals. Und während der 24 Jahre, die ich jetzt in Israel lebe, habe ich sehr viel Distanz zu dieser ganzen Affäre gewonnen. Trotzdem: Wahrscheinlich würde ich noch einmal so handeln." Die Bestraffung fand er in Ordnung, sie war für ihn selbstverständlich. "Ich erschiesse Gustloff, es gibt eine Prozess, ich werde verurteilt und gehe in die Zelle."
Noch ein Buch dazu:
Fuhrer, Armin: Tod in Davos. David Frankfurter und das Attentat auf Wilhlem Gustloff. Metropol Verlag. 2012 189 Seiten.