askan schrieb:
Hier habe ich einen interessanten Artikel über Verganenheit der finnischen Sprachen:
http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?thema=Sprache&artikelID=101703
Aus diesem Link hatte ich in einer früheren Diskussion schon einmal zitiert. Da die Diskussion mittlerweile in der Rumpelkammer liegt, krame ich meinen damaligen Beitrag, soweit er sich auf den Link bezieht, noch einmal hervor:
Wer ein Wort wie Acker ausspricht, zitiert, ohne es zu wissen und zu wollen, die jahrtausendealte Geschichte dieses Worts. Durch alle uns bekannten germanischen Sprachetappen hat das Wort das bedeutet, was es heute im Deutschen bedeutet. Ein wenig anders steht es mit der lateinischen Entsprechung ager : „ Acker, Weideland, freies Feld“. Altgriechisch agrós heißt nur selten „Acker“, meist „freies Feld (im Gegensatz zur Stadt)“. Altindisch ájra- bedeutet nur „Ebene, Fläche, Flur“. Latein, Altgriechisch und Altindisch sind zwar nicht die Vorläufer des Germanischen, sondern nur ältere Geschwister, scheinen aber eine archaischer aussehende, noch nicht von dominanter Ackerbaukultur geprägte Bedeutung zu zeigen.
Einen klärenden Schritt in die sprachliche Vorgeschichte erlaubt die Kenntnis einer einfachen Wortbildungsregel. Substantive können von Verben durch Anhängen von -ro- , altindisch -ra- abgeleitet werden. Altindisch aj- heißt „vorwärtsbewegen, (Vieh) treiben“. Als sprachlich durchsichtige, ursprüngliche Bedeutung von ájra - bzw. indogerman. - ergibt sich so „Trift (d.h. das unbebaute Land, auf das man das Vieh zum Weiden treibt)“. Die Entwicklung der sprachlichen Bedeutung spiegelt hier offenbar einen Übergang von Viehwirtschaft zu Ackerbau.
Das könnte eventuell schon stimmen, aber es gibt doch einige Einwände:
1. Die Zusammensetzung aus altindisch "aj-" und "-ra-" ergibt im Altindischen Sinn, im Deutschen nicht. Denn "Ack-" heißt im Deutschen (wie überhaupt im Germanischen) nicht "Vieh treiben", und ein "Acker" ist auch niemals eine "Trift".
(Eine Erklärung für ein Ur-Indoeuropäische muß für alle Zweige plausibel sein, nicht nur für einen einzelnen. Sonst ist nur das indische Wort erklärt, nicht aber das indoeuropäische Grundwort.)
2. Die Archäologie belehrt uns, daß Viehwirtschaft und Ackerbau Hand in Hand entstanden sind. Es ist also unrealistisch, daß in einer Sprache ein Wort für "Weide" entstanden wäre, ohne daß man ein Wort für "Acker" gekannt hätte.
(Die Vorstellung, daß es sich bei den Ur-Indogermanen um ein rein nomadisches Volk von Viehzüchtern gehandelt haben könnte, ist ohnehin längst widerlegt. Zu der Zeit, als erstmals in den nordpontischen Steppen Nomadenvölker auftauchen, gab es in Kleinasien schon längst seßhafte, ackerbauende Indoeuropäer.)
3. Es gibt eine viel näherliegende Erklärung für das indoeuropäische Wort. Im Sumerischen heißt nämlich das Wort für Acker "agar". Es könnte sich schlicht um ein altes Lehnwort handeln.
4. Das könnte nun zwar Zufall sein, aber es gibt eine Reihe weiterer Wörter, die mit der Landwirtschaft zusammenhängen und offensichtlich aus semitischen Sprachen stammen, z. B.
indoeuropäisch "thauro" (Stier, vgl. Latein "taurus", griechisch "tauros") = semitisch "tawr"
indoeuropäisch "ghait" ("Geiß") = semitisch "gady"
indoeuropäisch "bhar(s)" (Korn, vgl. altisländisch "barr", englisch "barley") = semitisch "barr".