Ich habe mit den Tätern wegen ihrer grausamen Taten wirklich kein Mitleid, finde aber, dass eine lebenslange Haftstrafe auch genügt hätte
Und mit Handbeil war extrem brutal, denn dabei konnte, wenn der Hieb falsch angesetzt war, etwas schiefgehen, so dass der Kopf nicht mit einem Hieb ab war, und der Delinquent oder die Delinquentin noch unnötig litt.
So geschehen bei der Hinrichtung von Königin Maria Stuart, bei der der Scharfrichter einen zweiten Hieb ansetzen musste, weil beim ersten der Kopf nicht abging.
Ich werde noch eine Weile brauchen bis ich die Tatsache, dass sowas in den 1920er Jahren noch gemacht wurde, verdaut habe.
Was ich mich frage: Gabe es eigentlich noch viele Scharfrichter damals, und waren die gesellschaftlich auch so geächtet wie im Mittelalter und mussten unter sich bleiben, also Henkerstöchter durften nur andere Henkerssöhne heiraten und sowas? Oder waren die in den 1920er Jahren ganz normale Mitglieder der Gesellschaft und heirateten auch Leute mit anderen Berufen?
Die Scharfrichter fanden in Martin Luther einen Fürsprecher, der schrieb, dass "der Meister Hans" (Synonym für den Henker) im Auftrag der Obrigkeit handele und Schwerkriminelle exekutierte. Per Reichsbeschluss wurde Ende der 1770er Jahre auch die Unehrlichkeit der Scharfrichter aufgehoben und ihren Kindern gestattet, andere Berufe auszuüben.
In Paris übte die Familie Sanson über ein Jahrhundert das Scharfrichteramt von Paris aus. Es waren unterschiedliche Mitglieder ein und derselben Familie, die Damiens, einen Attentäter, der Louis XV. verletzt hatte und später Ludwig XVI., Marie Antoinette, Danton und Robespierre hinrichteten. Einer der letzten Sansons hätte lieber Medizin studiert, aber auf Wunsch der Mutter musste er den durchaus lukrativen Familienbetrieb übernehmen. Er verfiel dem Alkohol und versetzte die Guillotine.
Ein Scharfrichter verdiente nicht schlecht, war aber von allen "unehrlichen Berufen", zu denen u. a. Schäfer, Müller, Abdecker, Prostituierte, Schauspieler und fahrendes Volk gehörten, der unehrlichste. Unehrlichkeit bedeutete in diesem Zusammenhang keine moralische, sondern eine soziale Klassifizierung. Seit dem Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts konnten Scharfrichter andere Berufe wählen, was durchaus auch viele taten. Wo Scharfrichterämter existierten, waren die Amtsträger aber meistens Angehörige aus alten Henkerfamilien. Es wurden aber spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts Hinrichtungen kaum irgendwo in Europa noch öffentlich vollstreckt, sondern in der Regel wurden Todesurteile anonym mit wenig Publikum in Gefängnissen vollstreckt.
Gab es im späten Mittelalter noch relativ viele verschiedene Exekutionsmethoden (rädern, erhängen, Tod auf dem Scheiterhaufen, ertränken, Enthauptung durch Schwert/Beil u. a.) so blieben davon in der frühen Neuzeit nur noch enthaupten durch das Schwert für Personen von Stand und Tod durch den Strang für das gemeine Volk. Tod auf dem Scheiterhaufen war in den Hexenverfolgungswellen der 1640er Jahre noch gebräuchlich, so war das im 18. und frühen 19. Jahrhundert eine sehr seltene Hinrichtungsmethode. 1813 wurden in Berlin noch Friderike Delitz und Johann Peter Horst als Mitglieder einer Brandstifterbande durch verbrennen hingerichtet. Kindsmörderinnen wurden häufig ersäuft, in Nürnberg setzte der damalöige Scharfrichter Franz Schmidt die Hinrichtung mit dem Schwert durch, und auch Susanna Margarethe Brandt, die als Vorlage für die Figur des Gretchens in Goethes Faust diente, wurde mit dem Schwert hingerichtet.
Als "Arbeitsprobe" wurde von einem Bewerber um eine Henkerstelle eine Hinrichtung mit dem Schwert verlangt. Das erforderte am meisten Geschicklichkeit und gute Nerven. Mit der Guillotine ließen sich weitaus mehr und "sauber" Delinquenten exekutieren. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Hinrichtungen meistens durch erhängen, erschießen oder eben durch ein Instrument wie die Guillotine vollstreckt. "Handarbeit" durch das Schwert oder das Beil war in den meisten Staaten nicht mehr üblich. Ich halte es für wenig wahrscheinlich, dass in den 1920er Jahren in Deutschland noch mit dem Beil exekutiert wurde.
Die Todesstrafe ist auch heute noch nur in 1-2 Handvoll von Staaten abgeschafft. Mehrere Bundesstaaten der USA haben die Todesstrafe, und auch in Frankreich und Großbritannien existierte sie bis in die 1970er Jahre, bzw. bis 1980 oder 1981. Die Bundesrepublik schaffte sie 1949 ab, in der hessischen Verfassung ist sie für Hochverrat noch vorgesehen, aber de facto abgeschafft, da Bundesrecht Landesrecht aufhebt.
Die Abschaffung der Todesstrafe ist aus kultur- und rechtsgeschichtlicher Sicht ein relativ junges Phänomen. Forderungen nach Abschaffung der Todesstrafe wurden im Verlauf der Aufklärung laut, Ende des 18. Jahrhunderts war das aber noch eine ausgesprochene Minderheitenposition, vertreten von Außenseitern wie Marquis de Sade.