Frugoni übersetzte die Stelle, die du mit „in ihrem Mund ableckte“ übersetztest, mit „kostete sie nur“.
Liggurire ist (ab)lecken. Aber inhaltlich tut sich da nicht viel.
Ich kann kein Latein, aber ...
Wie ich Aussagen dieser Art liebe.
Außerdem ist Bulimie etwas anderes als nur da und dort etwas zu kosten – bei der Bulimie wird ordentlich gegessen und später das Aufgegessene ausgespien. Gut, du hast geschrieben, es wäre eine mit Bulimie verwandte Störung, aber hast nicht gesagt, welche.
Was Petrus Damiani hier 52 Jahre nach dem Ableben der Dame schildert, ist alles völlig überzogen, das kann man alles nicht ernst nehmen. Für die historische Maria Argyropulaina dürfte die ganze Schilderung ziemlich irrelevant sein. Deshalb ist es völlig obsolet und müßig zu mutmaßen, ob Maria an einer Essstörung litt. Die Schilderung erinnert nur daran, weil sie eben nur an den Speisen leckt (
ligguriens).
Nicht? Und was ist mit Garum? Kannst du dir vorstellen, irgendetwas mit dieser Soße Übergossenes mit den Händen in den Mund zu führen?
Auch im gabellosen Mittelalter ist man irgendwie mir Saucen und Tunken zurecht gekommen. Was du und ich uns vorstellen können (oder
wollen) ist reichlich irrelevant.
Nicht? Beide schrieben doch von der Gabel als eines der Dinge, die man beim Tisch nicht braucht, also Luxus ist/sind.
Du liest wieder nur das, was du lesen willst. Es geht um Zierrat aus Gold und Silver. Der, so Lothar de Segni, mit dem Niedergang des Menschen vergeht. Es geht nicht um die Gabel. Die ist nur Werkzeug.
Außerdem wird in der Übersetzung, auf die Sepiola verwies, nicht vom Tau gesprochen, sondern vom „Regen des Himmels“.
Tradutore tradittore! Der Übersetzer ist ein Verräter am Original. Im Original steht
ligurriens und nicht
probans und nicht
pluviam sondern
rorem.
Weil Regen keine Mineralien enthält, ist sein Wasser ganz weich und eignet sich als solches bestens fürs Baden und Waschen.
Das ist so eine ähnliche Scheindiskussion, wie oben über die Essstörung. Es geht darum, dass die Frau ANGEBLICH sich nicht habe mit gewöhnlichem Wasser waschen wollen, sondern dass ihre Sklaven mühsam von überall her Tau herbeischaffen mussten:
rorem caeli satagebant undecumque colligere, ex quo sibi laboriosum satis balneum procurarent.
Wie gesagt, es gibt eine andere Übersetzung, in der nicht vom Ablecken die Rede ist, sondern vom Kosten.
Wie gesagt, da steht
ligurriens. In der von Sepiola verlinkten Übersetzung, auf die du dich eben noch bezogen hast wegen der Übersetzung
rain und der anschließenden Scheindiskussion über Wasserqualitäten (was für die historische Maria vermutliche völlig bedeutungslos war, da die Geschichte vermutlich eine einzige Aneinanderreihung von Erfindungen ist), steht im Übrigen auch
licking with her mouth. Zwei Sätze vorher genießt die Übersetzung noch größte Autorität und jetzt plötzlich nicht mehr?! Relevant ist und bleibt einzig und allein, was das lateinische Original schreibt - völlig egal, wohin dich dein Bauchgefühl leitet:
ligguriens.
Ja, Weihrauch war und ist ein wertvolles Gut. Aber wenn man hier von Verschwendung spricht, dann müsste das vielmehr für die Kirche gelten, die das Weihrauch in ungeheuren Mengen importiert, um bei ihrem Hokuspokus Eindruck zu schinden. Ich denke, Damiani meinte damit: Weihrauch steht nur der Kirche und ev. noch den Kranken zu, aber nicht einer Frau, selbst wenn diese Ehefrau eines Dux ist.
Petrus Damiani war wahrscheinlich ein ziemlicher Unsympath und du kannst davon ausgehen, dass die ganze Geschichte allenfalls ein Fünkchen Wahrheit enthält und zum großen Teil, wenn nicht vollständig von Petrus erdichtet wurde; was du ihm hier aber unterstellst, steht dort nicht und geht an der Aussageabsicht Petrus’ meilenweit vorbei. Es ist Aufgabe des Historikers, Quellen zu deuten, nicht aber in sie Dinge hineinzulesen, die da - auch zwischen den sprichwörtlichen Zeilen - nicht stehen.