Warum dieses »natürlich«? Diese Annahme beinhaltet aus meiner Sicht eine gewisse Arroganz gegenüber den anderen ›Erben‹ Karls des Großen, die nicht in der EU sind. Karl der Große als »Vater Europas« ist keineswegs gleich »Vater der EU«, denn damit lässt man die ebenfalls berechtigten ›Nachfahren‹ Schweiz, Monaco, San Marino, Liechtenstein, und nicht zuletzt auch den Vatikan außen vor.
Noch mal zur Erinnerung: Mein Beitrag lautete:
Die Fragestellung bezieht sich natürlich auf das Heute, auf Karl den Großen als Vater der EWG-EG-EU. Was ist deine Meinung dazu, Lisa? Wie begründest du deine Zustimmung oder
Mein Beitrag lässt völlig offen, ob ich die Bezeichnung KdGs als Vater Europas für gerechtfertigt halte oder nicht. Aber die Bezeichnung ist nun mal in der Welt und dafür kann von uns keiner was.
Die Frage ist eine, die eindeutig aus einem schulischen Kontext stammt. Wahrscheinlich (aber vielleicht doch) ist dem Lehrer oder Schulbuchautoren nicht ganz klar, dass die Bezeichnung
pater europae zeitgenössisch ist. Die Schüler sollen sich kritisch mit der Behauptung auseinandersetzen. Daher meine Aussage „natürlich auf das heute bezogen“.
Man könnte also einen gewissen aufkeimenden Machtanspruch darin sehen, wenn Deutsche beginnen, Karl den Großen als ihren Vater zu proklamieren.
Ich habe rein gar nichts in dieser Richtung geschrieben! Wo siehst du einen aufkeimenden Machtanspruch?
Das witzige an deiner Interpretation meiner Einlassungen ist, und jetzt zwingst du mich leider dazu, mich zu äußern, wo ich das bei Schülerfragen bei denen es um Meinungsbildung geht ungern mache, da die sich schließlich ihre
eigene Meinung bilden sollen - Geschichtsunterricht in Dtld. dient der Einübung von fundierter Meinungsbildung und zwar möglichst ohne, dass irgendeine vorgekaute Meinung durch die SuS repetiert wird - ,
dass ich die Interpretation Karls als Vater der EU für völlig absurd weil anachronistisch halte. (Ich hab mal den Hauptsatz markiert
)
Der echte Vater der EU ist der germanophile französische Außenminister Robert Schumann, der verhindern wollte, dass jemals wieder ein Krieg von deutschem Boden ausging und sichern wollte, dass die französische und deutsche Wirtschaft miteinander so verknüpft würden, dass beide Länder auf ewig miteinander verbunden würden.
Im Zusammenhang der Gründung der EU ist somit Karl, der in der französischen und deutschen nationalchauvinistischen Deutung als Franzose wie auch als Deutscher beansprucht wurde, sicher in der Situation der Gründung der EWG als gemeinsamer Vater auch Italiens, Belgiens und der Niederlande dann in den Nachwehen des Nationalchauvinismus sicher als geeignete Integrationsfigur angesehen worden. Und den Karlspreis in Aachen verteilt man bis heute.
Außerdem könnte man provokativ einwerfen, dass heute in Deutsch land die Tendenz zum Atheismus weit größer ist als etwa in Italien, sodass die Vorstellung vom Deutschen als ideologischer Erbe Karls des Großen ein Bisschen absurd anmutet.
Wie kommst du eigentlich auf Deutschland? Wo war von Deutschland die Rede?