Titel:
Wölfe (Thomas Cromwell I)
Autor:
Hilary Mantel, DuMont
Thema:
Englische Reformation, Epochenwechsel zwischen Mittelalter und Neuzeit
Thomas Cromwell, Sohn eines Schmieds, hat als Anwalt im Dienste des englischen Kardinals Wolsey Karriere gemacht. Als Wolsey in Ungnade fällt, weil er den Papst nicht dazu bewegen kann, die Ehe Heinrichs VIII. mit Katharina von Aragon zu lösen, erbt Cromwell nicht nur Wolseys Feindschaften, sondern auch dessen Zugang zum König, was ihn zu einem mächtigen Mann und Vorkämpfer der Reformation machen wird.
– Allein in den Lebensdaten der Protagonisten und in Rückblenden berührt 'Wölfe' noch das Mittelalter, aber durch den Tod Mantels daran erinnert, wollte ich mich doch einmal an diese mit Preisen (u.a. Booker Prize) überhäufte Trilogie wagen. Zum historischen Hintergrund muss vermutlich nicht allzu viel gesagt werden.
Interessanter ist die Art der Umsetzung, erzählerisch wie stilistisch. Wie Sharon Kay Penman, die ich auf der ersten Seite erwähnt habe, war Hilary Mantel angetreten, einen gemeinhin negativ bewerteten Protagonisten der Tudor-Zeit zu rehabilitieren, oder doch zumindest ein differenzierteres Bild von ihm anzubieten.
In Rückblenden erzählt Mantel Cromwells Werdegang – seine Jugend, in der er sich sein "Gassenwissen" aneignet; seine Flucht vor dem gewalttätigen Vater, die ihn in die Italienkriege führt; sein Einstieg in den Tuchhandel; und schließlich seine Heimkehr und Heirat. Als die Haupthandlung einsetzt, ist Wolseys Stern bereits im Sinken und wir erleben Cromwell als geschickten Politiker, der das Ende abzuwenden versucht.
Allerdings ist Mantels Cromwell kein Intrigant, sondern ein feinsinniger Humanist, Familienmensch und zielstrebiger Staatsdiener, der seine persönlichen Ambitionen mit der Einführung der Reformation in England und der Stärkung der Monarchie gegen Adel, Papst und Ausland verbindet. Aus seiner Perspektive erlebt der Leser die Handlung, wobei er regelrecht absorbiert wird; das Buch bezieht daraus seine Faszination.
Es ist fast so, als hätte die Autorin Cromwell wiederbelebt und gebeten, dem Leser seine eigene Sicht der Dinge im Klartext nahezubringen. Denn Mantel bedient sich einer modernen Sprache ohne altertümelnde Formulierungen. Der Roman ist durchgehend im Präsens gehalten, was in Rückblenden manchmal gewisse geistige Verrenkungen erfordert, und durch Cromwell spricht Mantel den Leser oft direkt an.
Trotz dieser gewöhnungsbedürftigen Kunstgriffe, die natürlich Unmittelbarkeit erzeugen, besitzt der Roman eine hohe literarische Qualität. Ich habe ihn gern gelesen, und doch kann ich mich der Unzahl von überschwänglichen Rezensionen nicht vorbehaltlos anschließen. Wie schon Penman mit ihrem Richard III. ('The Sunne in Splendour'), schießt Mantel nach meinem Empfinden über ihr Ziel hinaus.
Ihr Thomas Cromwell ist fast zu perfekt, um wahr zu sein, sogar wenn man in Rechnung stellt, dass 'Wölfe' auf quasi autobiographische Subjektivität angelegt ist. Gewöhnungsbedürftig ist auch Mantels Sympathie für Heinrich VIII., oder dass seine sechs Frauen genreuntypisch keine Sympathieträgerinnen für sie sind – nun, eigentlich für Cromwell, aber diese Trennung ist müßig, weil fließend.
Ein Beispiel: Nachdem ich den ersten Band beendet hatte, überraschte es mich nicht, als ich bei einer kleinen Recherche auf sehr verächtliche Aussagen Mantels zur katholischen Kirche und sogar zu den Gläubigen stieß. Denn selbst als Agnostiker, der mit der Kirche nicht viel am Hut hat, hatte ich mich bisweilen an dem spürbaren Mangel an Distanz zwischen der Autorin und dem Reformeifer Thomas Cromwells gestört.
'Wölfe' kennt nicht einen einzigen katholischen Sympathieträger, dafür aber viele der antikatholischen Klischees, die zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert in England Staatsräson waren. Das sollten selbst Atheisten für bemerkenswert halten, weil dieser Antikatholizismus Teil eines größeren nationalistischen Gedankengebäudes war, der Englands Heil in der Loslösung von Europa suchte und zu finden glaubte.
Entsprechend sind auch die Nicht-Engländer in 'Wölfe' nicht gerade liebenswert. Was Mantel scheinbar abmildert, indem sie auch die Fehler in der englischen Volksseele analysiert – "scheinbar", weil diese Analyse eher ein Kokettieren ist als ein Sezieren. Aber bei aller Kritik will ich nicht verhehlen: Selten – oder nie? – habe ich ein Buch gelesen, das den Leser 600 Seiten lang fesselt, obwohl 300 Seiten genügt hätten.
Ich bin gespannt, ob auch der nächste Band ein solches intensives Eigenleben entwickelt.
Titel: Der Thron der Dornen (Jack Wynter Band 1)
Autor: Robyn Young, Blanvalet
Thema: Ausgehende Rosenkriege, Übergang in die Neuzeit
[…]
Da dies der erste Band ist, kann ich über die Qualität der Haupthandlung der Trilogie in puncto Unterhaltungswert und Historizität noch keine Aussage treffen: Bei Young ist die mediceische Plato-Akademie ein humanistischer Geheimbund, der die Entdeckung Amerikas aus noch ungenannten Gründen geheim halten will. Ob daraus ein Rohrkrepierer oder ein mitreißender Plot wird, kann ich noch nicht sagen.
Tja … der zweite Band
war ein Rohrkrepierer und so langweilig, dass ich ihn nicht mal rezensieren werde. Das kommt wohl dabei heraus, wenn Autoren sich krampfhaft auf Trilogien festlegen (oder zumindest von ihren Verlegern auf Trilogien festgelegt werden), ohne genügend Erzählstoff dafür zu haben.