Neuere Interpretation (u.a. Sigmund Oehrl) führen auch gotländische Abbildungen eines Reiters der von einer Frau mit Trinkhorn empfangen wird auf spätantike römische Vorbilder zurück - konkret auf das römische Adventus-Motiv.
Mit
Adventus ist die feierliche Ankunft des Kaisers gemeint.
Der siegreiche und damit vergöttlichte Kaiser reitet zu Pferd in eine Stadt ein. Dabei trägt er ein Feldzeichen. Er wird von der Stadtgöttin Roma/Tyche empfangen, diess Göttin reicht dem Kaiser einen Siegeskranz oder ein Getränk.
Das gleiche Motiv findet sich auf dem
Bildstein von Tjängvide, Gotland, 700-900 nach Christus. Hier hat das Pferd allerdings acht Beine. Es gibt zwar verschiedene Interpretationen, aber ich halte es für ziemlich unsinnig in einer wikingerzeitlichen Abbildungen einer Person auf einem achtbeinigen Pferd jemand anderes als Odin zu sehen. Ob jetzt Frigg oder eine Walküre dem Odin den Wein reicht, macht auch keinen wesentlichen Unterschied.
Dass Odins Ikonographie an die Ikonographie des Kaiser angelehnt ist, ergibt durchaus Sinn, denn er ist der Götterfürst.
In den Jahrhunderten davor sieht es mit bildlichen Darstellungen in Skandinavien ziemlich mau aus. Das gleiche gilt natürlich auch für Inschriften.
Vor dem Kontakt mit den Römern ist die germanische Kunst eher abstrakt. Bei den germanischen Holzidolen der frühen Römischen Kaiserzeit kann bestenfalls noch das Geschlecht erkennen. Die frühen Germanen opferten Tiere u.a. an Gottheiten, die sie sich wahrscheinlich als männlich oder weiblich vorstellten. An diesen Holzidolen aus den Opfermooren kann man noch so viel dran ruminterpretieren, aber über eine konkrete germanische Mythologie oder gar einen frühen Odin-Kult wird man nichts erfahren.
Mein inhaltlicher
Vergleich zwischen Odin und Konstantin bezieht sich auf die Verwendung siegbringender Zauberzeichen. Es geht mir nicht um Kaiser Konstantin als historische Person, sondern in erster Linie um die Legende und die Herrscherideologie.
Es gibt natürlich auch sehr viele Unterschiede zwischen den beiden legendären Gestalten:
Konstantin erscheint das leuchtende Kreuz am Himmel oder erhält im Traum die Vision des siegreichen Kreuzes.
Bei Odin existieren es unterschieden Sagen, wie er das Geheimwissen erlangt. Entweder trinkt er die Weisheit aus Mimirs Brunnen im Tausch gegen ein Auge oder durch Genuss des Skladenmets, den von der Riesin Gunnlöd Suttung für sexuelle Dienstleistungen (oder durch Beischlafdiebstahl) erhält, oder er erlangt es durch das Selbstopfer am Weltenbaum von den Nornen. Die letztere Geschichte ähnelt stark der Passion Christi am Kreuz, die eng mit der Legende um Konstantin und Helena verbunden ist.
Im Heldenlied Sigrdrifomal vermittelt die Walküre Brynhild die Runenmagie an Sigurd.
Bei der Schlacht auf der Milvischen Brücke schenkt der christliche Gott den Truppen Konstantins den Sieg.
In der Nordischen Mythologie sind es Odin oder die ihm unterstellten Walküren, die den Sieg schenken. Das Motiv taucht bereits in der langobardischen Stammessage auf, ist also sehr alt und schon vor der Wikingerzeit nachgewiesen.
Ein wesentlicher Unterschied zu Odin ist, dass Konstantin nicht den Sieg schenkt, sondern ihn von oben empfängt. Anders als Odin ist Konstantin kein Sieghelfer, sondern hat die komplementäre Rolle.
Odin kann in Walhall gefallene Krieger wieder lebendig machen.
Konstantin der Große konnte leider keine Toten wieder lebendig machen, dafür hatte aber seine Mutter Helena diese Superkraft. Dafür benötigte sie aber das wahre Kreuz Christi.
Odins Palast Walhall hat 540 Tore. Dort führen Einherjer den ganzen Tag sinnlose Kämpfe durch.
Obwohl das Kollosseum ebenfalls 540 Tore hat, hat es nicht so viel mit Konstantin zu tun. Immerhin fanden zu seiner Zeit dort noch Gladiatorenspiele statt.
Final soll Odin in der Ragnarök vom Fenriswolf gefressen werden.
Konstantins wurde auf dem Totenbett getauft.
Das sind ganz triviale Geschichten wie sie zu allen Zeit und überall erzählt wurden.