Welche DDR-Oppositionellen wollten die DDR behalten?

Krusk

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Hallo. Ich höre in Medienberichten immer wieder, die DDR sei durch DAS Volk abgewählt worden. Soweit ich weiss, gab es auch Gruppen und Demonstrationen, in denen lediglich eine andere DDR gefordert wurde. Mich würde nun ein genauerer Blick auf die DDR-Opposition von 1989 interessieren. Welche Gruppen wollten die Wiedervereinigung und welche lehnten sie ab? Wer lehnte es ab, dass die DDR zur BRD übertritt, und wollte stattdessen eine "andere" DDR haben?

Weiss jemand Näheres? Fachliteratur?
 
Die DDR-Opposition war zumindest vor dem eigentlichen Mauerfall hauptsächlich von Intellektuellen und Künstlern (Neues Forum) getragen worden. Die Forderung nach Wiedervereinigung stand nicht zur Debatte, sondern ein "Sozialismus mit menschlichen Antlitz" (was immer das sein sollte...).
Als dann die Mauer wirklich fiel, war diese Vorstellung zur Illusion geworden. Die Wiedervereinigung war unter dem Druck des Volkes (und der D-Mark) nicht mehr aufzuhalten und Helmut Kohl hat das sehr schnell erkannt und genutzt.
 
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Ich höre in Medienberichten immer wieder, die DDR sei durch DAS Volk abgewählt worden.
Wenn man "abgewählt" sagt, dann kann man eigentlich nur das (seinerzeit recht überraschende) Ergebnis der Volkskammerwahl 1990 meinen.
Da bekamen die Parteien eine Mehrheit, die für die Wiedervereinigung (und damit gegen ein Weiterbestehen der DDR) eintraten.

Mich würde nun ein genauerer Blick auf die DDR-Opposition von 1989 interessieren.
Das ist nun ein ganz anderer Zeithorizont!

Man kann ja fast sagen, daß sich 1989 fast jeden Monat die politische Landschaft geändert hat.
Anfang des Jahres war selbst eine leichte Veränderung der DDR nur schwer vorstellbar, im Laufe des Jahres diskutierte man über Änderungen, aber noch nicht über ein Ende der DDR, bis dann die Wiedervereinigungsidee real aufkam und immer stärkeren Anhang fand.

Da haben auch viele Personen und Gruppen ihre Meinung geändert, weil immer mehr möglich wurde.
Und Gruppen, die nur eine etwas andere DDR wollten, waren anfangs die einzigen, die sich überhaupt öffentlich zu Wort melden konnten - und wurden später immer unwichtiger, weil sie eben keine Mehrheit vertraten.
 
Die DDR-Staatsmacht hat auch einige so nicht geplante Eigentore geschossen.

Ich erinnere an die legendäre Schabowski-Pressekonferenz. Da ging es nicht darum, die Mauer zu öffnen, sondern alle "Ausreisewilligen" über die DDR rauszulassen, damit das Chaos an den Botschaften von Prag und Budapest sich nicht wiederholt.
Dass die Leute einfach mal in den Westen feiern gehen und am nächsten Morgen in Ostberlin wieder brav arbeiten kommen, war so nicht vorgesehen.
 
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Honecker sagte am 40. Jahrestag der DDR (6. Oktober 1989): "Die Mauer wird noch hundert Jahre stehen." Einen Monat später war sie gefallen. Ich erwähne das nicht aus Süffisanz gegenüber dem damaligen Staatsratsvorsitzenden, sondern um die damalige Situation zu verdeutlichen. Aus der Rückschau stellen sich viele Dinge anders dar, als aus der Perspektive der Zeitgenossen. Die Wiedervereinigung war im Oktober 1989 eine absurde Idee, die nur noch von konservativen Hardlinern in der Bundesrepublik als politisches Ziel verfolgt wurde. Mit dem 9. November hatte sich das völlig verändert.
Die Reformer in der DDR hatten natürlich auch unterschiedliche Motive. Einige waren wirklich davon überzeugt, dass die westliche Gesellschaft eine Ellbogengesellschaft sei (und leider sind in den Jahren 1989/90 viele DDRler auf unsanfte Weise in dieser Auffassung bestätigt worden) und wollten daher den Sozialismus beibehalten. Andere gingen das vielleicht analytischer an und wussten aus gescheiterten Revolutionen der Geschichte: wenn man die Gesellschaft verändern will, muss man kleinschrittig vorangehen, denn desto radikaler die Veränderung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es eine große und mächtige Verlierergruppe gibt, die ihre Position natürlich restaurieren möchte.
 
Quijote: Honecker sagte am 40. Jahrestag der DDR (6. Oktober 1989): "Die Mauer wird noch hundert Jahre stehen."

Diese Worte sind zwar gefallen, stammen aber aus einem Interview vom Frühjahr 1989 oder sogar noch früher. Da fiel, meine ich jedenfalls, auch Honeckers "Ochs und Esel" Zitat. Im Herbst 1989 war er gerade erst von langer Krankheit halbwegs genesen. Da war der Putsch im Politbüro schon beschlossene Sache.
 
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Honecker sagte am 40. Jahrestag der DDR (6. Oktober 1989): "Die Mauer wird noch hundert Jahre stehen."


Jetzt nur mal aus dem Kopf heraus.
Mir ist es so in Erinnerung, dass er das bei einer Tischrede gesagt hat, als er zu Besuch in der Bundesrepublik war.

"Die Mauer wird noch in fünfzig oder hundert Jahren stehen, solange die Ursachen für deren Bau nicht beseitigt werden" Oder so ähnlich.
 
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...Die Reformer in der DDR hatten natürlich auch unterschiedliche Motive. Einige waren wirklich davon überzeugt, dass die westliche Gesellschaft eine Ellbogengesellschaft sei (und leider sind in den Jahren 1989/90 viele DDRler auf unsanfte Weise in dieser Auffassung bestätigt worden) und wollten daher den Sozialismus beibehalten. Andere gingen das vielleicht analytischer an und wussten aus gescheiterten Revolutionen der Geschichte: wenn man die Gesellschaft verändern will, muss man kleinschrittig vorangehen, denn desto radikaler die Veränderung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es eine große und mächtige Verlierergruppe gibt, die ihre Position natürlich restaurieren möchte.
Oft war in dieser Zeit auch von einem "Dritten Weg" die Rede. Ich weiß bis heute nicht, wie der aussehen sollte.
 
Oft war in dieser Zeit auch von einem "Dritten Weg" die Rede. Ich weiß bis heute nicht, wie der aussehen sollte.
Ich weiß aber noch, daß die CDU damit gekontert hat, die soziale Marktwirtschaft sei bereits dieser "Dritte Weg" und nannte als Gegenbeispiele die USA auf der einen Seite und den gescheiterten Sozialismus der DDR auf der anderen Seite.
 
Barbarossa: ...die soziale Marktwirtschaft sei bereits dieser "Dritte Weg...

Ich erinnere mich gut, dass vom "schwedischen Modell des Sozialstaates" die Rede war.
Nach dem Mauerfall, in dem Zeitfenster von wenigen Tagen, als eine deutsche Wiedervereinigung immer noch Utopie war (Stichwort: mögliche Konföderation in einigen Jahren), haben hitzköpfige Rüganer und Festlandspommern sogar allen Ernstes die schnelle "Wiederaufnahme" durch Schweden verlangt.
Das Gebiet kam 1815 von Schweden zu Preussen...
 
Ich erinnere mich gut, dass vom "schwedischen Modell des Sozialstaates" die Rede war.
Nach dem Mauerfall, in dem Zeitfenster von wenigen Tagen, als eine deutsche Wiedervereinigung immer noch Utopie war (Stichwort: mögliche Konföderation in einigen Jahren), haben hitzköpfige Rüganer und Festlandspommern sogar allen Ernstes die schnelle "Wiederaufnahme" durch Schweden verlangt.
Das Gebiet kam 1815 von Schweden zu Preussen...
Ich fasse es nicht, das ist mir nun wirklich neu, aber irgendwie auch typisch - nicht unsonst nennen sie sich im Volksmund heute noch "Südschweden".
=)
 
Südschweden ist alles was nördlich des Main ist. Norditalien dagegen alles, was südlich desselben Flusses ist. Hej då!
 
Diese Worte sind zwar gefallen, stammen aber aus einem Interview vom Frühjahr 1989 oder sogar noch früher. Da fiel, meine ich jedenfalls, auch Honeckers "Ochs und Esel" Zitat. Im Herbst 1989 war er gerade erst von langer Krankheit halbwegs genesen. Da war der Putsch im Politbüro schon beschlossene Sache.

"Ochs und Esel" kamen am 14.August 1989 das erste Mal und am 6.10.1989 noch einmal. Bei Entgegennahme des ersten 32-Bit-Mikroprozessoren aus dem VEB Kombinat Mikroelektronik „Karl Marx“ in Erfurt am 14.8.1989 weitere Textpassage:
"... dass das Triumphgeschrei westlicher Medien über das Scheitern der sozialistischen Gesellschaftskonzeption nicht das Geld wert ist, das dafür ausgegeben wird."
 
Hallo. Ich höre in Medienberichten immer wieder, die DDR sei durch DAS Volk abgewählt worden. Soweit ich weiss, gab es auch Gruppen und Demonstrationen, in denen lediglich eine andere DDR gefordert wurde. Mich würde nun ein genauerer Blick auf die DDR-Opposition von 1989 interessieren. Welche Gruppen wollten die Wiedervereinigung und welche lehnten sie ab? Wer lehnte es ab, dass die DDR zur BRD übertritt, und wollte stattdessen eine "andere" DDR haben?

Weiss jemand Näheres? Fachliteratur?

Eigentlich öffentlich brabbelten alle 1989 von einer besseren Welt in der DDR mit sozialistischem Antlitz. Diese sollte durch freie Wahlen geschehen oder zementiert werden. Die Runden Tische waren das beste Beispiel für Demokratie-1.Klässler-Übungen.
1989 durfte man noch nicht öffentlich eine nicht-sozialistische DDR predigen. Da war man beim Volke noch unsicher, was die wollten. Erst im November ("Wir sind ein Volk!"-Demos) und im Dezember die "blühenden Landschaften" des Helmut Kohl in Dresden brachen das Eis zugunsten einer nicht-sozialistischen DDR, zumal Wahlkampf bevorstand.
Wie schon oben ein anderer schrieb, waren die DDR-Wahlen im März 1990 die Abwahl der DDR zugunsten der "blühenden Landschaften".

Sämtliche bürgerrechtsbewegten Personen waren nach der Wiedervereinigung nicht in sozialistischen Parteien. Sie fanden sich in FDP, CDU und Grüne wieder. Die ostdeutsche SDP (später Ost-SPD) war keine Bürgerrechtsbewegung sondern ein frühzeitiger Außenposten der West-SPD. Diese Ost-SPD hatte solch geniale Führungsperson wie Ibrahim Böhme in der offensiven Zeit gehabt.:)
 
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Ich fasse es nicht, das ist mir nun wirklich neu, aber irgendwie auch typisch - nicht unsonst nennen sie sich im Volksmund heute noch "Südschweden".
=)

Bei uns im südlichen Mecklenburg in Neubrandenburg gibts eine Gedenktafel für die heldenhafte Verteidigung der Stadt durch schwedische Truppen gegen Tilly 1631. Tilly bezwang die Schweden und richtete ein Gemetzel in der Stadt an.
 
Jetzt nur mal aus dem Kopf heraus.
Mir ist es so in Erinnerung, dass er das bei einer Tischrede gesagt hat, als er zu Besuch in der Bundesrepublik war.

"Die Mauer wird noch in fünfzig oder hundert Jahren stehen, solange die Ursachen für deren Bau nicht beseitigt werden" Oder so ähnlich.

Ein weiteres Zitat Honeckers vor 1989 ist dieses: "Wenn heute gewisse Kreise im Westen so tun, als ob ihnen die Vereinigung beider deutscher Staaten näher am Herzen liegen würde als Ihre Brieftasche (bis hierher kann man noch mitgehen), so möchte ich ihnen sagen:'Seid vorsichtig!' Der Sozialismus klopft eines Tages auch an Eure Tür! ... "
Und ich meine, er hat daran geglaubt.
 
Ein weiteres Zitat Honeckers vor 1989 ist dieses: "Wenn heute gewisse Kreise im Westen so tun, als ob ihnen die Vereinigung beider deutscher Staaten näher am Herzen liegen würde als Ihre Brieftasche (bis hierher kann man noch mitgehen), so möchte ich ihnen sagen:'Seid vorsichtig!' Der Sozialismus klopft eines Tages auch an Eure Tür! ... "
Und ich meine, er hat daran geglaubt.

Hab ich auf ner CD. Da wird auch Ilse Lange wortwörtlich zitiert, "ein Film über die Bodenreform" usw.
 
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