Hallo Zusammen,
nun wurde ja schon vieles über dieses Thema hier geschrieben. Manche Ansichten sind richtig und logisch, andere lassen bei mir nur die Stirn runzeln.
Die Frage „Entern oder Versenken“ ist eigentlich falsch, denn ein Versenken von Kriegschiffen in dem Zeitraum der Segelkriegsschiffe war nur unter besonderen Umständen möglich und nie das seestrategische Ziel, während dieser Epoche.
Da hier die Schlachten von verschiedenen Epochen erwähnt worden sind, möchte ich diese ebenfalls für meine Erläuterungen aufgreifen.
Vorab allerdings ein kleiner Überblick über die Entwicklung von Segelkriegsschiffen im Bezug auf die taktische Konstruktion. So hatten die ersten reinen Kriegsschiffe ( Achtung: Ich beziehe mich auf den Nordmeerraum, Konstruktionen des Mittelmeerraumes werden nicht berücksichtigt.) im 15. Jahrhundert noch keine großen Kanonen an Bord. Kampfhandlungen waren wie ein Landkampf anzusehen, nur mit einer schwimmenden Plattform. Hohe Bordwände konnten Burgmauern gleichgesetzt werden. Hohe Kastelle am Bug und Heck dienten Steinschleudern und Bogenschützen beim Entern des gegnerischen Schiffes das Deck mit den kämpfenden Matrosen zu beschießen. Als Schiffstypen sprachen die englischen Seeleute von: „Nefs, Cogs, Hulks and Carracks“.
Zum Ende des 15. Jahrhundert wurden die ersten Kanonen auf Segelschiffen benutzt, allerdings wurden diese noch in den Kastellen geführt.
Im 16. Jahrhundert wanderten die schweren Kanonen auf die offenen Decks nach unten, denn dies war notwendig der Stabilität wegen. Dadurch dass diese Kanonen noch keine Drehzapfen besaßen, konnten diese auch nur auf die oberen Teile des Rumpfes schießen. Ein Schießen auf die Wasserlinie des feindlichen Schiffes war nicht möglich. Um die Kanonen so tief wie möglich im Schiff aufzustellen, wurden Stückpforten eingeführt, die auf der Leeseite geschlossen wurden und somit konnte kein Wasser in das Schiff eindringen. Dennoch war die einzige Taktik immer noch, das gegnerische Schiff zu entern. Die Kanonen dienten lediglich dazu, die Masten, Segel und die Takelage des gegnerischen Schiffes zu zerstören, um es sturm- und enterreif zu machen, nicht aber den Rumpf.
Um den Rumpf zu zerstören, wurden bis ins 19. Jahrhundert sogenannte „ Brander“ eingesetzt, denn das Feuer war auf den hölzernen Kriegsschiffen immer noch der größte Feind.
Zum Ende des 16. Jahrhunderts hatten die Segelkriegsschiffe im Aufbau und Konstruktion die Grundstruktur erlangt, die bis Mitte des 19. Jahrhundert bei behalten werden sollte.
Als Beispiel sei hier Drakes berühmte „Revenge“ von 1577 zu nennen. Es handelt sich bei diesen Schiff um eine Galeone die ausschließlich für die kriegerische Auseinandersetzung mit Spanien gebaut wurde. So nahm sie an der großen Seeschlacht gegen die spanische Armada im Sommer 1588 erfolgreich teil. Drake nahm in dieser Schlacht mit der Revenge das spanische Admiralschiff Nosse Signora del Rosario und erbeutete das spanische Flaggschiff San Salvador. Beide Schiffe wurden nach England gebracht.
1591 wurde die Revenge in dem Gefecht bei den Azoren in einem Bord-an-Bord Kampf dem spanischen Kriegsschiff San Philip verwickelt, konnte aber nicht geentert werden. Keinem spanischen Schiff war es gelungen die Revenge zu entern. Mit zerstörten Masten und Aufbauten, bewegungsunfähig wurde sie an die Spanier übergeben. Sie war von über 800 Schuß getroffen, 6 Fuß hoch stand das Wasser im Schiff, aber sie war nicht gesunken.
Doch bei all den Seeschlachten und Seegefechten war noch keine klare Taktik zu erkennen, lag es wohl auch daran, dass viele Handelschiffe zu kriegerischen Handlungen herangezogen wurden und es eigentlich keine einheitlichen Kriegsschiffe gab.
Im 17.Jahrhundert wurden die Kriegsschiffe verbessert und ganz wichtig, es wurden Klassen und Ränge festgelegt, wonach die verschiedenen Kriegschiffe klassifiziert werden konnten.
Diese neuen Segelkriegsschiffe wurden nun auch nach ihrer Taktik benannt, in einer Linie aufzufahren und die gesamten Breitseiten der Kanonen in den Kampf zu stellen (Linienschiffe).
Besonders bei den Seekriegen der Engländer gegen die Niederlande Mitte des 17. Jahrhundert wurden nun die neuen Taktiken der Seekriegsführung angewendet. So war es wichtig die beste Position zum Wind zu erhalten, um das Gefecht offensiv beginnen zu können (Luvstellung). Beim Passieren der beiden Schiffslinien wurden dann Breitseiten abgefeuert, in der Hoffnung die gegnerischen Schiffe zu treffen. Dieses Passieren und mit Kanonen beschießen konnte stundenlang erfolgen, ohne auch nur einen Treffer zur erzielen!
Entscheidend war die Luvstellung, da man hier zum Nahkampf übergehen konnte und den Gegner durch Entern niederzukämpfen.
Im 18.Jahrundert wurden die Segelkriegsschiffe gebaut, die in ihrer Struktur denen des 17.Jahrhunderts glichen. Modifikationen gab es bei der Tagelage und den verschieden Typen, die je nach Verwendungszweck entwickelt wurden. Im Zuge der Vereinheitlichung innerhalb der verschiedenen Typen, vielen Verzierungen weg und die Rümpfe wurden mit Flacheren Galerien gebaut. Das Heck war übrigens immer die Schwachstelle eines Segelkriegschiffes, da es immer offen war. Das bedeutet, die Seitliche Rumpf ist aus den verschieden Spanten und Hölzern und doppelter Beplankung sehr stark gebaut (dies war auch wichtig für die Steifigkeit eines Schiffes bei größer werdender Länge), während das Heck keine Spanten besaß. Nur die Galerie mit ihren vielen Verzierungen und Glasscheiben. Taktisches Ziel im Einzelkampf war daher das „Enfilieren“. Hierbei wurde das Heck des Gegners möglichst nahe zu passieren und dabei nacheinander alle Kanonen durch den ungeschützten Schiffsteil in der Längsrichtung des gegnerischen Schiffes abzufeuern. Wenn dies gelang wurden meist mit einer Salve die Geschützbedienungen des Gegners niedergemacht.
Mit der Durchbruchstaktik und der Konzentrationstaktik wurden nun Teile der gegnerischen Flotte getrennt und von zwei Seiten in einem Bord-an-Bord Kampf niedergekämpft (doubliert).
In der Seeschlacht von Trafalgar 1805 war dies Nelsons Prinzip, das her immer beführwortete und das er in einem zu Anfang des Jahres geschriebenen Memorandums so formuliert hatte: “Die Aufgabe eines englischen Oberkommandierenden ist es, erstens (…) seine Schiffe so schnell wie möglich hart Bord an Bord mit dem Feind zu legen, und zweitens, dort zu bleiben und sich nicht von ihm zu trennen, bevor der Kampf entschieden ist.“
Fazit: Das Hauptziel, seit dem Segelkriegschiffe gebaut und eingesetzt werden, ist den Gegner mittels des Enterns niederzukämpfen. Ein Versenken durch Kanonenbeschuß wurde nie in betracht gezogen, lediglich als Hilfe dienten die Kanonen.
PS.:
Übrigens, die Karronade nennt man so, weil sie auf einer Karronadenlaffete steht. Dies waren großkalibrige Kanonen, die auf dem Oberdeck platziert waren, um als „Decksputzer“ gegen die Mannschaft eingesetzt zu werden.
Und die Taktik des „Crossing the T“ gehört nicht in die Segelkriegschiffzeit, diese Taktik wurde mit den modernen Panzerschiffen Ende 19 Jahrhundert und im 20. Jahrhundert eingeführt und angewendet.
Quellen:
Segel-Kriegschiffe 1400-1860; F. Howard
Seeherrschaft; Band 1 und 2; H. Pemsel
Risse von Schiffen des 16. und 17. Jahrhunderts; Kriegsschiff "Revenge"; F.Jorberg
HMS Victory; N.C.L.Hackney