Hallo Brissotin,
soweit ich weiß, war die Nationalversammlung dafür verantwortlich. Die haben wohl auch darauf bestanden, dass er den Eid auf die Verfassung ablegte.
Gruß.............
Ich habe gestern mal nachgeschlagen.
Wogegen sich Louis XVIII wendete, war die Verfassung, welche ihm vom Senat bzw. der
Provisorischen Regierung (federführend war, wie ich schon vermutete wohl Talleyrand (!) mit Louis' Vertrauten Abbé de Montesquiou) vorgelegt wurde. Der Senat hatte am 7. April 1814 Louis-Stanislas-Xavier zum König der Franzosen unter der Bedingung proklamiert, dass er die vom Senat ausgearbeitete Verfassung anerkenne.
Jedoch schloss sich diese
Verfassung eher an die Rückkehr zu einer konstitutionellen und liberalen Monarchie wie der von 1791/92 als an die von 1789 an.
Diese
lehnte Louis XVIII aber
ab, da er nicht als König der Franzosen, sondern als in einer Kontinuität zu seinen Vorgängern als "Louis XVIII par le grace de Dieu Roi de France et de Navarre" herrschen wollte.
Schon vor 1814 hatte sich, vor allem seit 1804, Louis XVIII hören lassen, dass er, wenn er eine Verfassung annehmen müsse, diese Kraft königlicher Autorität gewährt werden solle.
"...Der Verfassungsentwurf des Senats war mit der Erklärung von Saint-Ouen vom Tisch; eine Verfassungskomission aus Vertretern des Senats, der Gesetzgebenden Körperschaft und drei Vertrauten des Monarchen erarbeitete einen Entwurf, der die Versöhnung der beiden Frankreich gewährleisten sollte. Ludwig hat an der Ausarbeitung selbst keinen Anteil gehabt, aber er machte die neue Verfassungsordnung zu seiner Sache, als am 4.6.1814 der Text feierlich verkündet wurde. ..."
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Es war dann auch nicht mehr von einer "Verfassung" sondern von einer "
Verfassungsurkunde" (Charte constitutionelle) die Rede.**
Am meisten Feinde machte sich Louis XVIII mit seiner gegenüber Bonapartisten und "Königsmördern" sogar recht nachsichtigen Kurs unter den Royalisten selbst.
Wie gesagt hatte ihn das Exil erst ins Lager seines Bruders Artois gezwungen, dessen politische Ansichten, die schon im Heer der Exilanten von 1791 die vorherrschenden waren, von da an halbwegs vom Comte de Provence mitgetragen werden mussten. Ab 1795 setzte dann aber wieder ein zunehmend kompromisbereiterer Ton in den Erklärungen des nunmehr von seinen Getreuen als Louis XVIII proklamierten Exilkönigs ein. Louis XVIII war sozusagen durch die langjährige Schule des Exilantendaseins (1791-1814) gegangen.
Die versöhnlichen Versuche von Louis XVIII wurden zumindest von manchen verstanden:
"Die Politik der Mäßigung und des Vergessen war nach einem Diktum Chateaubriands darauf ausgerichtet, diejenigen, die dem König gedient hatten, nicht von denen zu trennen, die der Nation gedient hatten. ..."
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So
blieb bezeichnenderweise die
Armee bonapartistisch. Die Fachleute wie Ney ließen sich scheinbar vorerst nicht ersetzen. Die Übergabe von Festungen, Kriegsgerät an die Sieger und die Rücknahme der Grenzen auf den Stand von 1792 sowie die Einsetzung von Emigranten als Offiziere in die Armee, welche einige napoleonische Offiziere ersetzten - man denke aber auch daran, dass eben Emigranten in den Armeen Condés usw. ab 1792 durchaus auch gekämpft hatten - sorgte für Missgunst. Von den Schwierigkeiten der Jahre 1814 und 1815 mit natürlich bedeutenden Steuerlasten, der Rückkehr der Emigranten, dem die Nationalisten ärgernden Frieden von Paris (30.05.1814) aber auch den neuen Freiheiten, die man in der Diktatur zuvor nicht kannte konnte Louis XVIII durch einen Krieg wie Napoléon eben nicht ablenken.
Zusammen genommen erklärt dies etwas die Begeisterung bei der Rückkehr Napoleons, die aber nur von einem Teil der Bevölkerung geteilt wurde. Nach der erneuten Flucht des Königs vom März 1815 brachen schon im Mai des Jahres Revolten im Westen Frankreichs gegen das neuerliche Regime Napoléons aus. Die Verfassungsänderung, welche Napoléon vornehmen ließ, war nun auch zwar liberal aber natürlich nicht demokratisch und so verwundert es wenig, dass auch von Innen her die Herrschaft der "Hundert Tage" auf fragilen Füßen stand.
Vielleicht noch ein Wort (nochmals) von Thamer über die Haltung von Louis XVIII, welche zumindest für die erste Zeit ab 1814 wohl ganz sicher richtig dargestellt ist:
"... Aufgewachsen an dem prächtigsten Hof Alteuropas und dem monarchischen Milieu verbunden, von den Erfahrungen und Niederlagen von über zwanzig Jahren Revolution und Exil geprägt, begründete er in Frankreich eine Verfassungsordnung, die das monarchische mit dem liberalen Prinzip zu verbinden suchte und zum Vorbild für das konstitutionelle Europa wurde. ..."
Man sieht also, dass es weniger Louis XVIII missfiel, überhaupt mit einer Verfassung zu tun zu haben, als dass sie anfangs einen Charakter hatte, mit dem er scheinbar so deutlich nicht einverstanden war.
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Alle Zitate nach:
Prof. Peter Claus
Hartmann (Hrsg.): "Französische Könige und Kaiser der Neuzeit" - Beck'sche Reihe - München 2006
Hier: Prof. Hans-Ulrich Thamer: "Ludwig XVIII."
S. 379
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Die Inhalte der Verfassung findet man mit meinem Wikipedialink, deswegen habe ich wegen Deckungsgleichheit mit den Aussagen Thamers nicht noch extra zitiert.
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Thamer: "Ludwig XVIII." (wie oben)
S. 380
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ebenda
S. 367