Religiös und/oder kulturell geprägte Feindbilder

Da es hier ja eigentlich ums Türkenbild geht, also um das Feindbild nicht um die Fakten, hier eine kleine Auswahl türkenfeindliche Sprichwörter aus Wadlers Deutschen Sprichwörterbuch von 1867.

Sprichwörtlich ist der Türken Grausamkeit.
Wie der Türk so die Pistole.
Lieber der Türken Grausamkeit als der Beduinen Gerechtigkeit.

Besonders gemein:
Der Türke mag ein Gelehrter werden, nie aber ein Mensch.

Wie schon Luther* die Türken und den Papst in einen Topf war, werden Türken und Serben als Feinde nebenander geordnet. Im Serbischen Sprichwort hingegen kommen Tiernamen zum Einsatz.
Vor einem alten Türken und einem jungen Serben soll man sich hüten. (aus Böhmen)
Hier Türken, dort Wölfe. (aus Serbien)

Interessant, welche Schwächen der Islam mit sich bringt. ;)
Wer einen Türken will la'n sinken, der lehr' ihn Branntwein trinken. (aus Serbien)

Sprichwörtlich ist auch die Misswirtschaft im Osmanischen Reich.
Wohin ein Türke seinen Fuss setzt, da wird das Erdreich auf hundert Jahre unfruchtbar.

* Zu Luther:
"das der bapst der Endchrist sey mit dem Turcken, ist myr keyn tzweyfel mehr"
Dass der Papst der Antichrist mit dem Türken ist, daran zweifel ich nicht mehr.
Aber Luther kannte trotzdem die relative Toleranz im Osmanischen Reich.
"der Turck lessit doch gleubenn wer do wil, der bapst wil niemant lassen gleuben"
Der Türke lässt die Leute glauben, was sie wollen, der Papst lässt niemanden glauben.
Zweifellos dient in beiden Fällen der Vergleich von "Türke" und Papst dazu, gegen den Papst zu wettern.
 
Na, du hast doch die Zahlen zuerst gebracht? Woher hast du sie denn?

PS (mal wieder): Es gab z.B. Aufstände, die durch Willkürherrschaft von Janitscharen hervorgerufen wurden, die wiederum hervorgerufen wurden, durch Hunger und ausbleibende Soldzahlungen der Janitscharen, die wiederum hervorgerufen wurden, durch Abwertungen und Münzverschlechterungen der Währung, usw. Das entschuldigt nichts, erklärt aber den Kontext. Inwieweit einige dieser Aufstände zu jener Zeit schon einem Proto-Nationalgefühl geschuldet sind, dazu bin ich jetzt zu müde, schaut ins Forum...
Ich will nur auf die sogenannten "Tal-Fürsten" eingehen, die zeitweise z.B. im 18. Jh. zunehmend die Macht übernahmen, und auch von "einheimischen" Notablen gegründet wurden. Serben also Serben "unterdrückten".
Ausserdem gab es nach langsamen Schwinden der Kontrolle der Osmanen des Balkans marodierende Banden, Söldner, usw. musl. und christl. Herkunft, die einen Teil des heutigen historischen Gedächtnis des Balkans füllen.

griech. Aufstände, S. 36:
Oldenbourg Grundriss der Geschichte - Google Buchsuche
 
Aufstand 1592:
1592 wurde ein achtjähriger Frieden zwischen Rudolf II. und den Osmanen vereinbart.
Tatsächlich wollte man seitens der hohen Pforte die immer undisziplinierter werdenden Janitscharen beschäftigen, der Friedenvertrag war also für den Sultan nicht gerade optimal.
In Carigrad wurde dem bosnischen Konvertiten Hasan Pascha Predojevic der Auftrag erteilt, weiter in Richtung Kroatien vorzustoßen.
Im Sommer 1592 nahm er Bihac (Nordwestbosnien), im Folgejahr wollte er an den Erfolg anknüpfen, kassierte aber bei Sisak eine Niederlage.
Er blieb teilweise am Fluss Kupa hängen und verlor dort auch einen Haufen guter Männer.
Großwesir Sinan Pascha drängte daher auf eine offizielle Kriegserklärung gegenüber den Österreichern.
Mittlerweile zielte der 1592 gewählte Papst Clemens VIII. auf ein christliches Bündnis hin, um der von der Reformation geplagten katholischen Kirche wieder zu Ansehen zu verhelfen.
Außer Spanien und Österreich schloss sich dieser "Allianz" kein anderes katholisches Land an, weshalb er beschloss mehr auf die östlichen Königreiche zu schauen, Russland, Polen, Rumänien und die Ungarn.
Der Umstand, dass gerade die vorher nie recht gefragten Russen hätten miteinbezogen werden sollen, kann dadurch erklärt werden, dass sich der russische Einfluss unter den orthodoxen Slawen am Balkan ständig vergrößerte, so hatten sie ihre Leute beispielsweise im besagten Carigrad und Sveta Gora sitzen, Rom wurde von katholischen Würdenträgern aus Bosnien darauf hingewiesen und aufgefordert, mehr in diese Richtung hinzuarbeiten.
Der Bischof von Hvar, Petar Cedolini, schlug dem Papst 1593 vor, eine Gesandschaft nach Russland zu schicken und diese mit den Polen für den Kampf gegen die Türken zu animieren - "Die Russen haben unter den Orthodoxen viele Anhänger, mit deren Aufstand man rechnen kann, als einen der Grundsteine für den Erfolg".
Ähnliche Schlüsse zog Aleksandar Kolumovic, ein geistlicher, der den Balkan bereiste.
Am 1. Juni 1593 wenden sich auch albanische Stammesälteste an die katholische Kirche, unter Einfluss ähnlicher Agitatoren.
Im Herbst 1593 beginnt man mit den Feindseligkeiten seitens der Osmanen in Südungarn, was den Papst zu schnellerem Handeln drängt.
Anfang 1594 schickt man Kolumovic zu Fjodor I. nach Russland.
Auf Betreiben bei Reichsfürst Sigismund Bathory kommt es im ersten Quartal von 1594 zum Aufstand der Serben im Banat, welche im März die Stadt Vrsac verbrennen.
Djordje Palatic, Bathorys Mann, forderte die Serben und Walachen dieses Gebietes auf, einen Aufstand in größerem Umfang gegen die Türken zu beginnen.
Verschärft wurde der Aufstand durch den Umstand, dass Sinan Pascha die Gebeine des heiligen Sava, dem serbischen Nationalheiligen schlechthin, aus Milesevo entfernen lässt und sie am 27. April 1594 bei Vracar verbrennt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Sava_von_Serbien)
Was nicht ganz den osmanischne Gepflogenheiten entspricht, schließlich wurden die Gebeine anderer serbischer Heiliger wie König Milutin, Decanski oder Lazar, dem Führer bei der Amselfeldschlacht, nie angefasst und blieben erhalten.
Ein Grund war u.a. die unbefriedigende Haltung der serbisch-orthodoxen Kirche gegenüber den Osmanen, deren Schutzpatron der heilige Sava ist, aber auch Symbol für den serbischen Freiheitsgedanken.
Nach dieser Aktion griff der Aufstand auf die Städte Beckerek, Lipovo, Titel und andere Ortschaften über.
Der geistige Führer dieses Aufstandes war der Priester Teodor Tivodorovic.
Der Aufstand wurde natürlich von den Osmanen niedergeschlagen, die Gründe brauche ich hier wohl nicht nennen (Truppenstärke, Organisation, ...), einer der vielen war aber auch die Unentschlossenheit von Bathory, dem die Serben sogar die Despotenwürde und die Krone, falls sie denn befreit werden sollten, anboten.
Teodor soll dann die serbische Eparchie in Sibunj gegründet haben, wobei er später vom Temisvarer Pascha umgebracht worden sein soll.

Fortsetzung folgt ... eventuell, ich gehe jetzt pennen.
 
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Brushian: Magst du erwähnen, woraus du deine Ausführungen entnommen hast?

@all: Noch ein Hinweis zum Thema Fremdherrschaft.
Wir müssen immer aufpassen, dass wir nicht in nationalen Kategorien der letzten 200 Jahre dabei denken, auch wenn wir davon zutiefst geprägt wurden.
Es kommt auch auf die betrachtete Gruppe drauf an, inwieweit eine Fremdherrschaft überhaupt als fremd empfunden wurde, bzw. ob jemand überhaupt Kontakt zum Fremden hatte.
So fühlten die serb. Adligen die Herrschaft der Osmanen u.U. als fremd, ein Bauer hingegen hatte vielleicht über Jahrhunderte keinen einzigen Kontakt zu einem Muslim, merkte nur, dass er mal mehr, mal weniger Abgaben zu leisten hatte. Über die Legitimationsargumente der Herrschenden hatte er u.U. keine Kenntnisse.

Das ist wohl auch ein Grund dafür, warum Aufwiegelungspropaganda z.B. von Russland über Jahrhunderte relativ wenig Beachtung geschenkt wurde.

Goffman: The Ottoman Empire and Early Modern Europe. 2004. S. 46.
"One immediate problem [of the Ottomans] was of politically and socially integrating peoples
accustomed to a Christian government and fearful of both Islam
and the central-Asian warriors who were carrying it into Europe.21 Such
hurdles were less forbidding than they may seem today, for most of the
regimes that the Ottomans displaced were essentially illegitimate and
many were reviled. Not only had the Fourth Crusade of 1204 installed
Latin and thus heretical lords in many of these Greek Orthodox lands,
but also these rulers exploited their subjects through high taxes and onerous
personal services (including the infamous corv´ee, by which the lord
weekly demanded several days of personal service from his serfs). Such
exploitation came even at the hands of the rulers of Byzantium who may
have shared the faith of most of their subjects but whose desperate plight
gave them little choice but to compromise with the Latins and heavily tax
their peoples."

Bedenkt auch immer, wer der Auftraggeber damaliger Chroniken war, und wie sich unser Geschichtsbild gewandelt hat, u. a. durch starke sozialgeschichtliche Forschungen der letzten 30 Jahre.

Zum Thema Identitäten, Femdheitsgefühle, Gemeinschaftsgefühle, schaut bitte hierein:

http://www.geschichtsforum.de/f303/griechisches-nationalbewusstsein-21113/
interessante Dokumente, Ebooks und Artikel
Bosnia, Rama, Bosnien, BiH
interessante Dokumente, Ebooks und Artikel
 
Zuletzt bearbeitet:
Es kommt auch auf die betrachtete Gruppe drauf an, inwieweit eine Fremdherrschaft überhaupt als fremd empfunden wurde, bzw. ob jemand überhaupt Kontakt zum Fremden hatte.

Ein muslimischer Türke mit Fez, Krummsäbel und Pluderhosen wurde von einem katholischen Kroaten mit tödlicher Sicherheit als "fremd" wahrgenommen.

Da muss man gar nicht so viele rhetorische Klimmzüge machen.
 
Besten Dank, Brushian!

Sehr interessante und nicht leicht zu ermittelnde Informationen, die du da zusammengetragen hast.

Kein Problem, Holm Sundhaussens Werke, unter anderem die "historische Statistik Serbiens" und "Geschichte Serbiens" kann ich auch weiterempfehlen, aber die behandeln nur die letzten 200 Jahre, alles was vorher war, wird nicht genauer behandelt oder nur oberflächlich angekratzt, im Bezug auf deutschsprachige Werke jetzt.
 
Kein Problem, Holm Sundhaussens Werke, unter anderem die "historische Statistik Serbiens" und "Geschichte Serbiens" kann ich auch weiterempfehlen, aber die behandeln nur die letzten 200 Jahre, alles was vorher war, wird nicht genauer behandelt oder nur oberflächlich angekratzt, im Bezug auf deutschsprachige Werke jetzt.

Habe gestern das Buch "Geschichte der Balkanländer von der Frühzeit bis zur Gegenwart" von Edgar Hösch, erschienen bei C.H. Beck, gekauft.

Kennst du das Werk und wie beurteilst du es? :grübel:
 
Dabei darf man natürlich nicht die Motive der Rebellionen verkennen, und nicht den Geschichtsschreibern Südosteuropas der letzten 100 Jahre auf dem Leim gehen, die darin einen Freieheitskampf, ein Gemeinschaftsgefühl, eie Identität, eine Kontinuität ihrer Nationen festschreiben wollten. Oder welchen von 1935, wie Vladimir Corovic.

(Nicholas J. Miller ist natürlich reputabel, hat aber seinen Schwerpunkt auf die letzten 150 Jahre und forscht selber nichts zur osmanischer Herrschaft.)

Es kommt einem natürlich schon verdächtig vor, wenn in zahlreichen Provinzen Rebellionen ausbrechen (z.B. Celali-Aufstände), durch Christen oder Muslimen verursacht, oder durch Mischungen der beiden. Und wenn diese noch in ähnlichen Zeiträumen vonstatten gehen, und auf der einen Seite z.B. sozio-ökonomische Gründe hatten, und auf der anderen Seite dem (konstruiertem) "Freiheitswillen" einer "Nation" geschuldet seien, dann stimmt was nicht.
Das ist zumindest Geschichtsklitterung im Zuge des Nationbuilding der Nachfolgestaaten! Eher noch politisch-ideologisch verbrähmte Rückprojektionen. Typische Imagined Communities (Vorgestellte Gemeinschaften - siehe auch Benedict Anderson) und Invented Traditions (Erfundene Traditionen).

Lassen wir hingegen einen Osmanisten 2005 zu Wort kommen, sieht die Sache schon ganz anders aus:

Quataert, S. 55.:

"Within the empire, as we have seen, many provincial notables during the
eighteenth century had practiced substantial degrees of autonomy while
acknowledging the fundamental legitimacy of the Ottomans’ enterprise
and their state. Seldom, if ever, had the rebels sought to break out of or
destroy the Ottoman imperium. There had been revolts but, generally,
these had worked within the system, claiming as their goal the rectification
of problems within the Ottoman universe, such as the reduction
of taxes or better justice. But in the nineteenth century – in the Balkan,
Anatolian, and Arab provinces alike – movements emerged that actively
sought to separate particular areas from Ottoman rule and establish independent,
sovereign states subordinate to no higher political authority.
Further, in almost every instance, one or another of the Great Powers
supported these revolts, and their assistance indeed was crucial to the
success of the rebels’ effort. Thus, the nineteenth century is different in
that many of the territorial losses resulted from revolts and rebellions on
the part of Ottoman subjects against their suzerain or sovereign. This
seems generally new in Ottoman history."

Wir sind hier doch nicht bei "Braveheart"... ;)

(Zusammengefasst in deutsch: Selten, wenn überhaupt, hatten die Rebellionen die Intention, aus dem osman. Reich auszubrechen oder es zu zerstören. Normalerweise hatten die Rebellionen das Ziel, innerhalb des osmanischen Systems eine Lösung herbeizuführen, z.B. niedrigere Steuern. Im 19. Jh. hingegen ändert sich die Motivlage, und nun treten neue Bestrebungen durch die Großmächte unterstützt auf, nämlich Gebiete aus dem Osm. Reich durch Rebellionen herauszulösen.)
 
Der 75 jährige Edgar Hösch ist reputabel, ist aber nicht mehr überall auf der Höhe der Zeit und hat oft noch ein Bild von den Osmanen von 1950.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, hier herrscht ein großes Defizit an neueren kompetenten Autoren, oder?
Allgemein: Komme mir vor wie Don Quijote, zudem meine schon vor einem Jahr getätigten und verlinkten Posts anscheinend nicht gelesen wurden?

Ich hatte schon vorige Woche einiges gesucht zur Frage von Brushian und Zoki55, bzgl. der Serben und Kroaten und Migrationsbewegungen.

Siehe dazu, auch zu obigen Themen hier:

Bitte nach dem Stichwörtern "rebellion", "unrest", "revolt" und die Mehrzahl, also "rebellions", etc. darin suchen. Oder beim anderen Thema nach "Migration", etc.

Dann erhaltet ihr neue Infos zu obigen Themen.

The Ottoman Empire, 1700-1922 - Google Buchsuche
The Ottoman Empire and Early Modern ... - Google Buchsuche
The Ottoman Empire and the World ... - Google Buchsuche
An Economic and Social History of ... - Google Buchsuche
The Cambridge History of Turkey: The ... - Google Buchsuche
The Early Modern Ottomans: Remapping ... - Google Buchsuche
The Ottomans and the Balkans: A ... - Google Buchsuche
Der osmanische Staat 1300-1922: 1300 ... - Google Buchsuche
Mirror des gleiches Buches mit ggf. anderen einsehbaren Seiten:
Oldenbourg Grundriss der Geschichte - Google Buchsuche
The Turks in World History - Google Buchsuche
The Ottoman State and Its Place in ... - Google Buchsuche
Der Balkan: eine europäische ... - Google Buchsuche
Creating the Other: Ethnic Conflict ... - Google Buchsuche
Geschichte des Osmanischen Reiches - Google Buchsuche
Kultur und Alltag im osmanischen ... - Google Buchsuche
Der andere Orientalismus: Regeln ... - Google Buchsuche
Selbstzeugnisse in der frühen ... - Google Buchsuche
Europa und der Islam: Geschichte ... - Google Buchsuche


Müsst nicht alles lesen. Sind nur wenige Absätze zu den Rebellionen oder Migrationen. Schon die ersten beiden Links der Standardwerke enthalten genügend Infos, um erste Klischees oder veraltete Ansichten zu revidieren. (Leider die meisten auf engl. aber auch einige neuere auf deutsch dabei, Suchbegriffe entsprechend ändern.)

Um mal einige wichtige neuere Werke auszuführen. Und mal auch einige Autoren zu Wort kommen zu lassen, die wenigstens die osmanischen Archive in Belgrad, Istanbul, Sofia auch lesen können!

Lest bitte selber, habe keine Zeit mehr zum Aufklären. Und bei rhetorischen Klimmzügen und Äusserungen zu Pluderhosen, usw. hätte ich gerne Belege, so wie man es von mir immer fordert.

Ciao.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie ich hier gerade lese, hat der Sieg des Islam in Südosteuropa den traditionellen Führungsschichten der christlichen Balkanvölker die Existenzgrundlage entzogen. Auf den vielen Schlachtfeldern hatten sie einen hohen Blutzoll zu entrichten und unter den Überlebenden zogen viele die Flucht über die Grenzen einem ungewissen Schicksal im Machtbereich des Islam vor. Von Renegaten abgesehen, fanden sie im islamischen Militärsystem nur in Ausnahmefällen einen angemessenen Platz.

Im übrigen herrschte eine dünne muslimisch-türkische Elite von etwa 20% über die christlichen Bauern, Handwerker und Händler. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass diese anderssprachige, kulturell und religiös ganz unterschiedliche türkische Herrenschicht als "fremd" wahrgenommen wurde.

Angesichts der militärischen Dominanz der Türken und ohne Führerschaft des ausgewanderten und dezimierten christlichen Adels war die Bereitschaft zu Aufständen naturgemäß wenig ausgeprägt.

Die fanden aber sogleich statt, als es nach 1800 mit dem Osmanischen Reich bergab ging. So ist also zu vermuten, dass die Bereitschaft zur gewaltsamen Befreiung auch vorher schon vorhanden war und nicht allein dem gern zitierten "Nationalgefühl" geschuldet ist, das in anderen Teilen Europas auch schon im Mittelalter vorhanden war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dabei darf man natürlich nicht die Motive der Rebellionen verkennen, und nicht den Geschichtsschreibern Südosteuropas der letzten 100 Jahre auf dem Leim gehen, die darin einen Freieheitskampf, ein Gemeinschaftsgefühl, eie Identität, eine Kontinuität ihrer Nationen festschreiben wollten. Oder welchen von 1935, wie Vladimir Corovic.

Auf den Leim gegangen?
Mir gefallen die Werke von Wladimir Corovic gerade aus dem Grund, weil er nicht die Osmanen zur Sau macht, wie man das erwarten würde, er war eher austrokritisch eingestellt, obwohl er in Wien studiert hat.
Die Gründe der jeweiligen Aufstachelung der Bevölkerung durch verschiedene Kräfte von außen, hat er sehr detailliert geschildert, weniger etwas von "nationalem Heldenmut" oder "Kampf gegen das Türkenjoch".
Balkan: Bosnien und sein „Nachmittag-Islam“ - Eurasisches Magazin
Ich würde ihn nicht unbedingt als nationalistischen Schreiber darstellen, dazu sind mir seine Bücher einfach zu objektiv geschrieben, das ist natürlich meine subjektive Meinung.
Die Dinge, welche oben geschrieben, sind nun mal Tatsachen, wenn es eine andere Schilderung gibt, soll sie bitte genannt werden.
Zumindest in dieser Hinsicht ignoriere ich nicht alle Balkanschreiber der letzten hundert Jahre, weil ich kaum glaube, dass ich aus irgendwelchen anderen Quellen erfahren würde, dass die Eparchie von Sibunj von Teodor Tivodorovic gegründet wurde, um ein Beispiel zu nennen, solche Daten werden wohl nicht unbedingt in Büchern stehen, die sich rein mit der osmanischen Dynastie befassen oder mit osmanischer Innenpolitik.
Wenn man die Geschichte der Balkanvölker analysiert, kann man das genausowenig außerhalb der osmanischen Kontext machen, wie die Beschäftigung des osmanischen Balkans ohne deren Völker zu berücksichtigen, oder ihre Geschichte innerhalb dieses Reiches.
Sie wurden zwar besiegt und kamen unter osmanische Herrschaft, verschwanden aber nicht spurlos.
Lynxxx, jetzt ohne den balkanischen Wildhund spielen zu wollen, wo steht meine Schilderung anders geschrieben, ähnlich detailliert und von keinem Balkanesen geschrieben?
Gibt es zu den Aufständen im Banat osmanische Quellen?
Mir scheints echt, dass alles was irgendwie in Richtung Negativem an den Osmanen zu erscheinen drohen könnte, unrealistisch, nationalistisch verfärbt, verrissen oder unseriös ist.
Und das ist hier nicht einmal der Fall.
Wenn du mal die Möglichkeit hast, kannst du dir dieses Buch von Corovic durchblättern, ist alles andere als unseriös oder leimgängerisch, genau das Gegenteil, das liest man nicht um Gründe zu haben, gegen Osmanen zu hetzen, sondern um zu wissen, was auf diesen Territorien so alles passiert ist, darum wirst du Corovic auch auf keinen Nationalistenseiten oder Ähnlichem finden.

In deinem Zitat steht leider nichts Genaues, nur die üblichen Floskeln, was nicht heißt das es nicht stimmt, aber Namen oder etwas Ähnliches werden nie genannt, das hat doch echt nichts mit Nationbuilding zu tun.
Zur Zeit steht neunzehntes Jahrhundert und siebzehntes, aber es wird nie konkret was angerissen, nur Gründe, wieso es nicht so beschissen war.
Keine einzige Zeitangabe oder sonstwas...
Nicht böse sein...:friends:
 
Ich lese ein gedrucktes Buch, lynxxx, und nichts aus deinen Links! Was sagst du inhaltlich dazu?
Ja welches denn?

Brushian: Obige Bücher in den Links sind meist Überblickswerke, deshalb auch kein Wunder, dass keine Details genannt werden. Wenn aber zusammenfassend ausgesagt wird, dass Erhebungen aus "nationalen" Gründen so gut wie keine Rolle spielten, dann brauche ich nicht jede Rebellion in jedem Detail auseinandernehmen, so interessant es auch sein mag, um zu genau der gleichen Schlussfolgerung zu gelangen. Und wenn ich Gegenteiliges lesen würde, dann steht es im Kontext zu der Historiographie der Nachfolgestaaten des Osm. Reiches. Siehe entsprechenden Thread, und zwei-drei Links der Bücher oben, die eben dieses Problem aufgreift.
Zu Aufständen auf dem Balkan gibt es natürlich osman. Quellen.
Die meisten Jugoslawen ignorierten diese aber bis vor wenigen Jahren. War auch nicht notwendig, da aus politischen Gründen bis vor kurzem meistens ein bestimmtes Bild vermittelt werden sollte. Z.B., wie will man die andalusische Geschichte Spaniens ohne Arabisch-Kenntnisse schreiben?

Schaue mal in den 200 Jahre alten Hammer-Purgstall in googlebooks, der ist komplett lesbar, und bietet vielleicht Details, die auf anderen Quellen beruhen, z.B. venezianischen, sei dir aber bewusst, dass er veraltet ist.
Oder kaufe dir auf deutsch die Reihe Osman. Geschichtsschreiber vom Styria-Verlag, sehr interessante detaillierte interkultuerelle Einblicke aus erster Hand.

PS: Schreibt Vladimir Corovic auch, dass z.B. die meisten russischen Aufstachelungen zur Rebellion von den SO-Europäern ignoriert wurden oder nur geringes Echo auslösten?
 
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Ich hätte mal eine Frage.
Wie verwalteten die Osmanen denn diese Provinzen auf dem Balkan?
Waren die Verwalter direkt vor Ort? Oder wählte man Ortsansässige aus?
Denn ein Gefühl der "Fremdheit" motiviert sich doch entscheidend aus solchen Faktoren wie der Selbstrepräsentation.
Wohnt ein Gouverneur zum Beispiel 20 Jahre neben jemandes Haustür, so wird er wohl auch ein höheres Maß an Akzeptanz erfahren als ein Kerle, der alle paar Monate seine Schläger vorbeischickt, um die Steuern einzutreiben.
Natürlich ist auch hier ein Verallgemeinerung nur schwer möglich, aber ich hoffe doch, dass es hier wenigstens eine gesetzliche Regelung im osmanischen Reich gab!
 
Unterschiedlich, die Steuern wurden auch von Einheimischen eingezogen. Klerus und Mönche waren kopfsteuerfrei, usw. Je nach Jahrhundert. Siehe bitte obige Links, gibt's auch was in Deutsch, sind nur zwei-drei Seiten pro Buch. Osmanen waren meist in Städten, weniger auf dem Lande präsent.
 
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