Die Feldzüge des Germanicus

Noch ein paar Worte zu den angeblichen Siegen des Germanicus bei Idistaviso und am Angrivarierwall, über die Tacitus berichtet:
Tacitus halte ich nicht für uneingeschränkt glaubwürdig. In der modernen Forschung wird mitunter überhaupt angezweifelt, ob die Schlachten bei Idistaviso und am Angrivarierwall überhaupt richtig große Schlachten waren oder nicht doch eher kleinere Gefechte, die von der römischen Propaganda aufgebauscht wurden, um sie als Rache für die Varusschlacht betrachten zu können.

Häufig wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesen beiden Schlachten um mehrere kleinere Gefechte gehandelt hat. Dass diese auf dem offenen Schlachtfeld ausgetragen wurden, halte ich auch für unwahrscheinlich. Es liegt nahe, dass Arminius auch hier zumindest teilweise seine Guerilla-Taktik angewand hat, allerdings mit deutlich weniger Erfolg als in der Varus-Schlacht. Daher spricht die römische Propaganda später auch von den großen "Siegen" über die Germanen.
 
Tacitus spricht ja davon, daß die Legionen auf dem Rückweg von Idistaviso angegriffen wurden, bis es dann zur Schlacht am Angrivarierwall kam. Es war wohl die letzte Gelegenheit für Arminius, den Römern noch Verluste beizubringen, bevor diese deutlich günstigeres Gelände und/oder bald ihre Schiffe erreichten.

Tacitus deutet auch einen Hinterhalt an, obwohl (zumindest mir) nicht ganz klar wird, wie der gedacht sein sollte.
 
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Buch von Brepohl kommen:

Er vermutet, daß der Arminius das Gelände der ersten Schlacht (Ebene von Idistaviso) absolut berechnend ausgewählt hat. Diese Schlacht sollte lt. Brehpol nur dazu dienen, die Römer zeitlich zu binden. Die römische Armee sollte taktisch "aus dem Tritt" gebracht werden. Die eigentliche Schlacht sollte dann später (gegen Herbst, einer Jahreszeit die der römischen Armee nicht unbedingt behagte) auf einem Gelände stattfinden, welches den Germanen eher lag - am Angrivarier Wall. Beim Tacitus ist ja auch von einer Belagerung eines Kastells an der Lippe, sowie der Zerstörung des Drusus-Altars die Rede. Schon diese Ereignisse wird den Zeitplan der Römer durcheinandergebracht haben. Brepohl vermutet, daß es Arminius bei der Schlacht von Idistaviso in erster Linie darum ging die feindliche Kavallerie zu schwächen - ähnlich wie es Tacitus bei der Schlacht an den pontes longi beschreibt. Auf eine wirklich offene Feldschlacht wollte er sich nicht einlassen. Die Angriffe der Germanen erfolgten in kleineren Verbänden. Die größeren Einheiten konnten sich somit vom Gegner lösen und vom Schlachtfeld abziehen, welches den Römern wie eine Art Flucht vorkam.

Wie durch ein Wunder flohen die beiden Heerhaufen der Feinde in entgegengesetzter Richtung: Diejenigen, die den Wald gehalten hatten, stürzten auf das freie Feld, diejenigen, die auf der Ebene gestanden hatten, in den Wald.
(Tacitus, Ann. II 18,3)

Weiter geht Brehpohl davon aus, das Arminius mit seinem Herr weserabwärts zog. Dies hätte eine Gefahr für römische Versorgungs- und Flottenstützpunkte entlang der Weser (Bremerhaven?) bedeuten können. Germanicus mußte seinen ursprünglichen Plan (Vorstoß ins Kerngebiet der Cherusker) aufgeben und den Arminius erneut stellen. So lockte Arminius die Römer zum Angrivarier-Wall, einem Gelände, welches den Germanen lag (Sümpfe und Wälder). Hier kam es dann zu einem eher fragwürdigen Sieg der Römer, welche allerdings ihr eigentliche Kriegsziel verpasst hatten und den Rückzug ins Winterlager antraten.

Interessante These. Natürlich kommen die bei Brehpol üblichen Vermutungen hinsichtlich germanischer Kultstätten nicht zu kurz. Aber das möchte ich nur nebenbei anmerken.
 
Ich muß mich selbst korrigieren, merke ich gerade: Von "Rückweg" ist bei Tacitus doch keine Rede. Da habe ich dem armen Germanicus wohl unrecht getan :eek:/

Zur Belagerung des Kastells: Gleichzeitig wird ja an der Flotte gebaut, das muß also nicht zwingend zu einer Verzögerung des geplanten Feldzugs geführt haben (kann aber).
Die Geschichte mit der Kavallerie klingt schon ein bißchen nach Überinterpretation, finde ich.

Wenn hier nicht wieder Flüsse verwechselt wurden, frage ich mich aber auch, wieviele und wie wichtige Stützpunkte es an der Weser gegeben haben sollte, für die Germanicus seinen Feldzug abbrechen würde? Daß Arminius bis an die Nordsee marschiert, während die Römer sein Stammesgebiet verwüsten, halte ich für unwahrscheinlich. Schon eher, daß die Cherusker bereits vorher die römischen Nachschublinien effektiv bedrohten. Die Weser kann dabei nicht allein entscheidend sein, die wurde ja erst kurz vorher überschritten. Es müßten zusätzlich die alten Nachschublinien zur Ems gekappt und evtl. gleichzeitige Bedrohung des römischen Hauptheeres aufrechterhalten werden.
 
Wenn hier nicht wieder Flüsse verwechselt wurden, frage ich mich aber auch, wieviele und wie wichtige Stützpunkte es an der Weser gegeben haben sollte, für die Germanicus seinen Feldzug abbrechen würde? Daß Arminius bis an die Nordsee marschiert, während die Römer sein Stammesgebiet verwüsten, halte ich für unwahrscheinlich. Schon eher, daß die Cherusker bereits vorher die römischen Nachschublinien effektiv bedrohten. Die Weser kann dabei nicht allein entscheidend sein, die wurde ja erst kurz vorher überschritten. Es müßten zusätzlich die alten Nachschublinien zur Ems gekappt und evtl. gleichzeitige Bedrohung des römischen Hauptheeres aufrechterhalten werden.

Ich denke, daß bei einem solch gewaltigem Heer jegliche Störunen innerhalb der Logistik, bzw. Versorgung ziemliche Folgen zu erwarten wären. Zumal es offensichtlich bei den Germanen nicht viel zu holen gab. Und was die Bedrohung des Cheruskergebiets angeht: Warum nicht im Zweifelsfall eine typisch germanische Taktik anwenden, nämlich Rückzug in die Wälder!
 
Hallo, kleiner Auszug aus dem Buch "Geschichte der Wälder und Forsten in Oberhessen" von Heinrich Boucsein, Burgwaldverlag 2009

Als die Römer von Gallien her an den Rhein gestoßen, über diesen hinaus eine Grenze an der Elbe anstrebten252,standen sie also den Chatten, von Caesar als „Sueven“ bezeichnet, gegenüber. Mit dem Feldzug des Drusus im Jahr v. Chr. begann der Kampf um dem Raum rechts des Rheines. Der Einfall erfolgte von Mainz aus über Karben in Richtung Friedberg und über den Höhenrücken zwischen der Wetter und der Horloff hinweg bis zur Gießner Senke (Dünsberg)253. die Hauptoffensive des Germanicus gegen die Chatten im Jahr 15 n. Chr. folgte auf dem gleichen Marschweg und hatte ihren ersten Stützpunkt „in monte Tauno“254. Der vermutete weitere Marschweg255 ging von der Giessener Senke aus ostwärts an der Lahn in die über dem Tal der Ohm gelegenen höheren Teile des Amöneburger Beckens und südlich des Basaltkegels der Amöneburg vorbei, über die Wasserscheide im Raum des Neustädter Sattels hinweg, dann entlang dem Rand des Schwalmgrundes zum Unterlauf der Eder. Für die vier Legionen (etwa 24000 Mann) und etwa 10000 Mann Hilfstruppen, die in „Eilmärschen“ vorgingen, stellte das durch Bewaldung und Versumpfung schwierige Gelände das vorhergesehene Hauptproblem dar.

L. Apronius war daher von Germanicus schon vorsorglich zum Anlegen fester Wege und zum Schlagen von Brücken (Truppenteile im Text nicht vorhanden) „zurückgelassen“ worden256. Die rückwärtigen Verbindungen und damit die Versorgung der Truppen waren wegen des schwierigen Geländes und der Wälder, in denen die Chatten sich für Überfälle bereitstellen konnten, ständig gefährdet257.

Gestützt auf den Schutz der Wälder, griffen die Chatten aus diesem heraus die Römer überfallartig an und zogen sich, je nach Ausgang der Kampfhandlungen, ggf. nach hinhaltendem Widerstand, auch wieder in die unwegsamen Waldungen zurück. „Sie verstreuten sich in den Wäldern“258. Eine Taktik, die auch die Russen in 2. Weltkrieg in den vielen Wald- und Sumpfgebieten angewendet wurde259. Die Römer wurden am Schlagen von Brücken über die Eder gehindert. Der Einsatz von „Wurfgeschützen“ und „Hagel von Pfeilen“, also zeitig moderne Waffen, erzwangen zwar den Übergang über den Fluß, konnte aber keine Entscheidungsschlacht herbeiführen.
Germanius konnte nur noch den „Vorort der Chatten, Mattium“ zerstören und sich dann zurückziehen. Auch der Zug des Legaten Silius, 16. n. Chr. blieb ohne Erfolg. Als dann die südliche Wetterau schon durch den Limes mit dseinen Kastellen gesichert war und Kaiser Domitian von 73 bis 85 n. Ch. den „Chattten-Krieg“ durchführte, entzogen sich die in den „Siedlungskammern“ der Hessischen Senke sitzenden Chatten dem römischen Angriff „in der Weite der Mittelgebirgswälder“, wo sie für die Römer nicht fassbar waren. Überraschend brachen kleine Abteilungen aus den Wäldern hervor, wo es ihre Gegner am wenigsten erwarteten, griffen an und verschwanden ebenso rasch wieder...“260.

252 Tacitus, Germania, S. 29-31; Tacitus, “Historiae” IV, S. 12 u. 37. Nach S. 3, 16 und 19 saßen im Tal der Wetter bis 36 v. chr. noch die Ubier, welche den „Sueven“ (Chatten) zinspflichtig waren. Nach deren Umsiedlung auf die linke Rheinseite folgten die Mattiaker (Teilstamm der Chatten)
253 D. Baatz und F. R. Hermann, „Römer in Hessen“
254 a.a. O., wahrscheinlich Friedberg
255 Uenze, Karte 13
256 Armin und Renate Schmid, „Die Römer an Rhein und Main“
257 Die in den 1930er Jahren nahe Plausdorf im Brückerwalde aufgefundenen „Knüppeldämme“ entstanden wahrscheinlich in der Römerzeit. Sie wurden leider wissenschaftlich nicht untersucht und sind, aus der konservierenden Erde herausgenommen worden, verkommen und verschwunden.
258 Tacitus, Analen, I, 56
259 Die Wälder und Sümpfe beiderseits der Wolga oberhalb Twer (Kalinin) waren für die Russen der stärkste Rückhalt gegen die 9. Deutsche Armee; westliche Teile der Heeresgruppe Nord waren nördlich der Waldai-Höhen durch Sumpfwälder, die 4. Armee durch die Pripjet-Sümpfe behindert. Wälder und sumpfiges Gelände waren die Basis und der Rückhalt für die Partisanen.
[FONT=&quot]260 Baatz/Hermann, a.a. O., S. S. 56[/FONT]

Wie sollten die Römer da zurecht kommen

ne hesse
 
Es ist schon interessant, wie verschieden sich Boucsein und Tacitus lesen, obwohl Boucsein eigentlich nur Tacitus' Bericht folgt. Was bei Tacitus ein erfolgreicher Feldzug ist, wird bei Boucsein zu einem Patt.

Für die vier Legionen (etwa 24000 Mann) und etwa 10000 Mann Hilfstruppen, die in „Eilmärschen“ vorgingen, stellte das durch Bewaldung und Versumpfung schwierige Gelände das vorhergesehene Hauptproblem dar.

L. Apronius war daher von Germanicus schon vorsorglich zum Anlegen fester Wege und zum Schlagen von Brücken (Truppenteile im Text nicht vorhanden) „zurückgelassen“ worden (Armin und Renate Schmid, Die Römer an Rhein und Main). Die rückwärtigen Verbindungen und damit die Versorgung der Truppen waren wegen des schwierigen Geländes und der Wälder, in denen die Chatten sich für Überfälle bereitstellen konnten, ständig gefährdet.

Gestützt auf den Schutz der Wälder, griffen die Chatten aus diesem heraus die Römer überfallartig an und zogen sich, je nach Ausgang der Kampfhandlungen, ggf. nach hinhaltendem Widerstand, auch wieder in die unwegsamen Waldungen zurück. „Sie verstreuten sich in den Wäldern“ (Tac. ann. I, 56). Eine Taktik, die auch die Russen in 2. Weltkrieg in den vielen Wald- und Sumpfgebieten angewendet wurde (Die Wälder und Sümpfe beiderseits der Wolga oberhalb Twer (Kalinin) waren für die Russen der stärkste Rückhalt gegen die 9. Deutsche Armee; westliche Teile der Heeresgruppe Nord waren nördlich der Waldai-Höhen durch Sumpfwälder, die 4. Armee durch die Pripjet-Sümpfe behindert. Wälder und sumpfiges Gelände waren die Basis und der Rückhalt für die Partisanen.).

Hier verarbeitet Boucsein wohl seine eigenen Kriegserlebnisse. Partisanenkämpfe gibt aber der Text nicht zwingend her. Die Zerstreuung in die Wälder war eine reine Fluchtbewegung. Zumindest schreibt Tacitus im Anschluss, dass Germanicus Mattium zerstörte und die römischen Truppen - entgegen der germanischen Gewohnheit - unbehelligt blieben.


Die Römer wurden am Schlagen von Brücken über die Eder gehindert. Der Einsatz von „Wurfgeschützen“ und „Hagel von Pfeilen“, also zeitig moderne Waffen, erzwangen zwar den Übergang über den Fluß, konnte aber keine Entscheidungsschlacht herbeiführen.

Im Vergleich dazu Tacitus: "Die wehrfähige Mannschaft war über die Adrana (Eder) geschwommen und versuchten die die Römer am Weiterbau einer Brücke zu hindern. Dann wurden sie durch den Einsatz von Katapulten und Pfeilschützen vertrieben, und nachdem sie vergebens versucht hatten, Friedensverhandlungen anzubahnen, ging eine Anzahl zu Germanicus über, während die übrigen ihre Dörfer und Gehöfte verließen und sich in die Wälder zerstreuten."

Wozu also eine Entscheidungsschlacht, wenn die Chatten offensichtlich nicht in der Lage waren, sich sinnvoll zu verteidigen?!

Germanius konnte nur noch den „Vorort der Chatten, Mattium“ zerstören und sich dann zurückziehen.

Sicher, bei den Germanen mit ihrer Leichtbauweise wird die Zerstörung des Hauptortes (caput, "Vorort" meint hier den vorstehenden Ort, nicht den Vorort einer Stadt) keine größere Katastrophe bedeutet haben, aber gemeinhin bedeutet die Zerstörung enes Hauptortes oder eines Fürstensitzes schon eine Niederlage.

Trotz der Kritik bleibt allerdings festzuhalten, dass Boucsein mit seinem Patt wohl so Unrecht nicht hat. Die Texte lassen zwar die militärische Überlegenheit der Römer durchscheinen, aber eben auch, dass sie dem Stamm eigentlich nicht habhaft wurden. Sie schafften den Chatten ein paar ungemütliche Wochen oder Monate, brachten ihnen aber keine wirklich empfindliche Niederlage bei (außer vielleicht an der Eder).
 
Trotz der Kritik bleibt allerdings festzuhalten, dass Boucsein mit seinem Patt wohl so Unrecht nicht hat. Die Texte lassen zwar die militärische Überlegenheit der Römer durchscheinen, aber eben auch, dass sie dem Stamm eigentlich nicht habhaft wurden. Sie schafften den Chatten ein paar ungemütliche Wochen oder Monate, brachten ihnen aber keine wirklich empfindliche Niederlage bei (außer vielleicht an der Eder).

Hallo El Ouijote,
Kritik und Anmerkungen kann man in jeden Buch finden, klar auch hier. Herr H. Boucsein Dr. der Forstwissenschaft hat in seinem Buch versucht über die Wälder und Forsten die Entwicklungsperidonen der Bewohner dar zustellen. Ich finde es, ist Ihm in seinem Buch sehr gut gelungen. Diesen Abschnitt von der "von der Vorgeschichte bis 1650" schreib er bis 1995. Wichtig für mich ist seine Anmerkungen oder
[FONT=&quot]Interpretationen wie oder warum es so in unserer Landschaft ausgesehen haben könnte oder auch gewesen ist.
Diese lassen auch dann andere Rückschlüße (vielleicht) zu oder bestädigen diese.

Aber genau wie Du versuche zwischen Überleiferungen, Sagen und schriftlichen Wahrheiten, mir ein Bild von Allem zu machen

MfG

ne hesse



[/FONT][FONT=&quot][/FONT]
 
Es gibt noch einen weiteren Punkt, den ich bei Boucsein merkwürdig finde: Den Marschweg des Germanicus.
Boucsein bzw. Uenze scheint davon auszugehen, dass das Heer des Germanicus links der Schwalm zum Unterlauf der Eder vorstieß, um diese dann per Brückenschlag - vermutlich zwischen Fritzlar und Edermünde - zu überschreiten.
Dann hätten sie aber entweder das bei Kerstenhausen recht enge und für einen germanischen Hinterhalt bestens geeignete Schwalmtal durchqueren oder nördlich (zwischen Kerstenhausen und Ungedanken) bzw. südlich (zwischen Kerstenhausen und Römersberg) davon über bewaldete Höhenzüge trappeln müssen (was die Marschgeschwindigkeit wohl deutlich reduziert hätte) - beides taktisch eher unangenehm.

Wäre da nicht ein Marschweg rechts der Schwalm (durch den Borkener Raum, relativ offenes Gelände) mit anschließender Überquerung der Schwalm etwa bei Gombeth sinnvoller gewesen?
Oder hätte eine zusätzliche Flussüberquerung so viel mehr Aufwand bedeutet, dass man die obigen Nachteile in Kauf nahm?
 
Eine Frage ist auch:

Wie hat Germanicus den Nachschub für acht Legionen organisiert?

Durch entsprechende Nachschublager an der Ems und den nachfolgenden Landweg Richtung Weser? Das wäre wahrscheinlich, wenn es nach Tacitus ginge.

Oder ist er zumindest 16 n.Chr. garnicht an der Ems, sondern an der Weser angelandet und hat auch hierüber den Nachschub organisiert. Klingt vieleicht logischer. Steht aber im Gegensatz zum Tacitus.:pfeif:
 
Wobei die frage ist wie die Flotten die Weser oder Ems hochgekommen sind, vor allem in welcher stärke. Weder die Ems noch die Weser sind sehr breit, so das ich mir kaum größere Flottillen auf den Flüssen vorstellen kann. Oder wurden beide Flüsse gleichzeitig als Aufmarsch und Versorgungsstrecke genutzt?

Fragen über Fragen.

Apvar
 
Wobei die frage ist wie die Flotten die Weser oder Ems hochgekommen sind, vor allem in welcher stärke. Weder die Ems noch die Weser sind sehr breit, so das ich mir kaum größere Flottillen auf den Flüssen vorstellen kann. Oder wurden beide Flüsse gleichzeitig als Aufmarsch und Versorgungsstrecke genutzt?

Fragen über Fragen.

Apvar

Laut Tacitus wurde die Ems als Aufmarschlinie benutzt. Bleibt die ewige Frage, ob er Ems und Weser verwechselt hat. Aber in den Quellen steht nunmal die Ems als Aufmarschlinie.:winke:
 
Eine Frage ist auch:

Wie hat Germanicus den Nachschub für acht Legionen organisiert?

Durch entsprechende Nachschublager an der Ems und den nachfolgenden Landweg Richtung Weser? Das wäre wahrscheinlich, wenn es nach Tacitus ginge.

Oder ist er zumindest 16 n.Chr. garnicht an der Ems, sondern an der Weser angelandet und hat auch hierüber den Nachschub organisiert. Klingt vieleicht logischer. Steht aber im Gegensatz zum Tacitus.:pfeif:

Um mich selbst wieder etwas textfester zu machen, lese ich mich gerade nochmal durch meinen Buchbestand. Momentan bin ich beim Wolters. Der zitiert unter anderem Untersuchungen, wonach per Schiff "deutlich mehr als das zehnfache" an Material transportiert werden konnte wie mit Tagtieren oder Karren. Und irgendwo in den Quellen (Tacitus?) meine ich die Äußerung gelesen zu haben, dass Germanicus den Wasserweg gewählt habe, weil er auf die Weise Truppen, Reiterei und Nachschub gleichzeitig befördern konnte, ohne sich mit einem großen Tross zu belasten. Das schreibe ich aber unter Vorbehalt. Ich habe die Stelle gesucht und konnte sie nicht finden. Aber wie auch immer: Dass die Lippelager an der Lippe lagen, belegt Wolters These. Über den Fluss ließen sich die Lager effektiver versorgen als auf dem Landweg.

Wobei die frage ist wie die Flotten die Weser oder Ems hochgekommen sind, vor allem in welcher stärke. Weder die Ems noch die Weser sind sehr breit, so das ich mir kaum größere Flottillen auf den Flüssen vorstellen kann. Oder wurden beide Flüsse gleichzeitig als Aufmarsch und Versorgungsstrecke genutzt?

Laut Tacitus wurde die Ems als Aufmarschlinie benutzt. Bleibt die ewige Frage, ob er Ems und Weser verwechselt hat. Aber in den Quellen steht nunmal die Ems als Aufmarschlinie.:winke:

Bei Tacitus steht sogar was vom "linken Lauf" der Ems. Was er damit wohl gemeint haben könnte... :D

Um mal einen Punkt anzusprechen, der mir immer wieder spanisch vorkam: Tacitus berichtet, dass nach dem Rückmarsch vom Treffpunkt an der Ems die Reiterei entlang der Nordseeküste zum Rhein zurück gezogen sei. An anderer Stelle heißt es, die ausgeschifften Legionen seien in eine Springflut geraten. Wie das denn? Die werden doch sicher nicht von Rheine aus 150 Kilometer aus nach Norden marschiert sein, um dann von dort aus nochmal 150 oder gar 200 Kilometer nach Südosten zu marschieren...

Und wieso "linker Lauf" der Ems? Meines Wissens gibt es im Landesinneren nur ein Bett der Ems. Meines Wissens hat es da in den vergangenen 2000 Jahren auch keine nenneswerten Verlagerungen des Flusslaufs gegeben. Verändert hat sich nur der Mündungsbereich der Ems. Heute ist das eine normale Mündung, damals dürfte es so eine Art Delta gewesen sein. Könnte es sein, dass Germanicus mit seiner Flotte nur durch den linken Arm des Mündungsdeltas in den Fluss eingelaufen ist, an einem dort bestehenden Lager (Friesen und Chauken waren ja Unterworfene/Verbündete) die Truppen ausgeschifft hat und dann über Land nach Süden gezogen ist? Das würde auch erklären, wie sich die Mannschaften der Chauken dem Kriegszug anschließen konnten. Es würde ebenso die Frage ausräumen, wie Germanicus es geschafft haben soll, mit TAUSEND (!) Schiffen die schmale Ems hochzuschippern. In dem Fall wären die Legionen über Land gezogen und nur der Nachschub wäre über den Fluss ins Kampfgebiet geschafft worden - was wegen der vorausgezogenen Truppen (die ja jeden größeren Widerstand plattgewalzt haben dürften) relativ gefahrlos gewesen sein wird.

Das würde dann heißen, dass der "Treffpunkt" der Flotte und der Caecina-Truppen nicht bei Rheine sondern eher bei Leer gelegen hätte. Es würde auch der Äußerung des Tacitus, dass das "ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe" verwüstet worden sei, eine völlig neue Bedeutung verleihen! Zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe hatten acht Legionen ganz sicher nicht genug Platz! Zwischen Emsmündung und Lippe wären acht Legionen dagegen das mindeste gewesen, was Germanicus hätte aufbieten müssen, um Aussicht auf Erfolg zu haben.

Ist diese Szenario plausibel? Laut Cassius Dio hat schon Drusus für seine Vorstöße nach Germanien den Weg entlang der Ems und der Weser gewählt, weil bei Vorstößen vom Rhein aus nach Osten die angegriffenen Stämme jeweils in die Tiefe des Raums ausgewichen sind. Kamen die Legionen von Norden, gab es diese Möglichkeit, nach Osten auszurücken, nicht.

Noch ein Punkt, der zu dem Szenario passen würde: Bekanntlich haben die Legionen das Lippe-Ruhr-Gebiet durch ihre in West-Ost-Richtung gestaffelten Lager weitgehend beherrscht. Gleiches dürfte (von Mainz aus) entlang des Mains gegolten haben. Auf Höhe der Lippe-Mündung (Vetera) gab es also ein römisch beherrschtes Territorium, das bis zur Weser, vielleicht gar bis zur Elbe reichte. Entlang der Nordseeküste waren die Friesen (fast) immer zuverlässige Verbündete und mit den Chauken standen die Römer zu der Zeit auch meist auf gutem Fuße. Könnte es also sein, dass das Kriegsgebiet den gesamten Raum zwischen der Lippe und dem Gebiet von Chauken und Friesen umfasst hat?

Wie komme ich auf diese Idee? Folgenden Link habe ich gerade gefunden:

http://www.fan-nds.de/downloads/emslandharnecker.pdf

Da liest sich das so, als könnte die Germanicus-Flotte nur bis in die Ems-Mündung hinein gefahren sein.

MfG
 
Und wieso "linker Lauf" der Ems? Meines Wissens gibt es im Landesinneren nur ein Bett der Ems. Meines Wissens hat es da in den vergangenen 2000 Jahren auch keine nenneswerten Verlagerungen des Flusslaufs gegeben. Verändert hat sich nur der Mündungsbereich der Ems. Heute ist das eine normale Mündung, damals dürfte es so eine Art Delta gewesen sein. Könnte es sein, dass Germanicus mit seiner Flotte nur durch den linken Arm des Mündungsdeltas in den Fluss eingelaufen ist, an einem dort bestehenden Lager (Friesen und Chauken waren ja Unterworfene/Verbündete) die Truppen ausgeschifft hat und dann über Land nach Süden gezogen ist? Das würde auch erklären, wie sich die Mannschaften der Chauken dem Kriegszug anschließen konnten. Es würde ebenso die Frage ausräumen, wie Germanicus es geschafft haben soll, mit TAUSEND (!) Schiffen die schmale Ems hochzuschippern. In dem Fall wären die Legionen über Land gezogen und nur der Nachschub wäre über den Fluss ins Kampfgebiet geschafft worden - was wegen der vorausgezogenen Truppen (die ja jeden größeren Widerstand plattgewalzt haben dürften) relativ gefahrlos gewesen sein wird.

Das würde dann heißen, dass der "Treffpunkt" der Flotte und der Caecina-Truppen nicht bei Rheine sondern eher bei Leer gelegen hätte. Es würde auch der Äußerung des Tacitus, dass das "ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe" verwüstet worden sei, eine völlig neue Bedeutung verleihen! Zwischen den Oberläufen von Ems und Lippe hatten acht Legionen ganz sicher nicht genug Platz! Zwischen Emsmündung und Lippe wären acht Legionen dagegen das mindeste gewesen, was Germanicus hätte aufbieten müssen, um Aussicht auf Erfolg zu haben.
MfG

Ich halte dies (die Anlandung an der Mündung) für sehr wahrscheinlich. Das mit dem Delta dürfte so auch richtig sein. Obwohl hier mehr Platz ist, war eine Anlandung so großer Truppenverbände wohl nur in Etappen möglich. Ein mögliches Scenario (Achtung Spekulation:pfeif:) könnte dann der Marsch der Legionen vom Raum Leer über Fürstenau, Ankum, Bramsche, Barenaue (jawohl) in Richtung Weser gewesen sein. Den Nachschub hätte man bis Lingen oder Meppen auf Lastkähnen heranschaffen können. Doch von dort natürlich weiter mit entsprechenden Trosskolonnen.
Was den "linken Lauf der Ems" angeht: Irgenwo habe ich mal gehört oder gelesen (müßte ich suchen), daß die Römer bei der Einfahrt in eine Mündung die Begriffe links/rechts entsprechend der Bugrichtung des Schiffes verwendet haben. Demnach wäre die Anlandung am östlichen Ufer der Ems erfolgt.

Für sehr interessant halte ich jedoch (zum wiederholten Male) die folgenden Textpassagen des Tacitus (ann. II,7)

"...Er (Germanicus) selbst führte auf die Nachricht, das an dem Fluss Lupia (Lippe) angelegte Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin.
...Sie (Die Germanen) verschwanden bei der Kunde von seinem Erscheinen. Jedoch hatten sie den erst kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen früher für Drusus gebauten Altar zerstört....Das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein wurde mit neuen Grenzwegen und Dämmen befestigt."

Das ergibt eine Menge Fragen:confused:-nein, nicht schon wieder zur Örtlichkeit des Varusschlachtfeldes. Das liegt, wie man hier lesen kann offensichtlich in der Nähe der Lippe.:autsch:.

Muß man jetzt folgen, daß das von den Germanen belagerte Kastell das Kastell Aliso war?
Und wo befindet sich dieses Kastell an der Lippe? Am Unterlauf? Das wäre doch unlogisch, da die Römer sehr schnell Truppen vom Rhein zur Unterstützung senden konnten. Und warum sechs Legionen? Dreiviertel der Rheinarmee. Hätte da nicht eine kleinere Abteilung genüge getan?
Müßte man jetzt davon ausgehen, daß dieses belagerte Kastell eher im Mittellauf oder am Oberlauf der Lippe zu suchen ist? Und dann? Dann wird der Altar wiederhergerichtet, und ein Vorbeimarsch mit sechs Legionen durchgeführt. Das kostet alles Zeit. Danach geht es mit sechs Legionen wieder an den Rhein zurück um diese und noch weitere Legionen zu verschiffen und an die Ems zu bringen? Ist das nicht sehr umständlich? Wo diese vielen Legionen schon (ziemlich weit östlich ?)an der Lippe waren?

Dann bleibt schließlich nur noch die letzte spannende Frage:

Sind diese sechs Legionen garnicht verschifft worden, sondern nur zwei Legionen, sowie der Nachschub für acht Legionen? Ist es nicht logischer, daß diese sechs Legionen den Landweg in den Weserraum genommen haben?

Uff, ne Menge Holz.:fs:
 
Ich halte dies (die Anlandung an der Mündung) für sehr wahrscheinlich. Das mit dem Delta dürfte so auch richtig sein. Obwohl hier mehr Platz ist, war eine Anlandung so großer Truppenverbände wohl nur in Etappen möglich. Ein mögliches Scenario (Achtung Spekulation:pfeif:) könnte dann der Marsch der Legionen vom Raum Leer über Fürstenau, Ankum, Bramsche, Barenaue (jawohl) in Richtung Weser gewesen sein. Den Nachschub hätte man bis Lingen oder Meppen auf Lastkähnen heranschaffen können.
Denkbar ist das, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das glauben soll. Richtig ist natürlich, dass Tacitus milde tadelnd anmerkt, Germanicus habe den Fehler gemacht, nicht weiter die Ems hinaufzufahren... Würde man aber annehmen, dass die Legionen tatsächlich an der Küste ausgeschifft worden sind, dann schmeißt das so ziemlich alles über den Haufen, was wir bisher als gesichert angesehen haben. Zum Beispiel: Wo hat sich denn dann Caecina vom Heer getrennt? Der ist doch sicher nicht bis zur Küste zurückmarschiert. Er wird in dem Fall gar nicht erst zur Landestelle der Flotte marschiert sein. Das Treffen zwischen Caecina und den von Germanicus selbst kommandierten Truppen hätte demnach lange nach der Ausschiffung stattfinden müssen. Natürlich wäre die Ems dafür ein geeigneter Orientierungspunkt gewesen. Die beiden Heere hätten nur an der Ems entlang marschieren müssen, um unweigerlich aufeinander zu treffen. Trotzdem: Wenn man annimmt, dass Germanicus tatsächlich schon an der Küste an Land gegangen ist, muss man das ganze Szenario neu denken.

Was den "linken Lauf der Ems" angeht: Irgenwo habe ich mal gehört oder gelesen (müßte ich suchen), daß die Römer bei der Einfahrt in eine Mündung die Begriffe links/rechts entsprechend der Bugrichtung des Schiffes verwendet haben. Demnach wäre die Anlandung am östlichen Ufer der Ems erfolgt.
Wenn das stimmt, hätten die Legionen allerdings in der Region westlich der Ems gekämpft, denn Tacitus tadelt ja, dass Germanicus Zeit verschwendet habe, indem er am linken Ufer gelandet sei und dann erstmal Brücken gebaut habe, um auf das rechte Ufer überzusetzen.


Für sehr interessant halte ich jedoch (zum wiederholten Male) die folgenden Textpassagen des Tacitus (ann. II,7)

"...Er (Germanicus) selbst führte auf die Nachricht, das an dem Fluss Lupia (Lippe) angelegte Kastell werde belagert, sechs Legionen dorthin.
...Sie (Die Germanen) verschwanden bei der Kunde von seinem Erscheinen. Jedoch hatten sie den erst kürzlich für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen früher für Drusus gebauten Altar zerstört....Das ganze Gebiet zwischen dem Kastell Aliso und dem Rhein wurde mit neuen Grenzwegen und Dämmen befestigt."
Geht man von einer Landung in Küstennähe aus, wäre die Passage eigentlich gar nicht mehr so überraschend. Fraglich wäre dann nur, wie Germanicus hätte erfahren sollen, dass Aliso belagert wurde. Aber Aufklärung und Erkundung kannten die Militärs auch damals schon. Egal. Wenn Germanicus von der Küste aus nach Süden marschiert ist, dann hätte es in der Natur der Sache gelegen, dass er auf dem Weg Richtung Aliso am Varusschlachtfeld und damit auch an dem Grabhügel vorbeigekommen wäre. Dass die Varuslegionen nördlich der Lippe niedergemacht wurden, kann man ja wohl als gesichert ansehen, egal ob das nun bei Kalkriese war oder nicht. Bei allen bisher diskutierten Szenarien hätte Germanicus einen ziemlichen Umweg machen müssen, um den Drususaltar wieder aufzurichten und um entscheiden zu können, den Grabhügel verwüstet liegen zu lassen. Wäre er von Norden gekommen, hätte es keinen solchen Umweg gegeben. Germanicus wäre auch dann an dem Schlachtfeld vorbeigekommen, wenn es WEIT nördlich der Lippe gelegen hätte. Deshalb liegst Du falsch, wenn Du schreibst:

...nein, nicht schon wieder zur Örtlichkeit des Varusschlachtfeldes. Das liegt, wie man hier lesen kann offensichtlich in der Nähe der Lippe.:autsch:.
:D

Muß man jetzt folgen, daß das von den Germanen belagerte Kastell das Kastell Aliso war?
Ich denke, ja. Dieses Aliso war groß und gut erschlossen, lag verkehrsgünstig und die Römer kannten sich dort bestens aus. Von dort aus hatten sie vor Varus das umliegende Gebiet beherrscht etc. Es war logisch, dass Germanicus dort wieder ein Lager angelegt hat. Natürlich nicht am früheren Standort selbst, denn das alte Lager hatten die Germanen nach der Räumung sicher in Schutt und Asche gelegt. Aber jedenfalls in unmittelbarer Nähe. Der Ort war ein "Fixpunkt" für die römischen Legionen. Jeder Kommandeur wird den gekannt haben.

Und wo befindet sich dieses Kastell an der Lippe?
Dieses Aliso ist meiner Ansicht nach identisch mit Haltern. Aber das ist natürlich nur meine bescheidene Meinung, die sich aus dem zuvor Geschriebenen ergibt: Haltern war ein wichtiges Zentrum in der Okkupationsphase.

Und dann? Dann wird der Altar wiederhergerichtet, und ein Vorbeimarsch mit sechs Legionen durchgeführt. Das kostet alles Zeit. Danach geht es mit sechs Legionen wieder an den Rhein zurück um diese und noch weitere Legionen zu verschiffen und an die Ems zu bringen? Ist das nicht sehr umständlich? Wo diese vielen Legionen schon (ziemlich weit östlich ?)an der Lippe waren?
Wie gesagt, hätte das nur die Zeit gekostet, die nötig war, um anzuhalten - WENN Germanicus von Norden kam! Aber entscheidend ist ein anderer Punkt: Du unterliegst einem Denkfehler, der in all diesen Diskussionen immer wieder zu Verwirrung führt: Alle tun immer so, als wären die Legionen geschlossen in einer riesigen Marschkolonnne durchs Land gezogen. Sowas tun Soldaten im Krieg aber NIE! Sie machen das nur in Friedenszeiten oder beim Durchqueren von gesicherten eigenen Gebieten. Nie im Feindesland! Zu keiner Zeit der Geschichte!

Es wäre völlig widersinnig gewesen, die alle zusammenzuhalten. Germanicus wollte eine größere Zahl von Feinden bekämpfen (einzelne Stämme waren außerstande, den Römern zu widerstehen. Nur eine Koalition konnte das schaffen!). Da diese Feinde also in der Fläche verteilt waren, musste auch Germanicus seine Truppen verteilen. Gesammelt an einem Ort hätte er für sechs Legionen auch überhaupt keine Verwendung gehabt. Es gab keinen Feind, der stark genug gewesen wäre, um den Einsatz von mehr als einer oder zwei Legionen erforderlich zu machen. Also sind die Truppen des Germanicus "ausgeschwärmt". Sie sind sicher in größeren Verbänden zusammengeblieben und haben Tuchfühlung zu einander gehalten. Die Formulierung "Germanicus führte die Legionen ins Gebiet... etc" darf man nicht überbewerten. Zum Beispiel über Rommel sagt man ja schließlich auch, er habe das Afrikacorps geführt. Trotzdem käme niemand auf die Idee, dass alle diese Soldaten in einer langen Reihe hinter Rommel hergelatscht wären...

Dann bleibt schließlich nur noch die letzte spannende Frage:

Sind diese sechs Legionen garnicht verschifft worden, sondern nur zwei Legionen, sowie der Nachschub für acht Legionen? Ist es nicht logischer, daß diese sechs Legionen den Landweg in den Weserraum genommen haben?
Jo. Genau. Fragt sich nur, von wo aus sie losmarschiert sind ;).

MfG
 
Hallo Maelonn,

ich glaube wir reden ein wenig einander vorbei.

Zunächst einmal (das habe ich wohl etwas missverständlich formuliert:red:) bezieht sich mein letzter Beitrag ausschließlich auf den Feldzug 16 n.Chr.

Außerdem, bezügl. der sechs Legionen:

Hier ist davon auszugehen, daß der Germanicus diese Legionen direkt vom Rhein aus in Marsch gesetzt hat. Also der Lippe entlang bis zum belagerten Kastell. Oder anders: Er hat sich dem Kastell vom Rhein aus, also von Westen genähert. Deshalb erscheint es mir unlogisch, daß diese sechs Legionen wieder zurück an den Rhein sind, um dann verschifft zu werden.

Die These Haltern=Aliso ist natürlich durchaus nachvollziehbar. Aber würden die Germanen ein Kastell belagern, welches so nahe an den Stützpunkten am Rhein liegt?
 
Die These Haltern=Aliso ist natürlich durchaus nachvollziehbar. Aber würden die Germanen ein Kastell belagern, welches so nahe an den Stützpunkten am Rhein liegt?

Und was ist, wenn Anreppen das Lager Aliso ist? Schließlich hat Kühlborn in Anreppen große Speicher nachgewiesen, die die Römer benötigten um ihren Tross auszurüsten, die dann ostwärts zogen.
Ferner wäre dann auch die Passage des Tacitus interessant, in dem er auf die Zerstörung des tumulus (Varusschlacht) und Drususaltar hinweist. Somit wären wir wieder bei dem Thema "haud procul" . Bei den äußersten Brukterer. Wozu hätte Germanicus sonst sechs Legionen mitnehmen müssen, wenn er nicht zum Oberlauf der Lippe gezogen wäre? In Rheinnähe hätten die Germanen eher ein Problem gehabt.
Und da der tumulus und der Drususaltar von Aliso (an der Lippe) gut zu erreichen war, ist Kalkriese als Ort der Varusschlacht somit unwahrscheinlich.
 
Hallo Maelonn,

ich glaube wir reden ein wenig einander vorbei.

Zunächst einmal (das habe ich wohl etwas missverständlich formuliert:red:) bezieht sich mein letzter Beitrag ausschließlich auf den Feldzug 16 n.Chr.

Außerdem, bezügl. der sechs Legionen:

Hier ist davon auszugehen, daß der Germanicus diese Legionen direkt vom Rhein aus in Marsch gesetzt hat. Also der Lippe entlang bis zum belagerten Kastell. Oder anders: Er hat sich dem Kastell vom Rhein aus, also von Westen genähert. Deshalb erscheint es mir unlogisch, daß diese sechs Legionen wieder zurück an den Rhein sind, um dann verschifft zu werden.

Die These Haltern=Aliso ist natürlich durchaus nachvollziehbar. Aber würden die Germanen ein Kastell belagern, welches so nahe an den Stützpunkten am Rhein liegt?
Du hast Recht. Wir reden ein bisschen aneinander vorbei. Zunächst mal hat mich meine Erinnerung getrogen. Ich war davon ausgegangen, dass die Entsatzaktion für das belagerte Lager aus der laufenden Operation heraus erfolgt ist. Dem war aber nicht so. Tatsächlich erfolgte dieser Einsatz, ehe der eigentliche Feldzug des Jahres 16 angelaufen war. Mein Fehler.

Was Deine Verwirrung über den Marsch der sechs Legionen und deren Rückkehr zu den Schiffen angeht, habe ich eine Idee, worauf die sich gründet: Kann es sein, dass Du Dich hier auf die Reclam-Quellensammlung mit dem Titel "Varus, Varus!" beziehst? Dieses Ding hat mich schrecklich geärgert. Ich war kurz davor, das Heftchen mitten in meinem Wohnzimmer zu verbrennen! Da sind aus völlig unerfindlichen Gründen wesentliche Teile des Tacitus-Textes einfach weggelassen worden. Und zwar genau an der Stelle, um die es uns hier gerade geht. Ich fasse das "Weggelassene" mal kurz mit eigenen Worten zusammen:

- Germanicus hat einen Feldzug geplant, der wieder über die Nordsee und die Flüsse vorgetragen werden sollte.

- Er hat Steuererhebungen in Gallien angeordnet und den Bau einer Flotte von 1000 Schiffen befohlen.

- Als Sammelpunkt hat er die "Insel der Bataver" bestimmt.

- Bevor die Flotte fertig war oder bevor sie zu dem Sammelpunkt gebracht werden konnte (das bleibt im Tacitus-Text unklar), erhielt er die Nachricht von der Belagerung des Kastells an der Lippe. Das passierte also mitten in der Vorbereitung für den Feldzug.

- Daraufhin ist er aufgebrochen, um die Belagerung zu brechen. Offen bleibt, wo er zu dem Zeitpunkt war. Möglicherweise auf der Insel der Bataver. Dann wäre er aber nicht entlang der Lippe gezogen, sondern von weiter nördlich gekommen. Richtig ist: Er wäre auch dann nicht an Kalkriese vorbeigekommen. Wie auch immer:

- Nach der Befreiung des Kastells ist er zurückgekehrt und hat mit der Vorbereitung des Aufmarsches für seinen Feldzug (1000 Schiffe, Nordsee, Ems, Idistaviso, Angrivarierwall etc.) weitergemacht. Die Schiffe standen also nicht in direktem Zusammenhang zur Belagerung des Lippe-Kastells. Der Rückmarsch zum Rhein und zu den Schiffen ist demnach nicht unlogisch, sondern nur Teil einer völlig anderen Operation.

Zu Deiner Frage, ob die Germanen es gewagt hätten, ein rheinnahes Lippekastell zu belagern: Sie hatten es ein paar Jahre vorher gewagt, drei Fünftel des römischen Heeres in Germanien anzugreifen. Sie haben es gewagt, alle römischen Niederlassungen in ihrem Gebiet zu verdrängen und sie haben es im Jahr davor und ein paar Monate danach gewagt, sich acht römischen Legionen in den Weg zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt war der Krieg richtig heiß geworden. In der Phase haben beide Seiten ALLES gewagt. Da ging es um alles oder nichts.

Übrigens habe ich in den "weggelassenen" Passagen aus den Annalen auch die Textstelle wiedergefunden, von der ich weiter oben schrieb, dass ich sie nicht mehr finden könne. Sie lautet: "...die lange Trosskolonne verleite zu Überfällen und könne nur schwer verteidigt werden. Wenn er jedoch auf das Meer gehe, habe er in diesem Gebiet freie Bahn, während sich die Feinde dort nicht auskennen. Zugleich könne man mit dem Krieg früher beginnen und die Legionen gleichzeitig mit dem Nachschub befördern. Ungeschwächt werde die Reiterei mit ihren Pferden nach dem Transport von den Flussmündungen aus auf dem Wasserweg mitten nach Germanien gelangen..." Tacitus, Annalen, Buch 2, Kapitel 5.

Und was ist, wenn Anreppen das Lager Aliso ist? Schließlich hat Kühlborn in Anreppen große Speicher nachgewiesen, die die Römer benötigten um ihren Tross auszurüsten, die dann ostwärts zogen.
Ferner wäre dann auch die Passage des Tacitus interessant, in dem er auf die Zerstörung des tumulus (Varusschlacht) und Drususaltar hinweist. Somit wären wir wieder bei dem Thema "haud procul" . Bei den äußersten Brukterer. Wozu hätte Germanicus sonst sechs Legionen mitnehmen müssen, wenn er nicht zum Oberlauf der Lippe gezogen wäre? In Rheinnähe hätten die Germanen eher ein Problem gehabt.
Und da der tumulus und der Drususaltar von Aliso (an der Lippe) gut zu erreichen war, ist Kalkriese als Ort der Varusschlacht somit unwahrscheinlich.
Die Frage, ob Kalkriese wahrscheinlich ist, gehört hier nicht hin. Die wird anderswo diskutiert. Zu den übrigen Punkten:

1): Anreppen war vom Rhein (genauer: von Vetera) zu weit weg, um sicher und dauerhaft auch gegen Widerstand versorgt werden zu können. Es wäre ein militärisches Wagnis gewesen, einen "Brückenkopf" im Feindesland so weit entfernt von der eigenen Versorgungsbasis aufzubauen. Deshalb weisen die archäologischen Funde deutlich darauf hin, dass nicht Anreppen sondern Haltern in der Region das römische Machtzentrum war (nicht nur militärische, sondern vor allem auch bezüglich der Verwaltungsstrukturen).

2): Anreppen scheint in der Tat die Funktion einer Versorgungsbasis für Operationen in Richtung Osten gehabt zu haben. Die Operationen des Germanicus haben sich aber offenbar eher auf den Raum nördlich der Lippe konzentriert. Und die Truppen dort wären leichter und sinnvoller über die Ems und die Weser zu versorgen gewesen als über die Lippe.

3): Nach allem, was die Archäologen zutage gefördert haben, muss man davon ausgehen, dass das Lager bei Anreppen nur bis zum Jahr 5 oder 6 n.Chr. genutzt wurde. Es war also längst aufgegeben worden, als Varus mit seinen Legionen vernichtet wurde. Nichts deutet darauf hin, dass Germanicus es wieder "reaktiviert" hätte. Bei Haltern ist das anders. Da gibt es zum Beispiel einen Töpferofen, in dem germanische Leichen "entsorgt" wurden.

4): Anreppen liegt - nach allem, was wir wissen - nicht in dem Gebiet, das die Brukterer mal beansprucht haben. Da saßen wohl eher schon Cherusker.

MfG
 
Hallo Leute, wenn ich mich richtig erinnere, war Publius Cornelius Tacitus ein ziemlicher Schwadroneur. Und er hat frühestens ca. 82 n.Chr mit seinen Annalen anfangen können.
(bewußte Recherche mit 15 Jahren).
Also sich darüber zu streiten, was er da gemeint und geschrieben hat....
Ich weiß nicht. Das einzige , was man da glauben kann, es hat ungefähr dann und dann nen Feldzug gegeben. Alles andere sind nur mögliche Hinweise auf Schlachtfelder und Lager etc. Ohne Bodenfunde ist der ungefähr so glaubhaft wie ne Abitursarbeit über den 2. Weltkrieg von heute mit dem Titel: Mein Opa hat erzählt.
 
1. Die Annalen sind das Spätwerk des Tacitus, geschrieben also irgendwann nach 100 eher schon Richtung 120 n. Chr. (allerspätestens).

2. Er schreibt ja nicht aus Erinnerung, was ihm irgendjemand erzählt hat, der jemanden kannte, dessen Großvater dabei war. Er konnte sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf ältere und damit zeitnahe Darstellungen stützen. In Frage käme da natürlich das erhaltene Werk des Velleius Paterculus, aber auch nicht erhaltene Werke des Plinius und anderer.

3. Meiner Meinung nach muss man klar unterscheiden zwischen den reinen Sachinformationen und den großen erzählenden Passagen, in denen Tacitus 'weiß', was Germanicus, Tiberius, Arminius und all die anderen dachten, sagten, planten. Das ist in erster Linie Literatur, geschrieben mit klaren Aussagezielen des Tacitus (über die sich die Forschung auch nicht immer einig ist, weil Tacitus leider ziemlich intelligent war und gut formulieren konnte).
Bei den Sachinformationen (Wegbeschreibungen u.ä) bin ich dagegen durchaus der Meinung, dass das stimmen kann (nicht muss). Aber wenn ein Weg rekonstruierbar ist und einigermaßen 'Sinn' macht, dann ist schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben, dass das auch den Tatsachen entspricht. Nur leider sind die Angaben nicht so breit gestreut oder eindeutig, als dass man nicht drüber streiten könnte, was er damit gemeint hat.
 
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