Hatte die DDR einen Alleinvertretungsanspruch? Das ist mir nicht bekannt.
Zumindest in der Verfassung von 1949 wird dieser Anspruch deutlich:
"(1) Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf.
(2) Die Republik entscheidet alle Angelegenheiten, die für den Bestand und die Entwicklung des deutschen Volkes
in seiner Gesamtheit wesentlich sind; alle übrigen Angelegenheiten werden von den Ländern selbständig entschieden."
documentArchiv.de - Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (07.10.1949)
Allerdings wurde diese Position dann in den 50er Jahren zugunsten der "Zwei-Staaten-Theorie" aufgegeben, so dass dein Einwand berechtigt ist (und ich mit meiner These eines offiziellen Alleinvertretungsanspruchs zur betr. Zeit falsch gelegen habe).
Wo habe ich mich denn in meinen Beiträgen bitte auf Stellen, welche meintst du bitte genau, der Deutschen Demokratische Republik bezogen?
Ich habe lediglich @Balticbirdy bzw. den Cehfeinpeitscher und Bundesrepublikhasser von Schnitzler, wohl aus sehr persönlichen Gründen heraus, erwähnt.
Ja, genau den meinte ich. Wenn nicht "offiziell", so kann man Schnitzlers Sendung wohl doch als "offiziös" bezeichnen.
Der "abfällige" Ton, den man aus der Verwendung des Kürzels "BRD" mitunter herausgehört haben mag, mag dann auch zu genau dem Eindruck geführt haben, damit sei eine Abqualifizierung des Westdeutschen Staates intendiert gewesen. Das mag mitunter tatsächlich so gewesen sein.
Interessant wird es aber, wenn man sich den Hintergrund der Einführung des Kürzels in den offiziellen Sprachgebrauch der DDR ansieht:
Das Kürzel "BRD" wurde doch "erst" anfang der 70ziger durch das Zentralorgan der SED, das Neue Deutschland, permanent verwendet.
Hierzu schreibt Rüdiger Kipke:
Die Bezeichnung "BRD" wird von Walter Ulbricht, [...] erstmals auf der 12. Tagung des Zentralkomitees im Dezember 1969 gebraucht.
Die Abkürzung wurde bald fast ausschließlich verwandt, während zuvor die Bezeichnungen "Bundesrepublik" und "Westdeutschland" neben anderen gängig waren. Diese Entwicklung war nicht zufällig, sondern entsprach einer veränderten politischen Situation. [Anm.: Die detaillierte Analyse habe ich gekürzt, vgl. den Link] Die neue Bezeichnung war Ausdruck des sich entwickelnden neuen Verhältnisses der be iden deutschen Staaten zueinander, wie es sich dann später auch im Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten von 1972 manifestierte: gegenseitige staatliche Anerkennung einschließlich des politischen Selbstverständnisses des Vertragspartners. Die Bundesrepublik wurde in die stattliche Reihe der Staaten eingegliedert, die in der amtlichen Sprache der DDR mit einer Abkürzungsformel bezeichnet werden.
Noch interessanter wird es, wenn man Kipke weiter folgt:
Die Bundesregierung hat ihre Haltung im Kürzelstreit binnen weniger Jahre radikal geändert. Im Oktober 1973 erklärte sie noch, die Buchstaben "BRD" stellten eine korrekte Kurzbezeichnung dar. Seit Mai 1974 liegt ein gemeinsamer Beschluß der Bundesregierung und der einzelnen Regierungen der Bundesländer vor, wonach es für wünschenswert erklärt wird, die volle Staatsbezeichnung zu gebrauchen. Im Februar 1978 ließ die Bundesregierung verlauten, daß "BRD" keine zulässige Wiedergabe des Staatsnamens der Bundesrepublik Deutschland darstelle. [...]
Die Konferenz der Kultusminister des Bundesländer hat im Juni 1978 einen Beschluß gefaßt, demzufolge Schulbücher künftig für den Gebrauch an Schulen nur noch dann zugelassen werden, wenn in ihnen die volle amtliche Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland" verwendet wird. [...]
Kipke schließt:
Die politische Absicht, bei der vermuteten Interaktion von Begriff und Inhalt die eigene politisch-historische Identifikation nicht durch eine (vermeintliche) Agitationsformel gefährden zu lassen, kann auf diesem Wege wohl nicht realisiert werden. Denn durch solcherlei Verordnung wird sich das Bewußtsein des westdeutschen Bürgers kaum etwas dekretieren lassen. [...]
Der westdeutsche Staat macht sich gerade bei der jungen Generation unglaubwürdig, wenn er eine Abkür zung seiner Staatsbezeichnung unterdrückt und damit einen Mangel an Selbstsicherheit demonstriert, den man sonst nur bei der Staatsführung der DDR zu erkennen gewohnt ist.
Kipke, Martin: Die "Bundesrepublik Deutschland" - Eine Staatsbezeichnung im Konfliktfeld der Politik. In: Statsvetenskaplig Tidskrift, Vol 85, No 2 (1982), S. 130-133, URL:
http://www.sciecom.org/ojs/index.php/st/article/viewFile/3256/2827
Also: Es ist wohl Zeit für mich, eine Kehrtwende einzulegen. Folgt man Kipke, so erfolgte die politische Aufladung des Kürzels vornehmlich durch bundesrepublikanische Stellen selbst - und nicht durch solche der DDR - auch wenn durch den erwähnten abfälligen Tonfall beim Gebrauch des Kürzels ein anderer Eindruck entstanden sein mag.