Meine Zahlen aus # 28 stammen aus Jürgen Helfricht u.a., "125 Jahre Saxonia. 1882 - 2007". Bei dem Buch handelt es sich um die Festschrift zum 125jährigen Jubiläum des Verbandes Sächsischer Bäcker-Innungen Saxonia. Dort findet sich ein Kapitel über das Leben der Bäcker in der DDR. Hieraus noch folgende Infos:
Das Gesetz zur Förderung des Handwerks (1950) schrieb vor, dass ein Handwerksbetrieb von einem Handwerksmeister geleistet werden musste und maximal zehn Arbeitnehmer haben durfte.
Die Ehefrau durfte mithelfen, aber nicht entlohnt werden. Offizielle Begründung: "Eine beim Ehemann angestellte Ehefrau ist in einem Ausbeuterverhältnis und das gibt es in einem real existierenden Sozialismus nicht". Also gab es für die mithelfende Ehefrau - zur Vermeidung ihrer Ausbeutung - keinen Lohn:S. Hintergrund war wohl, dass der Unternehmensgewinn und damit das Steueraufkommen aus diesen Gewinnen durch die Entlohnung der Ehefrau nicht schrumpfen sollte. Der Jahresgewinn eines Bäckers soll in Sachsen zu DDR-Zeiten ca. 15.000 Mark vor Steuern betragen haben. Wäre die mithelfende Ehefrau mit 7.000 Mark entlohnt worden, hätten viele Bäcker gar keine Steuern zahlen müssen. Ab 1967 durfte die mithelfende Ehefrau die Fachverkäuferinnen-Prüfung ablegen und ab 1968 wenigstens in die Sozialversicherung aufgenommen werden. Doch durch die Differenzierung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Mithilfe konnte es in verschiedenen Lebensbereichen immer noch Probleme geben, z.B. bei den Kindergartenplätzen.
In der DDR war der Pro-Kopf-Verbrauch von Brot und Brötchen (120 kg) deutlich höher als in der BRD bis 1990 (80 kg) und im wiedervereinigten Deutschland ab 1990 (80 kg). Das subventionierte Brot wurde wohl teilweise an Tiere verfüttert oder landete in den Mülltonnen.
Es gab häufig Rohstoff-Engpässe. Betrieb ein Bäcker eine Vorratswirtschaft, um die Engpässe auszugleichen, konnte er dafür kriminialisiert werden. Konnte er nicht genügend Backwaren anbieten, war eine öffentliche Entschuldigung fällig bzw. hagelte es Verweise. Der DDR-Bäcker konnte also - wenn er negativ auffiel, aber sonst eben auch - schnell vorgeführt werden: mal als Raffzahn, mal als Versager.
Die Technik der Bäcker stammte häufig aus der Vorkriegszeit oder gehörte zur Marke Eigenbau. In der DDR wurden zwar auch moderne Geräte und Maschinen hergestellt (z.B. 120 Zyklothermbackofen in Bautzen pro Jahr). Die waren aber überwiegend für den Export bestimmt (90 % von den Bautzener Öfen) und im übrigen für die meisten Bäcker der DDR viel zu teuer. Doch selbst wenn es gelang einen neuen Ofen zu erwerben, stellte sich damit nur das nächste Problem. Ein moderner Gasofen zum Beispiel benötigte ein Fundament aus Beton. Beton wiederum gab es für den selbständigen Handwerker nicht. Also musste sich dieser den Zement aus der wöchentlichen Zementabgabe für die Bevölkerung zusammenhamstern und das Fundament selber legen. Entsprechend schwierig war es in der DDR effizient zu arbeiten.
Die Bäcker-Gesellen gehören mit einem Stundenlohn von 1,20 Mark bis 1,35 Mark zu den am schlechtesten bezahlten Gesellen im Lande.