Erst Völkermord, jetzt Vernichtungskrieg .... vielleicht sollte erstmal die Definition der Handlungen der Kolonialmächte gegen die Bevölkerung geklärt werden.
Richtig!
Es gibt eine
Tendenz, hier eine Kontinuität zu unterstellen. Markant ist das bei Hull erfolgt [Hull, Isabel V.: Absolute Destruction - Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany], die die gerade Linie von militärischen Vorstellungen und Verhalten im Herero-Krieg über Schlieffen/Moltkes Vernichtungsschlacht, Falkenhayns Abnutzungsschlachten, Ludendorffs Entscheidungsschlacht und Polen- und Ostfeldzug der Wehrmacht zieht. Ergebnis: diese seien geprägt durch die "Military Culture". Die These halte ich für falsch:
Der Vergleich mit der
Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg aus angeblich militärischen Gründen [was dann benutzt wird, um Parallelen zum Herero-Krieg zu ziehen] ist bzgl. der Wehrmacht im Ostkrieg nach den aktuellen Publikationen nicht zu halten:
Gerlach, Christian, Krieg, Ernährung, Völkermord
Hartmann/Hürter/Lieb/Pohl, Der deutsche Krieg im Osten - Facetten einer Grenzüberschreitung
Hartmann, Christian, Wehrmacht im Ostkrieg - Front und militärisches Hinterland 1941/42.
Hasenclever, Jörn, Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion - Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941-43
Kunz, Norbert, Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941-1944
Oldenburg, Manfred, Ideologie und militärisches Kalkül - Besatzungspolitik der Wehrmacht in der SU 1942
Römer, Felix, Der Kommissarbefehl
Bartusevicius/Tauber/Wette, Holocaust in Litauen - Krieg, Morde und Kollaboration im Jahre 1941
usw.
Die verschiedenen untersuchten Aspekte zeigen, dass es sich um die Vernichtungskonzeption aus einem NS-Weltanschauungskrieg handelt, dem die Wehrmacht, allerdings
ohne militärische Begründung, beigetreten ist bzw. dessen Ideen sie absobiert und ausgeführt hat.
Ebenso klar ist herausgearbeitet worden, dass dieser weltanschaulich begründete Vernichtungskrieg sogar militärischen Aspekten zuwiderlief, bzw. militärische Notwendigkeiten konterkarierte oder unberücksichtigt ließ. Das zieht sich von der Wehrmacht im Besatzungsregime, über Teilnahme an Massenmorden, Kommissarbefehl, Partisanenkrieg bis hin zur Behandlung von Kriegsgefangenen mit Millionen Toten.
Einzelne "militärische" Begründungen hierfür dienten höchstens vordergründig der Exkulpation für den Genozid, die Wehrmachtsakten zeigen hier ein anderes Bild. Insofern ist den anderweitigen Behauptungen oben zur Wehrmacht ("militärische Gründe" als Auslöser des Genozids) zu widersprechen.
Diese Wertung auf Basis der aktuellen Forschung sollte man berücksichtigen, wenn man Übertragungen auf den Kolonialkrieg versucht.