Wir können gerne darüber diskutieren was deiner Meinung nach definiert sein sollte, aber hier bemühe ich erneut die wissenschaftlich anerkannten Kriterien der Staatlichkeit:
1. Staatsvolk
2. Staatsgebiet
3. Staatsvolk
Bei einem Konstrukt, dass du als Bundesstaat sehen willst, wäre drittes nicht gegeben, weil die Staatsgewalt des gemeinsamen Staates nicht gegeben wäre.
Zwei Bemerkungen vorweg:
Erstens ist Dein Punkt 1 genau das, was ich unter dem Stichwort Staatsbürgerschaft angesprochen habe.
Zweitens ist Dir bei Punkt 3 ein Fehler unterlaufen. Staatsvolk hattest Du bereits unter 1. erwähnt. Ich vermute, Du meinst etwas wie Machtausübung/Regierung. In diesem Sinne werde ich antworten.
Zum Thema: Dass es sich bei den drei von Dir genannten Kriterien um "die wissenschaftlich anerkannte" Definition von Staatlichkeit handelt, ist eine sehr mutige Behauptung. Tatsächlich handelt es sich um Jellineks "Drei-Elemente-Lehre". Hier geht es um den Staatsbegriff in völkerrechtlichem Sinn. Es gibt daneben jede Menge anderer Definitionen, die ebenso "wissenschaftlich" sind. Soziologische, ethnoligische, philosophische...
Zudem beschreibt Jellinek Kriterien von bestehenden und in sich handlungsfähigen Staaten. Er sagt keineswegs, dass zum Beispiel die Kriterien "Staatsgebiet" und "Staatsgewalt" unerlässlich sind, um eine Gesellschaft als "Nation" ansprechen zu können. Drei Beispiele:
Deutschland: Zwischen 1937 und 1945 gab es dramatische Veränderungen des Staatsgebiets. 1945 hatte es keine Regierung, kein eigenes Staatsgebiet mehr und sogar die Staatsbürgerschaft war zweifelhaft geworden. Eine Nation blieb es trotzdem.
Irland: 900 Jahre lang gab es kein irisches Staatsgebiet, die Regierung war nicht irisch sondern "britisch", die Herrschenden haben sogar die Existenz eines irischen Volkes geleugnet. Trotzdem hörte Irland nie auf zu bestehen.
Afrika: An dem, was sich aus vielen ehemaligen europäischen Kolonien entwickelt hat, sieht man deutlich, wie wenig zwingend Jellineks Definitionen sind. Stichwort "failed States". Da gibt es klar abgegrenzte Staatsgebiete, zentrale Regierungen und formal eindeutig definierte Staatsbürgerschaften - und trotzdem keine Nationen/Staaten.
Warum erzähle ich das? Wir reden über eine Phase der deutschen Geschichte, in der sich eine übergreifende Staatlichkeit erst herausbildete. Letztlich reden wir sogar über die Frage, was anders verlaufen wäre, wenn der Prozess früher oder später abgelaufen wäre. Mit all dem will ich darauf hiinaus, dass es ganz viele verschiedene mögliche Wege gab, eine "deutsche Nation" aufzubauen. Man hat damals den einen Weg beschritten, der nach Deiner auf Jellinek gestützten Definition "alternativlos" ist: "zentrale" Regierung für das ganze Staatsgebiet. Es wäre aber auch anders gegangen.
Denkbar wäre zum Beispiel eine Bundesrepublik Deutschland, die keine Bundesregierung und keinen Bundestag hat. Die Bundesländer könnten durch Verträge verbindlich eine gemeinsame Staatsbürgerschaft herstellen, verbindliche Regeln für jede Art von zwischenstaatlichem Verkehr schaffen, innerhalb ihrer jeweiligen Gebiete alle Regelungen unabhängig und autonom vornehmen und die staatsübergreifenden Fragen im Bundesrat und auf Verwaltungsebene regeln - zum Beispiel in einer Art "Ministerrat", so wie das gegenwärtig in der EU abläuft.
Im Grunde war es das, was die "ursprünglichen Revolutionäre" in Deutschland wollten. Keine (Zoll-)Grenzen mehr zwischen den Staaten, keine willkürlich erzeugten Rivalitäten mehr zwischen den Staaten, Freizügigkeit, gleiche Bürgerrechte in allen Staaten. Dazu musste man die kleinen Fürsten entmachten. Genau das wollten zum Beispiel die Studenten, die einen wichtigen Kern der "revolutionären Bewegung" bildeten. Sie studierten oft an Universitäten in "fremden Staaten" und stellten dann regelmäßig fest, dass die dort lebenden Menschen im Grunde Landsleute waren, dass aber die herrschenden Fürsten die anderen Staaten zum "Ausland" erklärt hatten. Im Extremfall zum "feindlichen Ausland".
Das ursprüngliche revolutionäre Ziel war es, diese Verhältnisse abzuschaffen. Die Umsetzung des Ziels zeigte dann allerdings, dass noch andere Absichten hinzukamen. Sichtbaren Ausdruck fanden diese anderen Absichten in der Einsetzung eines deutschen Kaisers.
Etwas anderes habe ich nie behauptet. Das macht die Paulskirchenverfassung aber längst nicht zu einem antiföderalistischen Machwerk.
Ich habe auch nicht behauptet, dass die Paulskirchenverfassung "antiföderalistisch" sein sollte. Ich habe behauptet, dass es den Verfassungsschöpfern nicht um Föderalismus ging sondern um etwas anderes.
Die Ernennung der Regierung durch den Monarchen entsprach sogar in hohem Maße dem Prinzip der Gewaltenteilung, das später in seiner Reinform aufgegeben wurde.
Ich habe keine Ahnung, wie Du das meinst. Was soll das mit Gewaltenteilung zu tun haben?
1813 war in den Befreiungskriegen - das ist nun nicht wirklich ein eindeutiger Beweis. Heines Zitat zeigt ja eigentlich, dass es verschiedene Strömungen gab, die unterschiedlich zu Frankreich standen.
Heines Zitat zeigt in erster Linie, dass es den Befürwortern der Reichsgründung vor allem um ein Reich ging, das in Konkurrenz zu den Nachbarnationen treten sollte.
Unter den 23 Kriegen sind wahrscheinlich auch solche wie der 30-Jährige Krieg, der 7-Jährige Krieg und die napoleonischen, bei denen die Fronten oft genug innerhalb von Deutschland verliefen. Das ist kein Beweis für eine Erbfeindschaft.
Die Erbfeindschaft ist eigentlich nicht unser Thema. Deshalb nur so viel: Das deutsche Reich ist im Jahr 1871 nach einem gewonnenen Krieg gegen Frankreich gegründet worden. Glaubst Du ernsthaft, dass es ein Zufall war, dass das Reich ausgerechnet in Versailles ausgerufen wurde?
Ich habe nur angedeutet, dass du Elemente, die der Volkssouveränität dienten als antiföderalistisch umgedeutet hast.
Das ist - mit Verlaub - Unsinn. Ich habe behauptet, dass Volkssouveränität eines der Ziele war und dass ein expansiver Nationalismus als zweites Ziel daneben trat und mit der Zeit dominant wurde. Mit dem Ergebnis, dass die Deutschen nicht Bürger wurden sondern Untertanen blieben.
MfG