Wortverdrehungen?
Schau'n mer mal. Die ursprüngliche, beanstandete Formulierung war:
Die Verbindung vom Gebrauch von Gutmensch und solchen Ressentiments, lässt schon aufhorchen.
Unabhängig davon, ob die Geschichte stimmt: Den Gegner durch Hunger zur Aufgabe zu zwingen ist sehr viel humaner, als sich gegenseitig zusammenzuschießen. Auch heute noch gibt es Handelsembargos, die sich mehr oder weniger gut durchsetzen lassen.
In Absatz 2 wird Hunger ganz ohne Wenn und Aber (und ohne Vorsilbe!) und im Präsens als humanere Waffe im Vergleich zum gegenseitigen Zusammenschießen angeführt. Dass es bei "Hunger" um eine, für die Betroffenen besonders grausame und deshalb zu Recht geächtete Form der Kampfführung handelte und handelt, scheint keine Rolle zu spielen.
Also erfolgte meinerseits ein Hinweis auf auf die potentiellen realen Auswirkungen dieser geächteten Form der Kampfführung.
http://www.geschichtsforum.de/699318-post12.html
Die erstaunliche Replik:
Dann ist es aber die Schuld der eigenen Führung, wenn diese nicht einlenkt und um Waffenstillstand für Friedensgespräche bittet. Es ist ja nicht so, dass plötzlich, von heute auf morgen alle Vorräte verbraucht wären. ich dachte das wäre auch implizit deutlich geworden!
Kommt ja nicht eines Tages ein Mitarbeiter des Reichsernährungsministeriums in den Kornspeicher und stellt fest "upps, wir haben ja gar keine Vorräte mehr..."
Nun, das ist die Sicht des Täters: man macht sich nicht die Finger schmutzig und bekommt wahrscheinlich die Ergebnisse seiner "Bemühungen" nicht einmal zu Gesicht. Kann man also prima politisch verkaufen - zumindest der eigenen Bevölkerung. Letzlich stellt sie aber die Verantwortlichkeiten auf den Kopf und ist daher abzulehnen.
Darauf wies auch ein Mitforist hin.
http://www.geschichtsforum.de/699335-post14.html
Es folgt eine semantische Auslassung über die Bedeutung des Wortes "Aushungern"
http://www.geschichtsforum.de/699337-post15.html
die unter humanitären Aspekt nur als Ansammlung von Euphemismen betrachtet werden kann. Das gilt natürlich auch für so schön unblutige Worte wie "Wirtschaftsblockade" oder "Embargo" - klingt doch alles so steril und sauber. Nur die Realität sieht dann wohl etwas schmutziger aus.
Die Sicht des Täters wird weiterhin energisch vertreten und der Begriff des "Aushungerns" verharmlost:
Offenbar schreib ich Chinesisch! Hier wurde ein ganz normales Kriegsmittel, nämlich dass der Wirtschaftsblockade und dem Versuch der Abschnürung des Gegners von Nachschub skandalisiert. Meine Reaktion darauf: Das ist humaner als das gegenseitige Abschlachten, weil es den Gegner auf andere Weise in die Knie zwingt, ohne ihn zu töten. Daraufhin hat mir Stephan eine Diskussion ums Verhungernlassen (wovon gar nicht die Rede war, sondern vom Aushungern!) ans Bein gehängt. Mittlerweile werden da offenbar Sachen hineininterpretiert, über die ich nur noch erstaunt bin
Wenn eine Wirtschaftsblockade Erfolg hat und es dem einen im Krieg befindlichen Land A gelingt, das Land B so in die Knie zu zwingen, die Führung des Landes B aber diesen Sachverhalt zwar erkennt, aber nicht anerkennt, dann ist die Führung des Landes B in erster Linie dafür verantwortlich, dass ihre Bevölkerung leidet. Im Falle des Ersten Weltkriegs war das der deutschen Führung offenbar sehr wohl klar, da sie die Lebensmittelzuteilungen entsprechend reduzierte. Aber da man ja nach dem Separatfrieden von Brest-Litowsk glaubte wieder Oberwasser zu haben, hat man eben nicht reagiert.
Dass die britische Führung die Blockade bis zur Unterzeichnung der Vorortverträge im Sommer 1919 aufrecht erhalten hat, dazu habe ich mich mit keinem Wort geäußert. Komisch, dass das so verstanden wird.
Was natürlich zu einer entsprechenden Replik meinerseits, in Hinsicht auf den Begriff des "Aushungerns" führte.
http://www.geschichtsforum.de/699443-post27.html
Die Antwort darauf:
Lass doch bitte die Wortverdrehungen. Denn das habe ich nie behauptet, ich sprach über die Führung!
Von der völkerrechtlichen Seite her mag das Aushungern von Zivilbevölkerungen ja mittlerweile als Kriegsverbrechen angesehen werden, die Genfer Konventionen galten jedoch während des Ersten Weltkrieges noch nicht.
Und daher sehe ich das weiterhin so, dass wenn die Führung eines unterlegenen Landes einen im Grunde verlorenen Krieg* weiter führt (dass Krieg per se eine pervertierte menschliche Daseinsform ist, darüber sind wir uns, glaube ich, einig?), obwohl dies nicht nur zum Schaden der Soldaten sondern auch zum Schaden der Zivilbevölkerung ist, dann ist die Führung dieses Landes in die Verantwortung zu nehmen
Auch hier wieder Wortverdrehung. Ich habe keine Graduierung des Aushungerns von inhuman nach human vorgenommen, sondern das Aushungern und explizit NICHT das Verhungernlassen als die in einem Krieg humanere Möglichkeit der Kriegsführung dargestellt. Ich gehe dabei natürlich davon aus, dass die Führung auf die drohende Notlage entsprechend reagiert und diese nicht ignoriert.
Nun sollten wir uns fragen, ob z.B. der Fall Bengazi, den du ja zitierst, wo innerhalb weniger Stunden für die Zivilbevölkerung kein sauberes Trinkwasser mehr zur Verfügung stand mit einer Wirtschaftsblockade vergleichbar ist, bei der die Staatsführung über Monate im Voraus erkennen kann, dass es, wenn es so weitergeht, einfach nicht mehr passt und eben die Waffen streckt.
*Es ist dabei egal, wie tief ins Feindesland die eigene Armee dabei vorgestoßen war (Legende vom Dolchstoß).
Es ist traurig, dass anscheinend immer noch nicht erkannt wurde, dass "Hunger" eine geächtete Kampfform ist - vergleichbar dem Einsatz von Giftgasen, Dum-Dum-Geschossen oder Streubomben, denn die entsprechende potentielle Einlassung "mag ..." wird mit der Ergänzung "die Genfer Konventionen galten jedoch während des Ersten Weltkrieges noch nicht" zur Concessio.
Ferner wird außer Acht gelassen, dass auch schon die Haager Landkriegsordnung den Einsatz von Waffen, die "unnötige Leiden verursachen", verbot.
Es folgt unverständlicherweise eine nochmalige Bestätigung der Tätersicht.
Folgte man dieser Logik wäre die Frau also selber schuld, wenn ... , warum trägt sie auch so einen kurzen Rock?
Und auch
Samuel Maharero und
Jakobus Morenga stünden auf einmal in der Verantwortung für den Völkermord an den Herero und Nama - mussten sie doch wissen, dass ein Aufstand letzlich militärisch sinnlos wäre - und hätten ihn folglich unterlassen müssen.
Diese Denkweise ist geeignet Täter aus ihrer Verantwortung zu entlassen und daher abzulehnen Punkt!
Was das "humanere Aushungern" betrifft, das ist schlicht die Kurzform für "humanere Form der Kampfführung durch Aushungern". Die angebliche Wortverdrehung hat also ebenfalls nicht stattgefunden.
Bleibt noch der besternte Abschluss der "Argumentation" mit einer Allusion in eine bestimmte Richtung, ganz wie im ersten Absatz des ersten Zitats in diesem Beitrag!