Was jetzt aber Kalkriese damit zu tun haben soll, ist mir völlig schleierhaft. Das Varusschlachtfeld kann auch woanders gelegen haben.
Ich kann den Gedanken schon nachvollziehen. Im Jahr 16 wird ja der Grabhügel, den Germanicus im Jahr zuvor auf dem Varusschlachtfeld hat aufwerfen lassen, von den Germanen wieder zerstört. Das berichtet Tacitus im Rahmen des Entsetzungszuges für das belagerte Aliso. Daraus wird dann gefolgert, dass Aliso und das Varusschlachtfeld zueinander in der Nähe gelegen hätten, was allerdings nicht unbedingt der Fall sein muss. Das steht nämlich nirgends.
Des Weiteren ist bei Frontinus (strat. III, 15, 4) von den
reliqui ex Variana clade die Rede, welche in einem Standlager (es ist von
horrea ('Speichern') die Rede) waren - welches vermutlich Aliso war - zumindest würde die Erwähnung des
Caedius primipilaris (Front. strat. IV, 7, 8) analog zu Velleius' Lagerpräfekten L. Caedicius zu
Caedi<ci>us primipilaris korrigiert
, was Frontinus' Caedius ebenzu Velleius' Lagerpräfekten von Aliso machen würde. Sowohl bei Velleius als auch bei Frontinus wird, wenn auch in unterschiedlicher Weise, der Lebensmittelmangel im Lager nach der Varusschlacht thematisiert. Ob diese
reliqui allerdings tatsächlich auf dem Schlachtfeld anwesend waren, also als geflohene Überlebende der Schlacht anzusprechen sind, als "Übrige" oder ob hier nicht eher
re-linquere wörtlich zu nehmen ist, nämlich dass es die Lagerbesatzung war, welche das Standlager bei Abwesenheit des Feldherren bewachte (dafür würde mindestens Velleius' Lagerpräfekt sprechen), also die im Lager Zurückgelassenen (
re 'zurück',
linquere 'verlassen') ist gewissermaßen Interpretationssache. Es wird dann
unterstellt, dass die Flucht vom Schlachtfeld zum Lager ja nicht allzuweit gewesen sein kann. Nur... darüber haben wir eben keinerlei Informationen. Nichts spricht dagegen, über den Hilinci-Weg von Kalkriese nach Haltern zu fliehen. Dann dauert die Flucht eben zwei oder drei Tage, mit Umwegen auch vier oder fünf. (Fußmarsch heute: zw. 22 u. 23. Stunden)