Deshalb holst Du das Versäumnis schnellstens auf dem Zitatwege nach:Dass alle Wind/isch/en-Orte zur selben Zeit durch eine systematische Aktion zwangsweise angelegt worden sein sollen (..) hat hier auch niemand behauptet.
In dieser Publikation [Uni Heidelberg] lese ich weiter:[Zitat von mir, Augusto, gekürzt, Hervorhebung ebenfalls durch mich](..)Für Unterregenbach wurde bereits vorgeschlagen, die slavischen Sachzeugnisse aus den Gebieten der 'terra Sclavorum' in Nordostbayern zuzuschreiben, die bei der Gründung des Ortes um 800 freiwillig oder als Zwangsumsiedler im Rahmen grundherrschaftlicher Aktivitäten an die Jagst kamen... Letzteres dürfte für die Masse der unfreien "sclavi" auf Lorscher, fuldischen und anderen Besitzungen ebenfalls zutreffen.
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Nicht außer Acht lassen darf man weiterhin die Aussagen der fränkischen Fredegar-Chronik, nach dem Samo-Krieg von 631 hätten die siegreichen Alamannen und Langobarden "eine große Zahl von Slaven hinweggeführt"... Slavische Keramik aus frühen, merowingerzeitlichen Kontexten(..) könnten so mit Kriegsgefangenen des 7. Jh. in den Westen Süddeutschlands gekommen sein (sicherlich sind auch später bei den vielen Auseinandersetzungen der Karolinger mit ihren östlichen Nachbarn Slaven gewaltsam nach Westen verbracht worden, wenngleich nicht in jenem großen Umfang, den die Forschung eine zeitlang vermutete, als man die Entstehung aller -winden/Windisch-Orte so erklären wollte).
Schon klar, steht ja auch genauso in der Publikation (siehe obiges Zitat). Der Ortsname "Neusitz" direkt östlich von Rothenburg ob der Tauber ist diesbezüglich ebenfalls unmissverständlich.Das Gebiet um Tauber und Jagst gehört zum geschlossenen deutschsprachigen Siedlungsgebiet.
Die vorhandenen Kartierungen der Bavaria Slavica brechen alle östlich der Tauber ab, aber die Karte im folgenden Link (leider zu groß zum Anhängen) reicht zumindest etwas weiter westlich als die aus meinem vorherigen Post. Fällt Dir um Ansbach herum was auf?
Haus der Bayerischen Geschichte - Historische Karten
Die Publikation stammt aus 1990, der Kontaktzonen-Ansatz entstand erst danach. Alle entsprechenden Kriterien (archäolog. Befund, Rundlingsdörfer, neben Wenden-Namen weitere potentiell slawische Besiedlung andeutende Ortsnamen wie Böhmweiler, Leuzendorf, Lutzenweiler, Mistlau, etc.) sind im Raum Rothenburg o.d.T - Kirchebrg/Jagst gegeben.In dieser Publikation lese ich nichts von "Kontaktzone"
Ich will jetzt hier nicht weiter auf fast 25 Jahre alten Publikationen herumreiten (zumindest nicht dortigen Interpretationen, die Befunde selbst sind wertvoll). Wenn Du aber weitere Details zu Deiner, scheinbar ein Zitat darstellenden These, "daß im gesamten Gebiet des heutigen Bayern Slawensiedlungen mit Namen Windisch/Winden angelegt worden sind", beisteuern würdest, könnte dies die Verwirrung darüber, was Du eigentlich sagen willst, bzw. wie "unsinnig" diese Behauptung ist, deutlich reduzieren. Wen zitierst Du da, wie ist dort "angelegt" zu verstehen, wie wird die These belegt? Sagt da wirklich jemand, die Slawen hätten die Siedlungen selbt unter dem Namen "Windisch" anglegt (dies wäre ein interessanter Beleg dafür, dass "Wende"/"Winde" eine Eigenbezeichnung war)?
Ich hatte zu Bad Tölz folgende Publikation gemeint, das hast Du wohl überlesen...[v. Reitzensteins] Forschungsgegenstand sind "Ortsnamen mit Windisch/Winden in Bayern".
https://books.google.de/books?id=lU6pAAAAQBAJ&pg=PA58&lpg=PA58&dq=Bad+T%C3%B6lz+Ortsname+Reitzenstein&source=bl&ots=zEqiVcgNGR&sig=-0byFCC7lJJzv9FmVdc59y3c9OM&hl=de&sa=X&ei=3aSVVJv2LMjsUt2igaAL&ved=0CCcQ6AEwAQ#v=onepage&q=Bad%20T%C3%B6lz%20Ortsname%20Reitzenstein&f=false
"Eigentlich alle" ist überspitzt, vgl. Deutsch/Wendisch Evern bei Lüneburg, Wentorf b. Hamburg, Wentorf/ Lauenburg, die Traungauer Beispiele in der im Vorbeitrag verlinkten Studie, und auch die oben verlinkte Karte der Ortsnamen der Bavaria Slavica.Ich begreife ehrlich gesagt nicht, warum Du jetzt überhaupt nach slawischen Ortsnamen fragst. Du hast doch Udolph gelesen?
Im ganzen ist auffällig, daß Wenden/Wendisch-/Windisch-Ortsnamen ihren Schwerpunkt nicht im slavischen Bereich haben: "Die Mehrzahl der Windenorte, eigentlich alle nach unseren Korrekturen, vermeidet geradezu das Gebiet der slaw. ON.
Aber der grundsätzliche Befund ist in der Tat bemerkenswert und erklärungsbedürftig. Bis jetzt haben wir dazu Deine diffuse "Anlage"-Theorie, die Veneter-These (das Skript der Uni Wien scheint in der Tat eine studentische Mitschrift zu sein, aber Schweizer Namenskundler vertreten die These ja ebenfalls), die "Veneto-Romanen", und fallweise sicherlich auch andere Wurzeln (den von EQ vorgetragene Ansatz der "Winter"[Winzer]-orte hatte ich für den einen oder anderen Winden-Ort an Rhein und Mosel auch schon erwogen; er ist, wo es geographisch passt, durchaus plausibel).
Einschließlich Wineden/ Allgäu, wo deportierte Slawen in die Urwälder getrieben worden sein sollen. Genau hier beginnt das Problem.Udolphs Liste der "slawischen" Winden-Namen enthält übrigens auch Orte aus Oberbayern und Bayerisch-Schwaben.
Ein interessanter Fall ist folgender Ort, über den ich leider nichts bei Udolph fand. Die Stadtanlage mutet nicht wirklich slawisch an..
OrtsNormDB
Der Ortsname weist wohl auf eine frühmittelalterliche Ansiedlung von Wenden = Slawen
Doch, sicher. Aber ich muss fehlerhafte Quellenarbeit des Autors hier ja nicht unnötig breittreten. Die Erzählung der Vita soll auf den Priester Priamus zurückgehen, der in fraglicher Zeit lebte[Zur Uaandalorum de Italia] Du hast den Text drumrum wohl überhaupt nicht gelesen:
Die Vita erzählt vom Priester Marinus und dem Diakon Annianus, die zur Zeit Pippins und Karlmanns als Einsiedler in den bairischen Alpen gelebt haben sollen.
dMGH | Band | Scriptores [Geschichtsschreiber] | Scriptores (in Folio) (SS) | 15,2: [Supplementa tomorum I-XII, pars III. Supplementum tomi XIII] | Tab. 2
Die Geschichte selbst spielt, wie Du offenbar überlesen hast, zur Zeit des Imperators Leonci ("Tempore Leoncii imperatoris contigit.."). Neben dem Gebrauch des Titels Imperator (nicht rex) gibt es noch weitere Elemente, die die Geschichte in die Zeit vor Auflösung des (west-)römischen Reichs plazieren, etwa mehrfache Verweise auf "Norica provintia". Der Kaisername Leonci ist bei der Datierung nicht wirklich hilfreich. Erwogen wird u.a. die Regierungszeit des Ursurpators Leontius (spätes 7.Jhd.), aber auch Erinnerung an römisches Christentum, also den "echten" heiligen Marinus.composita partim ex sermone brevi de his sanctis , partim ex scriptiuncula spuria 1 , quam Priamus presbyter tempore Philippi et Karlomanni conscripsisse mendaciter et nimis inepte dicitur
https://books.google.de/books?id=ms...Q6AEwAQ#v=onepage&q=Annianus Heiliger&f=false
Natürlich! Italienische Slawen, nicht romanisiert. Eigentlich finde ich das Wort "Unsinn" hier im Forum unangebracht, aber in diesem Fall....Von "romanischen Wenden" im Voralpenraum keine Spur.
Wenn es einen historischen Kern der Geschichte gibt, ist natürlich von Slawen auszugehen.
Wir haben hier eine Gründungslegende. Sie soll das Kloster "adeln", wohl auch aufgrund seiner "Altehrwürdigkeit" vor in-Frage-stellen seines Besitzes schützen. Der Autor spekuliert mit seinen Rückgriffen auf den heiligen Marinus, dazu noch den heiligen Arianus (Alexandria, spätes 1. Jahrhundert) ziemlich heftig auf die Ungebildetheit seiner Leser. Damit das nicht sofort auffällt, muss zumindest die Story plausibel sein. Der Anknüpfungspunkt sind nicht slawische Einfälle, sondern die Ungarn, die in den Glossen mehrfach genannt werden. Die Mörder des heiligen Marinus hätte der Autor jetzt problemlos auch von der Donau oder aus den norischen Gebirgen her zum Tegernsee gelangen lassen können, was die Ungarn-Analogie, alternativ Anklang an Südslawen/ Awaren, gestärkt hätte. Tut er aber nicht, er wählt stattdessen "Uuandalores de Italia". Selbst wenn es ihm vielleicht v.a. darum geht, den "römischen" Zeithorizont der Geschichte zu verstärken - der Begriff "Uuandalores de Italia" muss den Lesern plausibel erscheinen, sonst fliegt die Legende sofort auf.
So, jetzt muss ich los, meine Tochter aus Wakendorf abholen..
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