Biturigos
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Guten Morgen Sepiola, ich möchte jetzt aber nicht in ein Wortgefecht zwischen uns beiden hineingeraten, in dem wir uns die Bälle hin und her werfen.
Im Beitrag 30 in diesem Thread habe ich den Artikel von Burkhard Steinrücken verlinkt, das ist er auch im wikipedia-Beitrag zum Coligny-Kalender.http://sternwarte-recklinghausen.de/data/uploads/dateien/pdf/a09_lunisolar_coligny.pdf Für alle Mitlesenden, wie sind wir hier gelandet, vom Glauberg als angenommenen Kalenderbauwerk zu einer Debatte über die Bedeutung von Kalenderwerken an sich?
Die Diskussion entspann sich daran, inwiefern Kalender für die Basisökonomie eisenzeitlicher Gesellschaften - die Landwirtschaft - bedeutsam sind. Dafür muss man natürlich verschiedene Fragen beantworten, für die eine Quellenlage in Mitteleuropa dürftig ist - viel mehr als den Kalender von Coligny, schriftliche Erwähnungen besonders bei Plinius haben wir nicht. Cäsar schreibt im Bello Gallico Kap. VI,14 zu den Druiden: auch sprechen sie ausführlich über die Gestirne und ihre Bewegung, über die Größe von Welt und Erde, über die Natur, über Macht und Walten der Götter und überliefern ihre Lehre der Jugend".
Der Fundort des Kalenders von Coligny und ähnlicher Kalenderreste in gallorömischen Heiligtümern legen nahe, dass die Kalender wissenschaftliche Arbeitsmittel von Druiden gewesen sein können. Wie die Zeitmessung dann veröffentlicht wurde, ob die komplizierten Kalenderwerke eine Art zentrale Atomuhr waren, von denen aus Festtage, Jahresbeginn usw. veröffentlicht wurden, kann man nur vermuten.
Im Vergleich mit anderen eisenzeitlichen Gesellschaften, von denen wir schriftliche Quellen haben, und die sich in vielerlei Hinsicht nicht grundsätzlich von mitteleuropäischer Landwirtschaft im Lateneraum unterschieden (Getreideanbau, Viehwirtschaft, neben den mediterranen Wein-und Ölbaumkulturen), gehe ich davon aus, dass es im Lateneraum einen (mündlich überlieferten) landwirtschaftlichen Jahres-Arbeitskalender gegeben hat, der Naturbeobachtungen, Wetter, Bewegungen der Himmelskörper mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten verknüpfte, ordnete und strukturierte (siehe die Zitate aus Hesiod und Vergil weiter oben). Vielleicht auch verbunden mit Festterminen, festgelegten Opferterminen für Gottheiten, die bestimmte Funktionen erfüllten (Hirtengottheit, Landesgottheit, Fruchtbarkeitsgottheit). Wie eine latenzeitliche Bevölkerung alltäglich ihre Zeit gemessen hat, was ihr Jahr gegliedert hat, ist nicht bekannt - anzunehmen ist, dass es außer den Festtagen, die sich auch aus dem landwirtschaftlichen Jahreskalender erschlossen,z.B. die keltische Festzeit Samuin beendete auch das landwirtschaftliche Arbeitsjahr (November), und könnte daher ursprünglich auch ein Schlachtfest gewesen sein -zusätzlich andere Zeitintervalle gegeben hat. Ich nehme an, dass die latenezeitliche Bevölkerung zusätzlich eine alltägliche Zeitstruktur ähnlich der römischen Achttagewoche hatte, die durch den Markttag (8.Tag) gegliedert war -
da im Kalender von Coligny die Woche 5 Tage hat, weiss ich allerdings nicht, wie sich dies eingegliedert hat, eventuell zu den markierten Monatsmitten (15tägige Monatshälften). In einer verstärkt arbeitsteiligen Gesellschaft, mit sich entwickelnden Oppida auch eine beginnende Teilung von Stadt und Land, wird ein Markttag als Zeitpunkt für Geschäfte, Ein-und Verkäufe essentiell. Cato der Ältere gibt in seinem Sachbuch de agri cultura folgende Kaufempfehlungen (144): in Rom kauft man Tuniken, Togen, Überwürfe, Flickenmäntel, Holzschuhe, in Cales und Minturnae Kapuzenmäntel, Eisengerät, Sicheln, Spaten, Hacken, Beile, Geschirre, Stacheltrensen, kleine Ketten, in Venafrum Spaten, in Suessa und im Lukanischen zweirädrige Wagen, in Trebla, Alba und Rom Fässer und Becken,..."
Wie latenezeitlicher Markt funktioniert hat, dafür haben wir keine Schriftquellen, ein archäologisch gut erforschtesBeispiel stelle ich hier ein, ein Exportschlager aus dem treverischen Mayen, die Basaltdrehmühlen. S. Wefers, Schwarzes Gold der Eifel - Distribution von latènezeitlichen Drehmühlen des Steinbruchreviers um Mayen. | Stefanie Wefers - Academia.edu
Weiterhin wäre es möglich, dass zu festgelegten Tagen Gerichtstage und Ratsversammlungen stattfinden, und ähnlich wie für die römischen Kalenden (Monatserster) bestimmte Tage für Rückzahlungen, Schuldendienst und Abgaben feststehen. Bei fortschreitender Arbeitsteilung, "Verstädterung", Marktökonomie und Verwaltung überlagern andere zeitliche Strukturen den landwirtschaftlichen Jahreskalender. Eine rein kultische Bedeutung können die Kalenderwerke immer weniger gehabt haben, eine einigermaßen genaue Zeitmessung müsste eigentlich alltäglicher praktisch notwendig werden (nicht nur viermal im Jahr zu Hochfesten und Stammesversammlungen, sondern wöchentlich/monatlich zu fixen Daten/Rhythmen) - und damit müsste auch die Verbreitung und die Nutzung von Kalendern zunehmen.
Zu deiner letzen Frage, Sepiola, Olmsted geht für den Kalender von Coligny von einem 25-Jahresrhythmus in der Schlußphase aus, ich zitiere einfach mal von Seite 17 des oben eingesetzten Textes von Steinrücken:
"Die im nächsten Abschnitt folgende Diskussion stellt die mathematische Eleganz des
30-jährigen Zyklus dar. Er beruht auf der mehrfachen Verwendung der Zahlen 5 und 6. Nach Olmsteds Analyse basiert der Kalender von Coligny allerdings auf einem 25-jährigen Großzyklus. Olmsted erschließt das aus der Struktur der verschiedenen Zählsysteme für die Sonnendaten, die auf der Bronzetafel zu finden sind. Sie sprechen übereinstimmend für eine Verschiebung der Sonnendaten um jeweils sechs Tage nach Ablauf von fünf Jahren, nicht um nur fünf Tage, wie das bei einem 1831-tägigen Basiszyklus der Fall ist, auf dessen Grundlage man zum 30-jährigen Großzyklus gelangt. Eine Verschiebung von sechs Tagen deutet dagegen auf eine Länge von 1832 Tage in einem Fünfjahreszyklus hin,mit der Folge auch einer Verschiebung der Mondphasen zu den in Mondzeit gerechneten Kalenderdaten. Durch die Wahl der Monatslängen von Equos (28 Tage im Jahr 2 und 29 Tage im Jahr 4) gelangt Olmsted zu einem 1832-Tages-Zyklus als Basis für einen 25-jährigen Großzyklus. Um den Preis der Verschiebung der Mondphasen zu den Kalenderdaten der Mondmonate erhält man
nach fünf 1832-tägigen Zyklen, also 25 Jahren, eine fantastische Genauigkeit sowohl im Sonnen-als auch im Mondsektor mit nur einem Fehler von 1 Tag in rd.500 Jahren."
Im Beitrag 30 in diesem Thread habe ich den Artikel von Burkhard Steinrücken verlinkt, das ist er auch im wikipedia-Beitrag zum Coligny-Kalender.http://sternwarte-recklinghausen.de/data/uploads/dateien/pdf/a09_lunisolar_coligny.pdf Für alle Mitlesenden, wie sind wir hier gelandet, vom Glauberg als angenommenen Kalenderbauwerk zu einer Debatte über die Bedeutung von Kalenderwerken an sich?
Die Diskussion entspann sich daran, inwiefern Kalender für die Basisökonomie eisenzeitlicher Gesellschaften - die Landwirtschaft - bedeutsam sind. Dafür muss man natürlich verschiedene Fragen beantworten, für die eine Quellenlage in Mitteleuropa dürftig ist - viel mehr als den Kalender von Coligny, schriftliche Erwähnungen besonders bei Plinius haben wir nicht. Cäsar schreibt im Bello Gallico Kap. VI,14 zu den Druiden: auch sprechen sie ausführlich über die Gestirne und ihre Bewegung, über die Größe von Welt und Erde, über die Natur, über Macht und Walten der Götter und überliefern ihre Lehre der Jugend".
Der Fundort des Kalenders von Coligny und ähnlicher Kalenderreste in gallorömischen Heiligtümern legen nahe, dass die Kalender wissenschaftliche Arbeitsmittel von Druiden gewesen sein können. Wie die Zeitmessung dann veröffentlicht wurde, ob die komplizierten Kalenderwerke eine Art zentrale Atomuhr waren, von denen aus Festtage, Jahresbeginn usw. veröffentlicht wurden, kann man nur vermuten.
Im Vergleich mit anderen eisenzeitlichen Gesellschaften, von denen wir schriftliche Quellen haben, und die sich in vielerlei Hinsicht nicht grundsätzlich von mitteleuropäischer Landwirtschaft im Lateneraum unterschieden (Getreideanbau, Viehwirtschaft, neben den mediterranen Wein-und Ölbaumkulturen), gehe ich davon aus, dass es im Lateneraum einen (mündlich überlieferten) landwirtschaftlichen Jahres-Arbeitskalender gegeben hat, der Naturbeobachtungen, Wetter, Bewegungen der Himmelskörper mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten verknüpfte, ordnete und strukturierte (siehe die Zitate aus Hesiod und Vergil weiter oben). Vielleicht auch verbunden mit Festterminen, festgelegten Opferterminen für Gottheiten, die bestimmte Funktionen erfüllten (Hirtengottheit, Landesgottheit, Fruchtbarkeitsgottheit). Wie eine latenzeitliche Bevölkerung alltäglich ihre Zeit gemessen hat, was ihr Jahr gegliedert hat, ist nicht bekannt - anzunehmen ist, dass es außer den Festtagen, die sich auch aus dem landwirtschaftlichen Jahreskalender erschlossen,z.B. die keltische Festzeit Samuin beendete auch das landwirtschaftliche Arbeitsjahr (November), und könnte daher ursprünglich auch ein Schlachtfest gewesen sein -zusätzlich andere Zeitintervalle gegeben hat. Ich nehme an, dass die latenezeitliche Bevölkerung zusätzlich eine alltägliche Zeitstruktur ähnlich der römischen Achttagewoche hatte, die durch den Markttag (8.Tag) gegliedert war -
da im Kalender von Coligny die Woche 5 Tage hat, weiss ich allerdings nicht, wie sich dies eingegliedert hat, eventuell zu den markierten Monatsmitten (15tägige Monatshälften). In einer verstärkt arbeitsteiligen Gesellschaft, mit sich entwickelnden Oppida auch eine beginnende Teilung von Stadt und Land, wird ein Markttag als Zeitpunkt für Geschäfte, Ein-und Verkäufe essentiell. Cato der Ältere gibt in seinem Sachbuch de agri cultura folgende Kaufempfehlungen (144): in Rom kauft man Tuniken, Togen, Überwürfe, Flickenmäntel, Holzschuhe, in Cales und Minturnae Kapuzenmäntel, Eisengerät, Sicheln, Spaten, Hacken, Beile, Geschirre, Stacheltrensen, kleine Ketten, in Venafrum Spaten, in Suessa und im Lukanischen zweirädrige Wagen, in Trebla, Alba und Rom Fässer und Becken,..."
Wie latenezeitlicher Markt funktioniert hat, dafür haben wir keine Schriftquellen, ein archäologisch gut erforschtesBeispiel stelle ich hier ein, ein Exportschlager aus dem treverischen Mayen, die Basaltdrehmühlen. S. Wefers, Schwarzes Gold der Eifel - Distribution von latènezeitlichen Drehmühlen des Steinbruchreviers um Mayen. | Stefanie Wefers - Academia.edu
Weiterhin wäre es möglich, dass zu festgelegten Tagen Gerichtstage und Ratsversammlungen stattfinden, und ähnlich wie für die römischen Kalenden (Monatserster) bestimmte Tage für Rückzahlungen, Schuldendienst und Abgaben feststehen. Bei fortschreitender Arbeitsteilung, "Verstädterung", Marktökonomie und Verwaltung überlagern andere zeitliche Strukturen den landwirtschaftlichen Jahreskalender. Eine rein kultische Bedeutung können die Kalenderwerke immer weniger gehabt haben, eine einigermaßen genaue Zeitmessung müsste eigentlich alltäglicher praktisch notwendig werden (nicht nur viermal im Jahr zu Hochfesten und Stammesversammlungen, sondern wöchentlich/monatlich zu fixen Daten/Rhythmen) - und damit müsste auch die Verbreitung und die Nutzung von Kalendern zunehmen.
Zu deiner letzen Frage, Sepiola, Olmsted geht für den Kalender von Coligny von einem 25-Jahresrhythmus in der Schlußphase aus, ich zitiere einfach mal von Seite 17 des oben eingesetzten Textes von Steinrücken:
"Die im nächsten Abschnitt folgende Diskussion stellt die mathematische Eleganz des
30-jährigen Zyklus dar. Er beruht auf der mehrfachen Verwendung der Zahlen 5 und 6. Nach Olmsteds Analyse basiert der Kalender von Coligny allerdings auf einem 25-jährigen Großzyklus. Olmsted erschließt das aus der Struktur der verschiedenen Zählsysteme für die Sonnendaten, die auf der Bronzetafel zu finden sind. Sie sprechen übereinstimmend für eine Verschiebung der Sonnendaten um jeweils sechs Tage nach Ablauf von fünf Jahren, nicht um nur fünf Tage, wie das bei einem 1831-tägigen Basiszyklus der Fall ist, auf dessen Grundlage man zum 30-jährigen Großzyklus gelangt. Eine Verschiebung von sechs Tagen deutet dagegen auf eine Länge von 1832 Tage in einem Fünfjahreszyklus hin,mit der Folge auch einer Verschiebung der Mondphasen zu den in Mondzeit gerechneten Kalenderdaten. Durch die Wahl der Monatslängen von Equos (28 Tage im Jahr 2 und 29 Tage im Jahr 4) gelangt Olmsted zu einem 1832-Tages-Zyklus als Basis für einen 25-jährigen Großzyklus. Um den Preis der Verschiebung der Mondphasen zu den Kalenderdaten der Mondmonate erhält man
nach fünf 1832-tägigen Zyklen, also 25 Jahren, eine fantastische Genauigkeit sowohl im Sonnen-als auch im Mondsektor mit nur einem Fehler von 1 Tag in rd.500 Jahren."
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