Dass war eineseits böhmische Rosinenpickerei. Den Einfluß, der mit der Kurwürde verbunden war, übte der König von Böhmen gerne aus. Den Pflichten, die er als Reichsfürst gehabt hätte (wie z.B. Lehnsbindung, Steuern zahlen, Reichstagsbeschlüsse zu befolgen), versuchte er sich zu entziehen, indem er seine Reichszugehörigkeit bestritt.
Andererseits war das aus der Sicht der anderen Reichsfürsten auch praktisch, um den Einfluß des habsburgischen Kaisers, der ja meist König von Böhmen war, einzuschränken. So arbeiteten diese zusammen und schlossen den König von Böhmen, der sich weigerte, den gegenüber dem Reich bestehenden Verpflichtungen nachzukommen, von den Kurfürsten- und Reichstagen aus. Im Vorfeld einer Wahl war es nun möglich, sich ohne den "Böhmen" zu treffen und über die Wahlkapitulationen zu verhandeln. Sobald die ausgehandelt waren, wurde dem "Böhmen" die formelle Einsichtnahme gewährt. Das war auch notwendig. Schließlich musste dieser jene schriftlich bestätigen.
Die Vorbehalte gegen eine böhmische Kurstimme stammten zum Teil aber schon aus dem 13. Jahrhundert, sprich aus einer Zeit, die mit einem übermächtig zu werden drohenden Habsburg überhaupt noch nichts zu tun hatte.
Prinzipiell ist die Argumentation, dass Böhmen gar nicht zum Reich gehörte auch auf Grund der böhmischen Königswürde gar nicht so unplausibel, wie sich das auf den ersten Blick annimmt, immerhin stand der böhmische König damit formal dem im Reich gewählten König zunächst einmal gleich, so lange der Papst in Sachen Kaiserkrönung noch ein Wörtchen mitzureden hatte und das keine bloße Formalie war.
Hätten noch außerhalb des Reiches gelegene Besitzungen zu Böhmen dazu gehört, wäre da in der Interpretation sicherlich der Kunstgriff möglich gewesen, ein Königtum nur für die außerhalb liegenden Besitzungen anzuerkennen, so das innerhalb des Reichsverbands das "Monopol" auf den Königstitel nicht angetastet worden wäre. Wenn nun aber ganz Böhmen im Reich gelegen war, war es mindestens theoretisch auch Reichslehen und der Böhmische König ein Vasall des Deutschen Königs, sofern nicht personell deckungsgleich.
Womit ließe sich so ein Verhältnis unter formal Gleichrangigen aber begründen?
Hätte das mit der Königswürde verbundene Territorium außerhalb des Reiches gelegen, wäre eine solche Vasallität, wie etwa im Hinblick des Königs von Dänemarkt, in einer weiteren Funktion als Herzog von Holstein kein Problem gewesen, sofern diese Herrschaften von einander getrennt waren.
Insofern halte ich die Frage ob Böhmen unter dieser Prämisse, so lange das Kaisertum noch keine vom Papst unabhängige Institution und automatisch mit der Wahl der Kurfürsten verbunden war, überhaupt Teil des Reiches sein konnte, für durchaus plausibel und keineswegs reine Schikane. Das erst recht, wenn man sich das Reich seiner Ursprünglichen Verfasstheit nach nicht als ein in Grenzen abgestecktes Territorium, sondern im besonderen als einen Lehensverband denkt, dessen hierarchische Ordnung durch zwei formal gleichrangige Königtümer im Inneren zwangsläufig durcheinander gebracht werden musste.
Das es auch machtpolitische Vorbehalte der anderen Reichsfürsten hin und wieder gab, ist anzunehmen, würde ich aber auch nicht konkret an Habsburg festmachen, sondern daran, das Böhmen, im Besonderen, wenn man die enge Verbindung zu den mährischen und etwas später schlesischen Nebenlanden hinzuzieht, selbst bereits einen außerordentlichen Machtblock darstellte.
Das Habsburg überhaupt in Kaiserliche Position kann ja ein ganzes Stück weit als reaktion auf die Machtausbildung der Premysliden, im Besonderen Ottokar II. verstanden werden.