Zur Geschichte der Kannelur muß man in der griechischen Architektur weit zurückgehen - nämlich in die Holzarchitektur vor dem 6 Jh.
Säulen wurden aus Baumstämmen gefertigt, und die wurden mit Äxten geglättet, wordurch eine polygonale Form erreicht wurde. Diese Kanten kann man als Ursprung der Kanneluren sehen, die also wie so vieles andere auch aus der Holzarchitektur dann als Ornament in die Steinarchitektur übernommen wurden.
Dort wurden sie dann umfunktioniert zu einem der vielen optischen HIlfsmittel, mit denen hier durch Licht und Schattenwürfe die Säulen insgesamt zu einem gefälligen Erscheinungsbild gebracht wurden, ähnlich wie auch bei der Entasis. Dazu gehört aus, daß dorische und ionische Säulen unterschiedliche Kannelurenanzahlen hatten bzw. diese sich erhöhten, als im Laufe der Zeit schlankere Säulen bevorzugt wurden.
Verputzt wurden griechische Säulen zumeist dann, wenn das Baumaterial zu porös war, also aus grobem Muschelkalk (oder in Rom aus Tuff) bestand und nicht aus feinem Marmor. Der Verputz war manchmal nur sehr dünn aufgetragen, eher eine Art Farbüberzug, und bildete also nicht die Kanneluren, sondern trug nur ihre bereits zuvor angelegte Form weiter.
In der römischen Architektur, vor allem bei Profanbauten und in den kleineren Privathäusern wurden Säulen manchmal nicht mehr aus massivem Naturstein gefertigt, sondern aus Ziegeln gebaut, und die wurden dann natürlich verputzt, um eine entsprechende Höherwertigkeit vorzutäuschen.
Teilkannelierte Säulen gab es, um der Beanspruchung im unteren Bereich entgegenzuwirkken. Wenn ein Ochsenkarren gegen die Säule kracht, ist der Kannelurenrücken gebrochen, also hat man oft die unteren Bereiche nicht kannleiert. Ich kenne kein Beispiel, wo es mal andersherum gemacht worden wäre, obwohl sich diese zunächst funktional bedingte Form später rein ästhetisch weiterentwickelt hat.
Im übrigen ist die Frage der Kannelierung auch materialbedingt. Während Marmor- und Kalksteinsäulen kanneliert wurden, traf dies in der Regel auf Granitsäulen zum Beispiel nicht zu. Ich bin zwar der meinung, irgendwo auch bereits mal eine kanneliertes Granitsäulenfragment gesehen haben, aber irgendeine Ausnahme gibt es ja immer.
Glatte Säulen können auch einen Werkprozess wiederspiegeln. An meinem Jupitertempel in Baalbek, der glatte Säulen hat, konnten wir wohl die ersten Planungsansätze für die Kannelierung finden, aber die wurde dann nicht mehr ausgeführt. Witzigerweise wurde das dann als ein konstituierendes Kriterium angesehen, so daß beim nebenstehenden bacchustempel, der den Jupitertempel in einem gewissen Maße kopiert, dieses Bild wiederholt wurde.
Eine besonders schöne Spielart der Kannelur sind die querkannelierten Säulen, die es zumindest im Osten seit dem Hellenismus (?) häufig gab und die bis in die Spätantike sehr beliebt waren, wie sich zum Beispiel auf den Säulensarkophagen zeigt.