Zunächst zu Sepiola:
Nun, das heißt nur, dass es das Wort in späterer Zeit nicht mehr gab, es aber auch dann in Namen erhalten war. Für die frühere Zeit ergeben sich keine Schlüsse, zumal, wenn sich das nicht geändert hat, vom schnellen entstehen eines grönländischen Dialekts ausgegangen wird. Es gibt schlichtweg keinen Hinweis, ob das Wort noch Weide bedeuten konnte oder nicht. Im Mittelhochdeutschen finde ich Win auch nicht mehr in dem Sinn Weide, dennoch gab es diesen im Frühmittelalter. Antikisierungen werden zudem bejaht, weshalb der Lautwandel als Argument entfällt.
Wenn wir aber mal als Gedankenexperiment von der neuen Bedeutung ausgehen, wäre immer noch Land der Weidehöfe / Viehhöfe möglich.
(Einen analogen Bedeutungswandel von Weidegebiet zu Gutshof kennen wir, am Rande bemerkt, vom lateinischen saltus, ohne dass die alte Bedeutung verloren ging, wie im Forum schon mehrfach diskutiert. Uns bringt das hier nur die Erkenntnis, dass so etwas nicht ungewöhnlich ist. Da die alte Bedeutung nicht verloren ging, kann kein weiterer Schluss gezogen werden.)
Schauen wir uns die Namen an:
Grön-land
Hellu-land
Mark-land
Vin-land
Ist unschwer zu erkennen, dass die Namen mit dem Grundwort Land gebildet sind. Schauen wir uns die Bestimmungswörter an: Grün, Felsen, Holz/Wald, Wein oder Weide. Land wird als Festland zu verstehen sein, wie Bjarney (Bäreninsel) zeigt.
Strittig ist, ob Neufundland zu groß ist, den Inselcharakter festzustellen. Angesichts der langen Tagesstrecken in der damaligen Seefahrt und der Tatsache, dass Neufundland betreten wurde, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass das nicht auffiel.
Die Bestimmungswörter geben wichtige Informationen für die Siedler wieder. Tundra, Taiga und nutzbares Land könnte als Verdeutlichung nach modernem Denken gesagt werden. Auch Grönland ist nicht erlogen. Die Siedlungen lagen in dem zur Weide nutzbarem Gebiet der Insel*. Ebenso war es schon bei Island. Der erste 'Neuentdecker'** soll die Insel nach sich selbst genannt haben, die beiden nächsten sollen aufgrund schlechter Erfahrungen dort von Schnee-, bzw. Eisland gesprochen haben. Und ob nun Wein, Weide oder Hof, fügt sich Vinland ins Muster ein. Auch da sehe ich keinen Ansatzpunkt einer Lösung.
Wenn wir den Sagas da trauen können, womit ich zu Dion komme. Sagas sind keine Sagen, keine Geschichtsschreibung und keine Erzählungen. Sie sind Nacherzählungen der Vergangenheit, wie der Autor sie versteht oder verstanden haben will. Als Kunstform können sie allerdings im Mythos beginnen und so die Tradition berichten. Daher ist jede Saga, jeder Bestandteil einer Saga einzeln zu beurteilen. Dialoge und Ausschmückungen finden wir in der Geschichtsschreibung auch. Hier sind sie aber schwieriger zu beurteilen, genau wie die Überlieferung bis zu den ersten Aufzeichnungen schwieriger zu beurteilen ist.
Wie ich schon schrieb, ist die Stelle zur Entdeckung der Trauben verdächtig. In mehr als einer Hinsicht, Ein Literaturwissenschaftler könnte eine Anekdote vermuten. Ein Historiker sollte bedenken, ob der Vorwurf, dass die Grönländer keinen 'Vin' kannten, etwas entgegen gesetzt werden sollte. Wir können nur feststellen, dass wir es nicht wissen. Wir können drei Dinge ablesen:
1- Zu dem Zeitpunkt, als dies erzählt wurde, wurde von der Bedeutung von Vinland als Weinland ausgegangen. Da 'Vin' als "Weide" und auch als 'Weidehof' zu dem Zeitpunkt nach Haugen unüblich war, muss das nicht ursprünglich sein.
2- Der Wein soll bei einer Erkundung nach Süden entdeckt worden sein. Dazu mehr in einem anderen Post. (Wie auch zum Sachsen Dirk.
)
3- Die Anwesenheit von Europäern aus Ländern südlich von Skandinavien wird als möglich angesehen. Da bekannt ist, dass es keine unüberwindliche Schranke gab, ist dieser Punkt eigentlich nichts Neues.
Wir brauchen uns hier also nicht mal die Frage, ob Sage oder Geschichtserzählung stellen, da die Erkenntnisse den Erzähler betreffen, alles andere spekulativ bleibt, wie mir El Quijote einst vorhielt. Wie ich, so mich die Erinnerung nicht trügt, erwiderte, ist hier die Möglichkeit wichtig: Wir wissen nicht, ob einer der beteiligten Weinreben erkennen konnte.
Angesichts des von dekumatland Gesagtem, sei nochmal betont, dass das Problem ist, dass Haugen das Bestimmungswort nicht für die Kombination von Ort und Zeit ohne Schriftquellen ausschließen kann. So bedenkenswert es ist, löst es die Frage nicht.
@Mittelalterlager : Das ist kein moderner Sachtext. Hier werden, vielleicht um lange Beschreibungen alltäglicher Verrichtungen zu vermeiden, Bilder beschworen. Jeder Skandinavier konnte es sich - und wir heute können es uns auch - genau genug vorstellen, wenn Fracht, Schiff und Abreise im Frühling erwähnt sind, ohne etwa die Haltbarmachung von Beeren zu erwähnen. (Es sei denn natürlich wir sind an Handwerk und Technik interessiert...)
@Dion : Das wurde erst lange später festgehalten. Bedenke allein die unwillkürliche Verfälschung durch das Weitererzählen. Auch bei antiken Geschichtsschreibern muss das immer wieder diskutiert werden.
...
noch ein kleiner Spaß: hübsch bebildert ist das, besonders die Vinland-Weintrauben:
Anhang anzeigen 21867
Was ist nur aus den Bärenfell-Flügelhelm-Germanen und den Hörnerhelm-Wikingern geworden?
Ich versuche mal in den nächsten Tagen nachzulesen, um eine Übersicht geben zu können. Das scheint dem Thread gut tun zu können.
Schon mal eine Literaturempfehlung zum Thema Wikinger in Grönland und Amerika, allerdings mit Schwerpunkt auf dem Verschwinden der Grönländer***. Wir schreiben ja immer von problematischen Literaturangaben. Dies ist gut lesbar und gut geschrieben, zudem zitierbar von einer Historikerin und ich habe vorgestern überprüft, ob es noch bei A... zu finden ist und ward fündig:
Kirsten A. Seaver, Mit Kurs auf Thule - Die Entdeckungsreisen der Wikinger, o. O. (Konrad Theiss Verlag) 2011, soll auch als e-book erhältlich sein.
* Ich wiederhole jetzt nicht, dass die Eignung von Vinland zur Weide in den Sagas betont wird. Mir geht es in diesem Post nicht um dieArgumentation dafür oder dagegen, sondern um Klärung, was zugrunde liegt.
** Es lebten schon Irische Mönche dort, die die Insel während der Ansiedlungsphase von Skandinaviern und Bewohnern der Britischen Inseln - vielleicht unfreiwillig - verließen.
*** Der Titel kann in die Irre führen. Auch im Original: The Last Vikings.