Dion
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Gestern war ich bei einer Diskussion mit Alberto Grandi, einem Professor für Wirtschaft und Management in Parma, der vor ein paar Jahren ein Buch publiziert hat, das zunächst niemand drucken wollte. Warum? Weil er darin die „italienische Küche“ zum großen Teil als Reimporte italienischer Auswanderer deutet oder schlicht als Maßnahmen der Politik, um Tourismus zu fördern. Das hat in Italien harsche Reaktionen aus der Wirtschaft und Politik verursacht, die bis heute andauern.
Grandi wurde beeinflusst von Eric Hobsbawm, einem britischen Historiker, der wohl als erster von der Erfindung der Tradition schrieb und dabei z.B. in Erfahrung brachte, dass der „traditionelle“ schottische Kilt eine „Erfindung“ eines Fabrikbesitzers war, der seinen Hochofenarbeitern die damals übliche längere Röcke aus Sicherheitsgründen kürzte. Die Karomusterung kam noch später dazu. Heute gilt Kilt als das schottische Kleidungsstück schlechthin.
Auch Lederhosen und Dirndln der Bayern und Bayerinnen sind eine Erfindung des 19. Jahrhundert, um Tourismus anzukurbeln. Aber sagst du einem bayerischen Burschen, dass seine Hirschledernde nichts mit dem Mittelalter zu tun hat, sondern mit dem Anlocken der zahlungskräftigen Preißn (Preußen), in Bayern die sog. Sommerfrische zu verbringen, da wirst du ein blaues Wunder erleben.
Alberto Grandi sagt auch, dass die sog. „cucina Italiana“ oder auch die sog. Mediterrane-Diät Erfindungen neuerer Zeit sind, verursacht durch eine Studie Ancel Keys‘, der in den 1950er festgestellt hatte, dass Italiener kaum Herz-Kreislauf-Krankheiten kannten. Dieser führte das auf ihre Art sich zu ernähren zurück, dabei waren diese fehlenden Krankheiten einfach das Ergebnis der Armut der Leute in Neapel und überhaupt in Italien: Menschen hatten wenig zu essen, und selbst das, was sie hatten, war qualitativ wenig ergiebig. Grandi sagt, die Auswanderung nach Süd- und Nordamerika war hungerbedingt: Es wanderten ab 1875 bis zum I. Weltkrieg ca. 15 Millionen Italiener aus. Und nach dem Krieg war wieder Hunger angesagt.
Bis zu den 1960er Jahren hat es in Italien keine „cucina italiana“ gegeben, es gab nur jene, die sich vorwiegend von Polenta ernährten (Schimpfwort: polentoni, d.h. Polentafresser in der Po-Ebene, Veneto und Friaul), und andere, die das nicht taten (Schimpfwort: terroni, d.h. Erdfresser). Wobei diejenigen, die sich von Polenta ernährten zu einem Drittel an Pellagra erkrankten, bevor der Grund für diese Krankheit Mitte der 1930er Jahren entdeckt wurde.
Bis Mitte der 1960er Jahre kannte der Norden Italiens so gut wie kein Olivenöl und kaum Käse oder Tomaten, aber sie hatten Mais und Sonnenblumenöl, während der Süden Olivenöl und Hartweizen hatte, das gut für Nudeln aller Art ist (die wahrscheinlich eine Erfindung der Araber sind), aber so richtig war Pasta asciutta nicht verbreitet: Die Spaghetti carbonara ist z.B. eine Erfindung von 1944, als ein Koch für amerikanische Soldaten kochte, weil diese Speck, Sahne, Käse und Eigelb in Pulverform hatten. Früher, also vor dem I. Weltkrieg, haben Italiener fast nur Pasta in Brodo gegessen – meistens in der Hühnersuppe. Trotzdem sagen Römer, Spaghetti carbonara sei ein urrömisches Gericht.
Apropos amerikanische Soldaten. Es gibt während des II. Weltkriegs von ihnen Briefe nach Hause, in denen sie schrieben, es gäbe keine Pizzerien in Italien. Grandi hat herausgefunden, dass die erste Pizzeria in USA 1911 eröffnet wurde und sie sich dann in ganz USA ausbreiteten. Erst danach kam sie auch in Italien in Mode – vorher waren Pizzas in Süditalien so etwas wie Streetfood.
Während bis Mitte der 1990er Jahre Barilla ein Symbol für die gute Pasta-Qualität war – die haben einen Namen zu verlieren! – ist heute regionale Küche Trumpf. Deren Zutaten kommen nicht von der Nahrungsmittelindustrie, sondern von lokalen Bauern und Handwerksbetrieben. Dass ihre Produkte in der Qualität schwanken, nimmt man nicht nur hin, sondern zahlt gern doppelten und dreifachen Preis.
Jede Region, ja jede Gemeinde ist heute bestrebt, das Besondere ihres Ortes herauszustellen – auch bei Nahrungsmitteln. Und sie registrieren ihre Produkte bei den nationalen und EU-Behörden, haben damit so etwas wie Patent drauf, was allen anderen Produzenten verbietet, die nun geschützte Herkunftsbezeichnung etc. für das gleiche Produkt zu verwenden. Es gibt DOP (Denominazione di Origine Protetta), IGP (Idicazione Geografica Protetta), STG (Spezialità Tradizionale Garantita). Diese haben die bisherigen Kennzeichnung DOC, DOCG und IGP ersetzt, die aber gleichwohl, neben den offiziellen, noch weiterverwendet werden dürfen. Dann gibt es noch die lokalen Kennzeichnungen der Regionen PAT (Prodotti Agroalimentari Tradizionali) und der Gemeinden DE.CO. (Denominazioni Comunali).
Das alles, um sich von anderen zu unterscheiden, was natürlich zu Streitereien führt, wer nun was wann erfunden hat. Und die berufen sie gern auf Tradition, selbst wenn sie nur wenige Jahrzehnte alt ist.
Grandi wurde beeinflusst von Eric Hobsbawm, einem britischen Historiker, der wohl als erster von der Erfindung der Tradition schrieb und dabei z.B. in Erfahrung brachte, dass der „traditionelle“ schottische Kilt eine „Erfindung“ eines Fabrikbesitzers war, der seinen Hochofenarbeitern die damals übliche längere Röcke aus Sicherheitsgründen kürzte. Die Karomusterung kam noch später dazu. Heute gilt Kilt als das schottische Kleidungsstück schlechthin.
Auch Lederhosen und Dirndln der Bayern und Bayerinnen sind eine Erfindung des 19. Jahrhundert, um Tourismus anzukurbeln. Aber sagst du einem bayerischen Burschen, dass seine Hirschledernde nichts mit dem Mittelalter zu tun hat, sondern mit dem Anlocken der zahlungskräftigen Preißn (Preußen), in Bayern die sog. Sommerfrische zu verbringen, da wirst du ein blaues Wunder erleben.
Alberto Grandi sagt auch, dass die sog. „cucina Italiana“ oder auch die sog. Mediterrane-Diät Erfindungen neuerer Zeit sind, verursacht durch eine Studie Ancel Keys‘, der in den 1950er festgestellt hatte, dass Italiener kaum Herz-Kreislauf-Krankheiten kannten. Dieser führte das auf ihre Art sich zu ernähren zurück, dabei waren diese fehlenden Krankheiten einfach das Ergebnis der Armut der Leute in Neapel und überhaupt in Italien: Menschen hatten wenig zu essen, und selbst das, was sie hatten, war qualitativ wenig ergiebig. Grandi sagt, die Auswanderung nach Süd- und Nordamerika war hungerbedingt: Es wanderten ab 1875 bis zum I. Weltkrieg ca. 15 Millionen Italiener aus. Und nach dem Krieg war wieder Hunger angesagt.
Bis zu den 1960er Jahren hat es in Italien keine „cucina italiana“ gegeben, es gab nur jene, die sich vorwiegend von Polenta ernährten (Schimpfwort: polentoni, d.h. Polentafresser in der Po-Ebene, Veneto und Friaul), und andere, die das nicht taten (Schimpfwort: terroni, d.h. Erdfresser). Wobei diejenigen, die sich von Polenta ernährten zu einem Drittel an Pellagra erkrankten, bevor der Grund für diese Krankheit Mitte der 1930er Jahren entdeckt wurde.
Bis Mitte der 1960er Jahre kannte der Norden Italiens so gut wie kein Olivenöl und kaum Käse oder Tomaten, aber sie hatten Mais und Sonnenblumenöl, während der Süden Olivenöl und Hartweizen hatte, das gut für Nudeln aller Art ist (die wahrscheinlich eine Erfindung der Araber sind), aber so richtig war Pasta asciutta nicht verbreitet: Die Spaghetti carbonara ist z.B. eine Erfindung von 1944, als ein Koch für amerikanische Soldaten kochte, weil diese Speck, Sahne, Käse und Eigelb in Pulverform hatten. Früher, also vor dem I. Weltkrieg, haben Italiener fast nur Pasta in Brodo gegessen – meistens in der Hühnersuppe. Trotzdem sagen Römer, Spaghetti carbonara sei ein urrömisches Gericht.
Apropos amerikanische Soldaten. Es gibt während des II. Weltkriegs von ihnen Briefe nach Hause, in denen sie schrieben, es gäbe keine Pizzerien in Italien. Grandi hat herausgefunden, dass die erste Pizzeria in USA 1911 eröffnet wurde und sie sich dann in ganz USA ausbreiteten. Erst danach kam sie auch in Italien in Mode – vorher waren Pizzas in Süditalien so etwas wie Streetfood.
Während bis Mitte der 1990er Jahre Barilla ein Symbol für die gute Pasta-Qualität war – die haben einen Namen zu verlieren! – ist heute regionale Küche Trumpf. Deren Zutaten kommen nicht von der Nahrungsmittelindustrie, sondern von lokalen Bauern und Handwerksbetrieben. Dass ihre Produkte in der Qualität schwanken, nimmt man nicht nur hin, sondern zahlt gern doppelten und dreifachen Preis.
Jede Region, ja jede Gemeinde ist heute bestrebt, das Besondere ihres Ortes herauszustellen – auch bei Nahrungsmitteln. Und sie registrieren ihre Produkte bei den nationalen und EU-Behörden, haben damit so etwas wie Patent drauf, was allen anderen Produzenten verbietet, die nun geschützte Herkunftsbezeichnung etc. für das gleiche Produkt zu verwenden. Es gibt DOP (Denominazione di Origine Protetta), IGP (Idicazione Geografica Protetta), STG (Spezialità Tradizionale Garantita). Diese haben die bisherigen Kennzeichnung DOC, DOCG und IGP ersetzt, die aber gleichwohl, neben den offiziellen, noch weiterverwendet werden dürfen. Dann gibt es noch die lokalen Kennzeichnungen der Regionen PAT (Prodotti Agroalimentari Tradizionali) und der Gemeinden DE.CO. (Denominazioni Comunali).
Das alles, um sich von anderen zu unterscheiden, was natürlich zu Streitereien führt, wer nun was wann erfunden hat. Und die berufen sie gern auf Tradition, selbst wenn sie nur wenige Jahrzehnte alt ist.