Goerdeler muss doch aber im Westen ein gut bekannter Mann gewesen sein, wenn er schon vor dem Krieg intensive Kontakte sogar zu wichtigen Regierungsmitgliedern in Grossbritannien und den USA wie Eden und Morgenthau pflegte und diese energisch vor Hitler warnte. Dass Goerdeler ein überzeugter NS-Gegner war, dürfte denen doch klar gewesen sein.
Ja, er war ein überzeugter NS-Ggener, aber wie angemerkt eben auch kein Musterdemokrat, sondern durchaus, mindestens in gewissem Maße an autoritären Strukturen interessiert, so wie politisch irgendwo zwischen Rechtsradikalismus am äußersten rechten Rand der ehemaligen Republik und Rechtsextremismus umherirrenden Monarchistenpartei DNVP beheimatet, unterhielt in seiner früheren Karriere auch Verbindungen zum alldeutschen Verband.
Wäre der Mann politisches Aushängeschild Deutschlands geworden, hätte das nach Außen hin vermutlich so gewirkt, als hätte man dort nationalsozialistischen Rassenwahn durch konventionelle wilhelminische Großmannssucht ersetzt.
Wenn man den Westalliierten aber irgendwas bieten wollte, brauchte es schon mehr, als nur die Entfernung der Nazis, dann brauchte es einen Systemumbruch. Dafür wiederrum ist eine Figur, die irgendwo zwischen erzkonservativen Ansichten inklusive nationalem Großmachtsanspruch und dezidierten autoritärem Rechtsradikalismus, sich befindet und eben genau das war bei Goerdeler der Fall, wohl nur bedingt tauglich.
Stellen wir uns da doch einfach mal die folgende Frage:
Wenn der Mann so ein scharfer Gegner das totalitären, nationalsozialistischen Regimes war, wie kommt es, dass man ihn in Deutschland noch frei herumlaufen ließ?
Das die Zugehörigkeit zu einer der nach rechts tendierenden Parteien nicht hinreichte (bei gleichzeitiger dezidierter Gegnerschaft zum NS und Hitler) belegt ja mitunter die Verfolgung von Leuten, wie Heinrich Brüning oder Gottfried Treviranus, die um den Schutz ihrer eigenen Person willen, Deutschland verlassen mussten.
Diese und andere, auch konservative deutsche Politiker, fanden sich nicht selten im Westexil in GB oder den USA wieder, was den dortigen Regierungen durchaus einigen Einblick darein verschaffen musste, wie mit tatsächlich stringenten Gegnern des NS in Deutschland verfahren wurde, auch wenn sie konservativ waren und wie weit es mit der Gegnerschaft zum NS tatsächlich her sein konnte, wenn die einzige Konsequenz war, auf seine politische Karriere verzichten zu müssen, die Person sonst aber unbehelligt blieb.
Was nun die Bekanntheit angeht:
Ich habe ins Kraut geschossen 3 Personen genannt, aus dem schweizer Exil genannt, die da eine andere Gewähr gegeben hätten:
- Otto Braun (SPD) war mehrfacher sozialdemokratischer Ministerpräsident Preußens, kandidierte 1925 um das Amt des Reichspräsidenten, war mit ein Grund dafür, warum die demokratischen Parteien, den größten deutschen Bundesstat, so lange gegen die Extremisten behaupten konnten. Unter seiner Verantwortung wurde zeitweise in der Rheinprovinz der Stahlhelmbund verboten und er gehörte zu den eifrigrsten Betreibern des SA-Verbots vom 13. April 1932.
- Jospeh Wirth (Zentrum) war mehrfacher Reichskanzler der Weimarer Republik und darüber hinaus auch mehrfach Fachminister. Hielt sowohl anlässlich der Ermordung Walther Ratenaus, als auch anlässlich der Vorlage des Ermächtigungsgesetzrs beachtete Reden gegen den Extremismus von rechts.
- Wilhelm Hoegner (SPD) gehörte dem Untersuchungsausschuss in Sachen Hitlerputsch und prangerte in dieser Funktion bereits in den 1920er Jahren aktiv das Versagen der Justiz in Sachen Hitler und NSDAP vor.
Solche Leute, wären auf Grund ihrer eigenen politischen Beheimatung und ihres aktiveren Eintretens, wie auch ihrer Verfolgung, etwas glaubwürdigere Gallionsfiguren gewesen, als ein Goerdeler und unbekannt, waren die bei leibe nicht, in Teilen in Sachen überkommunaler Regierung auch wesentlich erfahrener (Wirth/Braun).
Das sind einfach nur 3 ins Kraug geschossene Beispiele, für Personen, an die man sich hätte wenden können, in den Gefängnissen und Lagern, saßen, wie angemerkt auch noch genug, deren politische Integrität etwas strahlender gewesen wäre, als die eines Goerdeler.
Und Goerdeler als Feigenblatt? Wenn man sich das mögliche Kabinett von Goerdeler anschaut, besteht es doch zu einem grossen Teil aus Politikern des Zentrum, der DVP, sogar der SPD. Mitglieder der Kreisauer Kreises waren auch dabei und andere frühe NS-Gegner.
Nur wäre dieses Kabinett noch immer eines von Gnaden der höheren Offiziere gewesen, mit einem Ex-Generalstabsschef Hitlers als Staatsoberhaupt und eines politisch Rechtsaußen beheimateten, aus der DNVP kommenden und dem alldeutschen Verband nahestehenden Politikers, der sich im NS-Reich so konform verhalten hatte, dass der vom totalitären System nicht weiter behelligt wurde, während tatsächliche konsequente Gegner des NS im Exil, im Gefängnis oder in den Lagern schmachteten.
Das macht doch deutlich, wer in diesem Staat, dann zunächst mal (selbst, wenn es keine reine Militärkamarilla gewesen wäre), das Sagen gehabt hätte.
Wollte man für die Westalliierten einen Systemwechsel wirklich glaubhaft machen, wäre es sinnvoll gewesen, die Beteiligung an Militärs oder Ex-Militärs an den höheren Staatsämtern von dorn herein zu unterlassen und ein Kabinett aus Politikern in einem Spektrum von der SPD über Zentrum, BVP, DDP und gegebenenfalls DVP, aufzubauen, idealer Weise solchen, die unter persönlicher Verfolgung zu leiden hatten.
Wenn schon jemand von der politisch zweifelhaften DNVP, dann jemanden, den man direkt aus dem KZ oder dem Gefängnis holt und der dem dezidiert linken Flügel der DNVP zuzurechnen gewesen währe, ohne mal mit solchen Verabastaltungen wie dem Alldeutschen Verband verbandelt gewesen zu sein und sicherlich auch nicht als Regierungschef.