Repo schrieb:
Ich bin bei einer Suche in Wikipedia auf diesen Eintrag gestoßen: (...)
Irrt hier Wikipedia oder war sowas tatsächlich möglich.
100 Jahre vor Luther.
Ich kenne mich allerdings in Kirchenrechtsfragen gar nicht aus.
28 Jahre Bischof, dann "konvertiert" zum Ehemann.
Ging das, oder ist das ein ganz besonderer Sonderfall
Fragt sich Repo
Ein besonders krasser Fall war der von Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838):
Talleyrand war der Erstgeborene einer der ältesten und vornehmsten Adelsfamilien Frankreichs. Doch aufgrund seines Klumpfußes hielten ihn seine Eltern für eine Karriere am Hof von Versailles für ungeeignet. Sie drängten ihn in den Klerus ab. Dort sollte er dem Vorbild seines Onkels, dem Bischof von Reims und späteren Kardinal von Paris, folgen; einem Leben in Reichtum, aber unter der Soutane.
Von seinen Eltern auf das Priesterseminar geschickt, drohte Talleyrand das gesellschaftlichen Aus, wenn er es gewagt hätte, sich nicht zum Priester weihen zu lassen. Seiner unfreiwilligen Karriere als Geistlicher stand ein lasterhafter Lebenswandel gegenüber: Glücksspiel und Liebschaften. Besonders übel nahmen ihm seine gläubigen Zeitgenossen, dass er Voltaire, einen bekennenden Atheisten, vor dem Empfang der Priesterweihe um dessen Segen bat.
Als Generalbevollmächtigter (= Finanzminister) der Gallischen Kirche erwarb Talleyrand umfangreichen Einblick in das Vermögen der französischen Kirche. Nachdem er zum Bischof von Autun geweiht und von den Geistlichen seines Domkapitels zum Mitglied der Ständerversammlung gewählt wurde, beantragte er in der Konstituante die Nationalisierung der Kirchengüter, um den ansonsten unvermeidlichen Staatsbankrott abzuwehren. Dem Antrag wurde zugestimmt und Talleyrands Kirche die Kirchengüter entzogen.
Mit der Französischen Revolution traten der Erste und der Zweite Stand aus ihren Standesschranken. Talleyrand nutzte diese Gelegenheit, um sich der Soutane zu entledigen, ohne dabei irgendwelche Rücksichten auf die Feinheiten des Kirchenrechts zu nehmen. Der zum Priester und zum Bischof geweihte Talleyrand schickte dem Papst einen Brief, nicht um diesen um einen Dispens für seinen Rücktritt vom Bischofsamt zu bitten, sondern um diesen seinen Rücktritt von allen geistlichen Ämtern mitzuteilen. Sein Rücktritt hinderte ihn freilich weder daran, einen Eid auf die Zivilverfassung des Klerus abzulegen, Priester zu weihen oder noch eine lange Zeit die Einkünfte eines Abtes der Abtei Saint-Denis zu beziehen.
Der Papst drohte mit Exkommunikation; eine Drohung, die auf Talleyrand, der nie wirklich ein Geistlicher werden wollte, keinen Eindruck machte. Im Gegenteil: nach seiner Exkommunikation konnte er noch ungenierter das Leben eines Nichtgeistlichen leben. Er heiratete, was im modernen Mutterland der Zivilehe ohne weiteres möglich war. Hier zeigt sich natürlich, wie befreiend sich für Talleyrand und jene, die ähnlich wie er zum Eintritt in den Klerikerstand gezwungen wurden, die Französische Revolution auswirkte.
Ironischerweise musste sich später der Papst ausgerechnet mit Talleyrand als Frankreichs Aussenminister diplomatisch arrangieren.
Als es mit Talleyrand zu Ende ging, schien die Stunde der Kirche gekommen zu sein. Dem verlorenen Sohn wurde ein kirchliches Begräbnis für den Fall in Aussicht gestellt, dass er seine gegenüber der Kirche begangenen Verfehlungen in einem Schreiben gesteht und um Vergebung bittet. Talleyrand war grundsätzlich bereit ein solches Schuldbekenntnis abzugeben. Aber er verhandelte über die Einzelheiten und verhandelte und verhandelte und ließ sich Zeit das Schuldbekenntnis abzugeben. Die Vertreter der Kirche waren beunruhigt darüber, ob Talleyrand das Schuldbekenntnis noch vor seinem Tote abgeben wird; seine Familienangehörigen ebenfalls, da es damals eine Schande war, ohne kirchlichen Beistand beerdigt zu werden. Auf dem Totenbett bekannte er dann seine Sünden und unterschrieb das unmittelbar zuvor ausgehandelte Bekenntnis. Die Kirchenvertreter waren sehr erfreut darüber und beerdigten den verlorenen Sohn in aller Form. Wenig erfreut war der Papst als er das unterzeichnete Schuldbekenntnis zu lesen bekam. Es war viel zu vage und allgemein gehalten. Talleyrands Geständnis war nichtssagend. Der sterbende Talleyrand hatte die Kirche über das Totenbett gezogen.