Kaiser, Caesaren und Usurpatoren
Odoakers Ziel war in diesem Moment nur die Stellung des ersten Heermeisters als Magister peditum praesentalis und als Patricius. In dieser Stellung und mit besonderen Vollmachten ausgestattet wollte er über die Römer regieren. Zenon reagierte „schwammig“ und verwies die Gesandtschaft bezügl. der Verleihung des Patriziats an Nepos, titutlierte Odoaker aber gleichzeitig in einem Schreiben als Patricius. Zudem erkannte 480 n. Chr. nach der Ermordung des Nepos der Kaiser die von Odoaker ernannten Konsuln an...
...auf die Gefahr hin sich weiter im Geflecht römischer Titel und Odoaker zu verlieren:
Seit einiger Zeit war im Westreich die Stellung des ersten Heermeisters mit dem Titel des Patricius verbunden. Insofern konnte Odoaker also aus Zenons Antwort das herauslesen, was er wollte ohne das sich Byzanz endgültig festgelegt hatte.
Ein nettes Detail bliebe noch betreffs Odoaker und dem "Ende der römischen Kaiserherrschaft im Westreich" anzumerken. Wie bereits erwähnt war der jämmerliche Romulus Augustus der Letzte, der in Italien eine "weströmische Kaiserkrone" getragen hat UND er war zugleich der Sohn des eigentlich regierenden Heermeisters Orestes gewesen!
Da fällt nun doch auf, das der gute Odoaker - obwohl er die Kaiserkrone nach Konstantinopel zurückgeschickt hatte und sich mit dem Titel eines Königs von Italien e.t.c. begnügte - seinen lieben Sohn Tela später zum Caesar ernannt hatte. Nun war seit Julian Apostata dieser Titel aus der Mode gekommen, hatte aber vorher generell dazu gedient den zukünftigen Thronfolger, also Kaiser frühzeitig bekannt zu geben und seinen künftigen Machtanspruch zu "beurkunden". Es wäre also durchaus denkbar, das Odoaker - vor dem Angriff Theoderichs natürlich - durchaus die Absicht
gehabt haben könnte seinen Sohn zum künftigen Kaiser des Weströmischen Reiches machen zu wollen. Ganz getreu des von ihm selbst blutig beendeten Versuchs seines Vorgängers Orestes, dessen Sohn Romulus Augustus gewesen war.
Schon mehrfach hatte das römische "Establishment" in der Vergangenheit zu verhindern gewusst, das Germanen den Kaiserthron gewinnen konnten. So wurde auch dem früheren Heermeister Stilicho nachgesagt seinen Sohn zum Kaiser machen zu wollen - und der Wandale war gestürzt worden!
Im Ostreich war der starke Heermeister Aspar lange in der Lage gewesen Kaiser zu machen und bildete mit seinen sehr guten familiären Kontakten (er war Halbgote) die Grundlage für die Sicherheit des Reiches. Er scheint sich Hoffnungen gemacht zu haben, diese Stellung für seine Familie erblich zu sichern. Als "Nichtrömer" schreckte er davor zurück selbst nach dem Purpur zu greifen, doch indem er seinen Sohn Patricius ebenfalls zum Caesar proklamieren ließ war er ebenfalls suspekt geworden. Auch Aspar wurde blutig gestürzt, sein Sohn war dabei nicht der vordringliche Grund gewesen.
Generell wurden Germanen gerne als Reichsfremde angesehen, auch wenn sie (etwa foederierte) Reichsangehörige waren und alle Versuche mächtiger Germanen die Kaiserwürde zu erringen scheiterten bis zu Karl dem Großen. Dabei gab es bei der Thronfolge römischer Kaiser keineswegs generelle rassistische Einschränkungen, nur mussten sie als Bürger Roms geboren sein. Die relativ wenigen direkten Versuche von Germanen Kaiser zu werden waren teils sogar Reaktionen auf Druck gegen sie gewesen, wie etwa bei Silvanus (355). Gescheiterte germanische Usurpatoren sind neben ihm etwa Magnetius (353, dem auch von seinen Gegnern mehr Geschick bescheinigt wird als dem von ihm gestürzten legitimen Kaiser) und Johannes (425).
Bekanntlich waren die vielen Usurpationen und Usurpationsversuche der vielleicht wichtigste, innerrömische Grund für den Niedergang des Reiches gewesen...