Hallo Community,
zu aller erst möchte ich mich für die vielen und vor allem ausführlichen sowie hilfreichen Antworten bedanken.
Des Weiteren meine ich, dass der Thread vielleicht verlegt werden sollte, da durch meine Antwort sicherlich eine Diskussion entstehen wird. Wenn jemand so nett wäre. Danke!
Im Folgenden möchte ich auf die verschiedenen Antworten eingehen und danach wieder zu meinem Hauptpunkt zurückkommen.
Ich habe in chronologischer Reihenfolge geantwortet.
macabre schrieb:
Die römische Armee war letzlich siegreich.
Richtig. Mein Satz, auf den Sie eingegangen sind, war schlecht formuliert! Danke für die Korrektur.
macabre schrieb:
Mit der Vernichtung / Eroberung Karthagos erhielt Rom die Macht über das gesammte westliche Mittelmeer (…)
Ich kann mich auch schrecklich irren, aber wurde Karthago nicht im 3.Punischen Krieg vernichtet?
macabre schrieb:
Auf der anderen Seite hatte Alexander der Große Probleme, die Rom nicht hatte.
Auch wenn die militärische Taktik überlegen war bestanden noch viele andere Mächte, die ihm zusammen mehr als ebenbürtig waren.
Könnten Sie vielleicht eine Auflistung dieser Mächte hierzu schreiben. Danke.
macabre schrieb:
Ebenso hatte er nur selten die Vorteile eines Seeweges zur Verfügung, Rom konnte seite Truppen deutlich schneller entlang der Küste verteilen und verschieben, Alexander war auf Märsche angewiesen, welche bekanntlich mehr Zeit beanspruchen.
Für die 2. Phase von Alexanders Feldzug stimme ich Ihnen voll und ganz zu. In der 1. Phase seines Feldzuges nahm Alexander jedoch die Mittelmeerbasen der Perser oder persischen Verbündeten ein. Arbeitete er da nicht auch mit Flottenteilen zusammen?
Cleopatra Aelia schrieb:
Rom war zum Zeitpunkt der Punischen Kriege (der 1. ging von 264 bis 241 v. Chr., der 2. mit Hannibal von 218 bis 201 v. Chr.) schon längst eine Republik. Ob das der Grund ist, weshalb sie den Krieg gegen Hannibal letztendlich gewonnen habe, weiß ich nicht, ist wahrscheinlich auch Spekulation.
Würden Sie es für unangebracht halten hier zu spekulieren? Und meinen Sie, es könnten sich nicht auch Argumente für solch eine ‚Spekulation’ finden lassen?
Cleopatra Aelia schrieb:
Um die von Alexandre gestellte Frage zu beantworten, kommt man um die Militärtheorie auch nicht herum.
Sicherlich. Ich stimme Ihnen zu, dass die Militärtheorie(MT) auch einen wichtigen Erklärungsgehalt besitzt. Persönlich bezweifle ich jedoch ihren Haupterklärungscharakter. Soll heißen, die grundlegenden Fragen bleiben trotz MT unbeantwortet. Wie denken Sie darüber?
Quintus Fabius schrieb:
Die Perser haben nach Gaugamela weiter Krieg geführt, der Krieg war da noch nicht aus, aber verloren.
Danke für diesen Hinweis / Korrektur! Das war mir vorher nicht bewusst.
Quintus Fabius schrieb:
Das wäre in Rom undenkbar gewesen, sich Hannibal anzuschließen, aus Sozialkulturellen Gründen(…)
Warum wäre es undenkbar gewesen sich Hannibal anzuschließen? Und welche sozialkulturelle Gründe meinen Sie?
Quintus Fabius schrieb:
2 (entscheidender) waren die Niederlagen Roms nur scheinbar vernichtend, sie waren eben nie Entscheidend, Rom erlitt keine Entscheidenden Niederlagen, daß ist der Unterschied, weder wurde das Kernland erobert (auch die entscheidenden Etruskischen Bundesgenossen blieben bei Rom und frei von karthagischer Truppenpräsenz) noch Roms Führungsschicht ausgeschaltet. Selbst Cannae war nur eine Schlacht, keine Entscheidungsschlacht wie Gaugamela.
Ein kurzer Gedankengang zum Terminus ‚Entscheidungsschlacht’ sei mir erlaubt.
Eine Schlacht selbst kann meines Erachtens nach, streng für sich selbst genommen, niemals eine Entscheidung bringen. Eine Schlacht wird erst durch die ihr nachfolgenden Handlungen zu einer Entscheidungsschlacht gemacht. Das, was auch hier mehrmals mit den Worten ‚den Sieg ausnützen’ bezeichnet wurde. Demnach kann ein Urteil darüber immer nur a posteriori gefällt werden. Jede denkbare Schlacht, sogar jene, welche mit der eigenen Niederlage endet, kann für den Verlierer eine positive Entscheidung bringen. Nämlich jene, dass der Gegner zu hohe Verluste erlitt, so dass eine Fortführung des Krieges nicht mehr möglich ist (siehe Pyrrossieg).
Lassen Sie mich ein Zitat einbringen: “So kam es – um auf Schlieffen zurückzugreifen – auch 1940 zu keinem >>Cannae<< an der Kanalküste. Doch es bleibt zweifelhaft, ob selbst eine vollständige Gefangennahme aller bei Dünkirchen entkommenen 340.000 alliierten Soldaten bereits eine Entscheidung des Krieges bedeutet hätte.[Highlight] Schlieffen und seine Nachfolger starrten derart gebannt auf die Umfassungsbewegung bei Cannae, daß sie völlig übersahen, daß dies nur ein operativer Erfolg Hannibals gegen die Seemacht Rom gewesen war.[/highlight] Denn die Sieger von Cannae waren die Verlierer des 2. Punischen Krieges. Und so sollten auch die Sieger des Blitzkrieges von 1940 die Verlierer des Weltkrieges von 1945 werden. So betrachtet war der Westfeldzug nichts anderes als – um es mit General von Manstein auszudrücken – [highlight]einer von vielen >>verlorenen Siegen<<.[/highlight]“(1)
[Hervorhebung von mir]
Der Terminus ‚verlorene Siege’ passt wie ich finde sehr gut, um das a posteriori Moment zu verdeutlichen.
Tib.Gabinius schrieb:
Eine Niederlage der persischen Armee kann, je nach schwere und den Vorbedingungen, zur Folge haben, dass der Anführer seinen Anspruch verliert, was die innere Stabilität auseinander bringt und die Koalition zerstört.
Dem kann ich mich nur anschließen.
Tib.Gabinius schrieb:
In Rom war dies nicht möglich. Versagte ein Feldherr wurde er abgesägt. Politisch oder physisch. Da aber diese Wechsellei sowieso im System vorgesehen war, hatte es keine gravierenden Folgen, es war also nicht personenbezogen.
Für Rom selbst kann ich diesen Gedankengang nachvollziehen. Setzt man jedoch Rom [highlight]und[/highlight] seine Bundesgenossen in seinen Fokus, stellt sich die Frage, warum die Hegemonialstellung Roms scheinbar unberührt blieb. Die wichtigsten Bundesgenossen blieben Rom treu. Warum?
Tib.Gabinius schrieb:
(…)es ist nicht immer nur römische Stärke, manchmal ists auch die Dummheit der Gegner.
Ich gebe zu, Hannibals Feldzug erweckt den Anschein von zu Hauff versäumten Chancen, die taktischen Siege strategisch auszunützen. Insofern kann ich das vorgetragene Argument verstehen. Von diesem Anschein jedoch direkt auf Dummheit zurückzuschließen, halte ich jedoch für sehr vereinfachend und für nicht nachvollziehbar. Von strategisch verpassten Chancen zu reden, halte ich für annehmbar. Wobei ich auch hierzu sagen muss, dass mir Hannibals strategische Möglichkeiten doch sehr beengt gewesen zu sein scheinen.
Quintus Fabius schrieb:
Ein Angriff auf Rom selbst war ein viel zu hohes Risiko, eventuell sogar unmöglich. Die Eingeschlagene Strategie war bedingt durch die Ausgangsgrundlagen (Truppenstärke und Zusammensetzung mit der er nach Italien gekommen war) die einzig mögliche, sie scheiterte aber aus Sozialkulturellen und Kulturellen Gründen, die Hannibal vorher nicht vorhergesehen hatte.
Hier noch einmal, welche sozialkulturelle Gründe meinen Sie?
Quintus Fabius schrieb:
Daher ist der Fehler Hannibals nicht das Nicht-Nutzen seiner Siege, sondern eine von Anfang an falsche Strategie !!
Auch wenn ich gegenüber der hier geäußerten These etwas Behagen habe, muss ich doch zugeben, dass sie etwas für sich hat, wenn folgende Punkte bedacht werden oder besser gesagt akzeptiert werden:
1. Hannibals strategische Möglichkeiten waren begrenzt. Später noch schlimmer durch Quintus Fabius Maximus Verrucos
Cunctator
2. Hannibals diplomatische Bemühungen brachten nicht den erwarteten Erfolg, den Abfall der wichtigsten Verbündeten Roms
3. Hannibal verfügte nicht über die Seehoheit, womit großräumige Strategien mit Truppenverlegungen über das Mittelmeer, wie Rom es praktizierte, gar nicht möglich waren
Man möchte fast meinen, Hannibals Strategie war naiv. Aus der 1. Phase des Alexanderfeldzuges ist minimal eine Lehre zu ziehen: „Entziehe dem Gegner, wenn möglich, seine navalen Kräfte. Durch Vernichtung der Flotte oder der Einnahme ihrer Stützpunkte.“
Tib.Gabinius schrieb:
(…)Seine Siege hätte er mit einer anderen oder einer lebendigen Strategie durchaus besser nutzen können(…)
Das vorgebrachte Argument kann ich nur insoweit nachvollziehen, als dass andere Ausgangsbedingungen für Karthago / Hannibal mitbedacht werden, so z.B. navale Streitkräfte, welche jenen der Römer ebenbürtig gewesen wären. Bei Betrachtung der historischen Ausgangsbedingungen für Karthago / Hannibal, kann ich die obigen Ausführungen nicht nachvollziehen.
Die Strategie Hannibals war und musste auch durch die Ausgangsbedingungen gerahmt, d.h. determiniert werden. Jede militärische Strategie ist durch ihre politischen, geographischen etc. Ausgangsbedingungen determiniert.
Eine lebendige Strategie hätte ein flexibles Repertoire von Seiten der Karthagener erfordert, welches ihnen scheinbar nicht zur Verfügung stand.
Ich zweifle keinen Moment daran, dass Hannibal eine flexiblere Strategie gefahren wäre, hätte er dies machen können.
Vielleicht ist es schwer sich mit folgendem Gedanken anzufreunden, aber möglicherweise wusste Hannibal selbst, dass seine Strategie mit mehr Risiko behaftet war als mit Sicherheit.
Im Nachhinein kommt schleichend das Gefühl auf, dass Hannibal derart von Rache beseelt war, dass er lieber eine sehr fehlerbehaftete Strategie einschlug als gar keine. Auch wenn er den Krieg gegen Rom in seinem tiefsten Innern für nicht gewinnbar hielt.
Als Feldherr war er sich durchaus des ‚Do or Die’ Charakters seiner Strategie bewusst. So meine ich zumindest darf man es ihm unterstellen, er war ja studiert in der Kriegstheorie.
Tib.Gabinius schrieb:
Da hilft es auch nicht das ganze umzuformulieren und zu sagen "seine Strategie war falsch", was sie, wie du oben lesbar ja selbst widerlegst.
Die These, dass Hannibals Strategie von Grund auf falsch war, halte ich für diskussionswürdig. Bestimmte Punkte sind dabei eindeutig zu beachten:
1. Hannibal begann Krieg ohne eine Flotte, welche Rom ebenbürtig war
2. Hannibal war sich dieses Nachteils bewusst und zog über die Alpen
3. Hannibal schlug einen diplomatischen Weg ein (Bundesgenossen Roms abspenstig machen etc.), was zumindest vermuten lässt, dass er nicht in der Lage war Land einzunehmen oder dies gar nicht wollte. Hannibal kam nicht als Eroberer, sondern vielmehr als ‚Diplomat’. Wohingegen Alexander der Große als Eroberer kam.
Wenn ich also die bisherigen Hauptaussagen auf meine Fragestellung zusammenfassen müsste, würde ich dies wie folgt wiedergeben:
- Rom war letztlich siegreich; ausgebliebene Entscheidungsschlacht von Seiten Karthagos
- Unterschiedliche Herrschaftskonstellation; Republik / Königreich
- Sozialkulturelle Gründe
Zu dem sozialkulturellen Argument würde ich gerne näheres erfahren und darüber weiter diskutieren.
Ich möchte zum Schluss noch ein Zitat anbringen und davon ausgehend eine Schlussfolgerung ziehen.
„Der Sieg Roms im Zweiten Punischen Krieg ist die Standhaftigkeit der Römer nach der Katastrophe von Cannae 216, auf ihre Überlegenheit zur See und die Strategie Scipios zurückzuführen.“(2)
Ich habe längere Zeit über die von Montgomery gewählte Reihenfolge nachgedacht. Mir scheint folgender Argumentationsgang einleuchtend.
Ohne Scipios Genie hätte Rom Hannibal nicht letztendlich besiegen können.
Ohne die Überlegenheit zur See hätte selbst das Genie Scipio gegen Karthago nicht gewinnen können.
Ohne die Standhaftigkeit der Römer wäre ihre Überlegenheit zur See unnütz gewesen und auch Scipios Genie wäre nicht gebraucht worden.
Allem voran, so scheint es mir, stellt Montgomery hier die [highlight]Standhaftigkeit[/highlight] der Römer heraus.
Und daher bleibt eine Frage, trotz aller MT Argumentationen, bezüglich meiner Fragestellung offen. Warum blieb Rom nach den Schlägen Hannibals standhaft und warum blieb es Persien nach den Schlägen Alexanders nicht?
Sicherlich ist der Hinweis auf die differrenten Herrschaftssysteme angebracht, ich persönlich halte diesen jedoch nicht für erschöpfend.
In diesem Sinne und auf eine rege und vor allem fruchtbare Diskussion hoffend
Mit freundlichen Grüßen und hochachtungsvoll
Alexandre
(1) Frieser, Karl-Heinz, Die Durchführung des >>Sichelschnittplans<< am Beispiel der Panzergruppe Kleist, in: Operatives Denken bei Clausewitz, Moltke, Schlieffen und Manstein. Militärgeschichtliches Forschungsamt im Breisgau (ohne Datum), S.89
(2) Viscount of Alamein, Montgomery, Rom wird zum Weltreich, in: Kriegsgeschichte – Weltgeschichte der Schlachten und Kriegszüge. Isington Mill, Alton, Hampshire 1968, S.97