Anglifizierung nichtenglischer Einwanderernamen

rrttdd

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Hallo,

mir ist mal wieder eine Frage eingefallen!

Viele, auch deutsche Namen von Einwanderern wurden ja in den USA ziemlich anglifiziert, teilweise bis zur Unkenntlichkeit.

Hier frage ich mich nun, wie das zustande kam. Heute wäre es ja kein Problem. Man kann ja bei der Einwanderung den alten Pass vorlegen und erklären...

Ein Herr Müller kann dann ja sicher auf Mueller bestehen...

Wie kam es aber zu den teilweise entstellenden Anglifizierungen im 18 - 20 Jahrhundert?


Erklärung 1: Es gab keine klassichen Reisepässe und die Einwanderer waren Anaphabeten, denen die Namensschreibung recht egal war

Erklärung 2: Der Beamte auf Ellis Island hat die Schreibweise auf Gutsherrenart entschieden, und zwar vielleicht

a) wegen Massenabfertigung bei der Einreise, es blieb nicht viel Zeit für große Erklärungen

oder

b) die Einwanderer wurden überhaupt nicht gefragt, die Papiere wurden einfach ausgehändigt

c) Ein englischsprechender Beamte wusste zwar, dass Müller in Mueller zu transkribieren war und wie man es ausspricht, war aber der Ansicht, dass in den USA alles englisch zu sein hatte und knallte Herrn Müller die Papiere mit dem Namen Miller vor den Latz - keine Widerrede!

Erklärung 3: Aufgrund seiner Absicht, sich gründlich in die US-Gesellschaft zu integrieren, wünschte Herr Müller von sich aus den Namen Miller...

Wie war es wirklich? Gab oder gibt es dazu Verwaltungsvorschriften, amtliche Namens-Transkriptionslisten etc.??
 
Ich kann dir nicht sagen warum es zu solchen Änderungen bei der Einreise in die USA kam.
Nur das es heute auch schnell geschehen kann. Ich habe meine Frau in Russland kennengelernt und geheiratet. Der Familienname ihres Vaters ist nach russ. Schreibweise Bekker. Das wurde hier bei seiner Einreise als Aussielder auch 1:1 so übernommen. Es hatte mehrere Geschwister die vor ihm einreisten. Einer noch vor der Wiedervereinigung. Die Schreibweise variiert von Bäcker über Becker bis Bekker.
Je nach dem wer das aufnahm.
Mein Familienname ist Richter. Bei der Passänderung meiner Frau nach der Hochzeit wurde daraus Rikhter (angeblich franz. Schreibweise). In der deutschen Botschaft 1:1 so übernommen obwohl eine Kopie meines Passes + Schreiben meines Einwohnermeldeamtes mit richtiger Schreibweise vorlag.
Hier mußten wir dann beweisen, das wir verheiratet sind, das die Übersetzung aus dem Russischen wirklich Richter ergibt und das ich deutscher Staatsbürger und mein Familienname wirklich Richter ist. Letzteres weil ich auch im Ausland geboren wurde und es seit damals einige Änderungen in den ISO-Normen zu Übersetzungen gab.
Das hat mich, einen der deutschen Sprache kundigen, fast einen Monat gekostet.
Wer das Theater nicht will oder dadurch nichts verliert, der gibt sich auch mit einer anderen Schreibweise zufrieden.
 
In Deutschland verhält es sich so:
Namensrecht (Deutschland) ? Wikipedia
Namensrecht (Deutschland) ? Wikipedia

Wer es offizieller mag:
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV)

Bei der Einwanderung in die USA (und auch danach) kamen v.a. Punkt 2. und 3 von rrttdds Erklärungen zur Anwendung, die sich auch nicht gegenseitig ausschlossen. Bei Griechen und Russen kamen ja noch die von sascha genannten Probleme mit der anderen Schrift hinzu. Freiwillig war die Änderung bei den Steinwegs/ways, und ziemlich sicher auch den Böing, Rockenfeller, Eisenhauer. Vermutlich auch bei dem:
Spiro Agnew ? Wikipedia
 
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Hier mußten wir dann beweisen, das wir verheiratet sind, das die Übersetzung aus dem Russischen wirklich Richter ergibt und das ich deutscher Staatsbürger und mein Familienname wirklich Richter ist. Letzteres weil ich auch im Ausland geboren wurde und es seit damals einige Änderungen in den ISO-Normen zu Übersetzungen gab.
Das hat mich, einen der deutschen Sprache kundigen, fast einen Monat gekostet.
Wer das Theater nicht will oder dadurch nichts verliert, der gibt sich auch mit einer anderen Schreibweise zufrieden.

Die von den Meldeämtern verwendeten Iso-Normen sind wirklich bescheuert!

Ich kenne jemand, der seine Tochter noch in der Sowjet-Union Giulia nannte, nach der von Schakespeare. Also auch im Russischen abweichend vom üblichen Namen Julia geschrieben. In Deutschland wurde daraus Dzulia. :S

Im vorigen Jahrhundert gingen diese Anglifizierungen (bzw. Hispanisierungen z.B. in Argentinien wo es auch viele Einwanderer gab denen man die Namen änderte) auf verschiedene Ursachen zurück: Z.B. auf Beamte die nicht die Dokumente richtig lesen konnten, sei es weil sie handschriftlich und undeutlich verfasst waren oder weil die Schrift im Einwanderungsland nicht üblich und verständlich war (Sütterlin, Fraktur, kyrillisch oder arabisch) und sie es sich vom Interessenten selbst diktieren liessen, weil Umlaute, oder ligaturen wie ß auftauchten, aus Schikane oder schlicht als Fehler, wie bei einer Familie die ich kannte, bei der aus dem Vornamen des Großvaters der Nachname der Familie wurde.

Gelegentlich ging die Änderung auch auf die Namensträger selbst zurück, sei es um sich anzugleichen (viel während des 1 WK passiert) oder auch aus unlauteren Gründen: Vor kurzen hat ein Historiker das Leben des Tangosängers Carlos Gardel gründlich untersucht. Bei diesem gab es verschiedene Versionen über sein Geburtsort (Toulouse, Tacuarembó oder Montevideo) und seinen Nachnamen (Gardel oder Gardes). Anscheinend sind diese Varianten durch ihm selbst entstanden, da er in jungen Jahren wegen Betrugs einwanderte und danach versuchte seine Spuren zu verwischen, in dem er seine Papiere ändern liess.
 
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