Die Vorgänge innerhalb der „SBZ/DDR“ waren unmittelbar relevant für die Ausrichtung und den Fortgang des Kalten Krieges. Mit dem Machtkampf um die Nachfolge von Stalin und dem verzögert auch in der SED stattfindenden Machtkampf, wurden zentrale Weichen gestellt in Bezug auf die Neutralisierung (Finnlandisierung?) von Deutschland oder der Zementierung des Status quo mit zwei separate deutschen Staaten. 1953 war kurzfristig vieles möglich.
Den Kommunisten hat dieses Ereignis gezeigt, man muss immer auf der Hut sein (innen wie außen) um schnell und wirksam zurückzuschlagen. Erhaltung der Macht.
Das ist zu pauschal und deswegen eine kurze Erklärung. Am 27.05.1953 tagte der Ministerrat in Moskau. Zu dem Zeitpunkt war, nach dem Tod von Stalin, Beria ein dominanter Machtfaktor im Kreml.
Laut Gromyko formulierte Beria folgendes: „Wir brauchen nur ein friedliches Deutschland. Aber ob es dort den Sozialismus gibt oder nicht, ist uns ganz gleich…Die DDR? Was ist sie wert, die DDR? Sie ist ja noch nicht einmal ein richiger Staat. Sie wird nur von sowjetischen Truppen am Leben erhalten, ….“(zitiert in Wolle, S. 248)
Auch wenn sich Beria im Machtkampf zwischen dem militärisch-administrativen Komplex und der Partei nicht durchsetzen konnte, steht er durchaus auch für eine kritische Sicht aus Teilen der politischen Elite in Moskau. Wichtig ist, dass die Optionen des Kreml in Bezug auf Deutschland zu dem Zeitpunkt nicht auf die Maximierung des eigenen Einflussbereichs abzielten.
Ansonsten: Wer nun im einzelnen „Kommunist“ war, sei dahingestellt und „Nikita“ („erinnert sich“) war einer, der abstritt, dass Beria ein „Kommunist“ gewesen sei.
Fortsetzung: Am 2. Juni 1953 wurden 3 Genossen (Ulbricht, Grotewohl und Oelßner (Übersetzer) des ZK der SED nach Moskau bestellt (Wolle, S. 246). Es wurde ihnen folgender Beschluss des ZK der KPdSU überreicht (vgl. Link)
17. Juni 1953 | Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage
Es war eine drastische „Abrechnung“ mit den Fehlern der SED (teils auf Veranlassung aus Moskau) und im Resümee wurde festgehalten, dass diese falsche Politik die Existenz der DDR gefährden würde. Stattdessen wurde ein Bündel an Maßnahmen vorgeschlagen, die in der praktischen Umsetzung zunächst auf eine Verzögerung des Prozesses der sozialistischen Umgestaltung der DDR hinauslief. (vgl. Wolle, S. 248 und entsprechend auch Staritz oder Meuschel).
Am 5. Juni 1953 versammelt sich das ZK der SED in Berlin und „Es schien, als habe die Kritik aus Moskau alle Schleusen geöffnet“ (ebd. S. 250) und lief auf eine deutliche Demokratisierung hinaus und es kam zu einer „Revolte gegen Ulbricht“. Protagonisten waren vor allem Herrnstadt (Kandidat des PB) und Zaisser (PB) und sie waren es vor allem, die sich für den „Neuen Kurs“ eingesetzt haben.
Am 11. Juni erschien im „Neuen Deutschland“ ein Kommunique des PB des ZK der SED vom 9. Juni, in dem drastisch ein Eingeständnis der Fehler der vergangenen Jahre zugegeben wurden und wurde als „Bankrotterklärung“ des Regimes wahrgenommen. Mit verheerenden Konsequenzen auch für die mittleren Kader der SED, die sich „von Oben“ verraten fühlten.
Insgesamt kam diese Entwicklung sehr plötzlich und verlief bis dahin unter höchster Geheimhaltung (vgl. die Darstellung dazu von Wolf, durchaus interessant) .
In diese Situation kam aus einer Reihe von ökonomischen Erfordernissen, im wesentlichen um die Modernisierung der Volkswirtschaft zu leisten, die Erhöhung der „Normen“.
In diesem Sinne reagierte Grotewohl im Juni 1953 durchaus zutreffend, als er die revoltenartigen Proteste der Arbeiter beschrieb: „Wenn Massen von Arbeitern die Partei nicht verstehen, ist die Partei schuld, nicht die Arbeiter.“ (zitiert in Staritz, S. 85)
In der Folge nehmen zwischen 300.000 bis 350.000 Teilnehmer an Protestaktionen teil.
In diesem Sinne kamen die Proteste zu einem Zeitpunkt, zu dem das Regime extrem schwach war und durchaus Gefahr lief, auf der vielfältigen Widersprüche zu implodieren. Diese Situation hätte das machtpolitische Gefüge in Mitteleuropa destabilisiert und daran hatte eigentlich keiner Interesse.
Der Westen hatte sich relativ zurück gehalten, teils sogar mäßigend sich geäußert. Und an diesem Punkt ergibt sich dann die relevante außenpolitische Erkenntnis.
Trotz des „Theaterdonners“ und markiger Sprüche hat sich der Westen nicht im Rahmen von Interventionen in die Politik des sowjetischen Einflußbereichs eingemischt. Und damit den Status quo bestätigt und somit „Verläßlichkeit“ signalisiert.
Möglicherwiese eine „vertrauensbildende“ Maßnahme, die bewußt oder unbewußt in der Zukunft wichtig sein sollte, dem Kreml nicht das Gefühl zu geben, erneut um seine Existenz kämpfen zu müssen. Was fatal gewesen wäre im Hinblick auf die folgenden Krisen um die Mauer und um Kuba.
Meuschel, Sigrid (1992): Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox von Stabilität und Revolution in der DDR, 1945-1989. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, speziell 17. Juni S. 116 ff
Staritz, Dietrich (1985): Geschichte der DDR. 1949 - 1985. Frankfurt am Main: Suhrkamp, speziell 17. Juni, S. 78 ff
Wolf, Markus (1999): Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen. 3. Aufl. München: Econ & List Taschenbuch-Verl., speziell 17. Juni, S. 76 ff
Wolle, Stefan (2014): Die DDR. Eine Geschichte von der Gründung bis zum Untergang. Bonn: bpb: Bundeszentrale für politische Bildung (Schriftenreihe, Band 1517)., speziell 17. Juni, S. 245 ff